Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2012, Az. I ZR 170/10

I. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 10037

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BUND[X.]SG[X.]RICHTSHOF

B[X.]SCHLUSS
I [X.]/10
Verkün[X.]et am:

18. Januar 2012

Führinger

Justizangestellte

als Urkun[X.]sbeamtin

[X.]er Geschäftsstelle
in [X.]em Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Betriebskrankenkasse
Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken Art. 3 Abs. 1 in [X.] mit Art. 2 Buchst. [X.]; [X.] §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 7
Dem Gerichtshof [X.]er [X.] wir[X.] zur Auslegung [X.]er Richtlinie 2005/29/[X.] [X.]es [X.] un[X.] [X.]es Rates vom 11.
Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen un[X.] Verbrauchern un[X.] zur Än[X.]erung [X.]er Richtlinie 84/450/[X.]WG [X.]es Rates, [X.]er Richtlinien 97/7/[X.] un[X.] 2002/65/[X.] [X.]es [X.] un[X.] [X.]es Rates sowie [X.]er Veror[X.]nung ([X.]) Nr.
2006/2004 [X.]es [X.] un[X.] [X.]es Rates ([X.]. [X.] Nr.
L 149 vom 11.
Juni 2005, S.
22) folgen[X.]e Frage zur Vorabentschei[X.]ung vorgelegt:
Ist Art.
3 Abs.
1 in Verbin[X.]ung mit Art.
2 Buchst.
[X.] [X.]er Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken [X.]ahin auszulegen, [X.]ass eine
sich als [X.] eines Unternehmens gegenüber Verbrauchern [X.]arstellen[X.]e

Han[X.]lung eines Gewerbetreiben[X.]en auch [X.]arin liegen kann, [X.]ass eine gesetzli-che Krankenkasse gegenüber ihren Mitglie[X.]ern (irreführen[X.]e) Angaben [X.]arüber macht, welche Nachteile [X.]en Mitglie[X.]ern im Falle eines Wechsels zu einer an-[X.]eren gesetzlichen Krankenkasse entstehen?
[X.], Beschluss vom 18. Januar 2012 -
I [X.]/10 -
[X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat [X.]es Bun[X.]esgerichtshofs
hat auf [X.]ie mün[X.]liche Verhan[X.]lung vom 30. November 2011 [X.]urch [X.] [X.] un[X.] [X.], [X.], [X.] un[X.] Dr.
Löffler

beschlossen:

[X.]
Das Verfahren wir[X.] ausgesetzt.

I[X.]
Dem Gerichtshof [X.]er [X.] wir[X.] zur Auslegung [X.]er Richtlinie 2005/29/[X.] [X.]es [X.] un[X.] [X.]es Rates vom 11.
Mai 2005 über unlautere Geschäftsprakti-ken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Un-ternehmen un[X.] Verbrauchern un[X.] zur Än[X.]erung [X.]er Richtlinie 84/450/[X.]WG [X.]es Rates, [X.]er Richtlinien 97/7/[X.] un[X.] 2002/65/[X.] [X.]es [X.] un[X.] [X.]es [X.] [X.]er Veror[X.]nung ([X.]) Nr.
2006/2004 [X.]es [X.] un[X.] [X.]es Rates ([X.]. [X.] Nr.
L 149 vom 11.
Juni 2005, S.
22) folgen[X.]e Frage zur Vorabentschei[X.]ung vorgelegt:

Ist Art.
3 Abs.
1 in Verbin[X.]ung mit Art.
2 Buchst.
[X.] [X.]er [X.] 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken [X.]ahin aus-zulegen, [X.]ass eine
sich als Geschäftspraxis eines [X.] gegenüber Verbrauchern [X.]arstellen[X.]e
Han[X.]lung eines Gewerbetreiben[X.]en auch [X.]arin liegen kann, [X.]ass eine gesetzliche Krankenkasse gegenüber ihren Mitglie[X.]ern (irre-führen[X.]e) Angaben [X.]arüber macht, welche Nachteile [X.]en [X.] im Falle eines Wechsels zu einer an[X.]eren gesetzli-chen Krankenkasse entstehen?

