Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.11.2017, Az. IX ZR 260/15

9. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 2181

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Gegenstand

Insolvenzverfahrenseröffnung: Aufhebung von Beschlüssen der Gläubiger einer Schuldverschreibung; Zulässigkeit eines Opt-in-Beschlusses über die Anwendung des Schuldverschreibungsgesetzes 2009


Leitsatz

1. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gefasste Beschlüsse der Gläubiger einer Schuldverschreibung können nur durch das Insolvenzgericht aufgehoben werden.

2. Ein Opt-in-Beschluss über die Anwendung des Schuldverschreibungsgesetzes 2009 kann noch getroffen werden, nachdem ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wurde.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussrevision des [X.] das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 9. Dezember 2015 aufgehoben.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 16. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren fallen dem Kläger zur Last.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte ist Verwalter in dem am 1. April 2014 über das Vermögen der [X.] (nachfolgend: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren.

2

Der Kläger erwarb von der Schuldnerin eine am 8. Januar 2007 ausgestellte Orderschuldverschreibung der [X.]                in Höhe von 7.000 €. Der Gesamtbetrag der [X.], an der fünf Anleger beteiligt sind, beläuft sich auf 47.000 €. Das Insolvenzgericht berief mit Beschluss vom 2. April 2014 Versammlungen aller [X.] (nachfolgend: Gläubiger) für den 13. Mai 2014 ein. Durch Beschluss vom 4. Juli 2014, der im [X.] veröffentlicht wurde, bestimmte das Insolvenzgericht Termin zur Fortsetzung des Termins über die Beschlussfassung der Gläubiger auf den 22. Juli 2014. In dieser Versammlung wurden der Kläger von Rechtsanwältin [X.]und drei Anleger von Rechtsanwalt [X.](Nebenintervenient zu 1) vertreten. Die Gläubiger beschlossen zunächst, für die Anwendung des Schuldverschreibungsgesetzes 2009 zu optieren. Anschließend wurde Rechtsanwalt [X.]     mit den Stimmen der von ihm vertretenen drei Anleger bei einer Gegenstimme zum gemeinsamen Vertreter der Gläubiger (Nebenintervenient zu 2) dieser Serie bestellt.

3

Der Kläger beantragt Im Wege der Anfechtungsklage, den Beschluss der Gläubiger vom 22. Juli 2014 über die Bestellung des Nebenintervenienten zu 1 zum gemeinsamen Vertreter für nichtig zu erklären, hilfsweise festzustellen, dass der Beschluss nichtig ist. Nach Abweisung der Klage als unzulässig durch das [X.] (vgl. [X.], 342) hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung festgestellt, dass der Beschluss vom 22. Juli 2014 nichtig ist, und die Revision zugelassen. Der Beklagte begehrt mit seiner Revision die vollständige Abweisung der Klage, der Kläger im Wege der [X.], den Beschluss vom 22. Juli 2014 für nichtig zu erklären.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des Beklagten führt unter Zurückweisung der [X.]revision des [X.] zur Wiederherstellung des Urteils des [X.].

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, die unter anderem in [X.], 278 abgedruckt ist, ausgeführt:

6

Die Anfechtungsklage nach § 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2009 sei nicht statthaft, weil diese Regelung auf die von dem Kläger erworbenen Schuldverschreibungen nicht anwendbar sei. Vor dem 5. August 2009 ausgegebene Schuldverschreibungen unterlägen dem Schuldverschreibungsgesetz des Jahres 1899. Allerdings eröffne § 24 Abs. 2 [X.] 2009 die Möglichkeit, durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger mit Zustimmung des Schuldners für die Anwendung des Schuldverschreibungsgesetzes des Jahres 2009 zu optieren. Die Möglichkeit eines Opt-in-Beschlusses sei den Anleihegläubigern indes nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr gegeben. Die Anleihegläubiger seien gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2009 nur befugt, durch Mehrheitsbeschluss einen gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger zu bestellen. Weitere Mehrheitsentscheidungen wie die Änderung der Anleihebedingungen seien nicht mehr zulässig. Folglich könnten die Anleihegläubiger nach Verfahrenseröffnung nicht für die Anwendung des neuen Rechts optieren.

