Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.02.2024, Az. VIa ZR 949/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1108

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 15. Juni 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Berufungsantrag zu 1 in Höhe von 35.188,70 € nebst Zinsen ab dem 8. Dezember 2020 und der Berufungsantrag zu 4 zurückgewiesen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger erwarb am 22. November 2011 für 43.590 € ein von der Beklagten hergestelltes, gebrauchtes Kraftfahrzeug [X.], das am 12. November 2010 erstzugelassen worden war und mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe [X.] (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.

3

Das [X.] hat die im Wesentlichen auf Zahlung von Schadensersatz nebst Zinsen, Zahlung von [X.], Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.], mit der er seine Anträge aus dem ersten Rechtszug unter Erhöhung sowohl des [X.] als auch des Betrages der Rechtsverfolgungskosten weiterverfolgt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger nur den Berufungsantrag zu 1 (Schadensersatz nebst Zinsen) sowie den Berufungsantrag zu 4 (Freistellung von Rechtsverfolgungskosten) im tenorierten Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Der Vortrag des [X.] begründe keinen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB. Er habe Umstände, die das Handeln der Beklagten sittenwidrig erscheinen ließen, nicht vorgetragen. So könne die Verwendung eines Thermofensters für sich betrachtet mangels [X.] nicht die Sittenwidrigkeit begründen, und ein Bewusstsein der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie eine billigende Inkaufnahme des darin liegenden Rechtsverstoßes habe der Kläger nicht dargetan. Der Vortrag des [X.] zur Funktion [X.] sei "ins Blaue hinein" erfolgt.

7

Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV bestehe nicht, weil das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich der zuletzt genannten Bestimmungen liege.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren teilweise nicht stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV (vgl. zu der bei [X.] geltenden [X.] [X.], Urteil vom 16. Oktober 2023 - [X.], [X.], 124 Rn. 9 ff.) Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 29 bis 32).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist demnach im beantragten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 ([X.], [X.]Z 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben.

[X.]     

      

Möhring     

      

Götz   

      

Rensen     

      

Vogt-Beheim     

      

Meta

VIa ZR 949/22

20.02.2024

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 15. Juni 2022, Az: 4 U 154/21, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.02.2024, Az. VIa ZR 949/22 (REWIS RS 2024, 1108)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1108

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VII ZR 412/21

III ZR 303/20

III ZR 267/20

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