Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.12.2011, Az. 8 AZR 220/11

8. Senat | REWIS RS 2011, 368

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Betriebsübergang - Unterrichtungsschreiben - Widerspruch - Anfechtung


Tenor

Die Revision der Beklagten und des Streithelfers zu 1) gegen das Urteil des [X.] vom 16. Februar 2011 - 18 [X.] 1232/10 - wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen,

dass zwischen den Parteien vom 1. September 2008 bis zum 31. Januar 2010 ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis bestand.

Die Kosten der Revision hat die Beklagte, der Streithelfer zu 1) und der Streithelfer zu 2) haben ihre Kosten selbst zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis bestand.

2

Der am 21. Januar 1947 geborene Kläger wurde am 1. September 1970 im [X.]erk [X.] [X.]. Diese war die Rechtsvorgängerin der später insolventen [X.] in [X.] und Mitglied im [X.] Auf der [X.]rundlage des [X.] Beschäftigungsbrücke vom 31. März 2000 ([X.]) und des [X.] zur Altersteilzeit vom 4. Juli 2001 ([X.]) schloss der Kläger mit der [X.] einen Altersteilzeitarbeitsvertrag im Blockmodell. Die Arbeitsphase des [X.] dauerte vom 1. Februar 2004 bis zum 31. Januar 2007. Unter dem 20. November 2006 wies die [X.] Allgemeine Versicherung A[X.] ([X.]) in [X.] die [X.] darauf hin, dass sie zwar aus einem Kautionsversicherungsvertrag für Altersteilzeit der [X.] ein Bürgschaftslimit in Höhe von 120.000,00 [X.] für die Absicherung der [X.]ertguthaben aus [X.] ihrer Mitarbeiter zur Verfügung gestellt habe, dieses Bürgschaftslimit jedoch zur [X.] nicht genutzt werde. Die [X.] schrieb ausdrücklich, dass die Arbeitnehmer der [X.] erst dann abgesichert seien, wenn die [X.] entsprechende Bürgschaftsaufträge erteilt und dazugehörige Arbeitnehmererklärungen vorgelegt habe. Solche Aufträge und Erklärungen erfolgten seitens der [X.] nicht.

3

Am 1. Februar 2007 begann für den Kläger die Freistellungsphase der Altersteilzeit, die bis zum 31. Januar 2010 dauern sollte. Nach § 6 [X.] sollte die Abfindung des [X.] zum Ende seiner Altersteilzeit 5.544,00 [X.] betragen. Die monatliche Vergütung des [X.] in Altersteilzeit betrug zuletzt 1.420,98 [X.].

4

Die Rechtsnachfolgerin der [X.], die [X.], unterrichtete unter dem 18. Juli 2008 die Arbeitnehmer des [X.] [X.] mit einem Formschreiben über den Betriebsübergang auf die Beklagte. Dieses offensichtlich für aktiv Beschäftigte formulierte Schreiben erhielt auch der Kläger. Die Arbeitnehmer wurden mit diesem Schreiben auch über ihr [X.]iderspruchsrecht gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte belehrt und darauf hingewiesen, dass im Falle ihres [X.]iderspruchs eine betriebsbedingte Kündigung unvermeidlich werden könne. Sodann richtete die [X.] im August 2008 eine gesonderte Informationsveranstaltung für die Arbeitnehmer aus, die sich in der Freistellungsphase ihres [X.] befanden. Auf dieser Informationsveranstaltung, an der der Kläger nicht teilnahm, bat der Personalleiter der [X.] die Arbeitnehmer in der Freistellungsphase, einen [X.]iderspruch gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu erklären. Der weitere Verlauf dieser Informationsveranstaltung ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger erhielt bis spätestens 19. August 2008 ein weiteres, undatiertes Schreiben, das sich auf die Informationsveranstaltung vom 14. August 2008 bezog. Diesem war ein vorformulierter [X.]iderspruch zum Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte beigefügt. Der Kläger unterzeichnete und gab den [X.]iderspruch zusammen mit einer ebenfalls unterschriebenen Erklärung zur Absicherung von [X.]ertguthaben bei Altersteilzeit für die [X.] an die [X.] zurück.

