Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2011, Az. IX ZR 85/10

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 307

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BUNDESGERICHTSHO[X.]

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

IX ZR 85/10

Verkündet am:

15. Dezember 2011

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BGB § 199 Abs. 1, § 675 Abs. 1
Verletzt ein Rechtsanwalt seine Pflicht, eine mit Ablauf des 31.
Dezember verjäh-rende [X.]orderung gerichtlich geltend zu machen, entsteht der Schaden des [X.] mit Beginn des 1.
Januar; die Verjährungsfrist des Schadensersatzan-spruchs gegen den Rechtsanwalt beginnt mit dem Schluss dieses Jahres.
[X.], Urteil vom 15. Dezember 2011 -
IX ZR 85/10 -
OLG [X.]

LG Ellwangen

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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
15. Dezember 2011 durch den Richter [X.] als Vorsitzenden, [X.], die Richterin [X.], die Richter [X.] und Dr. Pape

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 13. April 2010 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin trat auf Veranlassung des R.

[X.].

im Dezember 1995 einem geschlossenen Immobilienfonds mit einem Investitionsbetrag von 90.000
DM bei. Den Erwerb finanzierte sie durch zwei Darlehensverträge, die sie bei der S.

in Höhe von 76.000 und 24.000
DM abschloss. Nach ihrem Vorbringen wurde sie durch [X.].

über die sich aus der Beteiligung ergebende Belastung und hinsichtlich der einge-schränkten Verkehrsfähigkeit der Anlage unzutreffend unterrichtet.

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Im Oktober 2004 wandte sich die Klägerin an die beklagte Anwaltssozie-tät, um sich über die von ihr erworbene [X.]ondsbeteiligung rechtlich beraten zu lassen. Das Mandat wurde durch Rechtsanwalt Dr. M.

betreut. In der [X.] fanden zwischen ihm und der Klägerin mehrere Beratungsgespräche statt, deren Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Mit Schriftsatz vom 20.
Dezem-ber 2004 erhob Dr.
M.

namens der Klägerin Klage gegen die S.

; gegenüber

[X.].

wurden keine gerichtlichen
Maßnahmen veranlasst. Eine im Juni 2006 gegen [X.].

betriebene Klage, die der [X.] der Klägerin aufgrund der an ihn abgetretenen Ansprüche erhob, wurde im Hinblick auf das Risiko bereits eingetretener Verjährung mit einem Prozessvergleich über einen [X.] von 5.000

i-gen Schadensersatzansprüche wieder an die Klägerin ab.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz Zug um Zug gegen Übertragung der [X.]ondsanteile. Sie macht geltend, sie hätte rechtzeitig Klageauftrag erteilt, wenn die Beklagte sie ordnungsgemäß über die Erfolgs-aussichten einer Klage gegen [X.].

beraten hätte. Das [X.] hat die Klage wegen eingetretener Verjährung abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelasse-nen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

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I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in [X.], 1330 abgedruckt ist, hat ausgeführt: Sollte der Klägerin ein Schadensersatzanspruch wegen Verlet-zung vertraglicher Beratungspflichten gegenüber der Beklagten zustehen, wäre dieser Anspruch mit Ablauf des 31.
Dezember 2007 jedenfalls verjährt. Der et-waige streitgegenständliche Ersatzanspruch sei aufgrund des Sachvortrages der Klägerin nach dem 15.
Dezember 2004 entstanden. [X.] ihr gegen

[X.].

die von ihr behaupteten Schadensersatzansprüche zugestan-den, so sei deren
Verjährung, wegen der sie nunmehr die Beklagte in Anspruch nehme, mit Ablauf des 31.
Dezember 2004 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt seien ihr die den Schadensersatzanspruch begründenden Umstände bekannt gewesen. Hierbei genüge die Kenntnis der den Ersatzanspruch begründenden tatsächlichen Umstände. Eine zutreffende rechtliche Beurteilung seitens der Klägerin sei nicht erforderlich. Ihr sei bereits während der Beratungsgespräche bewusst gewesen, dass sie keinen Auftrag zu einem Vorgehen gegen [X.].

erteilt
habe und dass ihr Anwalt ohne einen solchen Auftrag keine Klage erhe-ben werde.

Die maßgebliche Dreijahresfrist des §
195 BGB habe mit dem Schluss des Jahres 2004 begonnen, gleichzeitig mit der Vollendung der Verjährung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche gegen [X.].

