Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.07.2002, Az. 1 StR 194/02

1. Strafsenat | REWIS RS 2002, 2526

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]/02vom2. Juli 2002in der [X.] [X.] 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 2. Juli 2002 gemäß § 349Abs. 2 und 4 StPO [X.] Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. Februar 2002 im Ausspruch über [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vor-bezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen.3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.].Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beleidigung in Tateinheitmit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzenverurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus [X.]. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die [X.] und die Sachbeschwerde erhebt. Das Rechtsmittel ist lediglich zumMaßregelausspruch begründet.1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand; die [X.] haben keinen Erfolg. Insoweit verweist der Senat auf die Zuschrift [X.] vom 22. Mai 2002 (§ 349 Abs. 2 StPO).- 3 -2. Die Anordnung der Unterbringung des - bis dahin nicht vorbestraften -Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) lt rechtli-cher Nachprfung hingegen nicht stand. Eine derartige Maûregel beschwertden Betroffenen auûerordentlich. Deshalb darf sie nur angeordnet werden,wenn eine Wahrscheinlichkeit ren Grades und nicht nur die einfacheMlichkeit neuerlicher schwerer Strungen des Rechtsfriedens besteht. Ge-boten ist eine mit aller Sorgfalt vorzunehmende Gesamtwrdigung von [X.] Tat unter Bercksichtigung des Grundsatzes der Verltnismûigkeit (§ 62StGB) und eine Prognose, [X.] von dem [X.] infolge seines Zustandes erheb-liche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb fr die [X.] ist (vgl. nur BGHR StGB § 63 Ablehnung 1, Gefrlichkeit 8). [X.] [X.] hierzu angestellten [X.] sich teils als nichttragfig, teils leiden sie unter [X.]) Den getroffenen Feststellungen zufolge leidet der [X.] gebo-rene Angeklagte seit seiner Geburt an einem Hirnschaden mit [X.]. Damit einher gehen Strungen im Sozialverhalten, die mit verbalerund ttlicher Aggressivitt, mit Strungen im Anpassungsverhalten, mit sexu-ellen Aufflligkeiten im Sinne eines Exhibitionismus sowie einer [X.] Grade der Debilitt ([X.]) verbunden sind. Eine Psychose oder eine Neu-rose liegt beim Angeklagten nicht vor. Der vom [X.] vernommeneSachverstige hat [X.], [X.] die abgeurteilte Tat sich auch nicht alsblindwtiges Ausagieren mit Eigengesetzlichkeiten darstelle.Nachdem der Angeklagte 1990 zchst in ein Heim des Diakoniewer-kes aufgenommen und fr ihn seit dem 18. Lebensjahr eine Betreuung ange-ordnet worden war, befand er sich seit Oktober des Jahres 2000 wiederholtwegen "aggressiver Agitationszust" im Bezirkskrankenhaus [X.] 4 -Zuvor war er in einer sog. besctzenden Einrichtung "nicht frbar gewesen",weil er verschiedene Male gegen Mitpatienten und Personal aggressiv vorging,namentlich [X.] und kratzte. In einem Falle war er mit einer Schere auf [X.] losgegangen.Im [X.] kam es zur verfahrensgegenstd-lichen Tat: Zwei [X.] wollten den Angeklagten in ein anderes Zimmerbringen. Im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfigkeit aufgrund sei-nes beschriebenen Zustandes beschimpfte dieser eine weibliche Pflegekraftals "Hure, Nutte und Schlampe" und trat ihr mit dem Fuû in die rechte Magen-gegend sowie in die rechte [X.]