5

Der Betrieb [X.] ging am 1. September 2008 auf die Beklagte über. Infolge seines [X.]iderspruchs erhielt der Kläger seine [X.] weiterhin von der [X.]. Diese füllte am 29. Oktober 2008 einen den Kläger betreffenden [X.] an die [X.] aus. Am 22. Dezember 2008 bestätigte die [X.] der [X.] noch einen Avalkredit aus der Kautionsversicherung über 151.000,00 [X.], begrenzte dieses Angebot jedoch bis zum 2. Februar 2009 und verlangte weitere Sicherheiten. Unter dem 2. März 2009 kündigte die [X.] den Kautionsversicherungsvertrag mit der [X.] und lehnte die Annahme ihr bereits vorliegender Bürgschaftsaufträge ab. Am 11. März 2009 verwies die [X.] dazu auf den Insolvenzeröffnungsantrag, der sie zur Kündigung des [X.] aus wichtigem [X.]rund berechtige. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der [X.] am 1. Mai 2009 lehnte die [X.] am 20. Mai 2009 eine Leistung gegenüber dem Kläger ab, wobei sie darauf verwies, trotz ihres Schreibens vom 20. November 2006 weder von der [X.] noch von der Insolvenzschuldnerin Aufträge zur Bürgschaftsübernahme bekommen zu haben.

6

Unter dem 28. Juli 2009 hat der Kläger seine [X.]iderspruchserklärung gegenüber der Beklagten und dem Insolvenzverwalter der [X.] wegen arglistiger Täuschung angefochten. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] wurde am 21. April 2010 Masseunzulänglichkeit festgestellt.

7

Die Beklagte hatte ihrem Streithelfer zu 1) unter dem 7. Oktober 2009 den Streit verkündet, dieser ist auf Seiten der Beklagten dem Streit am 1. März 2010 beigetreten. In der Revisionsinstanz hat der Streithelfer zu 1) dem Streithelfer zu 2) als dem früheren [X.]eschäftsführer der Beklagten im [X.]punkt des Betriebsübergangs den Streit verkündet. Auch der Streithelfer zu 2) ist dem Streit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

8

Der Kläger hat behauptet, auf der Informationsveranstaltung der [X.], an der er nicht teilgenommen hat, sei von Seiten der Personalleitung der nachmaligen Insolvenzschuldnerin versichert worden, eine Insolvenzsicherung der Altersteilzeitguthaben bestehe bereits.

9

Er hat zuletzt beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass zwischen den Parteien vom 1. September 2008 bis zum 31. Januar 2010 ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis bestand;

        

2.    

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte als [X.]esamtschuldnerin an ihn den Schaden zu zahlen hat, der ihm aufgrund der fehlenden Insolvenzabsicherung seines [X.]ertguthabens einschl. der nach § 10 des [X.] in Verbindung mit § 6 TV BB geschuldeten Abfindung aus dem [X.] vom 31. Juli 2003 entsteht.

Die Beklagte hat ihren Antrag auf Klageabweisung damit begründet, dass der Kläger nicht arglistig über das Nichtbestehen einer Insolvenzsicherung vor der Erklärung seines [X.]iderspruchs gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses getäuscht worden sei. Vielmehr sei auf der Informationsveranstaltung vom 14. August 2008 darauf hingewiesen worden, dass eine solche Absicherung erst noch einzurichten sei. Dies habe der Kläger danach durch Erkundigungen bei teilnehmenden Arbeitskollegen erfahren. Es gehe im Übrigen auch aus dem undatierten Informationsschreiben für Arbeitnehmer in der Freistellungsphase ihrer Altersteilzeit hervor, das dem Kläger nach der Informationsveranstaltung vom 14. August 2008 und vor seiner [X.]iderspruchserklärung am 19. August 2008 zugegangen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] hatte vor dem [X.] Erfolg. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision streben die Beklagte und der Streithelfer zu 1) die [X.]iederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an.

