Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.06.2013, Az. 5 StR 129/13

5. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5114

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Gegenstand

Strafverurteilung wegen Mordes: Sicherungsverwahrung neben lebenslanger Freiheitsstrafe


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 9. Oktober 2012 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entfällt.

Der Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, jedoch wird die Gebühr um ein Achtel ermäßigt. Die gerichtlichen Auslagen und notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers im Revisionsverfahren hat zu einem Achtel die Staatskasse zu tragen. Die den [X.] im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat der Angeklagte zu tragen.

– Von Rechts wegen –

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dagegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sie erzielt mit der Sachrüge nur einen geringer gewichtigen Teilerfolg.

2

1. Nach den Feststellungen lernte der wegen Vergewaltigung vorbestrafte Angeklagte nach Vollverbüßung der deswegen verhängten Freiheitsstrafe von vier Jahren im Jahr 2007 die später getötete       [X.]     kennen. Die Beziehung war streitbeladen bis hin zu handgreiflichen Auseinandersetzungen. Gleichwohl wünschte sich       [X.]      vom Angeklagten ein Kind und wurde 2009 schwanger. Da der Angeklagte das Kind nicht wollte, verschlechterte sich die Beziehung nochmals gravierend. Im August 2009 schlug der Angeklagte      [X.]      und trat sie heftig gegen den Bauch. Deshalb zog sie aus der gemeinsamen Wohnung in [X.] aus und bezog eine Wohnung in Bautzen.

3

Am 18. März 2010 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Kurz vor der Geburt hatten       [X.]     und der Angeklagte wieder persönlichen Kontakt. Der Angeklagte war bei der Geburt anwesend. Es folgten gegenseitige Besuche an den Wochenenden und gemeinsame Ausflüge. Dennoch war auch diese Zeit geprägt von weiteren Streitigkeiten.       [X.]      unterhielt Beziehungen zu mehreren Männern. Dies war für den Angeklagten „schwer zu verkraften“ ([X.]). Im September 2011 ging sie eine Beziehung ein, die ernster war als die vorherigen. Vor diesem Hintergrund bedrohte der Angeklagte sie mit einem Messer.

4

Am Wochenende vom 16. bis 18. Dezember 2011 besuchte der Angeklagte       [X.]      . Am Sonntagabend kam es zum Streit. Dem Angeklagten wurde dabei bewusst, dass eine Beziehung nicht mehr bestand und der neue Lebensgefährte auch in der Betreuung der Tochter seinen Platz einnahm. „Diese Situation war für den Angeklagten aufgrund seiner [X.] Persönlichkeit nicht hinnehmbar“ ([X.]). Er schlug       [X.]      mit einem Hammer zweimal auf den Kopf. Nachdem sie zu Boden gestürzt war, würgte er sie mit großer Kraftanstrengung und trotz heftiger Gegenwehr, bis sie keine Lebenszeichen mehr von sich gab. Er „hatte die Tat an diesem Abend nicht konkret vorausgeplant, die latente Bereitschaft dazu war in ihm bereits seit einiger Zeit vorhanden und wurde in der sich konkret ergebenden Situation in die Tat umgesetzt“ ([X.]).

5

2. Die Schwurgerichtskammer hat die Tat als Mord bewertet, weil der Angeklagte aus niedrigen Beweggründen gehandelt habe. [X.] beraten hat sie angenommen, dass seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit weder ausgeschlossen noch erheblich beeinträchtigt gewesen sei. Eine kombinierte Persönlichkeitsstörung verbunden mit deutlich geminderter Frustrationstoleranz, verstärkter Kränkbarkeit, Geltungsbedürfnis, begrenzter Konfliktfähigkeit, Verlustangst, Selbstmitleid erreiche nicht die nach §§ 20, 21 StGB erforderliche Schwere.

6

3. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Die Annahme des [X.] der niedrigen Beweggründe ist tragfähig begründet.

7

a) Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders, d.h. in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag, verachtenswert sind. Die Beurteilung erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des [X.] maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 1. März 2012 – 3 [X.], [X.], 691, und vom 24. Januar 2006 – 5 [X.], [X.], 140, jeweils mwN). Subjektiv muss der Täter die tatsächlichen Umstände, welche die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen und erkannt haben sowie – auch bei affektiver Erregung und gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen, wie Wut und Eifersucht – in der Lage gewesen sein, sie gedanklich zu beherrschen und zu steuern (st. Rspr.; siehe nur [X.], Urteil vom 1. März 2012 aaO). Gerade bei einer Tötung, die geschieht, weil sich die Intimpartnerin vom Täter abwendet, können tatauslösend und -bestimmend auch Gefühle der Verzweiflung, der inneren Ausweglosigkeit und erlittenen Unrechts sein, die eine Bewertung als „niedrig“ im Sinne der Mordqualifikation fraglich erscheinen lassen ([X.], Urteile vom 14. Dezember 2000 – 4 StR 375/00, [X.], 228, und vom 2. Mai 1990 – 3 StR 11/90, [X.]R StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 18).