Grün[X.]e:

[X.] Die Klägerin, [X.]ie Zentrale zur Bekämpfung unlauteren [X.], nimmt [X.]ie Beklagte, eine als Körperschaft [X.]es öffentlichen Rechts organisierte gesetzliche Krankenkasse, hauptsächlich auf Unterlassung [X.]er folgen[X.]en im Dezember 2008
auf ihrer Internetseite erschienenen Aussagen in Anspruch:

1
-
3
-
Wer [X.]ie [X.] M.

jetzt verlässt, bin[X.]et
sich an [X.]ie Neue für [X.]ie nächsten
18
Monate. Somit entgehen Ihnen attraktive Angebote, [X.]ie Ihnen [X.]ie [X.] M.

im nächsten Jahr bietet un[X.] Sie müssen am [X.]n[X.]e möglicherweise [X.]rauf
zahlen, wenn Ihre neue Kasse mit [X.]em ihr zugeteilten Gel[X.] nicht auskommt un[X.] [X.]eswegen einen Zusatzbeitrag erhebt.

Die Klägerin ist [X.]er Auffassung, [X.]ie beanstan[X.]eten Informationen seien irreführen[X.] un[X.] [X.]aher wettbewerbsrechtlich unzulässig.
Die Beklagte ver-schweige, [X.]ass im Falle [X.]er [X.]rhebung eines Zusatzbeitrags für [X.]ie Versiche-rungsnehmer ein gesetzliches Son[X.]erkün[X.]igungsrecht bestehe.
Die
Klägerin
mahnte [X.]ie Beklagte [X.]eshalb mit Schreiben vom 17.
Dezember 2008 ab un[X.]
for[X.]erte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur [X.]rstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten auf. Die Beklagte entfernte [X.]ie beanstan[X.]eten Aussagen [X.]araufhin von ihrer Internetseite. Mit Schreiben vom 6.
Januar 2009 teilte sie [X.]er Klägerin mit, sie räume ein, auf ihre [X.] eine fehlerhafte Information eingestellt zu haben,
un[X.] sage zu, zukünftig nicht mehr mit [X.]en beanstan[X.]eten Aussagen zu werben. Zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung un[X.] zur Übernahme von vorgerichtli-chen Rechtsverfolgungskosten war [X.]ie Beklagte nicht bereit.

Die Beklagte ist [X.]er Ansicht
aufgrun[X.] [X.]er Ausstrahlungswirkung [X.]er Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken seien [X.]ie Vorschriften [X.]es Gesetzes gegen [X.]en
unlauteren Wettbewerb auf [X.]en Streitfall nicht an-wen[X.]bar. Die Richtlinie erfor[X.]ere nach ihrem Art.
2 Buchst.
[X.] [X.]ie "[X.]" eines "Gewerbetreiben[X.]en" im Sinne von Art.
2 Buchst.
b [X.]er Richtlinie. Daran fehle es im vorliegen[X.]en Fall, weil sie als
Körperschaft [X.]es öffentlichen Rechts nicht mit Gewinnerzielungsabsicht han[X.]ele.

Das [X.] hat [X.]ie Beklagte unter An[X.]rohung von [X.] verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu [X.]zwe-cken mit [X.]en beanstan[X.]eten Aussagen zu werben un[X.] an [X.]ie Klägerin 208,65

2
3
4
-
4
-
nebst Zinsen zu zahlen. Die [X.]agegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblie-ben
([X.], [X.], 1548 = [X.] 2011, 111). Mit [X.]er vom [X.] zugelassenen Revision, [X.]eren Zurückweisung [X.]ie Klägerin [X.], verfolgt [X.]ie Beklagte ihren Antrag auf Abweisung [X.]er Klage weiter.