.

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II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der geltend gemachte Regressanspruch nicht verjährt.

1. [X.]ür Beginn und Dauer der Verjährung sind im Streitfall die Vorschriften der §§
195
ff BGB anwendbar. Denn der geltend gemachte Anspruch ist mit Ablauf des 31. Dezember 2004 und damit nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das [X.] vom 9.
Dezember 2004 ([X.]
I S.
3214) am 15.
Dezember 2004 entstanden. Maßgeblich ist nicht der Zeitpunkt der Mandatsbegründung, son-dern zu welchem Zeitpunkt der geltend gemachte Schaden entstanden ist (vgl. [X.], Urteil vom 17.
Dezember 2009 -
IX ZR 4/08, [X.], 629 Rn.
6; Be-schluss vom 21. Oktober 2010 -
IX
ZR 195/09, [X.] 2011, 461 Rn. 9; [X.], in Zugehör/[X.]/[X.]/[X.]/Rinkler/[X.], Handbuch der [X.], 3. Aufl. Rn. 1277; [X.], in [X.]/[X.]/[X.], Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl. Rn. 1092).

2. Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden liegt in der wegen Verjährung fehlenden Durchsetzbarkeit der ihrer Ansicht nach gegen

[X.].

bestehenden Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung oder Auskunft im Zusammenhang mit der von ihr getätigten Anlageinvestition. Derartige Ansprüche sind am 31.
Dezember 2004 verjährt.

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a) Nach der für das Verjährungsrecht geltenden Überleitungsvorschrift des Art.
229 §
6 Abs.
1 Satz 1 EGBGB finden hier die seit dem 1.
Januar 2002 geltenden Verjährungsvorschriften Anwendung. Denn der von der Klägerin [X.] gemachte Schadensersatzanspruch aus fehlerhafter Auskunft oder Bera-tung gegen

[X.].

war an diesem Tag noch nicht verjährt. Er unterlag ursprünglich der regelmäßigen dreißigjährigen Verjährungsfrist nach §
195 BGB a[X.] (vgl. [X.], Urteil vom 8.
[X.]ebruar 1978 -
VIII
ZR 20/77, [X.]Z
70, 356, 361; vom 11.
März 1999 -
III
ZR 292/97, NJW
1999, 1540, 1541). Die [X.] begann gemäß §
198 Satz
1 BGB a[X.] mit der Entstehung des Anspruchs, hier also mit dem infolge der von der Klägerin geltend gemachten fehlerhaften Beratung im Jahre 1995 erfolgten Beitritt zu dem geschlossenen [X.]. Danach wäre die Verjährung erst im Jahr 2025 eingetreten.

b) Mangels Sonderregelung unterfiel der von den Klägerin geltend ge-machte Schadensersatzanspruch gegen [X.].

nach Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts am 1.
Januar 2002 der dreijährigen Regelverjährung des §
195 BGB. Da diese Verjährungsfrist kürzer ist als die bis zum 1.
Januar 2002 geltende Regelverjährung, ist sie gemäß Art.
229 §
6 Abs.
4 Satz
1 EGBGB von dem 1.
Januar 2002 an zu berechnen, soweit der Verjährungsbeginn nicht ge-mäß §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB infolge späterer Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Klägerin verschoben worden ist. Dies ist nach den von der [X.] nicht angegriffenen [X.]eststellungen des Berufungsgerichts hier nicht der [X.]all. Mithin endete die Verjährung am 31.
Dezember 2004 (§
199 Abs.
1 Halbs.
1 BGB).

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3. Nicht gefolgt werden kann der weiteren Annahme des Berufungsge-richts,
der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte sei bereits am 31. Dezember 2004 entstanden.

