Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.03.2019, Az. V ZB 111/18

5. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 9087

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei Bedürftigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft


Leitsatz

Die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe liegen bei der Wohnungseigentümergemeinschaft nur vor, wenn die Kosten des Rechtsstreits weder von ihr noch von den Wohnungseigentümern aufgebracht werden können.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] - 36. Zivilkammer - vom 12. Juni 2018 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das [X.] hat den Antrag der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Berufungsverfahren zurückgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren [X.] weiter.

II.

2

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der [X.] sei zurückzuweisen, weil die Beklagte eine hinreichende Bedürftigkeit nicht dargetan habe. Der nach § 10 Abs. 6 [X.] rechtsfähigen [X.] der Wohnungseigentümer könne Prozesskostenhilfe nur unter den Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO bewilligt werden. Für die Prüfung der Bedürftigkeit komme es folglich darauf an, dass weder die [X.] noch die wirtschaftlich Beteiligten die Kosten der Prozessführung aus ihrem Vermögen aufbringen könnten. Als wirtschaftlich Beteiligte seien bei einem Rechtsstreit über Zahlungen an die Wohnungseigentümergemeinschaft die Wohnungseigentümer anzusehen, da sich dessen Ausgang auf deren finanzielle Situation auswirke. Dabei reiche grundsätzlich ein mittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits aus, so etwa, wenn die Mitglieder bei [X.] mit der Erhebung einer Umlage rechnen müssten. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass die Wohnungseigentümer ebenfalls nicht in der Lage seien, die Prozesskosten aufzubringen.

III.

3

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

4

1. Die angefochtene Entscheidung ist nicht deshalb aufzuheben, weil das Berufungsgericht seinen Rechtsausführungen keinen Sachverhalt vorangestellt und auf die erstinstanzliche Entscheidung nicht Bezug genommen hat. Zwar müssen nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, wegen der sich aus § 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 Abs. 1 ZPO ergebenden Beschränkung den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben. Wird dem nicht genügt, liegt ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensmangel vor, der ohne weiteres die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung zur Folge hat (vgl. Senat, Beschluss vom 18. April 2013 - [X.], juris Rn. 3 mwN; Beschluss vom 20. Mai 2016 - [X.], [X.] 2016, 241 Rn. 5; Beschluss vom 18. Januar 2018 - [X.], NJW 2018, 1691 Rn. 5). Hier liegt es aber deshalb anders, weil sich der maßgebliche Sachverhalt mit (noch) ausreichender Deutlichkeit den Gründen der Beschwerdeentscheidung entnehmen lässt. Für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde kommt es nämlich allein darauf an, dass die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft Prozesskostenhilfe für eine Berufung beantragt und die Bedürftigkeit der Wohnungseigentümer nicht dargelegt hat.

5

2. Das Berufungsgericht hat den [X.] der Beklagten zu Recht zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen, unter denen einer Wohnungseigentümergemeinschaft Prozesskostenhilfe bewilligt werden können, nicht vorliegen.

6

a) Nach § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO erhalten Prozesskostenhilfe auf Antrag eine juristische Person oder parteifähige Vereinigung, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den [X.] gegründet und dort ansässig ist, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist im Umfang ihrer Rechtsfähigkeit (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 1 [X.]) eine parteifähige Vereinigung (§ 50 Abs. 1 ZPO) im Sinne von § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO, so dass ihr Prozesskostenhilfe unter den Voraussetzungen dieser Vorschrift gewährt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - [X.], NJW 2010, 2814 Rn. 6).

7

b) Ob es bei der Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Wohnungseigentümergemeinschaft allein auf deren Bedürftigkeit ankommt oder auch auf die der Wohnungseigentümer, ist umstritten.

8

aa) Nach einer Ansicht soll es nicht darauf ankommen, ob und in welchem Umfang einzelne Wohnungseigentümer in der Lage wären, Prozesskosten aufzubringen (vgl. [X.]/Wolicki, Handbuch [X.], 2. Aufl., § 11 Rn. 167; [X.], [X.], 145).