Entscheidungsgründe

Die zulässige [X.]evision der Beklagten ist unbegründet. Die Anfechtung seines [X.]iderspruchs gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte kann der Kläger auf den Anfechtungsgrund der arglistigen Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) stützen.

I. Das [X.] hat seine Entscheidung im [X.]esentlichen wie folgt begründet: Der Kläger könne seinen [X.]iderspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht wegen arglistiger Täuschung über das Bestehen einer Insolvenzsicherung anfechten. In dem undatierten Informationsschreiben an die Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der Altersteilzeit, das der Kläger nach dem 14. August 2008 erhalten habe, sei nur in Aussicht gestellt worden, dass die [X.]ertguthaben gegen Insolvenz gesichert werden sollten, nicht, dass dies schon geschehen sei. Es könne offenbleiben, ob die Beklagte durch den Hinweis auf § 174 BGB die Anfechtung durch den Prozessbevollmächtigten des [X.] habe zurückweisen wollen und ob dies unverzüglich geschehen sei. Denn der [X.]iderspruch des [X.] sei nach § 613a Abs. 6 BGB schon deswegen unbeachtlich gewesen, weil er der [X.] nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung vom 18. Juli 2008 zugegangen sei. Den [X.]iderspruch habe der Kläger erst am 19. August 2008 unterzeichnet, der [X.] sei er erst danach zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zugegangen. Auch wenn sich der Zugang des [X.] vom 18. Juli 2008 nicht mehr taggenau feststellen lasse, sei der [X.]iderspruch daher nicht mehr fristgerecht erfolgt.

Jedoch habe der Kläger mit der [X.], die dabei auch stellvertretend für die Beklagte gehandelt habe, nach dem 19. August 2008 eine Vereinbarung des Inhalts getroffen, dass das Arbeitsverhältnis nicht von dem Betriebsübergang erfasst werden solle. Dies verstoße aber gegen § 134 BGB, da § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zwingendes [X.]echt darstelle. Das Gesetz bestimme, dass der Betriebserwerber der neue Arbeitgeber werde und damit in die [X.]echte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses eintrete. Diese [X.]echtsfolge könne nicht durch eine Vereinbarung zwischen den Beteiligten eines Betriebsübergangs und einem Arbeitnehmer umgangen werden. Dies um so weniger, als auch ein Ausschluss der Haftung erreicht werden sollte. Zudem sei die Vereinbarung für den Kläger nachteilig, da seine [X.] nicht, wie versprochen, gegen eine Insolvenz abgesichert wurden.

II. Dem folgt der [X.] nur im Ergebnis.

1. Die Feststellung des [X.]s, der Beschäftigungsbetrieb des [X.] in [X.] sei am 1. September 2008 von der nachmaligen Insolvenzschuldnerin auf die Beklagte übergegangen, ist revisionsrechtlich nicht, auch nicht mit einer Verfahrensrüge, angegriffen worden. Daher ist diese Feststellung für den [X.] bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO).

2. Der Kläger hat dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte infolge dieses Betriebsübergangs durch ein auf den 8. August 2008 zurückdatiertes, ihm von der [X.] zur Verfügung gestelltes Formschreiben nach dem 19. August 2008 widersprochen, § 613a Abs. 6 BGB.

a) Entgegen der Annahme des [X.]s erfolgte dieser [X.]iderspruch nicht außerhalb der Monatsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB.

aa) Das [X.] hat schon nicht genaue Feststellungen dazu getroffen, wann dem Kläger das erste, auf den 18. Juli 2008 datierte Informationsschreiben zugegangen und wann der am oder nach dem 19. August 2008 unterzeichnete [X.]iderspruch des [X.] bei der [X.] eingegangen ist.

bb) Die Frist für den [X.]iderspruch des [X.] begann nicht mit Zugang der auf den 18. Juli 2008 datierten Unterrichtung über den Betriebsübergang zu laufen. Diese Unterrichtung entsprach im Falle des [X.] nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB. Eine unvollständige oder fehlerhafte Unterrichtung iSd. § 613a Abs. 5 BGB löst den Beginn der [X.]iderspruchsfrist nach § 613a Abs. 6 BGB nicht aus (st. [X.]spr., vgl. [X.] 24. Februar 2011 - 8 [X.] - [X.]n. 21 mwN).

