Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.11.2012, Az. XI ZR 384/11

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 967

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
XI ZR 384/11
Verkündet am:
27. November 2012
Herrwerth
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 27.
November 2012 durch [X.] [X.], die Richter Dr.
Joeres, Dr.
Ellenberger und Dr.
Matthias sowie die Richterin Dr.
Menges

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 17.
Zivilsenats des [X.] vom 22.
Juli 2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts
wegen

Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die beklagte Bank aus eigenem und abgetretenem Recht auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im [X.] mit dem Erwerb von Zertifikaten der inzwischen insolventen [X.] sowie auf Rückabwicklung nach Widerruf ihrer [X.] in Anspruch.
Die Klägerin, eine Grundschullehrerin, und ihr Ehemann, ein Polizeibe-amter
(nachfolgend: Zedent), unterhielten ein Wertpapierdepot bei der Rechts-vorgängerin der
Beklagten
(nachfolgend: Beklagte), über das sie zahlreiche Wertpapiergeschäfte abwickelten. Unter anderem erwarben
sie
am 27.
Oktober 2004 das D.

Zertifikat
VII, das sie am 12.
Oktober 2006 mit einer Rendite von rund 26% wieder verkauften. Am 16.
Oktober 2006 zeich-1
2
-
3
-
neten sie das D.

Zertifikat XIV. Außerdem investierten die Klägerin und ihr Ehemann in Aktien.
Aufgrund eines mit einem Mitarbeiter der Beklagten geführten Bera-tungsgesprächs, dessen Ablauf
im Einzelnen streitig ist, erteilten die Klägerin und der Zedent am 8.
Februar 2007 den
Auftrag zum Kauf von 16
Stück "G.

"-Zertifikate
(

, künftig: Zertifikate) der [X.] (künftig: Emittentin), ab dem 6./7. Februar 2007 an die Entwicklung des [X.] EuroSTOXX 50, des Standard & Poor´s 500 sowie des [X.] gebundene aktienindexbasierte Bonuszertifikate,
im Nennwert von 1.000

1.004,35

, für die die Beklagte von der Emittentin eine Vertriebsprovision von
3,5% erlöste. Die Beklagte führte das Geschäft zu einem Festpreis aus. Eine Widerrufsbelehrung erteilte sie nicht.
Die Zertifikate
wurden ab dem 1.
August 2007 an der Börse gehandelt.
Am 13.
Mai 2008 erhielten die Klägerin und der Zedent eine Bonuszahlung in Höhe von 1.400

-amerikanische Konzern-mutter
der Emittentin, die für die Rückzahlung der Zertifikate die Garantie über-nommen hatte, insolvent. Dies zog die Insolvenz der Emittentin nach sich, so
dass die Anleihen weitgehend wertlos wurden.
Mit Schreiben vom 9.
Februar 2010 erklärten die Klägerin und der Zedent den Widerruf aller von ihnen im Zu-sammenhang mit dem Erwerb der Zertifikate abgegebenen Erklärungen.
Die auf Rückgewähr von 16.069,60

abzüglich des am 13.
Mai 2008 er-haltenen Bonus
bzw. Schadensersatz in gleicher Höhe Zug um Zug gegen Rückübertragung der Zertifikate sowie Ersatz weiterer Schäden gerichtete [X.] ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