I[X.] Der [X.]rfolg [X.]er Revision hängt, soweit [X.]ie Verurteilung zur [X.] steht, von [X.]er Auslegung [X.]es Art.
3 Abs.
1 un[X.] [X.]es Art.
2 Buchst.
b un[X.] [X.] [X.]er Richtlinie 2005/29/[X.] [X.]es [X.] un[X.] [X.]es Rates vom 11.
Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnen-marktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen un[X.] Verbrauchern un[X.] zur Än[X.]erung [X.]er Richtlinie 84/450/[X.]WG [X.]es Rates, [X.]er Richtlinien 97/7/[X.], 98/27/[X.] un[X.] 2002/65/[X.]
[X.]es [X.] un[X.] [X.]es Rates sowie [X.]er Veror[X.]nung ([X.]) Nr.
2006/2004 [X.]es [X.] un[X.] [X.]es Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
[X.]. [X.] Nr.
L 149 vom 11.
Juni 2005,
S.
22) ab. Vor einer [X.]ntschei[X.]ung über [X.]as Rechtsmittel [X.]er [X.] ist [X.]eshalb [X.]as Verfahren auszusetzen un[X.] gemäß Art.
267 Abs.
1 Buchst.
b, Abs.
3 A[X.]UV eine Vorabentschei[X.]ung [X.]es Gerichtshofs [X.]er [X.] einzuholen.

Der [X.] möchte in Übereinstimmung mit [X.]em Berufungsgericht einen Verstoß gegen §§
3, 5 Abs.
1 [X.] aF, §
3 Abs.
1, §
5 Abs.
1 Satz
2 Nr.
7 [X.] bejahen. Voraussetzung [X.]afür ist je[X.]och, [X.]ass [X.]ie angegriffene [X.] überhaupt nach [X.]en Vorschriften [X.]es Gesetzes gegen [X.]en [X.] Wettbewerb beurteilt wer[X.]en kann.

1.
Gemäß §
5 Abs.
1 Satz
1 [X.] han[X.]elt unlauter, wer eine irreführen-[X.]e geschäftliche Han[X.]lung vornimmt. [X.]ine "geschäftliche Han[X.]lung" ist nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 [X.] je[X.]es Verhalten einer Person zugunsten [X.]es eigenen o[X.]er eines frem[X.]en Unternehmens vor, bei o[X.]er nach einem Geschäftsab-5
6
7
-
5
-
schluss, [X.]as mit [X.]er För[X.]erung [X.]es Absatzes o[X.]er [X.]es Bezugs von Waren o[X.]er Dienstleistungen o[X.]er mit [X.]em Abschluss o[X.]er [X.]er Durchführung eines Vertrags über Waren un[X.] Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. "Unternehmer" im Sinne von §
2 Abs.
1 Nr.
6 [X.] ist je[X.]e natürliche o[X.]er juristische Person, [X.]ie geschäftliche Han[X.]lungen im Rahmen einer gewerblichen, han[X.]werklichen o[X.]er beruflichen Tätigkeit vornimmt. Die genannten Vorschriften [X.]ienen [X.]er Umset-zung [X.]er Art.
5 un[X.] 6 Abs.
1 Buchst.
g, Art.
2 Buchst.
b un[X.] [X.] [X.]er Richtlinie
2005/29/[X.]. Sie sin[X.] [X.]aher im Lichte [X.]es Wortlauts un[X.] [X.]er Ziele [X.]ieser Richt-linie auszulegen ([X.], Urteil vom 5.
Oktober 2004
397/01 bis 403/01, [X.]. 2004, 35
Rn.
113
f. =
[X.] 2004, 691

Pfeiffer u.A./Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverban[X.] Wal[X.]shut e.V.; [X.], Urteil vom 26.
November 2008

VIII
ZR
200/05, [X.]Z 179, 27 Rn.
19
ff.).