(1) Das Unterrichtungsschreiben vom 18. Juli 2008 war gegenüber dem in der Freistellungsphase seines [X.] befindlichen Kläger schon deswegen unzutreffend, weil es ersichtlich an die noch im aktiven Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmer des Betriebs [X.] gerichtet und auf diese inhaltlich ausgerichtet war. Diese wurden zwar auf ihr [X.]iderspruchsrecht hingewiesen, zugleich jedoch darüber belehrt, dass im Falle ihres [X.]iderspruchs eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die [X.] „unvermeidlich werden“ könne. Für den Kläger sollte dies jedoch gerade nicht gelten, wie die [X.] in ihrem zweiten Informationsschreiben an den Kläger ausdrücklich betont hat. Die [X.] in der Freistellungsphase sollten vielmehr gerade einen [X.]iderspruch gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses erklären, ohne von Seiten der [X.] eine betriebsbedingte Kündigung befürchten zu müssen.

(2) Es kann dahinstehen, ob dieses zweite Informationsschreiben an den Kläger seinerseits fehlerfrei war. Der Kläger hat nur wenige Tage nach Erhalt dieses Schreibens seinen [X.]iderspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses mit dem von der [X.] zur Verfügung gestellten Formschreiben erklärt. Selbst wenn also das zweite an den Kläger gerichtete, undatierte Informationsschreiben die Monatsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB ausgelöst haben sollte, ist der [X.]iderspruch des [X.] binnen dieser Frist erfolgt. Er war somit zunächst wirksam.

b) Auf die vom [X.] angenommene, wohl konkludente „Vereinbarung“ zwischen der [X.], stellvertretend auch für die Beklagte handelnd, und dem Kläger kommt es somit nicht an. Allerdings hält es der [X.] grundsätzlich nicht für ausgeschlossen, dass die [X.]irkungen eines einseitig vom Arbeitnehmer erklärten [X.]iderspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB auch durch eine einvernehmliche Vereinbarung zwischen allen Beteiligten herbeigeführt werden können.

3. Die Erklärung seines [X.]iderspruchs hat der Kläger gegenüber der [X.] als der Erklärungsempfängerin wirksam angefochten. Der Kläger konnte sich auf den Anfechtungsgrund der arglistigen Täuschung berufen, § 123 Abs. 1 BGB. Infolge der wirksamen Anfechtung ist sein [X.]iderspruch als von Anfang an nichtig anzusehen, § 142 Abs. 1 BGB.

a) Das [X.] hat dazu ausgeführt, ein solcher Anfechtungsgrund stehe dem Kläger nicht zur Verfügung, da in dem undatierten Informationsschreiben an die Arbeitnehmer in Altersteilzeit nicht darüber getäuscht worden sei, dass eine Insolvenzsicherung ihrer [X.]ertguthaben bereits bestehe. Das Schreiben sei dahin gehend auszulegen, dass eine solche Insolvenzsicherung erst noch in der Zukunft erfolgen werde.

b) An diese Auslegung ist der [X.] nicht gebunden. Die Auslegung von [X.]illenserklärungen ist zwar grundsätzlich Sache der Tatsachengerichte. Die von ihnen vorgenommene Auslegung ist aber in der [X.]evisionsinstanz in vollem Umfang überprüfbar, wenn es sich wie vorliegend um die Auslegung eines Formschreibens handelt, hier also des undatierten [X.] nach dem 14. August 2008 an die Arbeitnehmer in der Freistellungsphase ihrer Altersteilzeit (vgl. [X.] 18. November 2004 - 6 [X.]/04 - [X.]n. 15 mwN, [X.] § 1 Tarifverträge: [X.] Nr. 23).

c) In dem undatierten Informationsschreiben ließ die [X.] formulieren:

        

„Zusätzlich wird Ihr Entgeltanspruch gegen Insolvenz durch die [X.] abgesichert. Dazu müssen Sie eine Erklärung für die Versicherung abgeben.“

