Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2011, Az. IX ZB 133/08

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3035

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 133/08

vom

22. September 2011

in dem Insolvenzverfahren

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2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Dr.
Kayser,
den
Richter Raebel,
die Richterin [X.],
[X.]
Pape
und die die Richterin Möhring

am
22. September 2011
beschlossen:

Auf die
Rechtsmittel
des Schuldners werden
der Beschluss der 2.
Zivilkammer des [X.] vom 14.
Mai 2008 und der Beschluss des [X.] vom 9. Januar 2008, soweit das Amtsgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt hat, aufgehoben.

Die Anträge der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 auf Versagung der Restschuldbefreiung werden als unzulässig
zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Gerichtskosten aller Rechtszüge [X.] die außergerichtlichen Kosten des Schuldners
zu tragen.

Der Wert des [X.] wird auf 5.000

e-setzt.

-

3

-
Gründe:

I.

In dem auf Antrag des Schuldners eröffneten Insolvenzverfahrens kün-digte das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 31.
Januar 2006 an, dass der Schuldner die Restschuldbefreiung erlange, wenn er für die [X.] von sechs Jah-ren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Obliegenheiten des §
295 [X.] nachkomme. Der weitere Beteiligte zu
3 wurde zum Treuhänder in der Wohl-verhaltensperiode bestimmt
und das Insolvenzverfahren am 13.
März 2006 nach §
211 [X.] eingestellt.

Der Schuldner war bis einschließlich März 2006 als selbständiger Versi-cherungsvertreter für die A.

in M.

tätig. Nach seiner letzten Abrechnung wurde ihm am 15.
März
2006 ein Provisionsvor-schuss in Höhe von 2.650

März 2006
anderweitig
ein Honorar von 350

aufmännische Dienstleis-tungen". Von April bis Juni 2006 war er arbeitsunfähig erkrankt. Seit Oktober 2006 ist er abhängig beschäftigt.

Auf Anträge der
weiteren
Beteiligten zu
1 und 2 hat das Insolvenzgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung wegen des Verschweigens der im März 2006 aus selbständiger Tätigkeit vereinnahmten Beträge versagt. Seine sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde ver-folgt der Schuldner seinen Zurückweisungsantrag weiter.

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II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§
7, 6 Abs.
1, §
296 Abs.
3 Satz
1 [X.], §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO) und auch im
Übrigen zulässig (§
574 Abs.
2 Nr.
1
ZPO). Das Rechtsmittel ist auch begründet.

1. Das Beschwerdegericht meint, die glaubhaft gemachten Versagungs-gründe der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 seien gegeben, weil der Schuldner seine Einnahmen im Monat März 2006, die von der Abtretungserklärung erfasst würden, dem Treuhänder verschwiegen habe. Der Schuldner habe damit seine Obliegenheiten aus §
295 Abs.
1 [X.] verletzt. Der Anwendung des §
295 Abs.
2 [X.] bedürfe es nicht,
wenn ein selbständig tätiger Schuldner über ab-tretbare Einkünfte verfüge. In den Anwendungsbereich des §
295 Abs.
1 [X.]
fielen auch arbeitnehmerähnliche Personen, etwa ein Handelsvertreter der -
wie hier der Schuldner
-
nur für ein Unternehmen tätig sei. Die Gläubiger würden durch die Verheimlichung
pfändbarer Bezüge
auch geschädigt. Dass ein Provi-sionsvorschuss in Höhe von 2.650

d-bare
Bezüge beinhalte, sei anzunehmen.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht
stand. Der [X.] des
weiteren Beteiligten zu 1 vom 6./22.
Februar
2007
ist unzulässig und daher zurückzuweisen. Entsprechendes gilt für den Versa-gungsantrag des weiteren Beteiligten zu 2 vom 28. November 2007, in dem dieser nur auf den Bericht des Treuhänders vom 2. November 2007 Bezug ge-nommen hat.

a) Gemäß §
296 Abs.
1 Satz
1 [X.] bedarf es zur Versagung der Rest-schuldbefreiung zwingend eines Gläubigerantrages. Ein solcher Antrag ist nur 4
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6
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-

