Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2017, Az. 2 StR 130/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 9402

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:200617B2STR130.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 [X.]/17
vom
20. Juni
2017
in der Strafsache
gegen

wegen Mordes u.a.

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2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 20.
Juni
2017
gemäß §
349 Abs.
2 und 4
StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28.
Oktober 2016
a)
im Schuldspruch dahingehend neu gefasst, dass der Ange-klagte des Mordes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge und des Diebstahls schuldig ist;
b)
im Strafausspruch dahingehend abgeändert, dass die im Fall
1 der Urteilsgründe festgesetzte Einzelstrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe entfällt.
2.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3.
Der Beschwerdeführer hat
die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen.

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3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung, wegen Mordes und wegen Diebstahls, je-weils in Tatmehrheit,
zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt
und aufgrund eines [X.]s von dieser Gesamtstrafe zwei Monate für
vollstreckt
erklärt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem
aus der
Ent-scheidungsformel
ersichtlichen Umfang Erfolg.
Im Übrigen ist sie unbegründet
in Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.
Das [X.] hat
im Wesentlichen
folgende Feststellungen und [X.] getroffen:
Am 22.
Juli 2007 betrat der Angeklagte den Verkaufsraum einer Salatbar in der K.

Innenstadt. Er beabsichtigte, in den seines Erachtens leeren
Räumlichkeiten
nach
stehlenswerten
Gegenständen zu suchen. Tatsächlich befand sich im hinteren Teil des Ladenlokals die spätere Geschädigte, die dort die Warenbestellung für den nächsten Tag notierte.
Diese bemerkte den Angeklagten und sprach ihn an. Der Angeklagte fasste nunmehr den Entschluss,
die Geschädigte zur Herausgabe von Geld zu zwingen. Er griff der Geschädigten
an den Hals und forderte sie auf, ihm Geld zu geben. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, zog er ein von ihm mitgeführtes Messer mit feststehender Klinge hervor. Die Geschädigte begann daraufhin aus
Angst laut zu schreien.
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Der Angeklagte fürchtete nunmehr, dass durch die Schreie andere Per-sonen
auf das Geschehen aufmerksam werden und ihn daran hindern könnten, vom [X.] zu fliehen. In dieser Situation entschloss er sich spontan, das [X.] gegen die Geschädigte einzusetzen, um sie zum Schweigen zu bringen. Er stach wuchtig
auf die Geschädigte ein und brachte ihr mehrere tödliche Stich-verletzungen bei.
Nachdem die Geschädigte im Verlauf dieses
Tatgeschehens zu Boden gegangen war, brachte der Angeklagte die schwer Verletzte in den Kühlraum des Ladenlokals und schloss die Tür von außen. Er wollte hierdurch für einen möglichst langen Zeitraum verhindern, dass das Tatopfer von Passanten und Anwohnern gesehen und/oder gehört würde, um sich unerkannt und unbehelligt vom [X.] zu entfernen.
Als er sich anschließend Richtung Ausgang begab, fiel sein Blick auf zwei Taschen im
Verkaufsbereich, die die Geschädigte dort zuvor abgestellt hatte. In der Absicht, die Taschen der Geschädigten dauerhaft zu entziehen und deren Inhalt seinem Vermögen einzuverleiben, nahm er
diese an sich.
Ohne in dem Ladenlokal weiter nach Bargeld zu suchen, verließ er an-schließend die Salatbar. Die Geschädigte verstarb kurze Zeit später am [X.].

II.
1. Das [X.] hat die Tat als versuchte besonders schwere räuberi-sche Erpressung, Mord
und
Diebstahl gewertet und hinsichtlich der Konkurren-zen jeweils Tatmehrheit angenommen.