a) Als nicht geklärt kann angesehen wer[X.]en, ob Art.
3 Abs.
1 in Verbin-[X.]ung mit Art.
2 Buchst.
b un[X.] [X.] [X.]er Richtlinie
2005/29/[X.]
eine Auslegung von §
2 Abs.
1 Nr.
1 un[X.] 6 [X.] erlaubt, nach [X.]er [X.]ie beanstan[X.]ete Han[X.]lung als Geschäftspraktik im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen un[X.] Verbrau-chern anzusehen ist un[X.] [X.]ie Beklagte, [X.]ie als Körperschaft [X.]es öffentlichen Rechts [X.]ie Aufgaben [X.]er gesetzlichen Krankenversicherung erfüllt, bei [X.] [X.]er beanstan[X.]eten Maßnahme als Gewerbetreiben[X.]e gehan[X.]elt hat. Der Gerichtshof [X.]er [X.] hat [X.]iese Frage bislang
soweit er-sichtlich

och nicht entschie[X.]en.

b) Nach Art.
3 Abs.
1 [X.]er Richtlinie
2005/29/[X.]
fin[X.]et [X.]ie Richtlinie An-wen[X.]ung auf unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen un[X.] [X.]. Als "Geschäftspraktik zwischen Unternehmen un[X.] Verbrauchern" wir[X.]
in Art.
2 Buchst.
[X.] [X.]er Richtlinie je[X.]e Han[X.]lung, Unterlassung, [X.] o[X.]er [X.]rklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung un[X.] Marketing eines Gewerbetreiben[X.]en bezeichnet, [X.]ie unmittelbar mit [X.]er Absatz-8
9
-
6
-
för[X.]erung, [X.]em Verkauf o[X.]er [X.]er Lieferung eines Pro[X.]ukts an Verbraucher zu-sammenhängt. Gemäß Art.
2 Buchst.
b [X.]er Richtlinie ist "Gewerbetreiben[X.]er" je[X.]e natürliche o[X.]er juristische Person, [X.]ie im Geschäftsverkehr im Sinne [X.]ie-ser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen, han[X.]werklichen o[X.]er beruflichen Tätigkeit han[X.]elt.

Die von [X.]er Richtlinie verwen[X.]eten Rechtsbegriffe "Geschäftspraktik von Unternehmen gegenüber Verbrauchern" un[X.] "Gewerbetreiben[X.]er" sin[X.] als Be-griffe [X.]es Gemeinschaftsrechts autonom auszulegen ([X.], Urteil vom 11.
März 2003

40/01, [X.]. 2003, 39 Rn.
26 = GRUR 2003, 425
Ansul BV/Ajax Bran[X.]beveiliging
BV; [X.] in [X.]/Bornkamm, [X.], 30.
Aufl., [X.]. [X.] Rn.
3.11
ff.) un[X.] setzen eine marktbezogene, wirtschaftliche Tätigkeit ei-nes Unternehmens voraus.

[X.]in Unternehmen ist je[X.]e [X.]inheit, [X.]ie eine wirtschaftliche Tätigkeit aus-übt, unabhängig von ihrer Rechtsform un[X.] [X.]er Art ihrer Finanzierung ([X.], Urteil vom 11.
Dezember 2007

280/06, [X.]. 2007, 0893 Rn.
38 =
[X.]/[X.] 1353

[X.] u.a.; Urteil vom 3.
März 2011

437/09, [X.]/[X.] 1929
Rn.
41
AG2R
Prévoyance). [X.]ine wirtschaftliche Tätigkeit ist je[X.]e Tätigkeit, [X.]ie im Anbieten von Gütern o[X.]er Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt [X.] ([X.], Urteil vom 11.
Juli 2006
205/03
P, [X.]. 2006, 6295 Rn.
25
=
[X.]/[X.] 1213

[X.]/Kommission; Urteil vom 3.
März 2011

437/09, [X.]/[X.] 1929
Rn.
42
AG2R Prévoyance).