7

Die von dem Kläger erhobene Feststellungsklage habe Erfolg, weil das Schuldverschreibungsgesetz des Jahres 1899 keinen eigenen Rechtsbehelf gegen [X.] vorsehe. Eine [X.] nach § 78 [X.] komme nicht in Betracht, weil das Altrecht des Jahres 1899 keinen Vorrang des Insolvenzrechts vorsehe. Der Beschluss über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters sei unwirksam, weil er in der nicht ordnungsgemäß einberufenen Gläubigerversammlung vom 22. Juli 2014 gefasst worden sei.

II.

8

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

9

Der Beschluss der Gläubigerversammlung vom 22. Juli 2014 über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters unterliegt der [X.] nach § 78 [X.]. Der Kläger hat diesen Weg nicht beschritten. Seine im streitigen Verfahren erhobene Klage erweist sich als unzulässig.

1. Wird nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] (nachfolgend stets des Jahres 2009) ein gemeinsamer Vertreter bestellt, kann der Beschluss gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 78 Abs. 1 [X.] nur von dem Insolvenzgericht aufgehoben werden.

a) Beschlüsse der Gläubiger können wegen Verletzung des Gesetzes oder der Anleihebedingungen gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] durch Klage angefochten werden. Diese Kontrollmöglichkeit folgt aus der Anlehnung des Verfahrens an das Aktiengesetz und die aktienrechtliche Anfechtungsklage (BT-Drucks. 16/12814, [X.]).

b) Ist über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet worden, so unterliegen Beschlüsse der Gläubiger nach § 19 Abs. 1 Satz 1 [X.] den Bestimmungen der [X.]. Dies gilt insbesondere für nach Verfahrenseröffnung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] getroffene Beschlüsse über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters. Der Gesetzgeber ist ausdrücklich davon ausgegangen, dass die Regelungen der [X.] dem Schuldverschreibungsgesetz in der Insolvenz vorgehen, soweit nicht ausnahmsweise § 19 Abs. 2 bis 4 [X.] etwas anderes vorschreibt (BT-Drucks. 16/12814, aaO; [X.]/[X.]/Knapp, Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 19 [X.] Rn. 5; [X.]/Rattunde, [X.], 2. Aufl., § 19 Rn. 6). Entsprechend diesem Rangverhältnis hat nur die Einberufung der Versammlung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 [X.] nach den [X.] zu erfolgen. Mangels eines Verweises auf § 20 [X.] richtet sich hingegen die [X.] nach § 78 [X.] ([X.]/[X.]/Knapp, aaO § 19 [X.] Rn. 53; [X.]/Rattunde, aaO § 19 Rn. 63 mwN; [X.]/Scherber, [X.], 2010, § 19 Rn. 31; [X.]/[X.] in Langenbucher/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., 17. Kapitel § 19 [X.] Rn. 17; HmbKomm-[X.]/[X.], 6. Aufl., [X.]. zu § 38 Rn. 70; [X.]/[X.]/[X.], Sanierungsrecht, 2016, [X.]. zu § 39 Rn. 57; [X.], [X.], 293, 297; [X.] in [X.], 2015, [X.], 13; [X.], [X.], 344; a.[X.] in [X.]/Hartwig-Jacob, [X.], 2013, § 19 Rn. 43; [X.]/[X.], Z[X.] 2009, 2025, 2028).

c) [X.] nach § 78 [X.] beschränkt sich auf die Gläubiger der betreffenden Schuldverschreibung ([X.]/Rattunde, aaO; HmbKomm-[X.]/[X.], aaO; [X.]/[X.]/[X.], aaO). Diesen steht sowohl gegen die Aufhebung des Beschlusses als auch gegen die Ablehnung des Antrags auf [X.] gemäß § 78 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und 3 [X.] die sofortige Beschwerde offen ([X.]/[X.]/Knapp, aaO § 19 [X.] Rn. 54), die nach § 570 Abs. 1 ZPO insbesondere im Falle der Versagung der [X.] keine aufschiebende Wirkung entfaltet ([X.]/[X.]/Knapp, aaO; [X.]/[X.]/[X.], aaO). Die Anwendung des § 78 [X.] stellt sicher, dass einem Rechtsbehelf gegen den Beschluss über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nicht die aufschiebende Wirkung des § 20 Abs. 3 Satz 4 [X.] zukommt (vgl. [X.], Urteil vom 1. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 7 Rn. 18 zu einer Anordnung nach Maßgabe des § 246a [X.]) und mithin die einzelnen Anleihegläubiger mangels Handlungsfähigkeit des gemeinsamen Vertreters selbst gehalten wären, ihre Forderung anzumelden und ihre Befugnisse in einer Gläubigerversammlung wahrzunehmen ([X.]/[X.]/Knapp, aaO; [X.]/[X.]/[X.], aaO; [X.]/Scherber, aaO; [X.], [X.], 293, 297).