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2. Diese Wertung des [X.]s ist unter sachlich-rechtlichen [X.] zu beanstanden.
a) Der [X.] hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass der für §
251 StGB erforderliche qualifikationsspezifische Zusammenhang nicht nur gegeben ist, wenn der Täter durch die Nötigungshandlung,
die der [X.] der Wegnahme dient, den Tod des Opfers herbeiführt. Bei einer
auf den Zweck der
Vorschrift des §
251 StGB abstellenden Betrachtungsweise ist der besondere Zusammenhang auch dann gegeben, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr
in finaler Verknüpfung mit der [X.] steht, sie mit dem [X.] aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigentümliche besondere Ge-fährlichkeit verwirklicht ([X.], Urteil vom 27.
Mai 1998 -
3
StR 66/98, [X.], 511, 512). Demzufolge kann der Tatbestand des §
251 StGB auch dann gegeben sein, wenn der Täter die zum Tode führende Gewalt nicht mehr zur Ermöglichung der Wegnahme, sondern zur Flucht oder Beutesicherung anwen-det, sofern sich in der schweren Folge noch die spezifische Gefahr des Raubes realisiert, und der Raub bzw. die räuberische Erpressung noch nicht beendet war ([X.], Urteil vom 15.
Mai 1992 -
3 [X.], [X.]St 38, 295, 299; Urteil vom 27.
Mai 1998 -
3
StR 66/98, [X.], 511, 512; Urteil vom 23.
Dezember 1998 -
3
StR 319/98, NJW 1999, 1039, 1040; Beschluss vom 29.
März 2001 -
3
StR 46/01, [X.], 371; Beschluss vom 13.
August 2002 -
3 [X.], [X.], 34; Urteil vom 14.
Januar 2016 -
4
StR 72/15, [X.], 211, 214; ebenso [X.]/[X.] in [X.]/[X.], StGB, 29.
Aufl., §
251 Rn.
4; LK/[X.], StGB,
12.
Aufl., §
251 Rn.
8, 18 jew. [X.]; [X.], StGB, 64.
Aufl., §
251 Rn.
5; Sander
in [X.] Kommentar, StGB, 2.
Aufl., §
251 Rn.
11
[X.]; [X.]/[X.], Festschrift für [X.], 2011 S.
265, 280 f.; [X.], [X.], 3133, 3135).
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Nach diesen Maßstäben
ist hier der erforderliche qualifikationsspezifi-sche Gefahrzusammenhang gegeben. Zwar waren die tödlichen Messerstiche nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht mehr vom Willen ge-tragen, das Tatopfer zur Herausgabe von Geld zu nötigen, sondern dienten nur noch dazu, dieses zum Schweigen zu bringen und dadurch eine Entdeckung der Tat zu verhindern. Es gehört jedoch stets zu den sich aufdrängenden [X.] Risiken, dass das Opfer einer unter Verwendung eines Messers begangenen räuberischen
Erpressung vor
Entsetzen schreit,
und der Täter das Messer daraufhin in tödlicher Weise gegen das Opfer einsetzt, um eine Entde-ckung der Tat zu verhindern. Zudem war hier die Anwendung der tödlichen Gewalt so eng mit der
eigentlichen
räuberischen Erpressung verknüpft, dass der Unrechtsgehalt der Tat nicht in adäquater Weise erfasst wäre, wollte man den besonderen Kausalzusammenhang der schweren Folge verneinen. Denn
der Angeklagte hat die unmittelbar zuvor angedrohte Gewalt mit der Tötungs-handlung unter Einsatz des zuvor vorgehaltenen Messers gegen das Opfer der schweren räuberischen Erpressung umgesetzt, wobei die Tathandlungen der versuchten schweren räuberischen Erpressung und der Tötungshandlung zeit-lich und räumlich fließend ineinander übergingen.
b) Die vom [X.] zu Recht als Mord in [X.] gemäß §
211 Abs.
1, Abs.
2 Alt.
9 StGB gewertete Tötung der Geschädigten steht zur versuchten (schweren) räuberischen Erpressung mit Todesfolge in Tateinheit (vgl.
[X.], Beschluss vom 20. Oktober 1992

[X.]/92,
[X.]St 39, 100, 108; Beschluss vom 13.
August 2002 -
3
[X.], [X.], 34). Hinsichtlich der Wegnahme der Taschen verbleibt es bei einem tatmehrheitlich begangenen Diebstahl.
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3. §
265 Abs.
1 StPO steht einer Änderung des
Schuldspruchs nicht ent-gegen, weil in der Anklage der Tatvorwurf des Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge gemäß §§
211 Abs.
1 und Abs.
2, 249 Abs.
1, 250 Abs.
2
Nr.
1
Alt.
2, 251,
52 StGB aufgeführt war und der Angeklagte sich gegen den Vorwurf des Mordes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung mit [X.] gemäß §§
211 Abs.
1, Abs.
2 Alt. 9, 253, 255, 251, 22, 23, 52
StGB nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
4. Die Neufassung des Schuldspruchs bedingt die Änderung
des Straf-ausspruchs. Sie führt zum Wegfall der Einzelstrafe von drei Jahren für die tat-mehrheitlich ausgeurteilte versuchte besonders schwere räuberische Erpres-sung. Hinsichtlich
des Mordes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpres-sung mit Todesfolge verbleibt es gemäß §
52 Abs.
1, Abs.
2 StGB bei der
vom [X.] bereits für den Mord festgesetzten
lebenslangen
Freiheitsstrafe. Der vom [X.] vorgenommene [X.] sowie die weitere Einzel-strafe für den Diebstahl sind
unbetroffen.
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5.
Die weitergehende Revision bleibt aus den in der Antragsschrift des [X.] vom 3.
April 2017 dargestellten Gründen
gemäß §
349 Abs.
2 StPO ohne Erfolg.
Appl

Bartel

Wimmer

Grube

Schmidt

16

Meta

2 StR 130/17

20.06.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2017, Az. 2 StR 130/17 (REWIS RS 2017, 9402)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9402

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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