Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.08.2011, Az. 10 AZR 202/10

10. Senat | REWIS RS 2011, 3989

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Gegenstand

Versetzung - billiges Ermessen - Zumutbarkeit von Fahrzeiten


Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. November 2009 - 6 [X.]/09 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Kammer des [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.]ie Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung.

2

[X.]ie 1965 geborene und verheiratete Klägerin ist seit dem 1. Juni 1993 als vollzeitbeschäftigte Angestellte für den beklagten [X.] gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 3.542,86 Euro tätig. Nach § 2 des Arbeitsvertrags bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des [X.] - Manteltarifliche Vorschriften - ([X.]) vom 10. [X.]ezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der [X.] jeweils geltenden Fassung.

3

[X.]ie Klägerin ist zuständig für die Erteilung von Betriebserlaubnissen für Kindertagesstätten gemäß § 45 SGB VIII. Ihre Stelle ist im [X.] angesiedelt. Im [X.] vom 10. Mai 1993 wurde der Klägerin ein Arbeitsplatz in der Zweigstelle [X.] zugewiesen. Sie betreute bis zum 31. Juli 2008 den [X.], den [X.] und 1/3 des [X.]gebiets der [X.] [X.]. Seit dem 1. August 2008 ist die Klägerin für den neuen [X.] und weiterhin für einen Teil der [X.] [X.] zuständig. Im [X.]urchschnitt an einem Arbeitstag pro Woche prüft sie die Einrichtungen vor Ort.

4

[X.]ie Klägerin ist mit ihrem in der Werbebranche selbstständig tätigen Ehemann Eigentümerin eines kreditbelasteten Wohn- und Geschäftshauses in [X.]. Kinder leben nicht mehr im ehelichen Haushalt.

5

Im Zuge der Verwaltungsreform durch das [X.] vom 29. Januar 2008 wurde das [X.], dem die Zweigstelle [X.] des [X.]s zugeordnet war, aufgelöst. [X.]as nunmehr zuständige [X.] beschloss, die Verwaltung des [X.]s in [X.] zu konzentrieren und die Zweigstellen in [X.] und L aufzulösen.

6

Nach Anhörung der Klägerin und Zustimmung des Hauptpersonalrats wurde die Klägerin mit Schreiben vom 14. Juli 2008 zum 1. August 2008 an das [X.] mit [X.]ienstsitz in [X.] versetzt. [X.]er einfache Arbeitsweg von der Wohnung der Klägerin in [X.] zur Arbeitsstelle in [X.] nimmt bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zwischen 1 Stunde 45 Minuten und 2 Stunden 12 Minuten in Anspruch. Ortstermine kann die Klägerin nach wie vor von [X.] aus wahrnehmen.

7

[X.]ie Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr Arbeitsverhältnis habe sich auf eine Tätigkeit in [X.] konzentriert. Ein Umzug nach [X.] sei wegen der selbstständigen Berufstätigkeit des Ehemanns und des erworbenen Wohn- und Geschäftshauses ausgeschlossen. Sie könne entweder in einem Büro in [X.] unter Beibehaltung ihrer bisherigen Tätigkeit oder nach Versetzung in eine andere [X.]ienststelle in [X.] weiterbeschäftigt werden.

8

[X.]ie Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, der Versetzungsanordnung vom 14. Juli 2008 Folge zu leisten und ihre Arbeitskraft in [X.] anzubieten.

9

[X.]er Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, eine weitere Beschäftigung der Klägerin in [X.] sei nicht möglich, weil deren Arbeitsaufgaben dort nicht mehr angesiedelt seien. [X.]as [X.] sei in [X.] zusammengeführt worden, um den fachlichen Austausch zwischen den Mitarbeitern zu verbessern und Kontakt- und Informationsverluste auszuschließen. Alle Mitarbeiter der ehemaligen Zweigstellen seien nach [X.] versetzt worden. [X.]iese Versetzung sei der Klägerin zuzumuten.

[X.]ie Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

[X.]ie Revision ist begründet. Mit der Begründung des [X.], die Versetzung sei rechtsunwirksam, weil der [X.]aufwand bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel die [X.]grenzen des § 121 SGB III überschreite, kann die Berufung des Beklagten nicht zurückgewiesen werden. [X.]er [X.] kann mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend über die Wirksamkeit der Versetzung entscheiden. [X.]ie Revision führt daher zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

I. [X.]ie Klage ist zulässig.

[X.]er Antrag bedarf der Auslegung. Er ist dem Wortlaut nach auf Feststellung gerichtet, dass die Klägerin der Versetzungsanordnung vom 14. Juli 2008 keine Folge zu leisten und ihre Arbeitskraft nicht in [X.] anzubieten hat. [X.]er Sache nach begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die Versetzung rechtsunwirksam ist. Mit diesem Inhalt ist die Klage als Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Bei einem Streit über die Berechtigung einer Versetzung kann der Arbeitnehmer diese im Rahmen einer Feststellungsklage klären lassen (st. Rspr., zB [X.] 25. August 2010 - 10 [X.]/09 - Rn. 12, [X.] § 106 Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49).