5

-
zulässig, wenn die Versagungsvoraussetzungen glaubhaft gemacht werden, die sich aus § 296 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] ergeben. Nach § 296 Abs. 1 Satz
1 [X.] muss der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung gemäß §
287 Abs. 2 [X.], der Wohlverhaltensperiode, eine seiner Obliegenheiten schuldhaft verletzt haben. Weitere Voraussetzung ist, dass die Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch die Obliegenheitsverletzung beeinträchtigt ist. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut genügt für eine Versagung eine abstrakte Ge-fährdung der [X.] der Gläubiger nicht; vielmehr muss bei wirtschaftlicher Betrachtung eine konkrete messbare Schlechterstellung der Gläubiger wahrscheinlich sein ([X.], Beschluss
vom
5. April 2006 -
IX ZB 50/05, NZI
2006, 413
Rn.
4; vom
8.
Februar 2007 -
IX ZB 88/06, Z[X.]
2007, 322
Rn.
5; vom
21.
Januar 2010 -
IX ZB 67/09, Z[X.] 2010, 391 Rn.
9; vom
1.
Juli
2010 -
IX ZB 148/09, Z[X.]
2010, 1558
Rn.
7). Das in §
296 Abs.
1 Satz 3 [X.] bestimmte Erfordernis der Glaubhaftmachung bezieht sich gerade auch auf diese Versagungsvoraussetzung ([X.], Beschluss
vom
5.
April 2006, aaO; vom
1.
Juli 2010, aaO). Dazu muss im Rahmen einer Vergleichsrechnung die Vermögensdifferenz zwischen der Tilgung der Verbindlichkeiten mit und ohne Obliegenheitsverletzung ermittelt werden. Nach Abzug aller vorrangig zu befrie-digenden Verbindlichkeiten muss eine pfändbare Summe verbleiben und dieser an die Insolvenzgläubiger zu verteilende Betrag durch die Obliegenheitsverlet-zung verkürzt worden sein ([X.], Beschluss
vom
1. Juli 2010, aaO).

b) Diesen Anforderungen genügt der [X.] des weiteren Beteiligten zu 1 nicht. Er hat lediglich geltend gemacht, der Schuldner habe Einkünfte verheimlicht, die er als selbständiger Versicherungsvertreter erzielt habe, pfändbare Beträge seien an den Treuhänder nicht abgeführt worden; eine konkrete Schlechterstellung der Gläubiger, insbesondere, ob pfändbares Ein-kommen überhaupt erzielt worden sei, ist dagegen nicht glaubhaft gemacht. Dass der Schuldner aufgrund seiner wirtschaftlich selbständigen Tätigkeit etwas 8
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-
an die Masse hätte abführen müssen, wird ebenfalls nicht dargelegt, geschwei-ge denn glaubhaft gemacht. Auch der weitere Gläubiger zu 2, der
sich nur auf den Bericht des Treuhänders vom 2. November 2007 berufen hat, trägt zu einer Beeinträchtigung der [X.] nichts vor. Aus dem Bericht des Treuhänders ergibt sich nichts für
eine konkret messbare Beeinträchtigung der [X.]. Es handelt sich in beiden Fällen um [X.], bei denen die Gläubigerbenachteiligung ohne Mitteilung entsprechender aussagekräftiger Tatsachen nur vermutet wird. Dies reicht für einen zulässigen [X.] ebenso wenig aus wie die Geltendmachung einer bloßen Gefährdung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger (vgl. [X.], Beschluss
vom
12. Juni 2008, aaO; vom
1. Juli 2010, aaO).

3.
Im Übrigen hat der Senat nach Erlass der Beschwerdeentscheidung geklärt, dass Einnahmen eines selbständig tätigen Schuldners grundsätzlich nicht unter die Abtretungserklärung des §
287
Abs.
2
Satz
1
[X.]
fallen.
§
295 Abs.
1 Nr.
3 [X.] ist daher insoweit nicht anzuwenden (vgl. [X.], Urteil vom 15.
Oktober 2010 -
IX ZR 234/08, Z[X.] 2010, 59).
Einnahmen, die der [X.] aufgrund einer wirtschaftlich selbständigen Tätigkeit erzielt, müssen ihm uneingeschränkt zur Verfügung stehen, damit er seiner Abführungspflicht aus §
295 Abs.
2 [X.] gerecht werden
kann. Sie können deshalb -
ungeachtet der Tatsache, dass auch der selbständig tätige Schuldner seinem Antrag eine Ab-tretungserklärung nach §
287 Abs.
2 Satz 1 [X.] beizufügen hat
-
in aller Regel auch nicht als pfändbares Einkommen im Sinne des §
850 Abs.
2 ZPO angese-hen werden
([X.], Urteil vom 15.
Oktober 2010, aaO Rn.
8
ff).
Zwar hat der [X.] in dieser Entscheidung offen gelassen, ob dies auch dann gilt, wenn es sich bei dem Schuldner nur um einen Scheinselbständigen han-delt. Anhaltspunkte für eine bloße Scheinselbständigkeit hat das Beschwerde-gericht aber nicht festgestellt, so dass die Provisionszahlungen, von denen die Betriebsausgaben des Schuldner und die von diesem zu entrichtenden [X.]
-

7

-
ben noch nicht abgesetzt sind, jedenfalls nicht unter die Abtretungserklärung fallen. Dies gilt erst recht für das Honorar, welches der Schuldner von einem anderen Auftraggeber erhalten hat.

III.

Die Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen erfolgt
nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte [X.]. Nach Letzterem ist die Sache zur Endentscheidung reif. Das [X.] hat deshalb in der Sache selbst zu entscheiden, §
577 Abs.
5 ZPO.
Kayser
Raebel
[X.]

Pape
Möhring
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.01.2008 -
IN 63/03 -

LG [X.], Entscheidung vom 14.05.2008 -
2 T 9/08 -

10

Meta

IX ZB 133/08

22.09.2011

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2011, Az. IX ZB 133/08 (REWIS RS 2011, 3035)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3035

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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