2. Die Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 78 Abs. 1 [X.] ist hier nicht deswegen unanwendbar, weil die in Rede stehende Schuldverschreibung vor dem 5. August 2009 ausgegeben wurde. Gläubiger solcher Schuldverschreibungen sind berechtigt, gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 [X.] im Einverständnis mit dem Schuldner einen Opt-in-Beschluss zu treffen, um die Geltung des neuen Rechts zu verwirklichen.

a) Der Gesetzgeber hat das außer [X.] gesetzte Schuldverschreibungsgesetz des Jahres 1899 als nicht mehr hinreichend flexibel und verfahrensrechtlich veraltet angesehen. Das Schuldverschreibungsrecht sollte international üblichen Anforderungen soweit wie möglich angepasst werden (BT-Drucks. 16/12814, [X.]). Dabei wurde ausdrücklich die Notwendigkeit betont, den Gläubigern gerade in der Krise und der Insolvenz des Schuldners die Möglichkeit zu bestimmten Änderungen der Anleihebedingungen zu eröffnen (BT-Drucks. 16/12814, aaO). Zu diesem Zweck sollten die Befugnisse der Gläubiger gestärkt werden, mit Mehrheit über die Anleihebedingungen zu entscheiden (BT-Drucks., aaO [X.]3). Der Gesetzgeber hat es als unverzichtbar bezeichnet, dass die Gläubiger in der Insolvenz des Schuldners durch Mehrheitsentscheidung auf die verbrieften Rechte einwirken können (BT-Drucks., aaO [X.]3).

b) Mit Rücksicht auf die sachlichen Vorzüge des neuen Rechts verleiht der Gesetzgeber den Gläubigern vor dem 5. August 2009 ausgegebener Schuldverschreibungen durch § 24 Abs. 2 [X.] die Befugnis, mit Zustimmung des Schuldners durch Mehrheitsbeschluss für die Anwendung des neuen Rechts zu optieren (BT-Drucks., aaO S. 27). Für diesen Beschluss gelten die Vorschriften des neuen Rechts (§ 24 Abs. 2 Satz 2 [X.]).

aa) Zwar war im Streitfall das Altrecht nach § 1 Abs. 1 [X.] 1899 nicht anwendbar, weil der [X.] [X.] noch die Zahl der Gläubiger mindestens 300 beträgt (vgl. [X.], [X.] 1899, 1933, § 1 [X.]. 38; Koenige, [X.] 1899, 1922, Einleitung vor § 1). Ein Beschluss nach § 24 Abs. 2 [X.] ist jedoch auch zulässig, wenn die vor dem 5. August 2009 ausgegebenen Schuldverschreibungen nicht dem Schuldverschreibungsgesetz von 1899 unterfielen ([X.], Urteil vom 1. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 7 Rn. 9 ff).

