Bundessozialgericht, Urteil vom 11.11.2021, Az. B 3 P 2/20 R

3. Senat | REWIS RS 2021, 1169

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Soziale Pflegeversicherung - Pflege von Menschen mit Behinderungen in vollstationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe - Vorrang-Nachrang-Verhältnis der Leistungen


Leitsatz

Leistungen der sozialen Pflegeversicherung und Leistungen der Eingliederungshilfe für die Pflege von Menschen mit Behinderungen in vollstationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe stehen in einem Vorrang-Nachrang-Verhältnis.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 12. Dezember 2019 - L 5 P 2/19 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit steht, ob der klagende Sozialhilfeträger die Feststellung von Leistungsansprüchen einer bei der beklagten Pflegekasse Versicherten nach § 43a [X.] betreiben und - lagen die Anspruchsvoraussetzungen vor - insoweit die anteilige Erstattung von Pflegekosten in vollstationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe beanspruchen kann.

2

Die 1993 geborene Versicherte leidet unter psychischen Behinderungen und lebt in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen. Die Kosten für ihre Unterbringung und Betreuung werden von dem klagenden überörtlichen Sozialhilfeträger übernommen, so auch in der hier streitbefangenen [X.] vom 1.10.2016 bis 31.10.2017.

3

Auf Aufforderung durch den Kläger beantragte die Betreuerin der Versicherten am 24.10.2016 bei der Beklagten Leistungen nach dem [X.]. Die Beklagte lehnte gestützt auf ein Gutachten des [X.] ([X.]) Ansprüche nach §§ 43a und 45a [X.] ab, weil die Versicherte weder pflegebedürftig noch ihre Alltagskompetenz eingeschränkt sei (Bescheide vom 15.12.2016). Den hiergegen vom Kläger unter Berufung auf § 95 [X.]I erhobenen Widerspruch - verbunden im Weiteren mit einem geltend gemachten Erstattungsanspruch von monatlich 266 Euro für die [X.] ab 1.1.2017 - wies sie gestützt auf eine weitere Stellungnahme des [X.] ebenfalls zurück (Widerspruchsbescheide vom [X.]).

4

Die Klage hiergegen hat das [X.] abgewiesen (Urteil vom 12.12.2018), die Berufung dagegen hat das L[X.] zurückgewiesen: Dem Kläger fehle die Prozessführungsbefugnis. Er könne sich weder auf eine gewillkürte noch eine gesetzliche Prozessstandschaft berufen. Die gesetzliche Prozessstandschaft nach § 95 [X.]I erfordere, dass die vom Träger der Sozialhilfe gewährten oder zu gewährenden Leistungen nachrangig seien, woran es im Verhältnis von Pflegeleistungen in einer vollstationären Einrichtung der Eingliederungshilfe und Leistungen der Pflegeversicherung nach § 43a [X.] fehle. Auf einen eigenen Anspruch könne der Kläger seine Prozessführungsbefugnis mangels eines Erstattungsanspruchs nicht stützen. Zudem fehle es ihm an der Klagebefugnis (Urteil vom 12.12.2019).

5

Mit seiner vom L[X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger insbesondere eine Verletzung von § 95 Satz 1 [X.]I, § 43a [X.] und § 54 Abs 1 Satz 2 sowie [X.] [X.]G. Er sei sowohl aus eigenem Recht prozessführungsbefugt als auch nach Maßgabe von § 95 Satz 1 [X.]I iVm § 43a [X.] für der Versicherten zustehende Rechte und jeweils könne seine Klagebefugnis nicht ausgeschlossen werden. Als Verfahrensfehler rügt er die unterbliebene echte notwendige Beiladung nach § 75 Abs 2 Alt 1 [X.]G der Versicherten und die Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 Satz 1 [X.]G.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 12.12.2019 - L 5 P 2/19 - und des [X.] vom 12.12.2018 - [X.] P 382/17 - sowie die Bescheide der Beklagten vom 15.12.2016 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom [X.] aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die Versicherte wegen der pflegebedingten Aufwendungen vom 1.10.2016 bis 31.10.2017 Leistungen nach § 43a [X.] zu gewähren sowie die erbrachten entsprechenden Vorleistungen zu erstatten.

