Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.10.2017, Az. 4 StR 322/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 4134

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:111017B4STR322.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 322/17

vom
11. Oktober
2017
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen versuchten Mordes u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 11.
Oktober 2017
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revisionen
der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2.
März 2017
a)
im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten jeweils des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefähr-licher Körperverletzung und Herbeiführen einer Spreng-stoffexplosion, der räuberischen Erpressung in zwei Fäl-len und der versuchten Erpressung in zwei Fällen schul-dig sind;
b)
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
aa)
in den Einzelstrafaussprüchen zu den Fällen
II.4 und 5 der Urteilsgründe sowie
bb)
hinsichtlich der Gesamtstrafen.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmit-tel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkam-mer des [X.]s zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Herbeiführen einer Spreng-stoffexplosion und besonders schwerer räuberischer Erpressung, wegen [X.] Erpressung, versuchter räuberischer Erpressung und wegen versuchter Erpressung in zwei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von zehn Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die jeweils mit der nicht ausgeführten Sachrüge begrün-deten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel führen zu einer Änderung der Schuld-
und Teilaufhebung der Strafaussprüche; im Übrigen sind die [X.] unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Nach
den zu den Fällen
II.4 und 5 der Urteilsgründe getroffenen Fest-stellungen brachten die Angeklagten, die vorhatten, von der Firma [X.]

die Zah-
lung eines Geldbetrags in Höhe von 1
Mio.
Euro zu erpressen, am 15.
April 2016 in einer [X.]

-Filiale in H.

eine vom Angeklagten D.

gebaute
Rohrbombe zur Explosion, wodurch eine Mitarbeiterin verletzt wurde und erheb-licher Sachschaden entstand. Entsprechend des von vornherein gefassten [X.] übersandte der Angeklagte D.

am 18.
April 2016 eine E-Mail-
Nachricht an [X.]

, in welcher die Verantwortung für den [X.]
übernommen, die Zahlung von 1
Mio.
Euro verlangt und für den Fall der Nicht-erfüllung dieser Forderung weitere Anschläge in Verkaufsräumen während der Geschäftszeit angekündigt wurden. Die Zahlung sollte durch Überweisungen auf Konten von Prepaid-Kreditkarten erfolgen, auf welche die Angeklagten mit-tels der Kreditkarten zugreifen konnten. In drei weiteren per E-Mail übermittel-ten Schreiben wiederholten die Angeklagten ihre
Forderung und Drohung. Da die Verantwortlichen von [X.]

einen weiteren Anschlag auf eine ihrer Filialen
befürchteten, veranlassten sie Überweisungen in Höhe von insgesamt mindes-1
2
-
4
-
tens 9.000
Euro auf die von den Angeklagten genannten Kreditkartenkonten. In
der Zeit vom 9.
Juni bis 11.
Juli 2016 erlangten die Angeklagten bei sechs Geldabhebungen unter Verwendung der Kreditkarten insgesamt 1.800
Euro (II.4 der Urteilsgründe). Zuvor war am 2.
Juni 2016 der erstmalig [X.] Versuch, Geld mittels einer der
Kreditkarten abzuheben, trotz Kenntnis der zutreffenden [X.]-Nummer gescheitert. Da beide Angeklagten die Fehlabhe-bung auf ein Verhalten der Vertreter von [X.]

zurückgeführt hatten, hatte sich
der Angeklagte D.

noch am selben Tag mit einer E-Mail-Nachricht an [X.]

gewandt und unter Androhung weiterer Anschläge die Korrektur des Fehlers und die Mitteilung der richtigen Geheimzahl gefordert. Auf diese Aufforderung war seitens [X.]

nicht reagiert worden, da die bereits eingerichtete [X.] den For-
derungen der Angeklagten entsprach (II.5 der Urteilsgründe).
Das [X.] hat das Verhalten der Angeklagten im Fall
II.4 der
Urteilsgründe jeweils als versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körper-verletzung, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und besonders schwerer räuberischer Erpressung gewertet. Im Fall
II.5 der Urteilsgründe hat es jeweils eine Strafbarkeit wegen tatmehrheitlich begangener versuchter räuberischer Erpressung bejaht.
2.
Die Schuldsprüche in den Fällen
II.4 und 5 der Urteilsgründe halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Im Fall
II.4 der Urteilsgründe haben sich die Angeklagten jeweils lediglich der räuberischen Erpressung nach §
253 Abs.
1, §
255 StGB schuldig gemacht, die zu der Tat des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Herbeiführen einer Spreng-stoffexplosion gemäß §§
22, 211 Abs.
2, §
224 Abs.
1 Nr.
2 und 5, §
308 Abs.
1, §
52 StGB in Tatmehrheit steht. Ferner begegnet die Annahme einer rechtlich selbständigen Tat der versuchten räuberischen Erpressung nach 3
4
-
5
-
§§
22, 253 Abs.
1, §
255 StGB im Fall
II.5 der Urteilsgründe durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a)
Der Qualifikationstatbestand der besonders schweren räuberischen Erpressung nach §§
255, 250 Abs.
2 Nr.
1 StGB setzt voraus, dass die Waffe oder das andere gefährliche Werkzeug bei der Tat verwendet werden. Erforder-lich ist ein Einsatz der Waffe oder des gefährlichen Werkzeugs im Zeitraum zwischen [X.] und [X.]. Ein Verwenden lediglich im [X.] der räuberischen Erpressung reicht zur Verwirklichung des [X.] des §
250 Abs.
2 Nr.
1 StGB nicht aus (vgl. [X.]/
[X.] in [X.]/[X.], StGB, 29.
Aufl., §
250 Rn.
6
f., 30; [X.], StGB, 64.
Aufl., §
250 Rn.
18; vgl. auch [X.],
Urteil vom 10.
August 1982