bb) Zur Anwendung des [X.]s können die Gläubiger vor dem Stichtag ausgegebener Schuldverschreibungen gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 [X.] mit Zustimmung des Schuldners entweder eine Änderung der Anleihebedingungen oder den Austausch der Schuldverschreibungen gegen neue Schuldverschreibungen mit geänderten Anleihebedingungen beschließen. Soll - wie hier - das [X.] durch eine Änderung der Anleihebedingungen für anwendbar erklärt werden, stehen den Gläubigern hierfür im Wesentlichen zwei Vorgehensweisen offen. Zum einen können die Gläubiger einen isolierten Opt-in-Beschluss fassen, durch den das [X.] in seiner Gesamtheit auf die inhaltlich unveränderte Anleihe für anwendbar erklärt wird ([X.]/[X.] in Langenbucher/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., 17. Kapitel § 24 [X.]; Artzinger-Bolten/Wöckener in [X.]/[X.], Schuldverschreibungsrecht, 2017, § 24 [X.] [X.]). Dieser Grundlagenbeschluss kann auch durch einen pauschalen Verweis auf §§ 5 bis 21 [X.] geschehen (Hartwig-Jacob/[X.] in [X.]/Hartwig-Jacob, [X.], 2013, § 24 Rn. 14). Als Alternative können die Gläubiger einen Grundlagenbeschluss treffen, um die Geltung des [X.]s in seiner Gesamtheit anzuordnen, und in Ausführung dieses Beschlusses durch einen weiteren Beschluss über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters oder eine Änderung der konkreten Anleihebedingungen befinden. Beide Beschlüsse können in einem einheitlichen Abstimmungsverfahren ergehen (Artzinger-Bolten/Wöckener, aaO § 24 [X.] Rn. 12; [X.], [X.], 2. Aufl., § 24 Rn. 8; [X.]/[X.], aaO 17. Kapitel § 24 Rn. 10, 12 f; Hartwig-Jacob/[X.], aaO § 24 Rn. 28 f; [X.], [X.], 1645, 1646 f). Im Streitfall haben sich die Gläubiger über einen Grundlagenbeschluss zwecks Anwendung des [X.]s verständigt und darauf aufbauend, ohne die konkreten Anleihebedingungen zu modifizieren, einen gemeinsamen Vertreter bestellt.

3. Zwar wurde der Opt-in-Beschluss im Streitfall von den Gläubigern mit dem Einverständnis des Insolvenzverwalters auf der Grundlage des § 24 Abs. 2 Satz 1 [X.] erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gefasst. Dies steht seiner Wirksamkeit aber nicht entgegen. Die Gläubiger konnten auch nach Verfahrenseröffnung gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 [X.] im Einverständnis mit dem Insolvenzverwalter durch einen Grundlagenbeschluss mehrheitlich für die Anwendung des neuen Rechts optieren.

a) Die Wirksamkeit eines Opt-in-Beschlusses scheitert entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts (in diesem Sinne ebenfalls [X.], [X.], aaO § 24 Rn. 7 unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/12814, [X.]) nicht daran, dass das Gesetz den Gläubigern nach Verfahrenseröffnung eine Beschlussfassung über die Änderung der Anleihebedingungen verwehrt.

Der Gesetzgeber hat beiläufig geäußert, die Gläubiger seien nach Verfahrenseröffnung abweichend von § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur noch befugt, einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen (BT-Drucks, aaO). Dieser Hinweis könnte allenfalls mittelbar dahin zu deuten sein, dass die durch § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] eröffnete Möglichkeit einer Änderung der Anleihebedingungen nach Verfahrenseröffnung verschlossen ist. Da nur § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] erwähnt wird, ist der Äußerung schon nicht zu entnehmen, dass auch eine nach § 24 Abs. 2 Satz 1 [X.] zwecks Anwendung des [X.]s erforderliche Änderung der Anleihebedingungen unzulässig ist. Ferner hat der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzentwurfs die Notwendigkeit einer Änderung der Anleihebedingungen gerade in Krise und Insolvenz betont (BT-Drucks., aaO [X.], 13) und es als "unverzichtbar" bezeichnet, dass die Gläubiger zur Sanierung oder in der Insolvenz des Schuldners auf die verbrieften Rechte einwirken können (BT-Drucks., aaO [X.]3; [X.], Urteil vom 1. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 7 Rn. 10). In Einklang hiermit ist der Gesetzgeber bei Schaffung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7. Dezember 2011 ([X.] I, [X.]82) ausdrücklich von der Möglichkeit einer die Anleihebedingungen betreffenden (BT-Drucks., aaO [X.]8) Beschlussfassung nach § 5 Abs. 3 Nr. 5 [X.] ausgegangen (BT-Drucks. 17/5712, [X.]; zutreffend [X.]/[X.], [X.], 151). Darum wird auch im Schrifttum die Möglichkeit einer Beschlussfassung über eine Änderung der Anleihebedingungen nach Verfahrenseröffnung nicht grundsätzlich ausgeschlossen ([X.]/[X.]/Knapp, [X.], 2017, § 19 Rn. 44, 59; [X.] in BK-[X.], Stand 2017, § 19 [X.] Rn. 20). Vor diesem Hintergrund kann den Gesetzesmaterialien kein durchgreifender Hinderungsgrund dafür entnommen werden, nach Verfahrenseröffnung auf der Grundlage des § 24 Abs. 2 [X.] einen Opt-in-Beschluss zu fassen.