3
4
5
-
4
-
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in [X.], 419
ff.
veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin könne die
Rückgewähr erbrachter
Leistungen
Zug um
Zug gegen Rückübertragung der Zertifikate nicht verlangen, da ein
Widerrufsrecht nicht bestanden und der von der Klägerin und ihrem Ehemann erklärte Widerruf mithin ins Leere gegangen sei. Zugunsten der Klägerin unterstellt, die Regelun-gen über Fernabsatzverträge fänden Anwendung, greife die Ausnahmeregel des §
312d Abs.
4 Nr.
6 [X.], der zufolge das
Widerrufsrecht ausgeschlossen
sei, sofern der
Preis des Vertragsgegenstands auf dem Finanzmarkt [X.] unterliege, auf die der Unternehmer -
hier: die Beklagte
-
keinen Ein-fluss habe und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten könnten. Sinn und Zweck dieser Regelung sei es
auszuschließen, dass der
Verbraucher risikolos auf Kosten des Unternehmers
spekuliere, indem er während der Widerrufsfrist die Entwicklung des erworbenen Finanzprodukts beobachte
und bei Ablauf der Widerrufsfrist entweder eine bis dahin eingetretene Kurssteigerung in einen Spekulationsgewinn umsetze oder
bei für ihn ungünstiger Entwicklung
einen
Verlust durch Widerruf
vermeide. Die Vorschrift sei anwendbar,
obwohl die [X.] erst ab dem 1.
August 2007
an der Börse gehandelt worden seien. Ihr
Preis habe ab
dem 6.
Februar 2007
auf der Entwicklung der Indizes beruht, weshalb sie ab dem 7.
Februar 2007 ihren Wert hätten verändern können. Ent-sprechend
hätten die Klägerin und ihr Ehemann am 8.
Februar 2007 nicht mehr 6
7
8
-
5
-
den Nominalwert von 1.000

sondern einen um 4,35

höheren Preis pro Stück gezahlt.
Schadensersatz wegen
einer [X.] stehe der Klä-gerin nicht zu. Die Beklagte habe nicht über die Höhe ihrer Gewinnmarge [X.] müssen. Es fehlten Anhaltspunkte dafür, dass mit einem Totalverlust bei einer Anlage in eine Inhaberschuldverschreibung der Emittentin im Februar 2007 zu rechnen gewesen sei. Im Übrigen habe die Beklagte zwar auf die ku-mulierten Risiken des an die Entwicklung dreier Indizes geknüpften und seiner Funktionsweise nach schwer verständlichen Produkts hinweisen müssen. [X.] der durchgeführten Beweisaufnahme sei aber davon auszugehen, dass die Klägerin und ihr Ehemann "zertifikaterfahren und renditeorientiert"
bzw. "chancenorientiert"
gewesen seien, und
der Klägerin der Nachweis einer unzu-reichenden Aufklärung nicht gelungen sei. Dieser Nachweis habe ihr ohne Rücksicht darauf oblegen, dass die Beklagte den Verlauf des dem Verkauf vo-rausgegangenen Beratungsgesprächs nicht dokumentiert habe, weil im Zeit-punkt des [X.] eine Pflicht zur schriftlichen Dokumentation des Beratungsverlaufs noch nicht bestanden habe.

II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Die Klägerin kann aus eigenem und abgetretenem Recht weder die Rückabwick-lung des [X.] noch Schadensersatz verlangen.
1. Das Berufungsgericht ist mit der obergerichtlichen Rechtsprechung und der mehrheitlich in der Literatur vertretenen Auffassung (OLG
Karlsruhe, WM
2012, 213, 215
f.; 1860, 1861
ff.; [X.], WM
2011, 1893; Be-9
10
11
-
6
-
schluss vom 26.
Mai 2011 -
19
U
51/10, juris Rn.
1
ff.; [X.], Ur-teil vom 15.
Februar 2012 -
13
U
124/11 n.v.; OLG
Hamm, [X.], 1412, 1413; [X.], Beschluss vom 27.
Januar 2012 -
5
U
70/11, juris Rn.
39
f.; [X.], [X.] §
312d [X.] 2.11; Kropf, [X.], 1268, 1270
f.; [X.]/[X.], [X.], 41, 45 [zu [X.]];
[X.]/[X.], [X.], 71.
Aufl., §
312d Rn.
14; [X.], [X.], 37, 38; [X.] in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3.
Aufl., §
10 Rn.
83; [X.], EWiR 2011, 801, 802; [X.]/[X.], [X.], Neubearbei-tung 2013, §
312d Rn.
76; dagegen Schick, AG
2011, R
73, R
74; [X.], EWiR 2012, 9, 10; [X.], [X.], 321, 325 ff.; LG
Krefeld, [X.], 32, 35
f.; wohl auch [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
312d Rn.
27;
MünchKomm[X.]/
[X.], 6.
Aufl., §
312d Rn.
46; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 3.
Aufl., §
312d Rn.
57) zu Recht davon ausgegangen, der Klägerin und ihrem Ehemann habe nach §
312d Abs.
1 Satz
1, §