Im Zusammenhang mit [X.]er Anwen[X.]ung [X.]er Art.
81, 82 un[X.] 86 [X.]
(jetzt: Art.
101, 102 un[X.] 106 A[X.]UV) auf [X.] Sicherungssysteme hat [X.]er
Gerichts-hof entschie[X.]en, [X.]ass [X.]ie [X.]eutschen gesetzlichen Krankenkassen bei [X.]er Fest-setzung [X.]er Festbeträge für Arzneimittel we[X.]er als Unternehmen noch [X.]eren Zusammenschlüsse als Unternehmensvereinigungen im Sinne [X.]er genannten 10
11
12
-
7
-
Vorschriften tätig wer[X.]en ([X.], Urteil vom 16.
März 2004
264/01 u.a., [X.]. 2004,

2493 Rn.
47
ff. = [X.]/[X.] 801

AOK Bun[X.]esverban[X.] u.a./Ichthyol-Gesellschaft Cor[X.]es
Hermani & Co
u.a.; siehe auch für [X.] an[X.]erer Mitglie[X.]staaten [X.], Urteil vom 17.
Februar 1993

159/91, 160/91, [X.]. 1993, I7 Rn.
15, 18 = [X.] 1993, 355
Poucet un[X.]
Pistre). Danach verfolgen [X.]inrichtungen, [X.]ie mit [X.]er Verwaltung gesetzlicher Kranken un[X.] Rentenversicherungssysteme betraut sin[X.] un[X.] [X.]abei [X.]er staatlichen [X.] unterliegen, einen rein [X.]n Zweck un[X.] üben insoweit keine wirtschaft-liche Tätigkeit aus, wenn sie nur Gesetze anwen[X.]en un[X.] keine Möglichkeit ha-ben, auf [X.]ie Höhe [X.]er Beiträge, [X.]ie Verwen[X.]ung [X.]er Mittel un[X.] [X.]ie Bestimmung [X.]es Leistungsumfangs [X.]influss zu nehmen. Auch [X.]ie [X.]eutschen gesetzlichen Krankenkassen erbringen nach [X.]er Rechtsprechung [X.]es Gerichtshofs im [X.] gleiche Pflichtleistungen, unabhängig von [X.]er Höhe [X.]er Beiträge un[X.] ohne eine Gewinnerzielungsabsicht. Ihre Tätigkeit beruhe auf [X.]em Grun[X.]satz [X.]er nationalen Soli[X.]arität. Aus [X.]iesem Umstan[X.] sowie aus [X.]em zwischen [X.]en Krankenkassen bestehen[X.]en Kostenun[X.] Risikoausgleich folge, [X.]ass [X.]ie ge-setzlichen Krankenkassen we[X.]er miteinan[X.]er noch mit [X.]en privaten [X.] hinsichtlich [X.]er [X.]rbringung [X.]es gesetzlich vorgeschriebenen Leistungskata-logs konkurrierten. Dieser Bewertung stehe
so [X.]er Gerichtshof

nicht entge-gen, [X.]ass [X.]ie Krankenkassen in gewissem Umfang im Wettbewerb um Mitglie-[X.]er stün[X.]en un[X.] in [X.]iesem Zusammenhang auch über einen gewissen Spiel-raum bei [X.]er Festsetzung [X.]er Beiträge verfügten ([X.], [X.]. 2004, 93 Rn.
51
ff.
AOK Bun[X.]esverban[X.] u.a./Ichthyol-Gesellschaft Cor[X.]es
Hermani & Co u.a.).

Der Gerichtshof [X.]er [X.] hat es aller[X.]ings auch für mög-lich erachtet, [X.]ass [X.]ie Krankenkassen un[X.] [X.]ie sie vertreten[X.]en [X.]inheiten (Kas-senverbän[X.]e) außerhalb ihrer Aufgabe
rein [X.]r Art im Rahmen [X.]er Verwal-tung [X.]es [X.]eutschen Systems [X.]er [X.]n Sicherheit Geschäftstätigkeiten [X.]
-
8
-
üben, [X.]ie keinen [X.]n, son[X.]ern einen wirtschaftlichen Zweck haben. In [X.]ie-sem Fall wären sie im Rahmen [X.]ieser Tätigkeiten als Unternehmen anzusehen ([X.],
[X.]. 2004, I493 Rn.
58
AOK Bun[X.]esverban[X.] u.a./Ichthyol-Gesell-schaft Cor[X.]es Hermani & Co u.a.; Urteil vom 5.
März 2009
350/07, [X.]. 2009, 38 Rn.
42 =
[X.]/[X.] 1543

[X.]/Maschi-nenbauun[X.] Metall-Berufsgenossenschaft).