b) Auch die weitere Auslegung ergibt, dass der Gesetzgeber für die Anwendung des [X.]s in § 24 Abs. 2 [X.] eine von § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] abweichende eigenständige Regelung geschaffen hat ([X.]/[X.], [X.], 151; [X.], aaO).

aa) In § 24 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist vorgesehen, dass die Gläubiger mit Zustimmung des Schuldners, dessen Rechte nach Verfahrenseröffnung der Insolvenzverwalter wahrnimmt, eine Änderung der Anleihebedingungen oder den Austausch der Schuldverschreibungen gegen neue Schuldverschreibungen mit geänderten Anleihebedingungen beschließen können, um von den durch das Gesetz gewährten Neuregelungen Gebrauch machen zu können. Aus Wortlaut und Sinnzusammenhang des § 24 Abs. 2 [X.] lässt sich keine Einschränkung für die Zulässigkeit eines Opt-in-Beschlusses auf den Zeitraum vor einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners entnehmen (vgl. [X.], Urteil vom 1. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 7 Rn. 11). Nach Verfahrenseröffnung eingreifende Beschränkungen einer Beschlussfassung über Anleihebedingungen betreffen allenfalls § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.], aber nicht § 24 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Die Gläubiger können ohne Verankerung in den Anleihebedingungen (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.]) in der Insolvenz des Schuldners gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] einen gemeinsamen Vertreter bestellen ([X.]/Rattunde, [X.], 2. Aufl., § 19 Rn. 49). In Übereinstimmung hiermit kann ebenso allein auf der Grundlage des § 24 Abs. 2 Satz 1 [X.] zugunsten des [X.]s optiert werden (vgl. [X.], aaO).

bb) Für die Beschlussfassung gelten gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 [X.] die Vorschriften dieses Gesetzes. Aufgrund der umfassenden Verweisung (Hartwig-Jacob/[X.] in [X.]/Hartwig-Jacob, [X.], 2013, § 24 Rn. 15; [X.]/[X.] in [X.], [X.], 2011, § 24 Rn. 9) nimmt § 24 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 [X.] auch § 19 [X.] in seinen Anwendungsbereich auf, der eine Spezialregelung für nach Insolvenzeröffnung zu treffende Beschlüsse der Gläubigerversammlung vorsieht. Der Verweis auch auf § 19 [X.] als Sondervorschrift für Beschlussfassungen im Zeitraum nach Verfahrenseröffnung wäre inhaltsleer, wenn ein Opt-in-Beschluss in der Insolvenz des Schuldners stets an der damit verbundenen Änderung der Anleihebedingungen scheitern müsste. Vielmehr ist die Regelung in ihrem Gesamtzusammenhang dahin zu deuten, dass eine Änderung der Anleihebedingungen, die sich auf die Anwendung des [X.]s beschränkt, noch nach Verfahrenseröffnung mehrheitlich beschlossen werden darf.

cc) Zudem beschränkt sich der gemäß § 24 Abs. 2 [X.] zu fassende Opt-in-Beschluss als Grundlagenbeschluss allein darauf, das [X.] für anwendbar zu erklären, ohne die für die jeweilige Schuldverschreibung konkret vereinbarten Anleihebedingungen (§ 2 [X.]) zu modifizieren.

(1) Unter den Anleihebedingungen versteht § 2 Satz 1 [X.] die Bedingungen zur Beschreibung der Leistung sowie der Rechte und Pflichten des Schuldners und der Gläubiger. Die Änderung der Anleihebedingungen setzt grundsätzlich einen gleichlautenden Vertrag zwischen dem Schuldner und jedem Gläubiger voraus. Zu einem solchen Vertrag können die Gläubiger gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] mit Mehrheit ihre Zustimmung erklären (BT-Drucks. 16/12814, [X.]8).