355 [X.] ein Recht zum Widerruf der
auf Abschluss des Kaufvertrages als möglichem Fernabsatzver-trag gerichteten Willenserklärung jedenfalls deshalb nicht zugestanden, weil Gegenstand des Vertrages die Verschaffung von Finanzdienstleistungen gewe-sen sei, deren "Preis"
innerhalb der Widerrufsfrist -
dem Einfluss der Beklagten entzogen
-
Schwankungen unterlegen habe. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Zertifikate erst ab dem 1.
August 2007 an der Börse notierten. [X.] war nach der Systematik, dem Sinn und Zweck und der Gesetzgebungs-geschichte des §
312d Abs.
4 Nr.
6 [X.], dass sie den Anspruch des Inhabers gegen den Emittenten auf Zahlung eines vom Stand der zugrundeliegenden Basiswerte (oder Underlyings) abhängigen Geldbetrages verbrieften (vgl. [X.] vom 27.
September 2011 -
XI
ZR
182/10, [X.], 119 Rn.
26 [X.]) und ihre Werthaltigkeit bereits am 8.
Februar 2007
an
die Entwicklung der in Bezug genommenen Indizes geknüpft war.
-
7
-
a) "Preis"
im Sinne des §
312d Abs.
4 Nr.
6 [X.] ist nicht nur das Entgelt für ein Finanzprodukt, sondern auch ein wertbestimmendes Underlying.
[X.]) Dass mit dem Begriff des "Preises"
in §
312d Abs.
4 Nr.
6 [X.] nicht (nur) ein unmittelbar auf dem Finanzmarkt gebildeter Börsenpreis, sondern auch ein den Marktpreis mittelbar beeinflussender Basiswert gemeint ist, der seinerseits Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt, ergibt sich [X.] und historisch aus der Aufnahme von "Derivaten"
in den Regelbeispielska-talog des §
312d Abs.
4 Nr.
6 [X.]. Dieser Begriff fasst nach dem Willen des Gesetzgebers die in Art.
6 Abs.
2 Buchst.
a der Richtlinie 2002/65/[X.] des [X.] und des Rates vom 23.
September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der [X.] und 98/27/[X.] ([X.]. [X.] 2002 Nr.
L 271, S.
16, künftig: [X.])
genannten ([X.]) "Swaps, Futures und Optionen"
zusammen (BT-Drucks.
15/2946, S.
23; vgl. auch Sied-ler, [X.] Finanzdienstleistungen, 2.
Aufl., Rn.
198). Insbesondere Equity Swaps nehmen -
anders als etwa Credit Default Swaps, die in Art.
6 Abs.
2 Buchst.
a [X.] nicht erwähnt sind und als deren Referenzwerte ver-traglich festgelegte, nicht marktbeeinflusste Kreditereignisse wie Insolvenz, Aufsage oder Verzug des Referenzschuldners fungieren (Jahn in Schimansky/
Bunte/[X.], [X.], 4.
Aufl., §
114 Rn.
25; [X.] in
[X.]/[X.], Bank-
und Kapitalmarktrecht, 4.
Aufl., Rn.
19.232; [X.] in [X.]/Kohlh[X.]s, Strafrechtliche Nebengesetze, 188.
Ergänzungslieferung, §
30j WpHG Rn.
2) -
auf marktbestimmte Basiswerte Bezug, nach
denen sich [X.] der jeweiligen von den Beteiligten vereinbarten Tauschbedingungen die Zahlungspflichten bemessen, ohne selbst einem Börsenhandel zu unterlie-gen.
12
13
-
8
-
Daraus folgt, dass über die Einordnung in §
312d Abs.
4 Nr.
6 [X.] nicht (nur) die Mechanismen entscheiden, die unmittelbar zur Bildung eines [X.] führen, sondern auch die sonstigen maßgeblich wertbestimmenden Faktoren
([X.], WM
2012, 213, 216; 1860, 1862
f.). Entsprechend kommt es für die Subsumtion unter die Ausnahme des §
312d Abs.
4 Nr.
6 [X.] nicht darauf an, ob Zertifikate der hier maßgeblichen Art bzw. eines in solche Zertifikate und Aktien investierenden Fonds (schon oder überhaupt) an einer Börse gehandelt werden
