Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.06.2008, Az. VI ZR 248/07

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 3526

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/07 Verkündet am: 10. Juni 2008 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] §§ 249 Hd, 251, 253 Der zeitweilige Verlust der [X.] eines reinen Freizeitzwecken dienenden Wohnmobils begründet keinen Anspruch auf abstrakte Nutzungsent-schädigung. [X.], Urteil vom 10. Juni 2008 - [X.]/07 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 13. September 2007 wird auf Kos-ten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger verlangt nach einem Unfall, für dessen Folgen die Beklagten dem Grunde nach in vollem Umfang haften, Nutzungsausfallentschädigung we-gen der Beschädigung seines Wohnmobils. 1 Am 20. Oktober 2005 stieß der Beklagte zu 1 mit seinem bei der [X.] zu 2 versicherten Fahrzeug gegen das ordnungsgemäß geparkte [X.], bei dem es sich um eine den Freizeitbedürfnissen des [X.] entspre-chende Spezialanfertigung handelt. Zur Beförderung und zum Transport im [X.] benutzt der Kläger seinen Pkw. Für die [X.] vom 21. Oktober 2005 bis 24. November 2005 (35 Tage) macht er Nutzungs-ausfallentschädigung in Höhe von 150 • pro Tag, insgesamt 5.250 • geltend. 2 - 3 - Das [X.] hat die Klage, mit der der Kläger außerdem Ersatz für andere Schadensposten verlangt hat, hinsichtlich des Anspruchs auf [X.] abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist insoweit erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Ersatz von Nutzungsausfall weiter. 3 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht führt aus, der Kläger könne für den [X.] keine abstrakt berechnete Entschädigung verlangen, denn es handle sich hierbei um einen immateriellen Schaden im Sinne des § 253 Abs. 1 [X.], für den eine gesetzliche Ersatzpflicht nicht bestimmt sei. Das Wohnmobil diene ausschließlich der Freizeitgestaltung. Eine abstrakt be-rechnete Nutzungsausfallentschädigung komme nur in Betracht, wenn ein Wohnmobil mangels eines weiteren Fahrzeugs atypisch wie ein Pkw, [X.] für Fahrten zur Arbeitsstätte oder für alltägliche Besorgungen, genutzt werde. Das [X.] ([X.], 208 ff.), das unabhän-gig vom [X.] einen Anspruch auf abstrakt berechnete Nutzungs-ausfallentschädigung bejahe, lasse außer Betracht, dass der Eigentümer eines Wohnmobils, der daneben über einen seine alltägliche Mobilität gewährleisten-den weiteren Pkw verfüge, auf sein Freizeitgefährt für die eigenwirtschaftliche Lebensführung nicht typischerweise angewiesen sei. Dessen vorübergehender Entzug wirke sich deshalb auch nicht auf die materiale Grundlage der Lebens-haltung signifikant aus. Es sei lediglich eine Einbuße in der Freiheit der [X.] gegeben. Darin liege aber kein ersatzfähiger Vermögensschaden. 4 - 4 - I[X.] Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. 5 1. Die [X.] eines [X.]fahrzeugs stellt nach allgemeiner Rechtsauffassung grundsätzlich [X.] dar und ist als geld-werter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Verfügbarkeit des Fahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens ge-eignet ist, Zeit und [X.] zu sparen und damit das Fortkommen im allgemeins-ten Sinn zu fördern (vgl. Senat, [X.] 45, 212, 215; 56, 214, 215; [X.]/Knerr, [X.], 25. Aufl. [X.]. 3 Rn. 95 ff.; [X.], [X.], 5. Aufl. § 249 Rn. 60 ff.; [X.]/[X.], [X.], 67. Aufl. vor § 249 Rn. 20 ff.; [X.] in: [X.]/Eckpfeiler (2005) S. 380 f.; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl. [X.]. 41, Rn. 43). 