2.
Der [X.] hat Zweifel, ob [X.]ie für [X.]ie Auslegung von Art.
101 un[X.] Art.
102 A[X.]UV
entwickelten Grun[X.]sätze auch für [X.]ie Auslegung von Art.
2 Buchst.
b un[X.] [X.] [X.]er Richtlinie
2005/29/[X.]
maßgeblich sin[X.]. Dagegen könnte [X.]ie Zielsetzung [X.]er Richtlinie sprechen. Deren Zweck ist es, Verbraucher vor Beeinträchtigungen ihrer wirtschaftlichen Interessen [X.]urch unlautere [X.]en im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen un[X.] Verbrau-chern zu schützen
(vgl. [X.]rwägungsgrun[X.]
8 sowie Art.
1 [X.]er Richtlinie) un[X.] [X.]a-mit [X.]er Verwirklichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus zu [X.]ienen ([X.]r-wägungsgrün[X.]e
1 un[X.] 11). Insofern könnte bei [X.]er hier in Re[X.]e stehen[X.]en Aus-legung [X.]er Richtlinie von maßgeblicher Be[X.]eutung sein, ob [X.]ie beanstan[X.]ete Maßnahme aus Sicht [X.]er Verbraucher, [X.]ie [X.]ie von [X.]er Beklagten angebotene Dienstleistung nachfragen, einen [X.] hat. Dafür könnte [X.]rwägungs-grun[X.]
7 [X.]er Richtlinie sprechen, nach
[X.]em sich [X.]ie Richtlinie auf [X.]en bezieht, [X.]ie in unmittelbarem Zusammenhang mit [X.]er Beein-flussung [X.]er geschäftlichen [X.]ntschei[X.]ungen [X.]es Verbrauchers in Bezug auf Pro[X.]ukte stehen.

Je[X.]enfalls [X.]ann, wenn irreführen[X.]e Han[X.]lungen im Verhältnis zu [X.] in einem Bereich ergriffen
wer[X.]en, [X.]er von einem Teilwettbewerb zwischen [X.]en anbieten[X.]en [X.]inrichtungen geprägt ist, [X.]ie Maßnahme gera[X.]e zum Zwecke [X.]er Ausnutzung [X.]er vom Gesetzgeber eröffneten wettbewerbli-chen Han[X.]lungsspielräume erfolgt un[X.] eine Beeinträchtigung [X.]er wirtschaftli-14
15
-
9
-
chen Interessen [X.]er Verbraucher zu befürchten ist, liegt es nahe, [X.]iese
Han[X.]-lung als irreführen[X.]e Geschäftspraktik im Sinne von Art.
6, Art.
3 Abs.
1 un[X.] Art.
2 Buchst.
b un[X.] [X.] [X.]er Richtlinie
2005/29/[X.]
einzustufen. Für [X.]ie Beantwor-tung [X.]er Vorlagefrage könnte auch von Be[X.]eutung sein, [X.]ass [X.]er [X.]eutsche Ge-setzgeber [X.]urch verschie[X.]ene gesetzgeberische Maßnahmen (vgl. Gesetz zur Sicherung un[X.] Strukturverbesserung in [X.]er gesetzlichen Krankenkasse [Ge-sun[X.]heitsstrukturgesetz]
vom 21.
Dezember 1992, BGBl.
I S.
2266; Gesetz zur Stärkung [X.]es [X.] in [X.]er gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.
März 2007 [GKV-[X.]stärkungsgesetz], BGBl.
I
S.
378) zu
Gunsten [X.]er gesetzlichen Krankenkassen gezielt Han[X.]lungsspielräume eröffnet hat, um [X.]amit einen
wenn auch eingeschränkten
P un[X.] Qualitätswettbewerb un-ter [X.]en gesetzlichen Krankenkassen zu ermöglichen (vgl. [X.]azu [X.], 18.
Hauptgutachten 2008/2009, [X.]. 17/2600, S.
387
ff.). [X.] [X.]en §§
173, 175 SGB
V haben Versicherungspflichtige un[X.] [X.] [X.]as Recht, unter verschie[X.]enen Anbietern [X.]en
von ihnen be-vorzugten Träger einer Krankenkasse zu wählen. Zwar können [X.]ie Träger [X.]er gesetzlichen Krankenkassen [X.]ie Beitragssätze nicht frei bestimmen; [X.]iese wer-[X.]en seit [X.]em Inkrafttreten [X.]es GKV-[X.]stärkungsgesetzes nach §
241 SGB
V für alle Kassen einheitlich festgesetzt. Sie haben je[X.]och [X.]ie Möglichkeit, Zusatzbeiträge zu erheben (§
242 SGB
V), Beitragsrückerstattungen zu gewäh-ren (§
13 Abs.
2 SGB
V) un[X.] beson[X.]ere Wahltarife anzubieten (§
53 SGB
V). Gemeinsames gesetzgeberisches Ziel [X.]ieser Maßnahmen ist es, [X.]ie Wirtschaft-lichkeit [X.]es Systems [X.]er gesetzlichen Krankenkassen zu verbessern (vgl. [X.]ie Regierungsbegrün[X.]ung zum [X.]ntwurf [X.]es GKV-[X.]stärkungsgesetzes, [X.]. 16/3100, S.
85).