7

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des [X.] ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]G). Das [X.] hat - wie zuvor bereits das [X.] - durch Prozessurteil statt durch Sachurteil über die [X.]lage entschieden, die indes entgegen der Auffassung der Vorinstanzen zulässig ist. Zutreffend sieht sich der [X.]läger berechtigt, die Feststellung von Ansprüchen der Versicherten nach § 43a [X.]B XI zu betreiben und bei Vorliegen der Voraussetzungen von der [X.] insoweit [X.]ostenerstattung zu verlangen. Dem [X.] ist jedoch eine abschließende Entscheidung darüber verwehrt, ob diese Ansprüche bestehen, weil es hierfür an erforderlichen tatsächlichen Feststellungen fehlt.

9

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die vorinstanzlichen Entscheidungen und die Bescheide vom 15.12.2016 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom [X.], durch die die Beklagte Leistungen für die Versicherte nach dem [X.]B XI ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt hat, sowie in der Sache das gegen die Beklagte gerichtete Begehren des [X.], für die Versicherte Leistungen nach § 43a [X.]B XI zu gewähren und die erbrachten entsprechenden Vorleistungen des [X.] zu erstatten. [X.]lich reicht dieses Begehren vom Beginn des Antragsmonats am 1.10.2016 bis zur durch den neuen Antrag vom 25.10.2017 entstandenen Zäsur, ab der sich die streitbefangenen Bescheide mit Wirkung vom Beginn des Antragsmonats für die Zukunft erledigt haben, eingegangen bei der [X.] am 10.11.2017 und von dieser ablehnend beschieden am [X.] 33 Abs 1 Satz 1 bis 3 [X.]B XI, § 39 Abs 2 [X.]B X).

2. Statthafte [X.]lageart sind für das in Prozessstandschaft verfolgte [X.] nach § 43a [X.]B XI die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 [X.]G) und für das eigene Erstattungsbegehren des [X.] die allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 [X.]G; zur Zulässigkeit dieser [X.]lagenkombination B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] R - B[X.]E 82, 112 = [X.] 3-5910 § 91a [X.], juris RdNr 15 f, 22; vgl dazu auch [X.] in jurisP[X.]-[X.]B XII, 3. Aufl, § 95 Rd[X.]0, 63, 130 f, Stand 9.3.2020).

3. Einer Sachentscheidung des [X.]s steht nicht entgegen, dass die Berufung mit Blick auf § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]G nicht statthaft gewesen wäre. Der in Prozessstandschaft geltend gemachte Leistungsanspruch der Versicherten nach § 43a [X.]B XI ist für den Erstattungsanspruch des [X.] vorgreiflich, weshalb dieser Anspruch ohne Rücksicht auf den Wert des [X.] berufungsfähig war (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] R - B[X.]E 82, 112 = [X.] 3-5910 § 91a [X.], juris RdNr 17).

4. Die [X.]lage ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen zulässig. Das betrifft sowohl das [X.] des [X.] als gesetzlicher Prozessstandschafter der Versicherten (dazu 6.) als auch dessen Erstattungsbegehren aus eigenem Recht (dazu 7.). Dem liegt ein von den Vorinstanzen abweichendes Verständnis des [X.]s vom Verhältnis von Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe mit Blick auf § 43a [X.]B XI zugrunde (dazu 5.).

