Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2013, Az. 5 StR 129/13

5. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5140

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5 StR 129/13

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

vom 12. Juni
2013
in der Strafsache
gegen

wegen Mordes

-
2
-
Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom
12. Juni 2013, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter Basdorf,

Richter Prof. [X.],
Richterin [X.],
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay

als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt S.

als Verteidiger,

Rechtsanwalt Su.

als [X.],

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

-
3
-
für Recht erkannt:

Die Revision des Angeklagten gegen
das Urteil des [X.] vom 9.
Oktober 2012 wird mit der Maßgabe
verworfen,
dass die Anordnung der Unterbringung in der [X.] entfällt.

Der Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, jedoch wird die Gebühr um ein Achtel
ermäßigt. Die gerichtlichen Auslagen und notwendigen Auslagen des [X.] im Revisionsverfahren hat zu einem Achtel die Staatskasse zu tragen.
Die den [X.] im Revisi-onsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat der Angeklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

[X.] n d e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwah-rung angeordnet. Dagegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sie erzielt
mit der Sachrüge nur einen geringer gewichtigen Teilerfolg.

1. Nach den Feststellungen lernte der wegen Vergewaltigung vorbe-strafte Angeklagte nach Vollverbüßung der deswegen verhängten [X.] von vier Jahren im Jahr 2007 die später getötete

L.

kennen. Die Beziehung war streitbeladen
bis hin zu
handgreiflichen
Ausein-1
2
-
4
-
andersetzungen. Gleichwohl wünschte sich

L.

vom An-geklagten ein Kind und wurde 2009 schwanger. Da der Angeklagte das Kind nicht wollte,
verschlechterte sich die Beziehung nochmals gravierend. Im [X.] schlug der Angeklagte

L.

und trat
sie heftig gegen den Bauch.
Deshalb
zog sie aus der gemeinsamen Wohnung in [X.] aus und bezog eine Wohnung in [X.].

Am 18. März 2010 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Kurz vor der Geburt hatten

L.

und der Angeklagte wieder persön-lichen Kontakt. Der Angeklagte war bei der Geburt anwesend. Es folgten ge-genseitige Besuche an den Wochenenden und gemeinsame Ausflüge. [X.] war auch diese Zeit geprägt von weiteren Streitigkeiten.

L.

unterhielt Beziehungen zu mehreren
Männern. Dies war für den An-

13). Im September 2011 ging sie
eine Beziehung ein, die ernster war als die vorherigen. Vor diesem Hinter-grund bedrohte
der Angeklagte sie mit einem Messer.

Am Wochenende vom 16. bis 18.
Dezember 2011 besuchte der Ange-klagte

L.

. Am Sonntagabend
kam es zum
Streit. Dem Angeklagten wurde
dabei
bewusst, dass eine Beziehung nicht mehr bestand und der
neue Lebensgefährte auch in der Betreuung der Tochter seinen en Angeklagten aufgrund seiner
[X.] schlug

L.

mit einem Hammer zweimal auf den
Kopf.
Nachdem sie zu Boden gestürzt war, würgte er sie mit großer Kraftanstrengung und trotz heftiger Gegenwehr,
bis sie keine Lebenszeichen mehr von sich gab. Er

t-te die Tat an diesem Abend nicht konkret vorausgeplant, die latente Bereit-schaft dazu war in ihm bereits seit einiger Zeit vorhanden und wurde in der

20).

2. Die Schwurgerichtskammer
hat die Tat als Mord bewertet, weil der Angeklagte aus niedrigen Beweggründen gehandelt habe. [X.] 3
4
5
-
5
-
beraten hat sie
angenommen, dass seine
Einsichts-
und Steuerungsfähigkeit weder
ausgeschlossen
noch erheblich beeinträchtigt gewesen sei.
Eine
kombinierte Persönlichkeitsstörung verbunden mit deutlich geminderter Frustrationstoleranz, verstärkter Kränkbarkeit, Geltungsbedürfnis, begrenzter Konfliktfähigkeit, Verlustangst, Selbstmitleid
erreiche nicht die nach §§
20, 21 StGB erforderliche Schwere.

3. [X.] hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Die Annahme des [X.] der niedrigen Beweggründe ist tragfähig be-gründet.

a) Beweggründe sind niedrig im Sinne von §
211 Abs.
2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders, d.h. in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag, verachtenswert sind. Die Beurteilung erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des [X.] maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 1. März 2012

3
StR 425/11, [X.], 691, und vom 24. Januar 2006

5 [X.], [X.], 140, jeweils mwN). Subjektiv muss der Täter die tatsächlichen Umstände, welche die
Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen und erkannt haben sowie

auch bei affektiver Erregung und gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen, wie Wut und Eifersucht

in der Lage gewesen sein, sie gedank-lich zu beherrschen und zu steuern (st. Rspr.; siehe nur [X.], Urteil vom 1.
März 2012 aaO). Gerade bei einer Tötung, die geschieht, weil sich die In-timpartnerin vom Täter abwendet, können tatauslösend und -bestimmend auch Gefühle der Verzweiflung, der inneren Ausweglosigkeit und erlittenen Unrechts sein, die eine Bewertung als niedrig

im Sinne der [X.] fraglich erscheinen lassen ([X.], Urteile vom 14. Dezember 2000

