Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.06.2017, Az. 2 StR 130/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 9390

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Raub mit Todesfolge: Gewaltanwendung zur Ermöglichung von Flucht oder Beutesicherung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. Oktober 2016

a) im Schuldspruch dahingehend neu gefasst, dass der Angeklagte des Mordes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge und des Diebstahls schuldig ist;

b) im Strafausspruch dahingehend abgeändert, dass die im Fall 1 der Urteilsgründe festgesetzte Einzelstrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe entfällt.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung, wegen Mordes und wegen Diebstahls, jeweils in Tatmehrheit, zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und aufgrund eines [X.]s von dieser Gesamtstrafe zwei Monate für vollstreckt erklärt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet in Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

Am 22. Juli 2007 betrat der Angeklagte den Verkaufsraum einer Salatbar in der [X.]. Er beabsichtigte, in den seines Erachtens leeren Räumlichkeiten nach stehlenswerten Gegenständen zu suchen. Tatsächlich befand sich im hinteren Teil des Ladenlokals die spätere Geschädigte, die dort die Warenbestellung für den nächsten Tag notierte.

4

Diese bemerkte den Angeklagten und sprach ihn an. Der Angeklagte fasste nunmehr den Entschluss, die Geschädigte zur Herausgabe von Geld zu zwingen. Er griff der Geschädigten an den Hals und forderte sie auf, ihm Geld zu geben. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, zog er ein von ihm mitgeführtes Messer mit feststehender Klinge hervor. Die Geschädigte begann daraufhin aus Angst laut zu schreien.

5

Der Angeklagte fürchtete nunmehr, dass durch die Schreie andere Personen auf das Geschehen aufmerksam werden und ihn daran hindern könnten, vom [X.] zu fliehen. In dieser Situation entschloss er sich spontan, das Messer gegen die Geschädigte einzusetzen, um sie zum Schweigen zu bringen. Er stach wuchtig auf die Geschädigte ein und brachte ihr mehrere tödliche Stichverletzungen bei.

6

Nachdem die Geschädigte im Verlauf dieses Tatgeschehens zu Boden gegangen war, brachte der Angeklagte die schwer Verletzte in den Kühlraum des Ladenlokals und schloss die Tür von außen. Er wollte hierdurch für einen möglichst langen Zeitraum verhindern, dass das Tatopfer von Passanten und Anwohnern gesehen und/oder gehört würde, um sich unerkannt und unbehelligt vom [X.] zu entfernen.

7

Als er sich anschließend Richtung Ausgang begab, fiel sein Blick auf zwei Taschen im Verkaufsbereich, die die Geschädigte dort zuvor abgestellt hatte. In der Absicht, die Taschen der Geschädigten dauerhaft zu entziehen und deren Inhalt seinem Vermögen einzuverleiben, nahm er diese an sich.

8

Ohne in dem Ladenlokal weiter nach Bargeld zu suchen, verließ er anschließend die Salatbar. Die Geschädigte verstarb kurze Zeit später am [X.].

II.

9

1. Das [X.] hat die Tat als versuchte besonders schwere räuberische Erpressung, Mord und Diebstahl gewertet und hinsichtlich der Konkurrenzen jeweils Tatmehrheit angenommen.

2. Diese Wertung des [X.]s ist unter sachlich-rechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden.

a) Der [X.] hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass der für § 251 StGB erforderliche qualifikationsspezifische Zusammenhang nicht nur gegeben ist, wenn der Täter durch die Nötigungshandlung, die der Ermöglichung der Wegnahme dient, den Tod des Opfers herbeiführt. Bei einer auf den Zweck der Vorschrift des § 251 StGB abstellenden Betrachtungsweise ist der besondere Zusammenhang auch dann gegeben, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem [X.] aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht ([X.], Urteil vom 27. Mai 1998 - 3 [X.], [X.], 511, 512). Demzufolge kann der Tatbestand des § 251 StGB auch dann gegeben sein, wenn der Täter die zum Tode führende Gewalt nicht mehr zur Ermöglichung der Wegnahme, sondern zur Flucht oder Beutesicherung anwendet, sofern sich in der schweren Folge noch die spezifische Gefahr des Raubes realisiert, und der Raub bzw. die räuberische Erpressung noch nicht beendet war ([X.], Urteil vom 15. Mai 1992 - 3 StR 535/91, [X.]St 38, 295, 299; Urteil vom 27. Mai 1998 - 3 [X.], [X.], 511, 512; Urteil vom 23. Dezember 1998 - 3 [X.], NJW 1999, 1039, 1040; Beschluss vom 29. März 2001 - 3 StR 46/01, [X.], 371; Beschluss vom 13. August 2002 - 3 [X.], [X.], 34; Urteil vom 14. Januar 2016 - 4 StR 72/15, [X.], 211, 214; ebenso [X.]/[X.] in [X.]/[X.], StGB, 29. Aufl., § 251 Rn. 4; LK/[X.], StGB, 12. Aufl., § 251 Rn. 8, 18 jew. [X.]; [X.], StGB, 64. Aufl., § 251 Rn. 5; [X.] in [X.] Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 251 Rn. 11 [X.]; [X.]/[X.], Festschrift für [X.], 2011 S. 265, 280 f.; [X.], [X.], 3133, 3135).