8

b) Die Annahme des [X.] der niedrigen Beweggründe durch das [X.] wird diesen Maßstäben gerecht. Die Schwurgerichtskammer bezieht in ihre Würdigung ein, dass Gefühlsregungen wie Wut und Eifersucht in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht kommen, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehren (vgl. [X.], Urteil vom 1. März 2012 aaO). Sie stellt insoweit darauf ab, dass der Angeklagte „das Abwenden der        [X.]      von ihm und die neue Beziehung von ihr sowie die Beaufsichtigung des Kindes durch den neuen Partner“ verhindern wollte ([X.] 33). Er habe sie „aus eigensüchtigen Motiven, nämlich aus den narzisstischen Zügen resultierender Wut und Eifersucht“ getötet ([X.] 44). Namentlich vor dem Hintergrund des festgestellten gravierenden, bereits die Trennung begründenden Fehlverhaltens des Angeklagten gegenüber seiner Partnerin im Vorfeld der Tat hält sich dies ungeachtet von deren ambivalentem Verhalten, das ersichtlich auch maßgeblich von einer gewissen Achtung seiner Vaterrolle gegenüber dem gemeinsamen Kind bestimmt war, noch innerhalb des dem Tatgericht zustehenden Beurteilungsspielraums (vgl. [X.], Urteile vom 10. Mai 2005 – 1 StR 30/05, und vom 25. Juli 2006 – 5 [X.], [X.]R StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 47).

9

c) Auch die subjektive Seite des [X.] ist rechtsfehlerfrei belegt. Insbesondere erkennt die sachverständig beratene Schwurgerichtskammer, dass die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten der Annahme der subjektiven Voraussetzungen des [X.] entgegenstehen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Januar 1996 – 3 StR 588/95, [X.]R StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 32, Urteil vom 25. Juli 2006 – 5 [X.], aaO). Sie schließt dies indessen mit rechtlich nicht zu beanstandenden Erwägungen aus, weil der Angeklagte, der die Tötung im Vorfeld angekündigt hatte, durchaus in der Lage gewesen war, die maßgeblichen Umstände zu erkennen und seinen Impulsen zu widerstehen (vgl. [X.], Urteil vom 29. November 1978 – 2 [X.], [X.]St 28, 210, 212 mwN). Soweit das [X.] bei der Bewertung der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten die einer jugendrechtlichen Sanktion zugrundeliegenden Umstände ungeachtet ihrer Unverwertbarkeit nach §§ 63, 51 BZRG herangezogen hat, schließt der [X.] sicher aus, dass sich dies auf die vom [X.] vorgenommene Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen des [X.] zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.

4. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung kann hingegen entsprechend dem Antrag des [X.] schon deswegen keinen Bestand haben, weil das [X.] insoweit die nicht verwertbare jugendrechtliche Sanktion heranzieht. Der [X.] vertritt darüber hinaus die Auffassung, dass die [X.] hier von vornherein nicht erfolgen kann. Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung am 1. Juni 2013 ([X.], 2425) ist für „Altfälle“ weiterhin auf der Grundlage des bisherigen Maßstabs strikter Verhältnismäßigkeit ([X.] 128, 326) zu entscheiden (vgl. [X.], Urteil vom 23. April 2013 – 5 [X.]). Danach ist die Anordnung von Sicherungsverwahrung auf der Grundlage des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB neben der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe jedenfalls nicht unerlässlich (vgl. [X.], Urteile vom 10. Januar 2013 – 3 StR 330/12 – und vom 25. Juli 2012 – 2 [X.], [X.]R StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 8; Beschluss vom 9. Januar 2013 – 1 [X.]). Dies führt zum Wegfall des Maßregelausspruchs.

5. Die Kosten- und Auslagenentscheidung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Angeklagte mit seinem Rechtsmittel einen ausdrücklich erstrebten Teilerfolg erzielt hat.

[X.]                        Sander                         Schneider

                  [X.]

Meta

5 StR 129/13

12.06.2013

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bautzen, 9. Oktober 2012, Az: 6 Ks 200 Js 14407/11

§ 66 Abs 3 S 1 StGB, § 211 StGB, Art 2 Abs 2 GG, Art 104 Abs 1 S 1 GG, SichVAbstUmsG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.06.2013, Az. 5 StR 129/13 (REWIS RS 2013, 5114)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5114

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