Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.04.2012, Az. X ZR 67/09

X. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7507

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X [X.]
vom

3. April 2012

in der Patentnichtigkeitssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Sachverständigenablehnung V
ZPO § 406 Abs. 2
Ist einer [X.] im Patentnichtigkeitsverfahren vor der Bestellung des gerichtli-chen Sachverständigen Gelegenheit gegeben worden, zur fachlichen und per-sönlichen Eignung einer von der Gegenpartei vorgeschlagenen Person Stellung zu nehmen, und verfügt sie über keinerlei Informationen zur Person des Sach-verständigen, handelt sie schuldhaft, wenn sie, ohne zumindest einfache und ohne weiteres mögliche Erkundigungen eingeholt zu haben, die Erklärung ab-gibt, gegen die als Sachverständigen vorgeschlagene Person bestünden keine Einwände.
[X.], Beschluss vom 3. April 2012 -
X [X.] -
[X.]

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat am 3.
April 2012 durch [X.], die Richter [X.], [X.], [X.] und die Richterin Schuster
beschlossen:

Das den gerichtlichen Sachverständigen Dr. G.

betref-
fende Ablehnungsgesuch wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beklagte hat den gerichtlichen Sachverständigen wegen der [X.] abgelehnt, nachdem er sein schriftliches Gutachten erstattet hat. Dessen Inhalt habe ihr Veranlassung gegeben, ihre Prozessbe-vollmächtigten mit einer Internetrecherche zum beruflichen Hintergrund des Sachverständigen zu beauftragen. Diese Recherche habe ergeben, dass der gerichtliche Sachverständige am 9. März 2009 auf dem von der Streithelferin ausgerichteten "[X.] zur X.

"
einen Vortrag zum Thema "X.

im täglichen Einsatz"

gehalten und am 17. Juni 2010 im Rahmen eines auf dem [X.] Deutschen Gesellschaft für Y.

e.V. von
der Streithelferin gesponserten Workshops zum Thema "X.

im ambulanten
Einsatz"
vorgetragen habe. Die hieraus und aus weiteren Umständen und Zu-sammenhängen (nachstehend II
2) ersichtlichen Beziehungen zur Streithelferin gingen deutlich über das hinaus, was als Austausch zwischen [X.]
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nen Ärzten und Unternehmen, deren Produkte sie verwendeten, üblich sei,
und begründe die Besorgnis der Befangenheit.
II.
Das Gesuch war zurückzuweisen.
1.
Es ist unzulässig, soweit die Beklagte sich dafür auf die vom Sach-verständigen am 9. März 2009 und 17. Juni 2010 gehaltenen Vorträge stützt.
a)
Die Ablehnung eines Sachverständigen ist nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über seine Bestellung (hier: im April 2011) nur zu-lässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen (§ 406 Abs. 2 ZPO). An dieser Glaubhaftmachung fehlt es.
b)
Entsprechend seiner neueren ständigen
Praxis hat der Senat den [X.]en und der Streithelferin vor Beauftragung des gerichtlichen [X.] aufgegeben, fachlich qualifizierte und unabhängige Sachverständige vor-zuschlagen und danach Gelegenheit gegeben, wechselseitig zu den jeweils unterbreiteten Vorschlägen Stellung zu beziehen. Zu den übereinstimmend von den Klägerinnen und der Streithelferin vorgeschlagenen Personen, Dr. G.

als dann beauftragtem Sachverständigen
und Prof. Dr. R., haben die sei-
nerzeitigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten in deren Namen und [X.] erklärt, dass gegen sie keine Einwände bestünden.
c)
Vor diesem Hintergrund kann es nicht als unverschuldet angesehen werden, dass die Beklagte ihr Ablehnungsgesuch nicht früher angebracht hat.
Für die [X.]en besteht im Allgemeinen keine Verpflichtung, [X.] darüber anzustellen, ob ein Ablehnungsgrund in Betracht kommt. [X.] kann im Einzelfall Abweichendes gelten, denn konkreten Anhaltspunkten 2
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7
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4
-
für das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes muss die [X.] aufgrund ihrer Pro-zessförderungspflicht nachgehen. Zumutbare Nachforschungen muss die [X.] auch dann anstellen, wenn ihr bekannt ist, dass die Gewinnung des Sachver-ständigen wegen der Besonderheiten des Falls außergewöhnliche Schwierig-keiten bereitet ([X.], Beschluss
vom
23.
September 2008