6 Auch für den Nutzungsausfallschaden gelten die schadensrechtlichen Grundsätze der subjektbezogenen Betrachtung des Schadens sowie des [X.] (Senatsurteile [X.] 45, 212, 219 f.; 162, 161, 165 m.w.N. und Urteil vom 18. Dezember 2007 - [X.] ZR 62/07 - [X.], 139). Dem be-troffenen Eigentümer gebührt die Entschädigung daher nicht unabhängig da-von, ob er seinen Wagen während der Reparaturzeit benutzen wollte und hierzu in der Lage war. So ist ein [X.] nicht gegeben, wenn etwa wegen Erkrankung oder Ortsabwesenheit der allein für die Benutzung in Frage kom-menden Person der Gebrauch des Fahrzeugs ohnehin nicht möglich war (Se-nat, [X.] 45, 212, 219; Urteil vom 7. Juni 1968 - [X.] ZR 40/67 - [X.], 803; [X.] [X.], 212, 220; [X.] 40, 345, 353). Die Entbehrung der [X.] muss darüber hinaus auch deshalb "fühlbar" geworden sein, weil der [X.] - 5 - schädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren geeigneten [X.]fahrzeuges für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte. Diese Einschrän-kung stellt sicher, dass der Geldersatz für Verluste im eigenwirtschaftlichen Einsatz der Sache ungeachtet der notwendigen Typisierung und Pauschalie-rung einer konkreten, auf das jeweils betroffene Vermögen bezogenen Scha-densbetrachtung verhaftet bleibt. Der Nutzungsersatz kommt nur für einen der vermögensmehrenden, erwerbswirtschaftlichen Verwendung des Wirtschaftsgu-tes vergleichbaren eigenwirtschaftlichen, vermögensmäßig erfassbaren Einsatz der betreffenden Sache in Betracht, denn der Ersatz für den Verlust der Mög-lichkeit zum Gebrauch einer Sache muss grundsätzlich Fällen vorbehalten blei-ben, in denen die Funktionsstörung sich typischerweise als solche auf die mate-riale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt. Andernfalls bestünde die Gefahr, unter Verletzung des § 253 [X.] die Ersatzpflicht auf [X.] auszudehnen. Auch würde dies mit den Erfordernissen von Rechtssicherheit und Berechenbarkeit des Schadens in Konflikt geraten. [X.] beschränkt sich der [X.] auf Sachen, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewie-sen ist und bei denen die Nutzungseinbußen an objektiven Maßstäben gemes-sen werden können. Der Tatrichter soll den Schadensersatz nicht an unkontrol-lierbaren subjektiven Wertschätzungen festmachen müssen, die ihm der Ge-schädigte angibt, sondern an Werten, die der Verkehr dem Interesse an der konkreten Nutzung beimisst (vgl. [X.] [X.], 212, 222 ff.). Hierzu kann auf die Verkehrsanschauung abgehoben werden, wenn diese auch nicht darüber entscheiden kann, wo die Grenze des § 253 [X.] verläuft (vgl. Senat, [X.] 89, 60, 62 f. m.w.N.). Nach diesen Kriterien hat der Ersatzpflichtige für den vorübergehenden Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines [X.]fahrzeugs grundsätzlich auch dann eine Entschädigung zu leisten, wenn sich der Geschädigte einen Ersatzwagen 8 - 6 - nicht beschafft hat. Wie oben dargelegt, ist die Verfügbarkeit eines [X.]fahr-zeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens grundsätzlich geeignet, Zeit und [X.] zu sparen, so dass die dadurch gewonnenen Vorteile als "Geld" zu betrachten sind. Auch hat der Geschädigte finanzielle Mittel zur Anschaffung und Haltung des Fahrzeugs eingesetzt, um den damit verbundenen "geldwer-ten" Vorteil zu erreichen (Senat, [X.] 45, 212, 215; 55, 146, 149; 56, 214, 216; 89, 60, 63; 161, 151, 154). Dass der Gebrauch eines [X.]fahrzeugs für den Benutzer daneben einen Gewinn an Bequemlichkeit bedeuten kann, steht bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise nicht im Vordergrund, weil Anschaffung und Unterhalt eines [X.]fahrzeugs in erster Linie um des wirt-schaftlichen Vorteils willen erfolgen, der in der Zeitersparnis liegt (vgl. Senat, [X.] 45, 212, 215; 89, 60, 63; [X.] 40, 345, 349). Bei der Prüfung, ob nach der Verkehrsauffassung der vorübergehende Verlust der Nutzungsmöglichkeit des beschädigten Gegenstandes als wirt-schaftlicher Schaden gewertet werden kann, ist ein strenger Maßstab anzule-gen. Das verlangt die in § 253 [X.] getroffene gesetzgeberische Entscheidung, wonach immaterieller Schaden nur ausnahmsweise, nämlich in den gesetzlich geregelten Fällen, zu ersetzen ist. Dieser strenge Maßstab hat dazu geführt, dass der [X.] mehrfach für den Nutzungsausfall von anderen Gegenständen als [X.]fahrzeugen eine Entschädigungspflicht verneint hat (vgl. [X.] 63, 393 - Pelzmantel; [X.] 76, 179 - privates Schwimmbad; [X.] 86, 128 - Wohnwagen; [X.] 89, 60 - Sportmotorboot). In den genannten Fällen ist die Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs für den [X.] letztlich daran gescheitert, dass sich der zeitweise Verlust unter Berücksichti-gung der Verkehrsauffassung nicht als wirtschaftlicher Schaden dargestellt hat, sondern als individuelle Genussschmälerung und damit als nicht [X.] Schaden. 