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PDF anzeigen[X.] DES VOLKESURTEILVI ZR 379/02Verkündet am:14. Oktober 2003Böhringer-Mangold,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]: jaBGB § 852 a.[X.], [X.] § 116Ist ein Schädiger mehrerer Taten (hier: sexueller Mißbrauch) verdächtig, stehtes der für den Beginn der Verjährung gemäß § 852 Abs. 1 BGB a.[X.] erforderli-chen positiven Kenntnis des Sozialversicherungsträgers (§ 116 [X.]) grund-sätzlich nicht gleich, wenn dieser die Beschuldigungen kennt und weiß, daß ein- 2 -Strafurteil ergangen und Revision eingelegt worden ist, er sich aber nicht da-nach erkundigt, wer Revision eingelegt hat.[X.], Urteil vom 14. Oktober 2003 - [X.] [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 14. Oktober 2003 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die [X.]. [X.], Wellner, Pauge und [X.] für Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des[X.]-Holsteinischen [X.]s in [X.] vom10. Oktober 2002 aufgehoben.Die Berufung des Beklagten zu 2 gegen das Urteil des [X.] vom 26. April 2001 wird zurückgewiesen.Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat der Beklagte zu 2 zutragen.Von Rechts wegen- 4 -Tatbestand:Die Klägerin begehrt im Wege des Schadensersatzes aus übergegange-nem Recht gemäß § 116 [X.] Ersatz von Heilbehandlungskosten ihrer Versi-cherten [X.] für die Zeit vom 15. November 1993 bis 1. August 1994. Die am6. September 1979 geborene [X.] verbrachte im Jahre 1993 einen Teil ihrerSommer- und Herbstferien auf einem Reiterhof des Beklagten zu 2 (im [X.]: Beklagter), der sie in dieser Zeit mehrfach sexuell mißbrauchte. [X.] erlittenen psychischen Beeinträchtigungen wurde [X.] in der Folgezeit ärztlichbehandelt. Am 15. November 1993 erstattete sie Strafanzeige. Gegen den [X.] wurde Haftbefehl erlassen. Er bestritt die gegen ihn gerichteten [X.]. Am 10. Dezember 1993 gab die Staatsanwaltschaft ein aussagepsycho-logisches Gutachten hinsichtlich der von [X.] erhobenen Beschuldigungen [X.]. Die Klägerin erhielt am 22. Februar 1994 [X.] vor Eingang des Gutach-tens - Einsicht in die Ermittlungsakte. Durch Urteil vom 8. August 1994 wurdeder Beklagte wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen zu einerFreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine Revision wurde am [X.] als unbegründet verworfen. Auf Anforderung vom 25. April 1996 erhielt [X.] am 28. Mai 1996 erneut Akteneinsicht. Mit ihrer im April 1999 erhobe-nen Klage hat sie den Beklagten auf Zahlung von 112.926,17 DM in [X.]. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung [X.] hat das [X.] die gegen ihn gerichtete Klage abgewie-sen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom [X.] zuge-lassenen Revision.- 5 -Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht ist der Auffassung, der gegen den Beklagten ge-richtete [X.] sei verjährt. Die Klägerin, auf deren Kenntnis abzustel-len sei, habe mehr als drei Jahre vor Klageerhebung den Schaden und die [X.] gekannt. Zwar sei ihr eine Einschätzung des [X.] der von [X.] erhobenen Vorwürfe nicht schon bei der am [X.] erfolgten Einsichtnahme in die strafrechtlichen Ermittlungsakten [X.], doch komme es darauf nicht an; denn Kenntnis im Sinne von § 852Abs. 1 BGB a.[X.] sei auch dann anzunehmen, wenn der Geschädigte es [X.] habe, eine gewissermaßen auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeitwahrzunehmen. Dies sei hier der Fall. Die Klägerin habe nämlich auf ihre [X.] vom 16. August 1994 die Mitteilung erhalten, daß die Akten vorläufignicht entbehrlich seien, weil Revision eingelegt worden sei. Wenn sie [X.] der Staatsanwaltschaft nachgefragt hätte, wer Revision eingelegt habe, [X.] ihr der Beklagte als Revisionsführer benannt worden. Auf diese Weise hättesie ohne besonderen Aufwand von seiner Verurteilung erfahren können. [X.] davon hätte zur Erhebung einer erfolgversprechenden, wenn auchnicht risikolosen Schadensersatzklage genügt.[X.] Erwägungen halten den Angriffen der Revision nicht in jeder Hin-sicht stand. Der [X.] ist nicht verjährt.1. Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß es für den Be-ginn der Verjährung gemäß § 852 Abs. 1 BGB a.[X.] darauf ankommt, zu [X.] -chem Zeitpunkt die Klägerin von dem Schaden und der Person des Ersatz-pflichtigen erfahren hat. Dies entspricht der Rechtsprechung des erkennendenSenats, wonach für die Verjährung eines gemäß § 116 [X.] auf den Sozial-versicherungsträger übergegangenen Regreßanspruchs auf den [X.] zuständigen Sachbearbeiters der jeweiligen Regreßabteilung abzustellenist (vgl. Senatsurteil [X.]Z 133, 129, 138 ff. m.w.[X.] Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe die für denBeginn der Verjährung erforderliche Kenntnis nicht schon aufgrund ihrer Akten-einsicht am 22. Februar 1994 erlangt, ist entgegen der Auffassung der Revisi-onserwiderung nicht zu beanstanden. Nach § 852 Abs. 1 BGB a.[X.] beginnt [X.] deliktischer Schadensersatzansprüche, wenn der Geschädigte po-sitive Kenntnis vom Schaden einschließlich des Schadenshergangs und [X.] hat (vgl. Senatsurteile [X.]Z 133, 192, 198 und vom 18. Januar2000 [X.] VI ZR 375/98 [X.] VersR 2000, 503, 504). Dabei reicht im [X.] solche Kenntnis aus, die dem Geschädigten die Erhebung einer Schadens-ersatzklage [X.] sei es auch nur in Form der Feststellungsklage - erfolgverspre-chend, wenn auch nicht risikolos ermöglicht (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom31. Oktober 1989 [X.] VI ZR 84/89 [X.] [X.], 167; vom 19. Dezember 1989- VI ZR 57/89 - [X.], 497 und vom 31. Januar 1995 - [X.]/94 -VersR 1995, 551, 552; [X.], Urteil vom 24. Juni 1999 - [X.] - [X.], 1149, 1150). Ob eine solche hinreichende Kenntnis aus dem Inhalt derstrafrechtlichen Ermittlungsakten gewonnen werden kann, hängt von den [X.] ab. Das gilt auch für die Frage, ob es für die gemäߧ 852 Abs. 1 BGB a.[X.] erforderliche Kenntnis genügen kann, wenn im [X.] ein dringender Tatverdacht gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 StPObejaht wird, der zum Erlaß eines Haftbefehls gegen den Beschuldigten führt(vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 1991 - [X.] - [X.], 207 f.).Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Klägerin sei nach damaliger [X.] 7 -lage eine Einschätzung des Wahrheitsgehalts der gegen den Beklagten erho-benen Vorwürfe noch nicht möglich gewesen, ist aus revisionsrechtlicher Sichtnicht zu beanstanden, zumal sich zum damaligen Zeitpunkt aus der von derKlägerin eingesehenen Ermittlungsakte ergab, daß die Staatsanwaltschaft zurBewertung der von [X.] erhobenen Vorwürfe eine aussagepsychologische Be-gutachtung für erforderlich hielt.3. Dem Berufungsgericht kann jedoch nicht darin gefolgt werden, daß [X.] sich so behandeln lassen müsse, als wenn sie die erforderliche Kennt-nis aufgrund ihrer [X.] vom 16. August 1994 erhalten hätte.a) Soweit die Revision rügt, die Berücksichtigung dieses Akteneinsichts-gesuchs der Klägerin beruhe auf einem Verfahrensfehler, kann sie damit aller-dings keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht hat nicht gegen den im Zivil-prozeß geltenden Beibringungsgrundsatz verstoßen. Allerdings müssen die [X.], wenn nicht das schriftliche Verfahren angeordnet worden ist, bei [X.] des Sachverhalts von dem Sach- und Streitstand ausgehen, wie ersich in der letzten mündlichen Verhandlung ergeben hat. Was die Parteien [X.] dem Berufungsgericht vorgetragen haben, ist entsprechend § 314 Satz 1ZPO dem Tatbestand des Berufungsurteils zu entnehmen, denn dieser erbringtzusammen mit dem Sitzungsprotokoll den Beweis für das mündliche Parteivor-bringen, das gemäß § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Beurteilung durch das [X.] unterliegt (vgl. [X.], Urteil vom 16. Mai 1990 - [X.] - [X.], 974). Wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, ergibt sichaus dem unstreitigen Teil des angefochtenen Berufungsurteils, daß die [X.] der Klägerin auf eine erneute [X.] vom 16. [X.] mitgeteilt hat, die Akten seien wegen eingelegter Revision vorläufig nichtentbehrlich. Den Beweis der Richtigkeit dieser tatbestandlichen Feststellung [X.] Klägerin nicht [X.] -b) Die auf die [X.] vom 16. August 1994 erfolgte [X.] Staatsanwaltschaft führt entgegen der Auffassung des [X.] nicht zu einer Erkundigungspflicht der Klägerin, wer Revision eingelegthabe.Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß [X.] erforderlichen positiven Kenntnis ausnahmsweise eine auf [X.] liegende Erkenntnismöglichkeit gleichstehen kann. Nach der Rechtspre-chung des [X.] kann nämlich die nach § 852 Abs. 1 BGB a.[X.]erforderliche Kenntnis vom Schaden und der Person des [X.] [X.] schon dann anzunehmen sein, wenn der Geschädigte diese [X.] tatsächlich noch nicht besitzt, sie sich aber in zumutbarer Weise ohnenennenswerte Mühe beschaffen kann. In diesem Fall gelten die [X.] in dem Augenblick als bekannt, in dem der Geschädigte auf die ent-sprechende Erkundigung hin die Kenntnis erhalten hätte (vgl. Senatsurteile vom3. November 1961 - [X.] - [X.], 86, 87; vom 29. Mai 1973- VI ZR 68/72 - VersR 1973, 841, 842 und vom 23. September 1975- VI ZR 62/73 - [X.], 166 f. sowie [X.], Urteil vom 5. April 1976- [X.] - [X.], 859, 860). Diese Rechtsprechung beruht auf [X.], daß der Verletzte es nicht in der Hand haben darf, einseitig die Ver-jährungsfrist dadurch zu verlängern, daß er die Augen vor einer sich ihm auf-drängenden Kenntnis verschließt (Senatsurteil vom 5. Februar 1985- VI ZR 61/83 - [X.], 367, 368). Der erkennende Senat hat aber [X.] darauf hingewiesen, daß selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis der [X.] geforderten positiven Kenntnis grundsätzlich nicht gleichsteht; dies istvielmehr nur dann der Fall, wenn der Geschädigte es versäumt hat, eine gleich-sam auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen, und deshalbletztlich das Sichberufen auf Unkenntnis als [X.] erscheint, weil jeder an-dere in der Lage des Geschädigten unter denselben konkreten Umständen die- 9 -Kenntnis gehabt hätte (vgl. Senatsurteile [X.]Z 133, 192, 198 ff.; 150, 94,97 ff.; vom 6. Februar 1990 - [X.]/89 - [X.], 539; vom16. Dezember 1997 - [X.] [X.] aaO [X.] 380; vom 18. Januar 2000- VI ZR 375/98 - aaO und vom 8. Oktober 2002 [X.] VI ZR 182/01 [X.] VersR 2003,75, 76). So liegt der Fall jedoch nicht.Zu der vom Berufungsgericht verlangten Nachfrage bei der Staatsan-waltschaft bestand hier schon deshalb keine Veranlassung, weil der Klägerinauch bei Kenntnis davon, daß es sich um eine Revision des Beklagten handel-te, die Erhebung einer Schadensersatzklage gegen ihn noch nicht zumutbargewesen wäre. Das Wissen von der Person des Revisionsführers hätte [X.] Aufschluß darüber gegeben, daß Anklage erhoben war und zu einer straf-rechtlichen Verurteilung des Beklagten geführt hatte. Damit hätte die [X.] noch keine Kenntnis von dem Umfang der Anklage und der erfolgten [X.] gehabt. Eine nähere Kenntnis davon wäre jedoch deswegen [X.] gewesen, weil [X.] den Beklagten nicht nur einer, sondern mehrerer [X.] hatte und für die Geltendmachung des auf Ersatz von [X.] gerichteten Regreßanspruchs gegen ihn auch von Bedeutung war,ob und inwieweit eine Ursächlichkeit der ihm zur Last gelegten Taten für diepsychische Schädigung der Versicherungsnehmerin der Klägerin [X.]. Eine zuverlässige Beurteilung dieser Frage erforderte nähere Informatio-nen über den Wahrheitsgehalt der erhobenen Beschuldigungen. Diese [X.] die Klägerin erst am 28. Mai 1996 und damit weniger als drei Jahre vor [X.] -III.Da der Beklagte seine Berufung gegen das der Klage stattgebende erst-instanzliche Urteil ausschließlich auf die - nicht durchgreifende - Einrede derVerjährung gestützt hat, sind weitere Feststellungen weder zum Grund noch zurHöhe des Anspruchs zu treffen. Deshalb kann der erkennende Senat gemäߧ 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden und die Berufung des [X.] gegen das landgerichtliche Urteil zurückweisen.[X.] Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.Müller[X.]WellnerPauge[X.]
Meta
14.10.2003
Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat
Sachgebiet: ZR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2003, Az. VI ZR 379/02 (REWIS RS 2003, 1232)
Papierfundstellen: REWIS RS 2003, 1232
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