Damit hat die informierende [X.] selbst die Frage der Insolvenzsicherung als einen Umstand hervorgehoben, der für die [X.]illensbildung des [X.] von ausschlaggebender Bedeutung ist. Daher traf sie die Pflicht, ungefragt über den Stand der Insolvenzsicherung Auskunft zu geben (vgl. [X.] 28. April 1971 - VIII 258/69 - NJ[X.] 1971, 1795).

aa) Die informierende Betriebsveräußerin stellte die Insolvenzsicherung als etwas „Zusätzliches“ dar, was im Gegenzug zur Abgabe der [X.]iderspruchserklärung erfolge. Jedoch bestand nach § 8a [X.] von Gesetzes wegen seit der zweiten Jahreshälfte 2004 eine Pflicht der [X.], das [X.]ertguthaben ab der ersten Gutschrift in geeigneter [X.]eise gegen das [X.]isiko der Zahlungsunfähigkeit abzusichern (§ 8a Abs. 1 Satz 1 [X.]). Dies wird ebenso verschwiegen wie die weitere Pflicht der [X.], einen Nachweis nach § 8a Abs. 3 [X.] zu führen und das [X.]echt der Arbeitnehmer, Sicherheit nach § 8a Abs. 4 [X.] zu verlangen. Statt eines Hinweises auf die gesetzliche Pflicht zur Insolvenzsicherung wird diese als zusätzliche Leistung im Zusammenhang mit der gewünschten [X.]iderspruchserklärung des [X.] dargestellt. Dies ist eine Täuschung durch Verschweigen.

bb) Mit der Formulierung, der Entgeltanspruch des [X.] „wird … abgesichert“ wird weiter der Eindruck geweckt, die [X.] betreibe im Zeitpunkt des [X.] alles, um das [X.]ertguthaben abzusichern. Im Zeitpunkt dieser Aussage traf jedoch das Gegenteil zu, da die [X.] AG von der [X.]+V am 20. November 2006 vergeblich darauf hingewiesen worden war, dass es zur Absicherung der [X.]ertguthaben neben dem zugesagten Avalkredit noch konkreter Bürgschaftsaufträge bezüglich der einzelnen Arbeitnehmer bedürfe. Solche hatten jedoch bis zum Informationsschreiben weder die [X.] AG noch die [X.] erteilt. Nach Erhalt des erbetenen [X.]iderspruchs des [X.] geschah dies nicht unverzüglich, vielmehr wurde erst am 29. Oktober 2008 ein entsprechender [X.] an die [X.]+V ausgefüllt.

cc) Durch den Hinweis, „dazu“ müsse der Kläger eine Erklärung für die Versicherung abgeben, wird der unzutreffende Eindruck erweckt, dies sei der allein noch fehlende Baustein zu einer ansonsten fertig vorbereiteten Insolvenzsicherung. Der Kläger wurde nicht darüber informiert, dass seine Arbeitgeberin die gesetzliche Sicherungs- und Nachweispflicht verletzt hatte, dass die als [X.] vorgesehene Versicherung einen den Kläger betreffenden [X.] nicht erhalten hatte und dass es noch der Annahme eines solchen Auftrags durch die [X.]+V bedurfte. Diese Fehlinformation geschah wider besseres [X.]issen und erkennbar in der Absicht, den Kläger im Unklaren zu lassen, um ihn zum [X.]iderspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu bewegen. Dies erfüllt die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung iSd. § 123 Abs. 1 BGB (vgl. [X.] 13. Februar 2007 - 9 AZ[X.] 207/06 - [X.]E 121, 182 = AP BGB § 823 Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 823 Nr. 8; 13. Februar 2007 - 9 AZ[X.] 106/06 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 823 Nr. 7).

d) Die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe beim [X.]iderspruch durch Gespräche mit Kollegen gewusst, dass eine Insolvenzsicherung noch nicht bestehe, ist unerheblich. Nur wenn der Kläger bei Abgabe des [X.]iderspruchs die wahren Sachverhalte, über die er getäuscht wurde, gekannt hätte, stünde die Kausalität der Täuschung in Frage. Dazu gibt es im Vortrag der Beklagten wie im gesamten Akteninhalt keine Anhaltspunkte.