a) Besteht die Pflichtwidrigkeit des Rechtsberaters darin, dass der gebo-tene Rechtsbehelf gegen einen Bescheid unterblieben ist, entsteht der Schaden des Mandanten mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist ([X.], Urteil vom 20.
Juni 1996 -
IX
ZR 100/95, [X.], 2066, 2067 unter II.
1.
A; vom 9.
Dezember 1999 -
IX
ZR 129/99, [X.], 959, 960; vom 23.
September 2010 -
IX
ZR 26/09, [X.], 2050 Rn.
40; vom 21.
Oktober 2010 -
IX
ZR 170/09, [X.], 2284 Rn.
11; Beschluss vom 21.
Oktober 2010 -
IX
ZR 195/09, aaO Rn.
10), also erst in dem Augenblick, in dem er nicht mehr durch einen Rechts-behelf die Abänderung des gegen ihn ergangenen Bescheids erwirken kann. Endet die Rechtsbehelfsfrist zum 31. Dezember, so darf der Rechtsberater die-sen Tag durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs noch voll ausnutzen, weil die [X.]rist erst mit
dem Ablauf dieses Tages endet ([X.], 417, 419
f). Der gegen den Berater gerichtete Ersatzanspruch wird unter diesen Umständen gemäß §
199 Abs.
1 Nr.
1 BGB erst am 1.
Januar begründet ([X.], Beschluss vom 21.
Oktober 2010 -
IX
ZR 195/09, aaO Rn.
13; [X.]
BRAK-Mitt 2011, 32; [X.]/[X.] DStR 2011, 239; Zugehör/[X.], aaO, Rn.
1498).

b) Diese Grundsätze sind auch für die vorliegende [X.]allgestaltung maß-geblich. Die Pflichtwidrigkeit liegt hier in der unterlassenen Beratung und [X.] gegen [X.].

. Diese Klageerhebung hätte ordnungsgemäß noch bis zum 31.
Dezember 2004 erfolgen können. Daher ist der Schaden der Kläge-rin erst mit Ablauf dieses Tages, mithin am 1.
Januar 2005 eingetreten. Da die Beklagte den 31.
Dezember 2004 zur Vermeidung einer
Schadensersatzpflicht durch die Erhebung einer entsprechenden Klage gegen [X.].

noch voll ausnut-12
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8
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zen durfte, wurde der gegen sie gerichtete Ersatzanspruch gemäß §
199 Abs.
1 Nr.
1 BGB erst am 1.
Januar 2005 begründet ([X.], Urteil vom 17.
Dezember 2009 -
IX
ZR 4/08, [X.], 629 Rn.
6). Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, wann die Klägerin von der zweiten Voraussetzung für den [X.], den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt bzw. infolge grober [X.]ahrlässigkeit nicht erlangt hat (§
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB). Die dreijährige [X.]rist des §
195 BGB ist, weil der [X.] begründet wurde, gemäß §
199 Abs.
1 BGB erst mit dem Schluss dieses Jahres in Lauf gesetzt worden (vgl. [X.], Urteil vom 17.
Dezember 2009, aaO Rn.
6; Beschluss vom 21.
Oktober 2010, aaO Rn.
13; ferner [X.]/[X.], 6.
Aufl. §
199 Rn.
43). [X.]olglich ist die [X.] frühestens mit Ablauf des 31.
Dezember 2008 verstrichen. Die am 30.
Dezember 2008 bei Gericht eingegangene Klage wurde mithin in nicht [X.] eingereicht. Auch ist die am 23.
Januar 2009 vorgenommene Zustel-lung demnächst erfolgt (§
167 ZPO); mit Verfügung vom 7.
Januar 2009 wurde der [X.] eingefordert und dieser binnen von
weiteren zwei Wochen eingezahlt (vgl. [X.], Urteil vom 12.
November 2009 -
III
ZR 113/09, [X.], 72 Rn.
21
f).

III.

Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist [X.] (§
562 Abs.
1 ZPO).

Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§
563 Abs.
3 ZPO). Das Berufungsgericht hat -
von seinem Standpunkt folgerichtig
-
bislang offengelas-sen, ob die von der Klägerin geltend gemachte Pflichtverletzung vorliegt. Auch 15
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hat es sich mit dem weiteren Vorbringen der Klägerin zu dem Schadensgrund und der Schadenshöhe nicht befasst. Es ist daher zu prüfen, ob die tatbestand-lichen Voraussetzungen des geltend gemachten Regressanspruches vorliegen. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsge-richt zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO).

[X.]

[X.]

[X.]

[X.]ischer

Pape
Vorinstanzen:
LG Ellwangen, Entscheidung vom 11.09.2009 -
5 O 441/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 13.04.2010 -
12 [X.] -

Meta

IX ZR 85/10

15.12.2011

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2011, Az. IX ZR 85/10 (REWIS RS 2011, 307)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 307

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 85/10

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