II. [X.]ie Klage könnte unbegründet sein.

Nach § 106 Satz 1 [X.] kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und [X.] der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

1. [X.]ie Parteien haben den Arbeitsort [X.] vertraglich nicht festgelegt.

a) [X.]er schriftliche Arbeitsvertrag vom 21. April 1993, dessen äußeres Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen begründet (vgl. [X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] - Rn. 14, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 82), enthält keine Festlegung des Arbeitsorts, sondern nur den im öffentlichen [X.]ienst üblichen Verweis auf die geltenden Tarifverträge (zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Hinblick auf einen vertraglich vereinbarten Tätigkeitsort: [X.] 19. Januar 2011 - 10 [X.] - Rn. 12, [X.] § 307 Nr. 50 = EzA [X.] § 106 Nr. 7; 25. August 2010 - 10 [X.]/09 - Rn. 18, [X.] § 106 Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49). Auch dem Einstellungsschreiben vom 10. Mai 1993 ist ein Angebot auf Festlegung des Arbeitsorts [X.] nicht zu entnehmen; mit diesem Schreiben hat der Beklagte lediglich sein [X.]irektionsrecht ausgeübt und der Klägerin den dortigen Arbeitsplatz zugewiesen.

b) [X.]er Arbeitsvertrag hat sich im Hinblick auf den Arbeitsort nicht dadurch auf [X.] konkretisiert, dass die Klägerin seit ihrer Einstellung bis zur Versetzung nach [X.] über 15 Jahre dort tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen.

aa) Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass [X.] sich nach längerer [X.] auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren (vgl. [X.] 13. März 2007 - 9 [X.]/06 - Rn. 50, [X.] § 307 Nr. 26; 3. Juni 2004 - 2 [X.] - zu [X.] II 2 b der Gründe, [X.] 1972 § 102 Nr. 141 = EzA [X.] § 1 Soziale Auswahl Nr. 55). [X.]ie Nichtausübung des [X.]irektionsrechts über einen längeren [X.]raum schafft regelmäßig aber keinen Vertrauenstatbestand, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht keinen Gebrauch mehr machen will. [X.]ie Nichtausübung des [X.]irektionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des [X.]irektionsrechts kommen (vgl. [X.] 13. März 2007 - 9 [X.]/06 - Rn. 50, aaO; 11. April 2006 - 9 [X.] - Rn. 47, [X.]E 118, 22).

bb) Solche Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. [X.]ass sie sich auf eine ausgeschriebene Stelle in [X.] beworben und ihr dieser Arbeitsplatz zugewiesen wurde, konnte für sich genommen keinen Vertrauenstatbestand begründen und keine Konkretisierung der Arbeitspflicht auf diesen Arbeitsort bewirken.

2. [X.]ie Zuweisung des Arbeitsorts [X.] mit Schreiben vom 14. Juli 2008 könnte billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 [X.], § 315 BGB entsprechen. Soweit das [X.] wegen der Überschreitung der in § 121 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 SGB III festgelegten Grenzen für zumutbare Pendelzeiten die Versetzung für ermessensfehlerhaft erachtet hat, hat es den Regelungsgehalt der Norm verkannt.

a) [X.]ie Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie [X.] Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen ([X.] 13. April 2010 - 9 [X.] - Rn. 40, [X.] § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; 21. Juli 2009 - 9 [X.]/08 - Rn. 22, [X.] § 4 Luftfahrt Nr. 18; bereits auch: 28. November 1989 - 3 [X.] - zu II 1 a der Gründe, [X.]E 63, 267). Eine [X.] Auswahl wie im Falle des § 1 Abs. 3 [X.] findet entgegen der Auffassung der Klägerin nicht statt.

