Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.01.2013, Az. I ZR 51/11

1. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8670

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Gegenstand

Wettbewerbsrecht: Werbung für legale Glücksspiele mit Aufforderungscharakter;  Unterlassung verbotener Werbung gegenüber Minderjährigen in Bayern


Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 29. Zivilsenats des [X.] vom 17. März 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist der 2008 gegründete [X.] - [X.] im [X.] Der Beklagte zu 1 ist der [X.], der über seine Staatliche Lotterieverwaltung in [X.] Sofortlotterien veranstaltet. Der Kläger nimmt den Beklagten zu 1 und den Geschäftsführer der Staatlichen Lotterieverwaltung in [X.], den Beklagten zu 2, wegen unzulässiger Glücksspielwerbung im [X.] in Anspruch.

2

Die Satzung des [X.] bestimmt in § 5 Nr. 1, dass "juristische Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind …" von der Mitgliedschaft ausgeschlossen sind. Gemäß § 3 Nr. 1 der Satzung bezweckt der Kläger ausschließlich die Förderung der Interessen privater Gewerbetreibender im Glücksspielwesen; zu diesem Zweck will er den lauteren Wettbewerb fördern und das Marktverhalten von Marktteilnehmern beobachten.

3

Der Kläger wendet sich gegen die nachfolgend eingeblendete Werbung, die am 7. April 2009 auf der [X.]seite „Lotto [X.]“ aufgerufen werden konnte:

Abbildung

4

Der Kläger hat, soweit für die Revisionsinstanz noch von Interesse, beantragt,

den Beklagten unter Androhung von [X.] zu verbieten, bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des [X.] für öffentliches Glücksspiel, nämlich Sofortlotterien, insbesondere [X.]lose, extraGehalt- und/oder Astrolose, wie nachstehend wiedergegeben und am 7. April 2009 im [X.] geschehen, zu werben oder werben zu lassen

(es folgt die Einblendung der beanstandeten Werbung).

5

Das [X.] hat die Beklagten nach dem Unterlassungsantrag verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen, weil sie rechtsmissbräuchlich sei. Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt der Kläger seinen Unterlassungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

6

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

7

Die angegriffene Werbung sei zwar unlauter, weil sie gegen § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 verstoße. Die Klage sei aber unzulässig, weil der Kläger die Klagebefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG rechtsmissbräuchlich allein zu dem Zweck einsetze, unlauterem Wettbewerbsverhalten der staatlichen Lottogesellschaften entgegenzuwirken, sich aber kategorisch weigere, Wettbewerbsverstöße seiner Mitglieder zu verfolgen.

8

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

9

1. Wie der [X.] nach Verkündung des Berufungsurteils entschieden hat, handelt der Kläger nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er sich dauerhaft auf die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen der staatlichen Lottogesellschaften beschränkt. Denn diese Beschränkung folgt bereits aus seinem - rechtlich unbedenklichen - Verbandszweck, ausschließlich die Interessen privater Gewerbetreibender im Glücksspielwesen zu vertreten und zu diesem Zweck den lauteren Wettbewerb zu fördern und das Marktverhalten von Marktteilnehmern zu beobachten ([X.], Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 148/10, [X.], 411 Rn. 25 = [X.], 453 - Glücksspielverband).

Besondere Umstände, die im Streitfall die Rechtsverfolgung durch den Kläger rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

2. Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, so dass sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1 ZPO).

Da das Berufungsgericht die Berufung für unzulässig gehalten hat, hat es keine Entscheidung zur Sache getroffen und konnte sie auch nicht treffen. Seine Ausführungen zur Sache gelten grundsätzlich für die Revisionsinstanz als nicht geschrieben (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 23. Oktober 1998 - [X.] 3/98, NJW 1999, 794; Urteil vom 22. März 2006 - [X.], [X.], 2705 Rn. 11, jeweils mwN).

III. Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:

Der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsantrag des [X.] ist nur begründet, wenn er auch nach dem zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht besteht (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 25. April 2012 - [X.], [X.], 1279 Rn. 16 = [X.], 1517 - [X.] RÄTSELHEFT).

1. Dafür kommt es einerseits darauf an, ob die beanstandete Werbung "Glückspäckchen im Osternest" den Anforderungen entspricht, die nach § 5 Abs. 1 und 2 des für [X.]n seit dem 1. Juli 2012 geltenden [X.] (GlüStV 2012) für alle Formen von Glücksspielwerbung gelten.

Gemäß § 5 Abs. 1 GlüStV 2012 ist Art und Umfang der Werbung für öffentliches Glücksspiel an den Zielen des § 1 GlüStV 2012 auszurichten. Neben einem konkretisierten [X.] bestimmt § 5 Abs. 2 GlüStV 2012, dass sich die Glücksspielwerbung nicht an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richten darf. Nach § 5 Abs. 4 GlüStV 2012 soll eine Werberichtlinie der Länder Art und Umfang der erlaubten Werbung konkretisieren.

a) Bei der Prüfung der Frage, ob die beanstandete Werbung mit den Zielen des § 1 Abs. 1 GlüStV 2012 in Einklang steht, wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass ein Aufforderungscharakter von Werbung für sich allein nicht das Ziel beeinträchtigt, "das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen". Denn mit dem gegenüber dem bisherigen Recht neuen Regelungsansatz für Glücksspielwerbung in § 5 GlüStV 2012 sollte eine Kanalisierung der Nachfrage auf legale und weniger gefährliche Formen des Glücksspiels erreicht werden. Damit wird vorausgesetzt, dass auf diese legalen Angebote in wirksamer Weise aufmerksam gemacht werden darf (vgl. Erläuterungen zum Antrag auf Zustimmung zum [X.], [X.]. [X.], Drucks. 16/11995, S. 16, 26 i.V.m. 21).

b) Hinsichtlich eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 2 GlüStV 2012 wird es kaum ausreichen, dass eine Werbung auch von Minderjährigen oder vergleichbar gefährdeten Personen aufgerufen werden kann. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass sich eine Werbung nur dann an Angehörige der von § 5 Abs. 2 GlüStV geschützten Kreise richtet, wenn sie in Inhalt oder Gestaltung erkennbar - zumindest auch - auf diese Personengruppen als Zielgruppe ausgerichtet ist (vgl. auch [X.]. [X.], Drucks. 16/11995, S. 16, 26).

2. Andererseits besteht nach dem [X.] für Glücksspielwerbung im [X.] kein ausnahmsloses Verbot mehr. Vielmehr gilt für Lotterien, Sport- und Pferdewetten gemäß § 5 Abs. 3 GlüStV 2012 ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren haben die Beklagten Gelegenheit, zur Frage der Erlaubnis vorzutragen.

[X.]                         Schaffert

                      [X.]                          [X.]

Meta

I ZR 51/11

24.01.2013

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 17. März 2011, Az: 29 U 2819/10

§ 8 Abs 3 Nr 2 UWG, § 5 Abs 1 GlüStVtr BY 2012, § 5 Abs 2 GlüStVtr BY 2012

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.01.2013, Az. I ZR 51/11 (REWIS RS 2013, 8670)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8670

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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