. Dadurch erlitt diese eine [X.] und hatte [X.]) Zur [X.] nach § 63 StGB hatdas [X.] im wesentlichen [X.], der Angeklagte ksich auf-grund der angeborenen Intelligenzminderung jederzeit in aggressive Erre-gungszustineinsteigern. In diesem Zustand seien weitere erheblicherechtswidrige Straftaten zu erwarten. Obwohl er bisher strafrechtlich noch nichtin Erscheinung getreten sei, sei es in den [X.] Jahren immer [X.] zu aggressiven Durchbrchen gekommen. So sei er gegen [X.] "in Form von Beiûen und Kratzen" aggressiv geworden undbei einer Gelegenheit habe er dem Pflegepersonal mit einer Schere gedroht. Ersei fr die Allgemeinheit gefrlich, da jede Person, die mit ihm in rmlicheBerrung komme, bei einem [X.] gefrdet sein k.Der Verltnismûigkeitsgrundsatz stehe der Unterbringung nicht ent-gegen. Die bestehende zivilrechtliche Unterbringung krch den Betreuerjederzeit beendet werden. Die Sicherung der Allgemeinheit gebiete es, [X.]nicht allein der Betreuer r die Beendigung der Unterbringung entscheiden- 5 -k. Eine Aussetzung der Anordnung zur Bewrung (§ 67 b StGB) kommenicht in Betracht. Die Unterbringung in einer geeigneten besctzenden Ein-richtung sei aufgrund der Aggressivitt des Angeklagten nicht mlich.c) Die Gefrlichkeitsprognose des [X.]s unter Wrdigung [X.], des [X.] und der Tat des Angeklagten bei Bercksichtigung [X.] der Verltnismûigkeit wird den von Rechts wegen zu stellendenAnforderungen nicht in jeder Hinsicht gerecht.Der Angeklagte ist bisher unbestraft und war zur Tatzeit fast 27 Jahrealt. In die zu stellende Prognose wre daher der bisherige Lebensweg [X.] als geschehen einzubeziehen gewesen. Besonderer Errterttenseine Lebensbedingungen und etwaige zurckliegende relevante [X.] - wie auch deren etwaiges Fehlen - bedurft. [X.] hinaus [X.] erforderlich gewesen, die Ursachen fr das vom [X.] nur ganz all-gemein gekennzeichnete frre Aggressionsverhalten des Angeklagten dar-zustellen und darauf r einzugehen. Dies gilt zumal im Blick darauf, [X.]zustandsbedingte Taten, die im Rahmen einer Unterbringung gegen das Pfle-gepersonal und unter [X.] begangen werden, [X.] fr die Anordnung einer strafrechtlichen Unterbringungnach § 63 StGB sein k. Es bedarf dann der Errterung, ob und inwieweitsolche Taten oder Verhaltensweisen ihre Ursache auch in der durch die [X.] gegebenen Situation haben k([X.] § 63 Gefrlichkeit 26 = NStZ 1999, 611).[X.] hinaus ist die vom [X.] sowohl im Zusammenhang mitder Verltnismûigkeitsprfung als auch mit den Erwzu einer etwai-gen Aussetzung der Maûregel zur Bewrung angestellte Überlegung, einebestehende zivilrechtliche Unterbringung sei nicht ausreichend, da sie vom- 6 -Willen des Betreuers , in dieser Allgemeinheit nicht tragfig. Auf [X.] des [X.] t die Unterbringungunter den dort genannten Voraussetzungen (vgl. Art. 1 Abs. 1 BayUnterbrG)von einem Antrag der zustigen Kreisverwaltungsrde und einer Ent-scheidung des nach § 70 Abs. 5 [X.] zustigen Gerichts ab (Art. 7 Abs. 3BayUnterbrG).Nach allem wird der neue Tatrichter den bisherigen Lebensweg und [X.] des Angeklagten sowie seine im Urteil eher allgemein beschriebenenAggressionen einschlieûlich deren Ursachen konkreter zu errtern und auf die-ser Grundlage eine tragfige Prognose unter Bercksichtigung des [X.] abzugeben haben. Dabei - wie auch bei der Frageeiner etwaigen Aussetzung der Maûregel zur Bewrung - wird schlieûlich die- 7 -Mlichkeit einer Unterbringung nach Landesunterbringungsrecht mit zu [X.] sein, wenngleich diese nach der Rechtsprechung des [X.] eine Aussetzung der strafrechtlichen Unterbringung nur dann rechtferti-gen kann, wenn die landesrechtliche Unterbringung sich fr die Pflege des Be-troffenen und fr die angestrebten Zwecke als stiger erweist (vgl. nurBGHR StGB § 67 b Abs. 1 besondere Umst, 3, 5).Scfer Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit

Meta

1 StR 194/02

02.07.2002

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.07.2002, Az. 1 StR 194/02 (REWIS RS 2002, 2526)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 2526

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.