und in welchem Umfang der Emittent -
oder die Bank im Zuge eines Festpreisgeschäfts
-
Gewinnmargen in den Verkaufspreis ein-rechnen.
[X.]) Nur ein weites Verständnis des "Preises"
im Sinne des §
312d Abs.
4 Nr.
6 [X.] wird Sinn und Zweck der Regelung gerecht ([X.], [X.], 213, 216; 1860, 1862; [X.], Beschluss vom 27.
Januar 2012 -
5
U
70/11, juris Rn.
40; Kropf, [X.], 1268, 1271; [X.], [X.], 37, 38; [X.], EWiR 2011, 801, 802; a.[X.], BKR
2011, 32, 35
f.; [X.], [X.], 321, 327). Dieser besteht darin, das Risiko eines wenigstens mittelbar finanzmarktbezogen spekulativen Geschäfts mit seinem Abschluss in gleicher Weise auf beide Parteien zu verteilen ([X.], [X.] §
312d [X.] 2.11; [X.], Die Umsetzung
der Fernabsatzrichtlinie im [X.] und [X.] Recht, 2006, S.
62; [X.], [X.] von Finanzdienstleis-tungen an Verbraucher, 2004, Rn.
134; Kropf, [X.], 1268, 1270
f.; [X.], Die Fernabsatz-Richtlinie für Finanzdienstleistungen an Verbraucher, 2003, S.
201; [X.], [X.], 2009, S.
61;
[X.], [X.] von Finanzdienstleistungen an Verbraucher, 2006, S.
99; [X.], BB
2005, 53, 59
f.; vgl. außerdem die Begründung der [X.] zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des [X.] und des Rates über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der 14
15
-
9
-
[X.] und 98/27/[X.], KOM(1998)
468
endg., S.
14).
Definierte man "Preis"
eng (nur) als Kauf-
oder Handelspreis, verschöbe sich das Risiko einer negativen Wertentwicklung einseitig zulasten des Unternehmers, da der Verbraucher einen drohenden Verlust aufgrund fallender Basiswerte innerhalb der Widerrufsfrist durch Ausübung des Widerrufsrechts auf den Unternehmer abwälzen könnte.
Von Fällen, in denen Vertragsgegenstand die Lieferung von Waren ist, deren Wert mittelbar von Preisschwankungen auf Rohstoffmärkten abhängt, etwa der Wert eines Goldrings von der Entwicklung des Goldpreises (vgl. [X.], EWiR 2012, 9, 10;
[X.], BKR
2010, 321, 326; [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
312d Rn.
27; MünchKomm[X.]/[X.], 6.
Aufl., §
312d Rn.
46), und die ersichtlich nicht von §
312d Abs.
4 Nr.
6 [X.] erfasst sind, un-terscheidet sich der Handel mit basiswertabhängigen Finanzinstrumenten ent-scheidend dadurch, dass der spekulative Charakter [X.] des Geschäfts ausmacht und individuelle wertbildende Faktoren, etwa die Qualität der Verar-beitung, für die Preisbildung keine Rolle spielen.
cc) Das Gebot, §
312d Abs.
4 Nr.
6 [X.] im Einklang mit dem durch die Bestimmung umgesetzten [X.] Sekundärrecht zu interpretieren, steht der Gleichsetzung des "Preises"
mit dem Basiswert nicht entgegen (vgl.
[X.], [X.] §
312d [X.] 2.11; Kropf, [X.], 1268, 1271). Im Gegenteil
lässt sich Art.
6 Abs.
2 Buchst.
a [X.] dieser Gleichlauf ohne weiteres entnehmen, ohne dass für den Senat -
wie in der Revisionsverhand-lung gefordert
-
Anlass bestünde, dem [X.] die Frage nach der Reichweite dieser Bestimmung zu unterbreiten.
(1) Zwar ist der Senat gemäß Art.
267 Abs.
3 AEUV als innerst[X.]tlich letztinstanzlich entscheidendes Gericht grundsätzlich verpflichtet, eine Vorab-16
17
18
-
10
-
entscheidung des Gerichtshofs einzuholen, wenn [X.]srecht auszule-gen ist. Die Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte der Mitgliedst[X.]ten entfällt jedoch, wenn die richtige Anwendung des [X.]srechts derart offen-kundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bleibt ([X.], Slg.