5. Leistungen der Pflegeversicherung nach § 43a [X.]B XI und Leistungen der Eingliederungshilfe für die Pflege von Menschen mit Behinderungen in einer vollstationären Einrichtung stehen in einem [X.].

a) Treffen bei Menschen mit Behinderungen Ansprüche auf Leistungen der Pflegeversicherung und der Eingliederungshilfe zusammen, sollen im Verhältnis zum Pflegebedürftigen die Leistungen grundsätzlich nur von einer Stelle erbracht werden (vgl bereits § 13 Abs 4 [X.]B XI idF des Pflege-Versicherungsgesetzes - [X.] - vom [X.], [X.] 1014; nunmehr § 13 Abs 4 Satz 1 Nr 1 [X.]B XI idF des [X.] - P[X.] III - vom 23.12.2016, [X.] 3191). Für die Eingliederungshilfe in vollstationären Einrichtungen bzw nunmehr in Räumlichkeiten mit einer weitgehend einer vollstationären Einrichtung entsprechenden Versorgung (vgl § 71 Abs 4 [X.] lit c [X.]B XI idF des [X.] - Pp[X.] - vom 11.12.2018, [X.] 2394) ist das in dem Sinne zwingend, dass die Leistung auch die Pflegeleistungen in diesen Einrichtungen oder Räumlichkeiten umfasst, die dort so lange zu erbringen sind, wie die Pflege in diesem Rahmen sichergestellt werden kann (ausdrücklich erstmals § 40a [X.] idF des [X.] - [X.]B IX - vom 19.6.2001, [X.] 1046; ab dem 1.1.2005 inhaltsgleich § 55 [X.]B XII idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das [X.], [X.] 3022; nunmehr § 103 Abs 1 Satz 1 und 2 [X.]B IX idF des Bundesteilhabegesetzes - [X.] - vom 23.12.2016, [X.] 3234; vgl auch § 13 Abs 3 Satz 3 Halbsatz 2 [X.]B XI). Das soll dem Interesse von Menschen mit Behinderungen Rechnung tragen, so lange als möglich in der bekannten Umgebung verbleiben zu können (vgl nur BT-Drucks 14/5074 [X.] zu § 40a [X.]). Insoweit ist die Pflege integraler Bestandteil der Eingliederungshilfe (vgl zuletzt B[X.] vom 20.4.2016 - B 3 P 1/15 R - [X.] 4-3300 § 45b [X.] Rd[X.]3).

b) Ziel dieser Leistungen aus einer Hand ist es aber nicht, die Pflegeversicherung von den [X.]osten der Pflege Versicherter in vollstationären Einrichtungen oder besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe vollständig freizustellen; so liegt es nach § 43a [X.]B XI gerade nicht. Hiernach übernimmt die [X.] für Pflegebedürftige - ab dem 1.1.2017: solche der Pflegegrade 2 bis 5 - in einer vollstationären Einrichtung der Eingliederungshilfe oder entsprechenden Räumlichkeiten, in denen jeweils die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Vordergrund des [X.] steht, zur Abgeltung der in § 43 Abs 2 [X.]B XI genannten pflegebedingten Aufwendungen 10 % des nach § 75 Abs 3 [X.]B XII vereinbarten [X.], maximal je [X.]alendermonat 266 Euro (§ 43a [X.]B XI in der vom 1.1.2015 bis 31.12.2016 geltenden Fassung des [X.] - P[X.] I - vom 17.12.2014, [X.] 2222 bzw in der vom 1.1.2017 bis 31.12.2019 geltenden Fassung des [X.] - P[X.] II - vom 21.12.2015, [X.] 2424; nunmehr [X.] von 15 % der nach Teil 2 [X.]apitel 8 des [X.]B IX vereinbarten Vergütung und maximal je [X.]alendermonat 266 Euro nach § 43a [X.]B XI F des P[X.] III).