Nach diesen Maßstäben ist hier der erforderliche qualifikationsspezifische Gefahrzusammenhang gegeben. Zwar waren die tödlichen Messerstiche nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht mehr vom Willen getragen, das Tatopfer zur Herausgabe von Geld zu nötigen, sondern dienten nur noch dazu, dieses zum Schweigen zu bringen und dadurch eine Entdeckung der Tat zu verhindern. Es gehört jedoch stets zu den sich aufdrängenden deliktstypischen Risiken, dass das Opfer einer unter Verwendung eines Messers begangenen räuberischen Erpressung vor Entsetzen schreit, und der Täter das Messer daraufhin in tödlicher Weise gegen das Opfer einsetzt, um eine Entdeckung der Tat zu verhindern. Zudem war hier die Anwendung der tödlichen Gewalt so eng mit der eigentlichen räuberischen Erpressung verknüpft, dass der Unrechtsgehalt der Tat nicht in adäquater Weise erfasst wäre, wollte man den besonderen Kausalzusammenhang der schweren Folge verneinen. Denn der Angeklagte hat die unmittelbar zuvor angedrohte Gewalt mit der Tötungshandlung unter Einsatz des zuvor vorgehaltenen Messers gegen das Opfer der schweren räuberischen Erpressung umgesetzt, wobei die Tathandlungen der versuchten schweren räuberischen Erpressung und der Tötungshandlung zeitlich und räumlich fließend ineinander übergingen.

b) Die vom [X.] zu Recht als Mord in [X.] gemäß § 211 Abs. 1, Abs. 2 Alt. 9 StGB gewertete Tötung der Geschädigten steht zur versuchten (schweren) räuberischen Erpressung mit Todesfolge in Tateinheit (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Oktober 1992 - [X.], [X.]St 39, 100, 108; Beschluss vom 13. August 2002 - 3 [X.], [X.], 34). Hinsichtlich der Wegnahme der Taschen verbleibt es bei einem tatmehrheitlich begangenen Diebstahl.

3. § 265 Abs. 1 StPO steht einer Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, weil in der Anklage der Tatvorwurf des Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge gemäß §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2, 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2, 251, 52 StGB aufgeführt war und der Angeklagte sich gegen den Vorwurf des Mordes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge gemäß §§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Alt. 9, 253, 255, 251, 22, 23, 52 StGB nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

4. Die Neufassung des Schuldspruchs bedingt die Änderung des Strafausspruchs. Sie führt zum Wegfall der Einzelstrafe von drei Jahren für die tatmehrheitlich ausgeurteilte versuchte besonders schwere räuberische Erpressung. Hinsichtlich des Mordes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge verbleibt es gemäß § 52 Abs. 1, Abs. 2 StGB bei der vom [X.] bereits für den Mord festgesetzten lebenslangen Freiheitsstrafe. Der vom [X.] vorgenommene [X.] sowie die weitere Einzelstrafe für den Diebstahl sind unbetroffen.

5. Die weitergehende Revision bleibt aus den in der Antragsschrift des [X.] vom 3. April 2017 dargestellten Gründen gemäß § 349 Abs. 2 StPO ohne Erfolg.

Appl     

       

Bartel     

       

Wimmer

       

Grube     

       

[X.]     

       

Meta

2 StR 130/17

20.06.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Köln, 28. Oktober 2016, Az: 111 Ks 2/16

§ 251 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.06.2017, Az. 2 StR 130/17 (REWIS RS 2017, 9390)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9390

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 130/17 (Bundesgerichtshof)


2 StR 469/18 (Bundesgerichtshof)

Raub mit Todesfolge: Beurteilung tödlicher Gewaltanwendung im Anschluss an einen gescheiterten Raubversuch


4 StR 602/19 (Bundesgerichtshof)

Raub mit Todesfolge: Qualifikationsspezifischer Zusammenhang


3 StR 63/21 (Bundesgerichtshof)

Strafverurteilung wegen erpresserischen Menschenraubs u.a.: Erzwungene Preisgabe des Verstecks einer noch wegzunehmenden Beute; Entgegennahme einer …


1 StR 34/19 (Bundesgerichtshof)

Versuch der räuberischen Erpressung mit Todesfolge: Wirksamkeit des Rücktritts eines "Lebensmittelerpressers" bei Verhinderung der Todesfolge


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.