e) Durch das Anwaltsschreiben vom 17. August 2009 als [X.]eaktion auf die Anfechtung des [X.] vom 28. Juli 2009 hat die Beklagte die Anfechtung nicht wegen fehlender vorgelegter Vollmachtsurkunde zurückweisen lassen.

aa) Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges [X.]echtsgeschäft eines Bevollmächtigten - hier also die Anfechtung durch den Anwalt des [X.] - unwirksam, wenn der Anwalt eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere, also die Beklagte oder deren Anwälte, das [X.]echtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist.

bb) Ob die [X.]eaktion der Beklagten vom 17. August 2009 noch „unverzüglich“ iSd. § 174 Satz 1 BGB war, kann dahinstehen. Jedenfalls hat die Beklagte die Anfechtung nicht „aus diesem Grunde“ zurückgewiesen. Mit Hinweis auf § 174 BGB haben die Anwälte der Beklagten nur um die Nachreichung einer Vollmacht im Original „der guten Ordnung halber“ gebeten. Die „Zurückweisung“ der Anfechtung erfolgte jedoch aufgrund der [X.]echtsauffassung der Beklagten, die Anfechtung habe gegenüber der [X.] zu erfolgen und sei allein dieser gegenüber wirksam. Dies stellt keine Zurückweisung wegen fehlender Vollmachtsurkunde nach § 174 Satz 1 BGB dar.

4. Die wirksame Anfechtung des [X.]iderspruchs beseitigt seine [X.]irkungen nicht nur gegenüber der Insolvenzschuldnerin als Erklärungsempfängerin, sondern auch gegenüber der Beklagten, so wie der [X.]iderspruch gegenüber dem [X.] auch für die Beklagte als Betriebserwerberin [X.]irkung hatte, § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB. Dass der Kläger die Anfechtung auch gegenüber der Beklagten, die nicht selbst getäuscht hatte, erklärt hatte, ist rechtlich unbeachtlich. Infolge des wirksam angefochtenen [X.]iderspruchs des [X.] ist sein Arbeitsverhältnis zum 1. September 2008 auf die Beklagte übergegangen. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis in der Freistellungsphase hat erst am 31. Januar 2010 sein Ende gefunden.

III. Die Kosten ihres erfolglosen [X.]echtsmittels hat die Beklagte zu tragen, § 97 ZPO. Da die Beklagte als Hauptpartei unterlegen ist, haben die Streithelfer nur ihre eigenen Kosten zu tragen (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.] ZPO 67. Aufl. § 101 [X.]n. 20).

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Brückmann    

        

    Hermann    

                 

Meta

8 AZR 220/11

15.12.2011

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Marburg, 9. Juli 2010, Az: 2 Ca 573/09, Urteil

§ 123 Abs 1 BGB, § 142 Abs 1 BGB, § 174 S 1 BGB, § 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 BGB, § 8a Abs 1 S 1 AltTZG 1996, § 8a Abs 3 AltTZG 1996, § 8a Abs 4 AltTZG 1996, § 559 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.12.2011, Az. 8 AZR 220/11 (REWIS RS 2011, 368)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 368

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

9 AZR 448/11 (Bundesarbeitsgericht)

Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell - Insolvenzsicherung


8 AZR 824/12 (Bundesarbeitsgericht)

(Betriebsübergang - Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB - Betriebserwerberin - Sozialplanpflichtigkeit nach § …


9 AZR 44/09 (Bundesarbeitsgericht)

Altersteilzeit - Geschäftsführerhaftung - keine persönliche Haftung als frühere Mitgeschäftsführer der Arbeitgeberin für die unterbliebene …


4 Sa 180/06 (Landesarbeitsgericht Hamm)


8 AZR 734/08 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebsübergang - fehlende Unterrichtung - Widerspruch - Verwirkung - Treuwidrigkeit des Widerspruchs


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.