Nach der Entstehungsgeschichte soll damit ein finanzieller Ausgleich dafür bewirkt werden, dass nach der [X.]onzeption des [X.]B XI in Einrichtungen der vollstationären Eingliederungshilfe und nunmehr entsprechenden Räumlichkeiten Leistungen der Pflegeversicherung grundsätzlich nicht erbracht werden. Mit Blick hierauf ist § 43a [X.]B XI in Folge eines politischen [X.]ompromisses zur Aufteilung der Finanzverantwortung zwischen Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe nach einem Vermittlungsverfahren Gesetz geworden (Begründung zur Anrufung des [X.] - Anlage [X.] = BT-Drucks 13/4521 [X.] und Ergebnis des [X.] [X.]; dazu B[X.] vom 13.3.2001 - B 3 P 17/00 R - [X.] 3-3300 § 43a [X.], juris Rd[X.], 20; B[X.] vom 26.4.2001 - B 3 P 11/00 R - [X.] 3-1100 Art 3 [X.], juris Rd[X.] ff; Rasch in [X.]/Schütze, [X.]B XI, 5. Aufl 2018, § 43a RdNr 1, 16 f; vgl auch [X.] in LP[X.]-[X.]B XI, 5. Aufl 2018, § 13 Rd[X.]0: Ergänzung durch eine Mischfinanzierung).

c) In diesem systematischen Zusammenhang und nach seiner Entstehungsgeschichte kommt dem [X.] von Versicherten aus § 43a [X.]B XI im Verhältnis von [X.] und Eingliederungshilfeträgern Vorrang zu vor der Leistungsverpflichtung der Eingliederungshilfe aus § 55 Satz 1 [X.]B XII bzw nunmehr § 103 Abs 1 Satz 1 [X.]B IX.

Zwar sind in Abweichung von der Grundregel zum Vorrang der Leistungen der Pflegeversicherung (§ 13 Abs 3 Satz 1 [X.]B XI) die Leistungen der Eingliederungshilfe dem Grundsatz nach nicht nachrangig im Verhältnis zur Pflegeversicherung (§ 13 Abs 3 Satz 3 Halbsatz 1 [X.]B XI) und ist nach dieser Ausnahmeregelung die notwendige Hilfe in den Einrichtungen oder Räumlichkeiten der Eingliederungshilfe nach § 71 Abs 4 [X.]B XI einschließlich der Pflegeleistungen zu gewähren (§ 13 Abs 3 Satz 3 Halbsatz 2 [X.]B XI). Das schließt von dieser Ausnahme zur Grundregel abweichende Sonderregelungen aber nicht aus. So liegt es bei § 43a [X.]B XI, der insoweit eine partielle Rückausnahme zu § 13 Abs 3 Satz 3 [X.]B XI enthält (vgl zum mit dem Gesetzeskonzept des § 13 Abs 3 Satz 3 [X.]B XI korrespondierenden § 43a [X.]B XI zuletzt B[X.] vom [X.] B[X.]E 122, 239 = [X.] 4-3300 § 40 [X.], RdNr 19 ff).

Die Regelung des § 43a [X.]B XI begründet nach Wortlaut und Regelungssystematik pauschalierte Individ[X.]lansprüche der Versicherten auf Beteiligung der [X.] an den Pflegekosten in Einrichtungen der Eingliederungshilfe; dafür spricht schon die ausdrückliche Einordnung in den [X.]atalog der "Leistungsarten" der Pflegeversicherung (vgl § 28 Abs 1 Nr 9 [X.]B XI). Soweit die Eingliederungshilfe nach dem Prinzip der Leistungen aus einer Hand "auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung" umfasst (§ 55 Satz 1 [X.]B XII bzw nunmehr § 103 Abs 1 Satz 1 [X.]B IX; § 13 Abs 3 Satz 3 Halbsatz 2 [X.]B XI), kann das vor diesem Hintergrund nur als Verpflichtung der Träger der Eingliederungshilfe verstanden werden, im Außenverhältnis zu den Leistungsberechtigten in deren Interesse auch die im begrenzten Umfang des § 43a [X.]B XI mit den Mitteln der Pflegeversicherung zu finanzierende Pflege sicherzustellen. Insoweit entsprechen § 55 [X.]B XII und nunmehr § 103 Abs 1 [X.]B IX anderen Regelungsmodellen beim Zusammentreffen von [X.] unterschiedlicher Träger wie etwa bei §§ 14 ff [X.]B IX.