9 - 7 - Dies gilt auch für den Streitfall. 2. Anders als bei einem für den alltäglichen Gebrauch vorgesehenen Pkw ist die jederzeitige Benutzbarkeit des Wohnmobils für den Kläger nach [X.] eigenen Vortrag zwar ein die Lebensqualität erhöhender Vorteil, der [X.] keinen ersatzfähigen materiellen Wert darstellt. Die Wertschätzung des Wohnmobils stützt der Kläger auf die Möglichkeit, seine Freizeit aufgrund der besonderen Mobilität besonders intensiv gestalten zu können. Dieser Gesichts-punkt betrifft indes nicht die alltägliche Nutzbarkeit zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung und entzieht sich einer vermögensrechtlichen Bewertung. Ent-gegen der Auffassung der Revision ist die vorliegende Interessenlage durchaus mit der im sogenannten Sportmotorbootfall vergleichbar (Senat, [X.] 89, 60, 64). 10 Zwar ist der Revision zuzugeben, dass anders als beim Wohnanhänger ([X.] 86, 128, 133) das Wohnmobil auch der Personenbeförderung dient. Doch musste der Kläger diese Nutzung nicht infolge der Beschädigung entbeh-ren, da ihm dafür ein Pkw zur Verfügung steht. Das Argument der Revision, dass die Nutzungsmöglichkeit eines Wohnmobils nach heutiger Verkehrsauf-fassung kommerzialisiert sei, legt ebenfalls keine andere Betrachtung nahe. Zwar kann es für die Annahme eines Vermögensschadens sprechen, wenn ein Markt für den betreffenden Gegenstand besteht und anerkannte Maßstäbe zur geldmäßigen Bemessung einer vorübergehend entzogenen Gebrauchsmöglich-keit zur Verfügung stehen ([X.] 63, 393 ff.; 45, 212, 217; 86, 128). Die Aner-kennung einer [X.] als [X.] bedeutet indes nicht, dass jeder Entzug von [X.], jede Einbuße an Freizeit und jede Beeinträchtigung von [X.] als ersatzfähiger [X.] anzuerkennen wären. [X.] lassen sich heute weitgehend mit Geld erkaufen. Soll die in § 253 [X.] getroffene Regelung nicht völlig [X.] - 8 - gehöhlt werden, bedarf es der wertenden, auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigenden Abwägung im Einzelfall, ob nach der Verkehrsauffassung die Benutzbarkeit einer Sache als selbständiger Vermögenswert neben ihrem Substanzwert angesehen werden kann und ob deshalb die Beeinträchtigung der [X.] als solcher einen Vermögensschaden darstellt (Se-nat [X.] 45, 212, 215 f.; [X.] 63, 393; 76, 179; 86, 128, 131). Nach diesen Kriterien begegnet es keinen Bedenken, dass das [X.] unter den Umständen des Streitfalls die Nutzung des reinen Frei-zeitzwecken dienenden Wohnmobils nicht als vermögenswerten Vorteil ange-sehen hat. Ob anderes gilt, wenn mangels eines Pkws das Wohnmobil zur Be-wältigung alltäglicher Transportaufgaben genutzt wird (vgl. [X.], [X.], 864; [X.], [X.], 47; [X.], [X.], 8 f.; [X.] Schaden-Praxis 1999, 54 f.), muss vom Senat in diesem Fall nicht entschieden werden. Da Vortrag zu konkreten Unkosten und Aufwendungen, die der Kläger infolge der Beschädigung des Wohnmobils getätigt hat, fehlt, muss die Klage auf Nutzungsersatz erfolglos bleiben. 12 - 9 - 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. 13 [X.] [X.] [X.] Pauge Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 05.10.2006 - 2/12 O 42/06 - [X.], Entscheidung vom 13.09.2007 - 1 U 224/06 -

Meta

VI ZR 248/07

10.06.2008

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.06.2008, Az. VI ZR 248/07 (REWIS RS 2008, 3526)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 3526

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI ZR 57/17 (Bundesgerichtshof)

Kraftfahrzeugschaden: Nutzungsausfallsentschädigung für ein beschädigtes Motorrad


VI ZR 57/17 (Bundesgerichtshof)


VI ZR 35/22 (Bundesgerichtshof)

Zuparken eines Pkw Porsche: Schadensersatz wegen Nutzungsausfall; Zumutbarkeit der Nutzung eines Zweitfahrzeugs


10 U 1563/18 (OLG München)

Merkantiler Minderwert und Nutzungsausfallschaden bei Beschädigung eines exklusiven Cabrios


5 C 429/21 (AG Regensburg)

Kein Nutzungsausfall für Wohnmobil


Referenzen
Wird zitiert von

6 U 136/08

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.