9

bb) Nach anderer Ansicht sollen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Wohnungseigentümer (nur) mittelbar Berücksichtigung finden, indem die selbst mittellose [X.] nur dann als bedürftig angesehen wird, wenn eine Sonderumlage in Höhe der voraussichtlichen Verfahrenskosten beschlossen wurde und einzelne Wohnungseigentümer nicht in der Lage sind, den auf sie entfallenden Beitrag zu leisten (vgl. [X.], [X.], 810, 813).

cc) Nach ganz herrschender Ansicht kommt es hingegen sowohl auf die Verhältnisse der [X.] als auch auf diejenigen der Wohnungseigentümer an (vgl. [X.], [X.], 145; [X.], [X.] 2010, 140, 141; [X.]/[X.]/[X.], Praxis des Wohnungseigentums, 7. Aufl., § 75 Rn. 30; [X.], Wohnungseigentumsrecht, 4. Aufl., § 1 Rn. 23 [X.]. 43; Hügel/[X.], [X.], 2. Aufl., Vor §§ 43 ff. Rn. 64; [X.], 5. Aufl., § 116 Rn. 22; [X.] in [X.]/Vandenhouten, [X.], 12. Aufl., § 28 Rn. 216; [X.]/[X.], BGB [2018], Einleitung § 43 [X.] Rn. 131; Suilmann in [X.], [X.], 5. Aufl., § 43 Rn. 10a; Ghadban, [X.] 2010, 781, 782 f.; [X.], [X.] 7/2010 [X.]. 6; [X.], [X.], 781, 782).

c) Der Senat hat die Frage bislang offen gelassen (Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - [X.], NJW 2010, 2814 Rn. 7). Er entscheidet sie nunmehr im Sinne der letztgenannten Ansicht. Die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe liegen bei der Wohnungseigentümergemeinschaft nur vor, wenn die Kosten des Rechtsstreits weder von ihr noch von den Wohnungseigentümern aufgebracht werden können.

aa) Dies folgt aus der Nachschusspflicht der Wohnungseigentümer. Diese haben für einen ausgeglichenen Etat der [X.] zu sorgen (§ 28 Abs. 1 Satz 2 [X.]; vgl. Senat, Beschluss vom 2. Juni 2005 - [X.], [X.], 154, 175; Urteil vom 25. September 2015 - [X.], [X.], 99 Rn. 15). Gibt es Zahlungsausfälle bei Wohnungseigentümern, müssen die daraus resultierenden Fehlbeträge durch entsprechend höhere Beiträge der übrigen Wohnungseigentümer oder, wenn sich eine Finanzierungslücke während des laufenden [X.] auftut, durch eine Sonderumlage ausgeglichen werden; die Wohnungseigentümer trifft insoweit eine Nachschusspflicht, und zwar auch im Fall einer Kreditaufnahme durch die [X.] (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Juni 1989 - [X.], [X.], 44, 47; Urteil vom 25. September 2015 - [X.], aaO).

Nichts anderes gilt, wenn die Finanzierungslücke dadurch entsteht, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft Kosten eines Rechtsstreits bestreiten muss, die im Wirtschaftsplan nicht berücksichtigt und daher von Beitragsleistungen der Wohnungseigentümer nicht gedeckt sind. Auch in diesem Fall haben die Wohnungseigentümer die Finanzierungslücke durch geeignete Maßnahmen zu schließen, indem sie den Verband etwa durch eine Sonderumlage, eine Kreditaufnahme oder in anderer Weise in die Lage versetzen, die Prozesskosten aufzubringen. Kommt es bei einer solchen Sonderumlage zu Zahlungsausfällen von Wohnungseigentümern, müssen die Fehlbeträge wiederum durch eine ergänzende Sonderumlage oder Kreditaufnahme ausgeglichen werden. Angesichts dieser Nachschusspflicht sind die Wohnungseigentümer bei Rechtsstreitigkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft als wirtschaftlich Beteiligte i.S.v. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO anzusehen und kann auch die [X.] selbst nicht als bedürftig angesehen werden, wenn die Kosten des Rechtsstreits von den Wohnungseigentümern aufgebracht werden können.