Dass dagegen im Innenverhältnis beider Leistungsträger insoweit eine gleichrangige Leistungszuständigkeit von [X.] und Eingliederungshilfeträgern für den nach § 43a [X.]B XI von der [X.] zu übernehmenden Anteil an den von der Eingliederungshilfe getragenen Pflegekosten bestehen könnte, ist nicht anzunehmen. Das stünde ersichtlich im Widerspruch zu der mit § 43a [X.]B XI verfolgten Absicht, die Träger der Eingliederungshilfe mindestens partiell von Aufwendungen zu entlasten, die bei einem Verbleib Pflegebedürftiger in deren Einrichtungen oder entsprechenden Räumlichkeiten entstehen (zu § 43a [X.]B XI als partieller Nachrangregelung zur finanziellen [X.]ompensation der Eingliederungshilfeträger vgl [X.] in [X.]nickrehm/[X.]/Waltermann, [X.]ommentar zum Sozialrecht, 7. Aufl 2021, § 13 [X.]B XI RdNr 15 und § 43a [X.]B XI Rd[X.], 7; Rasch in [X.]/Schütze, [X.]B XI, 5. Aufl 2018, § 43a Rd[X.] f, 8; [X.], ebenda, § 13 RdNr 10, 20). Materiell kann demgemäß im Verhältnis zwischen Eingliederungshilfe und Versicherten - auch zur Vermeidung unberechtigter zweckidentischer Doppelleistungen an den Leistungsberechtigten - nur der Träger der Eingliederungshilfe die Auszahlung des [X.] nach § 43a [X.]B XI beanspruchen, wenn er - wie mit der [X.]lage hier geltend gemacht - als Leistung der Eingliederungshilfe in der Vergangenheit die [X.]osten einer auch pflegerischen Versorgung eines Versicherten getragen hat.

6. Im Rahmen dieses partiellen [X.] ist der [X.]läger als Träger der Sozialhilfe in dem streitbefangenen [X.]raum auch verfahrensrechtlich berechtigt, den Zahlungsanspruch eines Versicherten gegen die [X.] nach § 43a [X.]B XI im eigenen Namen geltend zu machen und ggf Auszahlung an sich zu verlangen.

a) Ansprüche auf Leistungen der Pflegeversicherung sind antragsabhängig und werden erst ab Antragstellung gewährt 33 Abs 1 Satz 1 bis 3 [X.]B XI). Zur Antragstellung ist bis zur Einordnung der Eingliederungshilfe in das [X.]B IX mit Wirkung vom 1.1.2020 der Sozialhilfeträger jedenfalls auf der gesetzlichen Grundlage des § 95 Satz 1 [X.]B XII berechtigt, wonach der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen kann (so bereits für § 91a [X.] als Vorläufer des § 95 [X.]B XII B[X.] vom 28.6.2001 - B 3 P 7/00 R - [X.] 3-3300 § 43a [X.], juris Rd[X.] f). Im Sinne dessen geht ersichtlich schon das [X.]B XI in den Verfahrensvorschriften zum Zusammentreffen von Leistungen der Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe von der Erstattungsberechtigung des im Außenverhältnis zu den Leistungsberechtigten allein leistenden Trägers aus. Soweit nämlich nach § 13 Abs 4 [X.]B XI für ein solches Zusammentreffen im Vertragswege eine Leistung aus einer Hand und eine entsprechende Erstattung zugunsten des im Außenverhältnis zuständigen Trägers vereinbart werden soll bzw nunmehr eine Leistungsübernahme durch den für die Eingliederungshilfe zuständigen Träger und eine entsprechende Erstattung zu dessen Gunsten durch die [X.] zu vereinbaren ist (§ 13 Abs 4 [X.]B XI idF des [X.] und nunmehr § 13 Abs 4 Satz 1 [X.]B XI idF des P[X.] III), lässt sich das nur verstehen als Auftrag zur vertraglichen Ausgestaltung eines Erstattungsanspruchs, der nach der gesetzlichen [X.]onzeption immer dann gegeben ist, wenn der leistende Träger - nunmehr zwingend die Eingliederungshilfe (§ 13 Abs 4 Satz 1 Nr 1 [X.]B XI idF des P[X.] III) - im Außenverhältnis zugleich für den anderen Träger Leistungen erbringt, die dieser im Verhältnis zum Leistungsberechtigten ausschließlich selbst zu erbringen hat.