b) Es unterliegt der gerichtlichen Kontrolle, ob die Entscheidung des Arbeitgebers der Billigkeit entspricht, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Ob die Entscheidung des Berufungsgerichts wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls nur eingeschränkt durch das Revisionsgericht überprüft werden kann (vgl. zB [X.] 15. September 2009 - 9 [X.] - Rn. 29, [X.] § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = [X.] § 4 Altersteilzeit Nr. 31; [X.] zB 24. April 1996 - 5 AZR 1031/94 - Rn. 11, [X.] § 611 [X.]irektionsrecht Nr. 48 = EzA BGB § 611 [X.]irektionsrecht Nr. 18; vgl. GMP/[X.] 7. Aufl. § 73 Rn. 10), bedarf keiner Entscheidung. [X.]ie Entscheidung des [X.] hält bereits einer eingeschränkten Überprüfung nicht stand.

aa) Nach § 121 Abs. 4 Satz 1 SGB III ist einem Arbeitslosen aus personenbezogenen Gründen eine Beschäftigung nicht zumutbar, wenn die täglichen Pendelzeiten zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte im Vergleich zur Arbeitszeit unverhältnismäßig lang sind. Als unverhältnismäßig lang sind nach § 121 Abs. 4 Satz 2 SGB III im Regelfall Pendelzeiten von insgesamt mehr als zweieinhalb Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden und Pendelzeiten von mehr als zwei Stunden bei einer Arbeitszeit von sechs Stunden und weniger anzusehen.

bb) Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung ([X.] 24. Mai 2007 - 8 [X.]/07 - [X.] 2008, 175; [X.] 9. [X.]ezember 2004 - 6 [X.]/04 -) kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 [X.], § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden. [X.]ies zeigt bereits die Regelungssystematik der Norm, weil nach § 121 Abs. 4 Satz 4 und Satz 5 SGB III bei nicht nur kurzfristiger Arbeitslosigkeit sogar ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs zumutbar ist. Auch der Regelungsgehalt der Norm steht einer Heranziehung der dort festgelegten Zumutbarkeitsgrenzen im Rahmen der [X.] entgegen. [X.]ie Norm bestimmt das Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitslosen und der Arbeitsverwaltung. Sie dient der Bekämpfung von [X.] und der Erhöhung der Verantwortung des Arbeitslosen für die Beendigung der Arbeitslosigkeit (BT-[X.]rucks. 13/4941 S. 238 und 13/5676 S. 2). [X.]ie Versagung des Arbeitslosengelds bei Ablehnung einer zumutbaren Beschäftigung ist eine öffentlich-rechtliche Sanktion für mangelnde eigene Leistungsbereitschaft des Leistungsempfängers bei Bezug einer sozialversicherungsrechtlichen Leistung ([X.] 6. November 2007 - 1 [X.] - Rn. 25, [X.]E 124, 335).

cc) [X.]amit ist weder eine Übertragung der in § 121 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 SGB III enthaltenen Wertungen auf die Gestaltung von Sozialplänen (vgl. [X.] 6. November 2007 - 1 [X.] - Rn. 25, [X.]E 124, 335) noch auf die Ausübung billigen Ermessens nach § 106 Satz 1 [X.], § 315 BGB möglich. Regelungsziel der gesetzlichen Vorschriften über die Ausübung billigen Ermessens ist es, im Einzelfall eine Entscheidung herbeizuführen, die den wechselseitigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien angemessen Rechnung trägt. [X.]ies setzt eine individuelle Abwägung aller betroffenen Interessen voraus und schließt eine starre Anwendung sozialrechtlicher Zumutbarkeitsregeln aus. [X.]as berechtigte Interesse des Arbeitnehmers an kurzen Pendelzeiten und geringem finanziellen Aufwand ist im Rahmen der Abwägung ein wesentliches Kriterium. Ob diese Interessen angemessen berücksichtigt wurden, kann nur durch Abwägung mit den dienstlichen Gründen des Arbeitgebers ermittelt werden, die zu der Ausübung des [X.]irektionsrechts geführt haben. Bei wichtigen dienstlichen Gründen können längere Pendelzeiten zumutbar, bei Gründen von geringerem Gewicht aber bereits kürzere Pendelzeiten unzumutbar sein. Feste Grenzen lassen sich nicht definieren. § 121 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 SGB III enthalten keinen belastbaren Maßstab für die Kontrolle des Ermessensgebrauchs. [X.]ie Entscheidung des [X.] ist deshalb aufzuheben.