bb) Kann die Wohnungseigentümergemeinschaft hingegen darlegen, dass ihr ein Kredit in der erforderlichen Höhe nicht gewährt würde und keiner der Wohnungseigentümer in der Lage ist, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen, liegen die Bewilligungsvoraussetzungen nach § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO vor (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - [X.], NJW 2010, 2814 Rn. 7). Nicht ausreichend wäre es hingegen, wenn lediglich einzelne Wohnungseigentümer nicht zur Vorschussleistung in der Lage sein sollten (so aber [X.], [X.], 810, 813), weil ein durch Zahlungsausfälle einzelner Wohnungseigentümer resultierender Fehlbetrag aufgrund der dargestellten Nachschusspflicht durch eine ergänzende Sonderumlage geschlossen werden könnte und gegebenenfalls geschlossen werden müsste. Deshalb steht der Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer auch nicht entgegen, dass diese nur anteilig für Sonderumlagen haften, die zur Finanzierung von Prozesskosten des Verbandes beschlossen werden (so aber [X.]/Wolicki, Handbuch [X.], 2. Aufl., § 11 Rn. 167).

cc) Darauf, ob den (einzelnen) Wohnungseigentümern die Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten des Verbandes zumutbar ist, kommt es, anders als die Rechtsbeschwerde meint, nicht an. Auf der Zumutbarkeit der Mittelaufbringung stellt das Gesetz nur in den Fällen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO ab, also bei der Prozessführung durch eine Partei kraft Amtes, insbesondere den Insolvenzverwalter. Hier kommt es darauf an, ob den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen (vgl. dazu etwa [X.], Beschluss vom 26. April 2018 - [X.], [X.], 1137 Rn. 7). Für die Prozessführung durch die juristische Person oder die parteifähige Vereinigung stellt § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO hingegen nicht darauf ab, ob den wirtschaftlich Beteiligten die Kostentragung zuzumuten, sondern nur darauf, ob sie diesen möglich ist ([X.], 5. Aufl., § 116 Rn. 23; [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 116 Rn. 22; [X.], [X.], 781, 782).

IV.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da außergerichtliche Kosten im Verfahren über eine Rechtsbeschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet werden (vgl. [X.], Beschluss vom 9. März 2010 - [X.], [X.], 767; Senat, Beschluss vom 15. März 2011 - [X.], [X.], 901 Rn. 25).

[X.]t-Räntsch     

      

Brückner     

      

Weinland

      

Kazele     

      

[X.]     

      

Meta

V ZB 111/18

21.03.2019

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG München I, 12. Juni 2018, Az: 36 S 2343/18 WEG

§ 116 S 1 Nr 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.03.2019, Az. V ZB 111/18 (REWIS RS 2019, 9087)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 788-789 REWIS RS 2019, 9087

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 244/14 (Bundesgerichtshof)

Beschlussanfechtung im Wohnungseigentumsverfahren: Wirksamkeit eines Beschlusses über die Finanzierung einer Sanierungsmaßnahme durch einen langfristigen, hohen …


V ZR 168/13 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentum: Beteiligung der Wohnungseigentümer an den Kosten eines von der Gemeinschaft gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer …


V ZR 129/11 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentümergemeinschaft: Anforderungen an die Einladung zu einer Wohnungseigentümerversammlung; Beschluss einer zusätzlichen Sonderumlage


V ZR 244/14 (Bundesgerichtshof)


V ZR 168/13 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZB 142/15

V ZB 26/10

V ZR 244/14

IX ZB 29/17

VI ZB 56/07

V ZB 177/10

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.