b) Nach dem aufgezeigten [X.] im Rahmen des § 43a [X.]B XI wird der für die Eingliederungshilfe zuständige Träger mit der Erbringung von Pflegeleistungen kraft Gesetzes insoweit nach § 104 [X.]B X erstattungsberechtigt gegenüber der [X.] (dazu sogleich 7.) und damit nach der Rechtslage bis Ende 2019 zugleich antragsberechtigt nach § 95 [X.]B XII (zum Zusammenhang von Erstattungsberechtigung und gesetzlicher Prozessstandschaft bereits B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] R - B[X.]E 82, 112 = [X.] 3-5910 § 91a [X.], juris Rd[X.]3). Ihm ist damit ein Mittel in die Hand gegeben, die zu seinen Gunsten bestimmte finanzielle Beteiligung der Pflegeversicherung an den [X.]osten der Eingliederungshilfe unabhängig von einer Verfahrensführung des Leistungsberechtigten zu realisieren (zu dieser Interessenlage Schweigler, [X.]b 2014, 307).

Ob sich mit der Erstattungsberechtigung seit Einordnung der Eingliederungshilfe mit Wirkung vom 1.1.2020 in das [X.]B IX (zu dieser Rechtsänderung und dem damit verbundenen Systemwechsel B[X.] vom [X.] - B 8 [X.] 9/19 R - vorgesehen für B[X.]E und [X.] 4, RdNr 19), das eine dem § 95 [X.]B XII vergleichbare Regelung nicht kennt (vgl [X.] in jurisP[X.]-[X.]B XII, 3. Aufl, § 95 RdNr 17, Stand 9.3.2020), eine ungeschriebene Antragsbefugnis zugunsten des Trägers der Eingliederungshilfe verbindet, kann für den streitigen [X.]raum hier offenbleiben (zur Frage vgl nur [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, [X.] Vor §§ 102 - 114 RdNr 87 ff, Stand Juni 2019).

7. Hat eine [X.] bei Pflegebedürftigkeit eines Versicherten ihre vorrangige Leistungsverpflichtung nach § 43a [X.]B XI zeitgerecht erfüllt, nämlich durch Zahlung gegenüber dem [X.] ihren Anteil an der zwischen diesem und dem Träger der Eingliederungshilfe vereinbarten Vergütung "übernommen" (§ 43a Satz 1 [X.]B XI; zur Zahlung unmittelbar an den [X.] vgl B[X.] vom 13.3.2001 - B 3 P 17/00 R - [X.] 3-3300 § 43a [X.], juris RdNr 15; B[X.] vom 20.4.2016 - B 3 P 1/15 R - [X.] 4-3300 § 45b [X.] Rd[X.]3, 25), ist der Eingliederungshilfeträger insoweit "selbst nicht zur Leistung verpflichtet" iS von § 104 Abs 1 Satz 2 [X.]B X und daher nach der Wertung von § 104 [X.]B X in diesem Rahmen nur nachrangig verpflichtet.

Das ist in dem systematischen Verhältnis der Leistungsansprüche nach § 43a [X.]B XI einerseits und § 55 [X.]B XII bzw nunmehr § 103 Abs 1 [X.]B IX andererseits kein Ausdruck eines - insofern für die Pflegeversicherung durch § 13 Abs 3 Satz 3 Halbsatz 1 [X.]B XI ohnehin aufgehobenen - institutionellen Nachrangs der Eingliederungshilfe ("Systemsubsidiarität"), sondern dem in § 43a [X.]B XI ausgestalteten [X.] und dem damit verfolgten finanziellen [X.] zugunsten der Eingliederungshilfe im Sinne einer "Einzelfallsubsidiarität" zu entnehmen (vgl letztens etwa B[X.] vom [X.] B[X.]E 122, 239 = [X.] 4-3300 § 40 [X.], RdNr 18; zum Erstattungsanspruch nach § 104 [X.]B X bei konkreter fallbezogener Nachrangigkeit des Anspruchs des Leistungsberechtigten vgl näher nur [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, [X.] § 104 RdNr 6 f, 24 ff, 47, 49, Stand Juli 2021; [X.]ater in [X.]asseler [X.]omm, § 104 [X.]B X Rd[X.], 4, 10, 13, 36, 73 f, Stand Mai 2021).