1982, 3415 Rn.
16; Slg.
2005, [X.] Rn.
33).
Das innerst[X.]tliche Gericht darf nur dann davon ausgehen, dass ein sol-cher Fall vorliegt, wenn es davon überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedst[X.]ten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde ([X.], Slg.
1982, 3415 Rn.
16). Bei der Beurteilung dieser Frage sind die Ei-genheiten des [X.]srechts, die besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und die Gefahr abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der [X.] zu berücksichtigen ([X.], Slg.
2005, [X.] Rn.
33). Dabei ist auch den gleichermaßen verbindlichen verschiedenen Sprachen der [X.] gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift Rechnung zu tragen ([X.], Slg.
1982, 3415 Rn. 18; Slg.
1996, I-5403
Rn. 28), wobei allerdings die maß-gebliche Bestimmung nicht in jeder der offiziellen Sprachen der [X.] zu prüfen ist. Weiterhin ist die gemeinschaftsrechtliche Vorschrift in ihrem Zu-sammenhang zu sehen und im Lichte des gesamten
[X.]srechts, sei-ner Ziele und seines Entwicklungsstandes zur Zeit der Anwendung auszulegen ([X.], Beschluss vom 26.
November 2007 -
NotZ
23/07, [X.]Z
174, 273 Rn.
34).
Ob nach Maßgabe dieser Kriterien die richtige Anwendung des [X.] derart offenkundig ist und keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, dass eine Vorlage an den Gerichtshof verzichtbar ist, bleibt allerdings allein der Beurteilung des nationalen Gerichts überlassen ([X.], Slg.
2005, [X.] Rn.
37; vgl. auch [X.], 256, 261
f.).
19
20
-
11
-
(2) Bei Anlegung dieses Maßstabs ist es zur Überzeugung des Senats offenkundig und unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, dass Art.
6 Abs.
2 Buchst.
a [X.] unter "Preis"
auch den Basiswert fasst. Das ergibt sich un-missverständlich aus dem Umstand, dass dort als "Finanzdienstleistungen, de-ren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt", unter anderem "Zins-
und Devisenswaps sowie Swaps auf Aktien-
oder Aktienindexbasis ('equity swaps')"
definiert sind. Darin unterscheidet sich die [X.] nicht von anderen Sprachfassungen des Art.
6 Abs.
2 Buchst. a [X.] (englisch: "[X.]
", französisch: "aux services financiers dont le prix dépend de fluctuations du [swapsà des actions ou à des indiceequity swaps]"). Der gemeinschafts-rechtliche Begriff des "Preises"
schließt mithin unzweideutig den Basiswert ein.
b) Das Berufungsgericht ist im Übrigen
zutreffend davon ausgegangen, der
Preis der Zertifikate sei von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängig gewesen, die außerhalb der Herrschaftssphäre der Beklagten gelegen hätten
und die innerhalb der Widerrufsfrist hätten auftreten können. Die Bindung an die in Bezug genommenen Underlyings
bestand
schon innerhalb der ersten beiden Wochen nach Abschluss des Geschäfts, da Ertrag und Rückzahlungsverpflich-tung der Emittentin
ab dem 6./7.
Februar 2007 von
der Entwicklung des [X.] EuroSTOXX 50, des Standard & Poor´s 500 sowie des [X.] abhin-gen.
Dass die Beklagte die Entwicklung dieser
Aktienindizes in ihrem Sinne ha-be beeinflussen können, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision weiter gegen die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht aufgrund der zutreffenden Annahme, zwischen 21