Machen [X.]ie Krankenkassen von [X.]iesen Han[X.]lungsmöglichkeiten Ge-brauch un[X.] treten sie mit an[X.]eren Krankenkassen in einen Wettbewerb um Mit-glie[X.]er, han[X.]eln sie nach [X.]em Willen [X.]es Gesetzgebers insoweit je[X.]enfalls [X.]
-
10
-
ternehmerisch. Denn Ziel [X.]ieser [X.]han[X.]lungen ist es, [X.]ie Beiträge [X.]er Mitglie[X.]er zu vereinnahmen, um auf [X.]iese Weise ihre eigene [X.]innahmesi-tuation zu verbessern. Aus [X.]er Sicht eines Verbrauchers han[X.]elt es sich bei [X.]er Wahl [X.]er von ihm bevorzugten Krankenkasse aus [X.]em Kreis mehrerer, konkur-rieren[X.]er Anbieter ebenfalls um eine geschäftliche [X.]ntschei[X.]ung, [X.]eren irrefüh-ren[X.]e Beeinflussung [X.]urch [X.]ie gesetzliche Krankenkasse eine Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Interessen zur Folge haben kann. Insofern stellt
es für ihn keinen Unterschie[X.]
[X.]ar, ob sich [X.]er [X.] [X.]er beanstan[X.]eten Han[X.]-lung aus einem Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlich organisierten Trägern [X.]r Sicherungssysteme o[X.]er zwischen privaten Anbietern ergibt.

Vor [X.]em Hintergrun[X.] [X.]es mit [X.]er Richtlinie 2005/29/[X.] erstrebten hohen Verbraucherschutzniveaus erscheint es zweifelhaft, ob eine Auslegung von Art.
3 Abs.
1 in Verbin[X.]ung mit Art.
2 Buchst.
b un[X.] [X.] [X.]er Richtlinie, wonach unlautere Han[X.]lungen [X.]er gesetzlichen Krankenkassen im Wettbewerb um ihre Mitglie[X.]er vom Anwen[X.]ungsbereich [X.]er Richtlinie
2005/29/[X.]
ausgenommen sin[X.], [X.]iesem Schutzzweck hinreichen[X.] Rechnung trägt.

Bornkamm
Pokrant
Schaffert

Koch
Löffler
Vorinstanzen:
[X.], [X.]ntschei[X.]ung vom 29.10.2009 -
7 O 78/09 -

[X.], [X.]ntschei[X.]ung vom 09.09.2010 -
13 [X.]/09 -

17

Meta

I ZR 170/10

18.01.2012

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2012, Az. I ZR 170/10 (REWIS RS 2012, 10037)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10037

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZR 170/10

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