Hieran knüpft § 13 Abs 4 [X.]B XI an, der Vereinbarungen zwischen [X.] und für die Eingliederungshilfe zuständigem Träger [X.] über zu erstattende [X.]osten vorsieht. Eine hierauf gestützte Vereinbarung zur Durchführung des § 43a [X.]B XI mit Regelungen zur Feststellung, Zahlung und Abrechnung der von der [X.] zu erstattenden Beträge haben vorliegend auch die Beteiligten miteinander geschlossen.

Insoweit bleibt der erkennende [X.] bei seiner schon früher ausgesprochenen Rechtsauffassung zu § 104 [X.]B X als möglicher Rechtsgrundlage für einen eigenen Erstattungsanspruch des [X.] (B[X.] vom 13.3.2001 - B 3 P 17/00 R - [X.] 3-3300 § 43a [X.], juris RdNr 12; B[X.] vom 28.6.2001 - B 3 P 7/00 R - [X.] 3-3300 § 43a [X.], juris RdNr 13, 15). Hierfür sprechen im Übrigen auch der im Gesetzgebungsverfahren zum P[X.] III vom Bundesrat eingebrachte - wenn auch nicht weiter verfolgte - Vorschlag und die ihn tragenden Erwägungen, die Geltung von § 104 [X.]B X insoweit ausdrücklich anzuordnen (vgl BT-Drucks 18/9959 [X.] zu 10. lit a).

8. Ausgehend von diesen Maßstäben ist der [X.]läger vorliegend als erstattungsberechtigter Träger der Sozialhilfe im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft nach § 95 Satz 1 [X.]B XII berechtigt, die Feststellung der Leistungspflicht der [X.] gegenüber der Versicherten nach § 43a [X.]B XI für den streitigen [X.]raum zu betreiben und insoweit zudem einen eigenen Erstattungsanspruch nach § 104 [X.]B X zu verfolgen. Ob er sich neben der gesetzlichen - wie von ihm geltend gemacht - auch auf eine gewillkürte Prozessstandschaft stützen kann, kann danach offenbleiben; auf die im Zusammenhang damit vom [X.]läger erhobene Verfahrensrüge mangelnder Amtsermittlung kommt es nicht mehr an.

Für seine [X.]lagebegehren ist der [X.]läger auch jeweils klagebefugt iS des § 54 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 Satz 1 [X.]G (vgl allgemein zum Maßstab hierfür [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 54 RdNr 9 f, 22, 39, 41a mwN; vgl für den vorliegenden Zusammenhang [X.] in jurisP[X.]-[X.]B XII, 3. Aufl, § 95 RdNr 126, Stand 9.3.2020). Für den nach seinem Vorbringen der Sache nach (§ 123 [X.]G) von Beginn an aus eigenem Recht geltend gemachten Erstattungsanspruch kann ihm die [X.]lagebefugnis ohnehin nicht abgesprochen werden, nachdem die Beklagte ihre Leistungspflicht insgesamt abgelehnt hat und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Versicherte im streitigen [X.]raum pflegebedürftig war.