22
23
-
12
-
der Klägerin, ihrem Ehemann und der Beklagten sei ein Beratungsvertrag zu-stande gekommen, die Verletzung objektbezogener
Aufklärungspflichten -
An-haltspunkte für eine
unzureichend anlegergerechte Beratung zeigt die Revision nicht auf
-
verneint
hat.
a) Die beratende Bank ist zu einer anleger-
und objektgerechten Bera-tung verpflichtet (st.
Rspr., vgl. Senatsurteil vom 6.
Juli 1993 -
XI
ZR
12/93, [X.]Z 123, 126, 128
f.). Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der [X.], die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen und speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des [X.] ergeben. Die
Beratung hat sich auf diejenigen Eigenschaften des [X.] zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentli-che Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Um-stände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat, muss die Bewertung und Empfehlung des [X.] unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrach-tet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger-
und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (vgl. zusammenfassend Senatsurteile vom 27.
September 2011 -
XI
ZR 182/10, [X.], 119 Rn.
22
und
-
XI
ZR
178/10, [X.], 2261 Rn.
23
[X.]).
b)
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, der Klägerin sei der Nachweis einer nicht objektgerechten Beratung misslungen.
[X.]) Soweit das Berufungsgericht eine Pflicht zur Aufklärung über die im Kaufpreis enthaltene Gewinnmarge bei [X.] verneint hat, steht dies im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 24
25
26
-
13
-
26.
Juni 2012 -
XI
ZR
316/11, [X.], 1520 Rn.
18
ff. [X.]). Denn für den Kunden ist bei der gebotenen normativ-objektiven Betrachtungsweise beim Ei-gengeschäft (§
2 Abs.
3 Satz
2 WpHG, dazu Senatsurteil vom 26.
Juni 2012 [X.]O
Rn.
19, 22 [X.]) wie beim
Eigenhandel (§
2 Abs.
3 Satz
1 Nr.
2 Fall
2 WpHG, dazu Senatsurteil
vom 27.
September 2011 -
XI
ZR
182/10, [X.], 119 Rn.
37) offensichtlich, dass die Bank eigene (Gewinn-)Interessen verfolgt, so dass darauf nicht gesondert hingewiesen werden muss. Auch aus der Rechtsprechung des [X.] zur Offenlegung versteckter Innen-provisionen und zur [X.] von Rückvergütungen ergibt sich nichts anderes (Senatsurteile
vom 26.
Juni 2012 [X.]O
Rn.
23, 37, 48
und vom 16.
Oktober 2012 -
XI
ZR
367/11, juris Rn.
33
ff.
sowie
-
XI
ZR
368/11, juris Rn.
23
[X.]).
[X.]) Das Berufungsgericht hat weiter zutreffend erkannt, dass die [X.] verpflichtet war, die Klägerin und ihren Ehemann über die mit dem konkreten Produkt verbundenen Risiken aufzuklären (vgl. Senatsurteile
vom 27.
Septem-ber 2011
-
XI
ZR
182/10, [X.]Z
191, 119 Rn.
53
ff.
und -
XI
ZR
178/10, WM
2011, 2261 Rn.
56
ff.). Es hat
unter Bezugnahme auf die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme festgestellt, die Klägerin sei hinsichtlich des erforderlichen und angeblich unterbliebenen Hinweises auf ein aus der Struktur des Produkts resultierendes besonderes Risiko beweisfällig geblieben. [X.] ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern, zumal sich eine Beweislastumkehr oder Beweiserleichterungen nicht aus einer Verletzung von [X.] ergaben, die bei Abschluss des Geschäfts im Februar 2007 nicht bestanden (Senatsurteil vom 24.