X
ZR
135/04, [X.], 92 = NJW 2009, 84 -
Sachverständigenablehnung III). [X.] gilt, wenn die [X.] im Patentnichtigkeitsverfahren die ihr vom Gericht eingeräumte Gelegenheit wahrnimmt, zu Sachverständigenvorschlägen der Gegenseite Stellung zu nehmen.
Die Findung eines geeigneten Sachverständigen ist in [X.] nicht nur deswegen regelmäßig schwierig, weil die wünschens-werte Qualifikation des Sachverständigen eng mit der gegebenenfalls nicht [X.] zu beantwortenden und zwischen den [X.]en streitigen Frage zusam-menhängt, über welche Ausbildung und Erfahrung der Fachmann verfügt, der im Prioritätszeitpunkt mit der Lösung des dem Streitpatent zugrunde liegenden technischen Problems beauftragt worden wäre. Es kommt vielmehr hinzu, dass in vielen Fällen notwendigerweise mehr oder weniger enge fachliche und beruf-liche Beziehungen zwischen den als Sachverständige in Betracht kommenden Wissenschaftlern, die auf dem betreffenden [X.] forschen und lehren, und denjenigen am Patentnichtigkeitsverfahren beteiligten Unternehmen bestehen, die auf diesem [X.] tätig sind und sich ihrerseits mit Forschung und Entwick-lung befassen. Für die [X.]en erkennbares Ziel ihrer Einbindung in die [X.] ist es daher, ihre Fach-
und Sachkunde nicht nur hinsichtlich der Qualifikationsanforderungen, sondern auch hinsichtlich etwaiger Bedenken zu nutzen, die gegen die Bestellung eines Sachverständigen wegen eines zu starken Näheverhältnisses des Vorgeschlagenen zu einer Prozesspartei oder einem am Verfahrensausgang interessierten Wettbewerber bestehen könnten. Dies ermöglicht es dem Gericht, Bedenken schon im Vorfeld der Beauftragung 8
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Rechnung zu tragen und nicht erst -
wie hier -
nach der Erstellung des schriftli-chen Gutachtens mit der Folge eines beträchtlichen Zeitverlusts bei einer er-folgreichen Ablehnung.
Im Streitfall kann dahinstehen, ob sich hieraus eine Obliegenheit der [X.] ergibt, zur
Qualifikation und Unabhängigkeit der
von
den jeweiligen [X.] vorgeschlagenen Sachverständigen Nachforschungen anzustel-len, um diesbezüglich gegebenenfalls Einwendungen erheben zu können. Denn jedenfalls handelt eine [X.], die über keinerlei Informationen zur Person des vorgeschlagenen Sachverständigen verfügt, schuldhaft im Sinne von § 406 Abs. 2 ZPO, wenn sie, ohne zumindest einfache und ohne weiteres mögliche Erkundigungen wie etwa durch eine Internetrecherche eingeholt zu haben, die Erklärung abgibt, gegen die als Sachverständigen vorgeschlagene Person [X.] keine Einwände.
Die Beklagte macht diesbezüglich lediglich geltend, ihr als einem in den [X.] ansässigen Unternehmen sei der Sachver-ständige nicht bekannt gewesen, so dass sie keine Veranlassung
gehabt habe, an seiner Unbefangenheit zu zweifeln. Damit ist nach Sinn und Zweck der [X.] rechtlichen Gehörs zu den wechselseitig vorgeschlagenen Sachver-ständigen fehlendes Verschulden an der verspäteten Geltendmachung des [X.] schon nicht dargelegt. Auch wenn die Beklagte erwarten [X.], dass die Klägerinnen und ihre Streithelferin Verbindungen zu den vorge-schlagenen Personen offenlegen würden, hatte sie angesichts der ihr vom [X.] eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme dennoch Veranlassung, über Personen, die ihr nicht bekannt waren, Informationen einzuholen, die ihr ohne weiteres zugänglich waren. Um solche Informationen handelt es sich nach ih-rem eigenen Vorbringen bei den hier in Rede stehenden Umständen.
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2.
Dass der Sachverständige auch nach der Bekanntgabe seiner Be-stellung auf von der Streithelferin gesponserten Veranstaltungen Vorträge ge-halten hat und dass die Streithelferin den Aufbau der Akademie H.

und der

[X.]

, deren Ge-
schäftsführer und Gesellschafter bzw. Gründungsmitglied der Sachverständige ist, unterstützt hat, begründet die Besorgnis der Befangenheit nach den [X.] nicht. Unstreitig hat auch die alleinige (seinerzeitige) Lizenz-nehmerin der Beklagten

den Aufbau dieser beiden Einrichtungen unter-
stützt, und sie hat, wie die Beklagte selbst vorträgt, auch Veranstaltungen, auf denen der Sachverständige Vorträge gehalten hat, als Hauptsponsor im [X.] unterstützt. Sie hat außerdem auch selbst einen entsprechenden Workshop gesponsert. Dass der gerichtliche Sachverständige dort nicht vorgetragen hat, ist zumindest ohne zusätzliche Umstände unerheblich.
Nach allem stellen weder die Beteiligung des Sachverständigen an den beiden Einrichtungen noch seine Vortragstätigkeit Umstände dar, die durchgrei-fende Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen wecken. Dass bestimmte Einrichtungen und Veranstaltungen von Konkurrenten durch Sponsoring und ähnliche Maßnahmen unterstützt werden, deutet auf ein allsei-tiges und beständiges Interesse aller Marktbeteiligten hin, bei den Disponenten ihrer Erzeugnisse präsent zu sein. Personen, die als Geschäftsführer einer Ein-richtung oder als Referent auf einem Kongress mittelbar von der Förderung pro-fitieren, sind deshalb aus der Sicht einer besonnenen [X.] nicht dem Lager eines einzelnen unterstützenden Unternehmens zuzurechnen, sofern nicht im Einzelfall zusätzliche Umstände hinzutreten, die eine solche Schlussfolgerung nahelegen. Solche Umstände sind im Streitfall weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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3.
Soweit der Sachverständige im Vorfeld seiner Bestellung die Frage des Senats, ob er zu einer der [X.]en oder deren Vertreter in irgendeiner Be-ziehung stehe, verneint hat, beruht dies, wie aus seiner Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch zu schließen ist, auf der Einschätzung, dass erst Berater-verträge oder ähnlich enge Beziehungen bedenklich sein könnten. Dieser [X.] kann zwar nicht beigetreten werden, vielmehr wäre es angebracht ge-wesen, die Aktivitäten und Zusammenhänge, die Gegenstand des [X.] sind, offenzulegen. Dass der Sachverständige dies anders bewertet hat, begründet die Besorgnis der Befangenheit nach den gesamten Umständen aber ebenfalls nicht.
Meier-Beck
[X.]
Bacher

[X.]
Schuster
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 17.03.2009 -
4 Ni 39/07 ([X.]) -

13

Meta

X ZR 67/09

03.04.2012

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.04.2012, Az. X ZR 67/09 (REWIS RS 2012, 7507)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7507

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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