4 StR 375/00, [X.], 228,
und vom 2. Mai 1990

3 StR 11/90, [X.]R StGB §
211 Abs.
2 Niedrige Beweggründe 18).

6
7
-
6
-
b) Die Annahme
des [X.] der niedrigen Beweggründe durch das [X.] wird diesen Maßstäben gerecht. Die Schwurgerichts-kammer bezieht in ihre
Würdigung ein, dass Gefühlsregungen wie Wut und Eifersucht in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht kom-men, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehba-ren Grundes
entbehren (vgl. [X.], Urteil
vom 1. März 2012
aaO). Sie
stellt
insoweit
darauf
ab, dass der Angeklagte

L.

von ihm und die neue Beziehung von ihr sowie die Beaufsichtigung 3).
Er habe sie

e-getötet ([X.]). Namentlich vor dem [X.] des festgestellten gravierenden, bereits die Trennung begründen-den Fehlverhaltens des Angeklagten gegenüber seiner Partnerin im Vorfeld der Tat hält sich dies ungeachtet von deren ambivalentem
Verhalten, das ersichtlich auch maßgeblich von einer gewissen Achtung seiner Vaterrolle gegenüber dem gemeinsamen Kind bestimmt war, noch innerhalb des
dem Tatgericht zustehenden [X.] (vgl. [X.], Urteile
vom 10.
Mai 2005

1
StR 30/05, und
vom
25.
Juli 2006

5
[X.], [X.]R StGB §
211 Abs.
2 Niedrige Beweggründe
47).

c) Auch die subjektive Seite des [X.]
ist rechtsfehlerfrei be-legt.
Insbesondere
erkennt die sachverständig beratene Schwurgerichts-kammer, dass die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten der Annahme der subjektiven Voraussetzungen des [X.]
entgegenstehen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 3.
Januar 1996

3
StR 588/95, [X.]R StGB §
211 Abs.
2 Niedrige Beweggründe 32, Urteil vom 25.
Juli 2006

5 [X.], aaO).
Sie
schließt dies indessen mit rechtlich nicht zu beanstandenden Er-wägungen aus, weil der Angeklagte, der die Tötung im Vorfeld angekündigt hatte,
durchaus in der Lage
gewesen
war, die maßgeblichen Umstände zu erkennen und seinen Impulsen zu widerstehen
(vgl.
[X.], Urteil vom 29.
November 1978

2
StR 504/78, [X.]St 28, 210, 212
mwN).
Soweit das 8
9
-
7
-
[X.] bei der Bewertung der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten die
einer jugendrechtlichen Sanktion zugrundeliegenden Umstände ungeach-tet ihrer Unverwertbarkeit nach §§
63, 51 BZRG herangezogen
hat, schließt der [X.] sicher aus, dass sich dies auf die vom [X.] vorgenommene Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen des [X.] zum Nach-teil des Angeklagten ausgewirkt hat.

4. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung kann hingegen
entspre-chend dem Antrag
des Generalbundesanwalts schon deswegen keinen [X.] haben, weil das [X.] insoweit
die nicht verwertbare
jugend-rechtliche Sanktion
heranzieht. Der [X.] vertritt darüber hinaus die [X.], dass die [X.] hier von vornherein nicht erfolgen kann.
Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung
am 1. Juni 2013 (BGBl.
I 2012, 2425) weiterhin auf der Grundlage des bisheri-gen Maßstabs strikter Verhältnismäßigkeit ([X.] 128, 326) zu [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 23. April 2013

5
StR 617/12). Danach ist
die An-ordnung von Sicherungsverwahrung
auf der Grundlage des §
66 Abs.
3
Satz
1 StGB
neben der Verhängung lebenslanger
Freiheitsstrafe
jedenfalls
nicht unerlässlich (vgl. [X.], Urteile vom 10.
Januar 2013

3 StR 330/12 und vom 25.
Juli 2012

2 [X.]/12,
[X.]R StGB § 66 Abs. 2 Ermessens-entscheidung 8; Beschluss vom 9.
Januar 2013

1
StR 558/12).
Dies führt zum Wegfall des Maßregelausspruchs.

10
-
8
-
5. Die Kosten-
und Auslagenentscheidung trägt dem Umstand Rech-nung, dass der Angeklagte mit seinem Rechtsmittel einen
ausdrücklich
er-strebten Teilerfolg erzielt hat.

[X.]Sander Schneider

König

Bellay

11

Meta

5 StR 129/13

12.06.2013

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2013, Az. 5 StR 129/13 (REWIS RS 2013, 5140)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5140

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 StR 129/13

2 StR 111/12

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