Januar 2006 -
XI
ZR
320/04, [X.]Z 166, 56 Rn.
17
ff.).
cc) Nicht
zu beanstanden
ist ferner
die Auffassung des Berufungsge-richts, zum Zeitpunkt des Erwerbs der Zertifikate
am 8.
Februar 2007 sei ein 27
28
-
14
-
Hinweis auf das konkrete Emittentenrisiko entbehrlich gewesen.
Zwar musste die Beklagte
die Finanzprodukte, die sie
in ihr Anlageprogramm aufgenommen und empfohlen hatte,
mit banküblichem kritischen Sachverstand überprüfen. Das galt auch hinsichtlich der Bonität der konkreten Emittentin bzw. Garantie-geberin, die für die Risikobeurteilung eines Zertifikats von maßgeblicher Bedeu-tung ist (vgl. Senatsurteile
vom 27.
September 2011 -
XI
ZR
182/10, [X.]Z
191, 119 Rn.
24
und -
XI
ZR
178/10, WM
2011, 2261 Rn.
25 [X.]). Allerdings
waren nach den [X.] Feststellungen des Berufungsgerichts die Bonitäts-bewertungen
der für diese Abschätzung
maßgeblichen Konzerngesellschaft
seinerzeit weiterhin so positiv, dass von einer Investitionswürdigkeit auszuge-hen war. Die von der Klägerin vermissten Erläuterungen waren mithin
entbehr-lich.
[X.]) Ohne Erfolg wendet die Revision schließlich ein, das Berufungsge-richt habe eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht an eine unzureichende Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko geknüpft.
Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass bei der Empfehlung von [X.] wie der von
der Klägerin und ihrem Ehemann getätigten auf dieses Risiko hingewiesen werden muss (vgl. Senatsurteile
vom 27.
September 2011 -
XI
ZR 182/10, [X.], 119 Rn.
25
ff.
und -
XI
ZR
178/10, WM
2011, 2261 Rn.
26
ff. [X.]). Eine dahingehende Aufklärungspflicht
entfällt aber, wenn der konkrete Anleger das generelle Gegenparteirisiko bei Zertifikaten -
beispiels-weise aus seinem bisherigen Anlageverhalten
-
kennt oder er sich insoweit als erfahren geriert (Senatsurteile vom 27.
September 2011 -
XI
ZR
182/10 [X.]O Rn.
30 und -
XI
ZR
178/10 [X.]O Rn.
33 [X.]).
Das
Berufungsgericht
ist aufgrund einer vertretbaren tatrichterlichen Be-weiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin und ihr Ehemann seien 29
30
31
-
15
-
"zertifikaterfahren"
gewesen. Damit und mit seinem Verweis auf die landgericht-lichen Feststellungen zu den Vorerwerbungen seit dem Jahr 2004
hat es kon-kludent zum Ausdruck gebracht, die Klägerin
und ihr Ehemann
hätten im [X.] 2007 einer Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko nicht bedurft. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine Inbezugnahme der -
hier unzutreffenden
-
Rechtsauffassung
des Landgerichts, auf ein "[X.]"
müsse (generell) nicht gesondert hingewiesen werden, enthält das
Beru-fungsurteil entgegen der Revision nicht.

[X.]
Joeres
Ellenberger

Matthias
Menges

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 01.06.2010 -
3 [X.]/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 22.07.2011 -
I-17 [X.] -

Meta

XI ZR 384/11

27.11.2012

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.11.2012, Az. XI ZR 384/11 (REWIS RS 2012, 967)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 967

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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