Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.03.2024, Az. VIa ZR 948/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1107

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 17. Zivilsenats des [X.] vom 14. Juni 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Berufungsantrag zu I in Höhe von 24.738,78 € nebst Zinsen seit dem 19. Juni 2021 und die [X.] und zu [X.] zurückgewiesen worden sind.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Er erwarb am 20. Juni 2014 für [X.] ein von der Beklagten hergestelltes Kraftfahrzeug [X.], das mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe [X.] (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.

3

Das [X.] hat die auf Zahlung von Schadensersatz nebst Zinsen, Zahlung von [X.], Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung, mit der der Kläger seine Anträge aus dem ersten Rechtszug weiterverfolgt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge im tenorierten Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Dem Kläger stehe ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB nicht zu. Umstände im Sinne eines vorsätzlichen, sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten könnten weder hinsichtlich des [X.]s, des [X.] noch des Kaltaufheizens festgestellt werden. Das [X.] betreffend fehle es an einem Prüfstandsbezug und mit seinem Vorbingen zu einer Täuschung der Genehmigungsbehörde durch die Beklagte dringe der Kläger nicht durch. So ließen eventuell fehlende Angaben der Beklagten nicht auf die billigende Inkaufnahme eines Rechtsverstoßes schließen und könnten auch eine Täuschungsabsicht nicht begründen. Ebenso wenig seien in Bezug auf das [X.] im Sinn eines verwerflichen Verhaltens der Beklagten ersichtlich. Zu einem Kaltaufheizen komme es in dem Kraftfahrzeug des [X.] schon deshalb nicht, weil ein NOx-Speicherkatalysator hier nicht Verwendung gefunden habe. Schließlich habe der Kläger einen Schaden nicht hinreichend dargetan. Einen merkantilen Minderwert habe er ohne greifbare Anhaltspunkte behauptet, und mangels drohender Betriebsbeschränkungen ergebe sich hier auch kein anderer Schaden.

7

Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV bestehe nicht, weil in den zuletzt genannten Bestimmungen keine Schutzgesetze lägen.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren teilweise nicht stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 29 bis 32).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.] zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

Der Anspruch des [X.] gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV auf Ersatz des [X.] kann auch nicht unter Rückgriff auf die vom Berufungsgericht im Zusammenhang mit § 826 BGB angestellten Erwägungen zum [X.] verneint werden. Vielmehr hat der Senat nach der angefochtenen Entscheidung sowohl entschieden, dass eine Verringerung des objektiven Werts des Kraftfahrzeugs infolge seiner Ausrüstung mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Vergleich zu einem Kraftfahrzeug der betreffenden Baureihe und Motorisierung ohne unzulässige Abschalteinrichtung nicht ohne Verstoß gegen § 287 ZPO verneint werden kann, als auch die für die Schätzung des Schadens geltenden Maßstäbe geklärt ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245, Rn. 41 und 71 ff.).

III.

Die angefochtene Entscheidung ist demnach im beantragten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 ([X.], [X.]Z 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben.

[X.]     

      

Krüger     

      

Götz

      

Rensen     

      

Katzenstein     

      

Meta

VIa ZR 948/22

05.03.2024

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 14. Juni 2022, Az: 17 U 126/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.03.2024, Az. VIa ZR 948/22 (REWIS RS 2024, 1107)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1107

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VII ZR 412/21

III ZR 303/20

III ZR 267/20

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.