Der [X.]läger ist aber auch klagebefugt, soweit er sich auf die gesetzliche Prozessstandschaft nach § 95 Satz 1 [X.]B XII iVm § 43a [X.]B XI beruft (zur [X.]lagebefugnis hierfür bei gleichzeitig erhobenem Erstattungsanspruch B[X.] vom 28.6.2001 - B 3 P 7/00 R - [X.] 3-3300 § 43a [X.], juris Rd[X.]). Hieran ändern entgegen der Auffassung des [X.] einzelne Ausführungen des [X.] im Zusammenhang mit der Überleitungsvorschrift des § 140 [X.]B XI in seiner [X.]lagebegründung nichts, weil ungeachtet dessen das Begehren des [X.] von Beginn an ersichtlich darauf gerichtet war, den Anspruch der nach seiner Auffassung im streitigen [X.]raum pflegebedürftigen Versicherten aus § 43a [X.]B XI zu seinen Gunsten zu realisieren.

9. Auf die nach alledem zulässige [X.]lage ist deren Begründetheit, dh die Anspruchsberechtigung des [X.] als Prozessstandschafter der Versicherten und aus eigenem Recht zu prüfen. Jeweils kommt es hierfür [X.] darauf an, ob die Versicherte in der streitigen [X.] pflegebedürftig iS des § 43a [X.]B XI war. Eigene tatsächliche Feststellungen hierzu haben die Vorinstanzen ausgehend von ihrer Rechtsauffassung der Unzulässigkeit der [X.]lage nicht getroffen. Die Feststellungen sind auch nicht entbehrlich, etwa weil die Pflegebedürftigkeit der Versicherten oder ihr Fehlen unstreitig wären; vielmehr lag Pflegebedürftigkeit nach den ablehnenden Bescheiden der [X.] nicht vor, die mit der [X.]lage angegriffen sind. Ohne diese Feststellungen ist dem [X.] eine abschließende Entscheidung in der Sache verwehrt. Zur Nachholung der für ein Sachurteil erforderlichen Feststellungen bedarf es der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.].

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren ist die Versicherte nach § 75 Abs 2 Alt 1 [X.]G beizuladen. Zutreffend hat der [X.]läger den auch von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensmangel der unterlassenen echten notwendigen Beiladung gerügt. Denn die Entscheidung darüber, ob der [X.]läger im Wege der Prozessstandschaft nach § 95 [X.]B XII die Gewährung von Leistungen an die Versicherte begehren kann, greift unmittelbar in deren Rechtsposition ein, weil deren Leistungsanspruch betroffen ist (vgl B[X.] vom 5.6.2014 - B 4 A[X.]2/13 R - B[X.]E 116, 112 = [X.] 4-4200 § 7 [X.]6, RdNr 13 f; B[X.] vom 2.12.2014 - B 14 A[X.]5/13 R - juris RdNr 12).

Das [X.] wird auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 3 P 2/20 R

11.11.2021

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: P

vorgehend SG Münster, 12. Dezember 2018, Az: S 20 P 382/17, Urteil

§ 13 Abs 3 S 1 SGB 11, § 13 Abs 3 S 3 Halbs 1 SGB 11, § 13 Abs 3 S 3 Halbs 2 SGB 11, § 13 Abs 4 SGB 11 vom 26.05.1994, § 13 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 11 vom 23.12.2016, § 28 Abs 1 Nr 9 SGB 11, § 33 Abs 1 S 1 SGB 11, § 33 Abs 1 S 2 SGB 11, § 33 Abs 1 S 3 SGB 11, § 43a SGB 11 vom 17.12.2014, § 43a SGB 11 vom 21.12.2015, § 43a SGB 11 vom 23.12.2016, § 43 Abs 2 SGB 11, § 71 Abs 4 Nr 3 SGB 11 vom 11.12.2018, § 75 Abs 3 SGB 11, § 95 S 1 SGB 12, § 55 S 1 SGB 12 vom 27.12.2003, § 104 Abs 1 S 2 SGB 10, § 103 Abs 1 S 1 SGB 9 2018, § 103 Abs 1 S 2 SGB 9 2018, § 40a BSHG vom 19.06.2001, § 91a BSHG vom 23.03.1994

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 11.11.2021, Az. B 3 P 2/20 R (REWIS RS 2021, 1169)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1169

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