3. [X.]er [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Zwar ist eine abschließende Entscheidung des Revisionsgerichts dann geboten, wenn die maßgeblichen Tatsachen feststehen und nur eine bestimmte Entscheidung dem Maßstab der Billigkeit entspricht ([X.] 13. April 2010 - 9 [X.] - Rn. 39, [X.] § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47; 15. September 2009 - 9 [X.] - Rn. 29 mwN, [X.] § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = [X.] § 4 Altersteilzeit Nr. 31). [X.]ies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Es fehlt an Feststellungen im Hinblick auf das Bestehen oder Nichtbestehen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten in [X.]; das [X.] hat auch keine umfassende Abwägung der wechselseitigen Interessen vorgenommen. [X.]ies wird nachzuholen sein.

a) Zu berücksichtigen ist, dass die Zweigstelle des [X.] in [X.] aufgelöst wurde und die dortigen Arbeitsaufgaben nunmehr in [X.] angesiedelt sind. Werden im Zuge einer Verwaltungsreform Arbeitsaufgaben verlagert, besteht regelmäßig ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, diese Aufgaben am neuen Arbeitsort weiter von dem dafür qualifizierten und eingearbeiteten Personal wahrnehmen zu lassen (vgl. insoweit zum Personalübergang nach Verlagerung der Aufgaben auf einen anderen Träger: [X.] 14. Juli 2010 - 10 [X.] - Rn. 56 f., [X.] Art. 12 Nr. 143). [X.]ies gilt besonders dann, wenn qualifizierte Tätigkeiten verlagert werden. [X.]urch die Versetzung des Personals kann die kontinuierliche und sachgerechte Aufgabenerfüllung sichergestellt werden.

b) Gegenüber diesem Interesse des Beklagten an der Versetzung der Klägerin nach [X.] könnte das Interesse der Klägerin an der Beibehaltung ihres Arbeitsplatzes in [X.] zurückzutreten haben.

aa) [X.]ie Klägerin muss keine elterliche Sorge gegenüber minderjährigen Kindern mehr auszuüben. [X.]ass sie Miteigentümerin eines kreditbelasteten Hauses und der Ehemann beruflich an den Wohnort [X.] gebunden ist, steht einer Versetzung nach [X.] nicht entgegen. [X.]ie Klägerin muss bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes ihren Wohnort nicht ändern. [X.]ass sie aus finanziellen Gründen zu einem Notverkauf des Hauses gezwungen ist, ist nicht erkennbar.

bb) [X.]er geltend gemachte zeitliche Aufwand ist individuell beeinflussbar. [X.]ie Klägerin kann öffentliche Verkehrsmittel nutzen oder mit einem eigenen Pkw zum neuen [X.]ienstort fahren, wodurch der [X.]aufwand sich beträchtlich reduziert. Ob der Nutzung eines Pkws gesundheitliche Gründe entgegenstehen, muss ggf. geprüft werden. Möglichen finanziellen Mehrbelastungen der Klägerin wird teilweise dadurch Rechnung getragen, dass sie ihre Arbeitsleistungen zum Teil nach wie vor von ihrem Wohnort aus erbringen kann.

cc) Nicht festgestellt ist, ob es zum [X.]punkt der Versetzung für die Klägerin alternative Beschäftigungsmöglichkeiten in [X.] gab. [X.]er Beklagte war zwar nicht verpflichtet, von sich aus nach alternativen Arbeitsplätzen für die Klägerin in [X.] zu suchen, weil regelmäßig zunächst ein berechtigtes Interesse besteht, besonders qualifizierte Aufgaben weiter von den eingearbeiteten Arbeitskräften wahrnehmen zu lassen. Macht ein Arbeitnehmer allerdings geltend, es gebe konkrete alternative Beschäftigungsmöglichkeiten, ist der Arbeitgeber verpflichtet, diese zu prüfen und im Rahmen der Ausübung des billigen Ermessens ggf. in die Abwägung der wechselseitigen Interessen mit einzubeziehen. Soweit die Klägerin sich allerdings in diesem Zusammenhang bisher auf die Versetzung einer Arbeitnehmerin von [X.] nach [X.] im März 2008 berufen hat, wäre dieser Arbeitsplatz in [X.] nicht in die Abwägung einzubeziehen, wenn er tariflich niedriger bewertet war und die Klägerin dorthin nicht durch Ausübung des [X.]irektionsrechts versetzt werden konnte.

III. Abschließende, durch das Verfahren nicht veranlasste Erwägungen des [X.] lassen es geboten erscheinen, von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch zu machen und den Rechtsstreit an eine andere Kammer zurückzuverweisen.

        

    Mikosch    

        

    Eylert    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Simon    

        

    Alex    

                 

Meta

10 AZR 202/10

17.08.2011

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Dresden, 13. Januar 2009, Az: 9 Ca 2408/08, Urteil

§ 315 BGB, § 106 S 1 GewO, § 121 SGB 3

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.08.2011, Az. 10 AZR 202/10 (REWIS RS 2011, 3989)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3989

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