(2) Die konkreten Anleihebedingungen, deren gläubigerfreundliche Modifizierung nach Verfahrenseröffnung Bedenken aufwerfen könnten (vgl. [X.] in [X.]/Hartwig-Jacob, [X.], 2013, § 19 Rn. 36; [X.], [X.], 293, 295), werden durch einen isolierten Opt-in-Beschluss nicht berührt, der auf die unveränderte Schuldverschreibung lediglich das [X.] für anwendbar erklärt. Soweit § 19 Abs. 1 [X.] Beschlüsse über eine Änderung der Anleihebedingungen verbietet, ist insbesondere der Regelungsbereich des § 2 [X.] gemeint, den § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] Mehrheitsentscheidungen unterwirft. Folglich können § 19 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] verletzt werden, sofern die Gläubiger im [X.] an einen Opt-in-Beschluss durch einen Ausführungsbeschluss die konkreten Anleihebedingungen umgestalten. Hingegen besteht kein Hinderungsgrund, gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 [X.] nach Verfahrenseröffnung - wie im Streitfall - durch einen Grundlagenbeschluss in Verbindung mit der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters ohne Änderung der Anleihebedingungen isoliert für das [X.] zu optieren.

dd) Schließlich wünscht der Gesetzgeber eine weite Geltung der neuen Regelungen, um den Schwächen des Schuldverschreibungsgesetzes des Jahres 1899 abzuhelfen ([X.], Urteil vom 1. Juli 2014 - [X.], 381/13, [X.]Z 202, 7 Rn. 10). Durch die Anwendung des [X.]s werden die Gläubiger nicht begünstigt, sondern nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers verstärkt in die Verantwortung genommen (BT-Drucks. 16/12814, [X.], 13). Nach dem Schuldverschreibungsgesetz des Jahres 1899 kam in der Insolvenz des Schuldners nur eine Ermäßigung der Zinsen und eine Stundung der Hauptforderung in Betracht, befristet zudem auf drei Jahre. Ein Verzicht auf die Hauptforderung war jedoch ausgeschlossen. Das genügte nach Auffassung des Gesetzgebers ersichtlich nicht, wenn andere Gläubiger aus wirtschaftlichen Gründen ebenfalls auf Teile ihrer Forderungen verzichten müssen (BT-Drucks., aaO [X.]3). Daraus folgt kein unzulässiger rückwirkender Eingriff in die Rechte der Anleihegläubiger. Es wird kein abgeschlossener Sachverhalt geregelt, sondern während eines Dauerschuldverhältnisses das anwendbare Recht geändert. Eine solche unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung ist verfassungsrechtlich zulässig (vgl. [X.], Urteil vom 1. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 7 Rn. 12). Vor diesem Hintergrund ist die Befürchtung nicht gerechtfertigt, dass die [X.] durch die Anwendung des [X.]s im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern eine Sonderbehandlung erfahren. Die Belange des Schuldners, dessen Zustimmung § 24 Abs. 2 Satz 1 [X.] verlangt, werden durch den Insolvenzverwalter wahrgenommen.

4. Da im Streitfall ein grundsätzlich möglicher Opt-in-Beschluss gefasst wurde, richtet sich seine [X.] einschließlich der Einsetzung eines gemeinsamen Vertreters nach § 78 Abs. 1 [X.]. Danach kann das Insolvenzgericht den Beschluss aufheben, wenn dies einer der Anleihegläubiger beantragt. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde eröffnet. Diesen Weg hat der Kläger indes nicht beschritten. Die gemäß § 20 [X.] erhobene Anfechtungsklage erweist sich damit als unzulässig. Ebenso kommt eine Feststellungsklage (§ 256 ZPO) nicht in Betracht.

III.

Da sich die Revision des Beklagten als begründet darstellt, ist unter Zurückweisung der [X.]revision des [X.] die angefochtene Entscheidung aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Infolge [X.] (§ 563 Abs. 3 ZPO) ist die Klage als unzulässig abzuweisen. Damit wird das Ersturteil des [X.] wiederhergestellt.

[X.]     

      

Gehrlein     

      

Grupp 

      

Schoppmeyer     

      

Meyberg     

      

Meta

IX ZR 260/15

16.11.2017

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Dresden, 9. Dezember 2015, Az: 13 U 223/15, Urteil

§ 19 Abs 1 S 1 SchVG 2009, § 24 Abs 2 S 1 SchVG 2009, § 78 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.11.2017, Az. IX ZR 260/15 (REWIS RS 2017, 2181)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 231-232 WM2018,42 REWIS RS 2017, 2181


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IX ZR 260/15

Bundesgerichtshof, IX ZR 260/15, 16.11.2017.


Az. 13 U 223/15

Oberlandesgericht Köln, 13 U 223/15, 21.03.2016.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZA 16/17

IX ZR 260/15

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