1
StR 416/82, [X.]St 31, 105, 106
f.).
Der Versuch der räuberischen Erpressung beginnt, wenn der Täter im Sinne des §
22 StGB nach seinen Vorstellungen von der Tat unmittelbar zur Nötigungshandlung ansetzt [X.] in [X.], 2.
Aufl., §
253 Rn.
41; [X.]/[X.] aaO, §
253 Rn.
23-27). Dies war hier erst mit Absenden der Nach-richt an [X.]

am 18.
April 2016 der Fall. Das vorausgegangene Zünden der
Rohrbombe diente nach den Vorstellungen der Angeklagten dazu, der [X.] erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehenen Drohung gegenüber [X.]

ein größeres Gewicht zu verleihen. Ein irgendwie gearteter, auf die Willensfrei-heit des Geschädigten abzielender Erklärungsgehalt war mit dem ohne jede Vorankündigung verübten Anschlag nicht verbunden, sodass ihm nicht bereits die Bedeutung einer konkludenten Drohung zukam (vgl. [X.], Urteil vom 30.
November 1995

5
StR
465/95, [X.]St 41, 368, 370
f.). Bezogen auf die nachfolgend ins Werk gesetzte räuberische Erpressung stellt sich der Rohr-bombenanschlag als Vorbereitungshandlung dar, welche
die Qualifikationsnorm 5
6
-
6
-
des §
250 Abs.
2 Nr.
1 StGB nicht erfüllt (vgl. [X.], Urteile vom 16.
Juni 1992

1
StR
217/92, [X.], 2581; vom 30.
November 1995

5
StR
465/95 aaO).
Die Angeklagten haben
sich daher jeweils lediglich der räuberischen [X.] gemäß §
253 Abs.
1, §
255 StGB schuldig gemacht, die zu der Tat des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion im Verhältnis der Tatmehrheit steht. Allein die zwischen beiden Taten bestehende Mittel-Zweck-Verknüpfung [X.] diese nicht tateinheitlich zu verknüpfen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 25.
April 2013

4
StR
418/12, [X.], 162; Beschluss vom 25.
November 1997

5
StR
526/96, [X.]St 43, 317, 319).
b)
Die Annahme eines neuerlichen tatmehrheitlich begangenen Versuchs der räuberischen Erpressung gemäß §§
22, 253 Abs.
1, §
255 StGB im Fall
II.5 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die mit dem
am 2.
Juni 2016 übersandten Schreiben vorgenommene Drohung und das vor-angegangene [X.] gehören vielmehr zu einer tatbestand-lichen Handlungseinheit.
Eine Tat im Rechtssinne liegt vor, wenn die der Tatbestandsvollendung dienenden Teilakte einen einheitlichen Lebensvorgang bilden, wobei der [X.] des [X.] nicht von entscheidender Bedeutung ist. Ein einheitlicher Lebensvorgang in diesem Sinne ist gegeben, wenn die einzelnen Handlungen in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Für die Erpres-sung ist anerkannt, dass mehrere Angriffe auf die Willensentschließung des Opfers als eine Tat im Rechtssinne zu werten sind, wenn dabei lediglich die ursprüngliche Drohung den Umständen angepasst und aktualisiert, im Übrigen aber dieselbe Leistung gefordert wird. Die rechtliche Bewertungseinheit endet in diesen Fällen erst, wenn der Täter sein Ziel vollständig erreicht hat oder nach 7
8
-
7
-
den insoweit entsprechend heranzuziehenden Wertungen des Rücktrittsrechts von einem fehlgeschlagenen Versuch auszugehen ist (st. Rspr.; vgl. [X.],
Urteile vom 30.
November 1995

5
StR
465/95, [X.]St 41, 368, 369; vom 24.
Mai 2000

3
StR
551/99, [X.]R StGB §
253 Abs.
1 Konkurrenzen
5; [X.] vom 3.
April 2008

4
StR
81/08, [X.], 239; vom 22.
No-vember 2011

4
StR
480/11, [X.], 79).
Nach diesen Grundsätzen bilden die neuerliche Drohung in der Nachricht vom 2.
Juni 2016, mit der das ursprüngliche Bedrohungsszenario ohne Zäsur zum Vorgeschehen lediglich fortgeführt wurde, und das
vorangegangene [X.]sgeschehen eine tatbestandliche Handlungseinheit, sodass die Ange-klagten in den Fällen
II.4 und 5 der Urteilsgründe jeweils nur eine einheitliche räuberische Erpressung gemäß §
253 Abs.
1, §
255 StGB begangen haben.
c)
Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend. §
265 StPO steht nicht entgegen, da sich die zur Erpressung umfassend geständigen Angeklag-ten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. Die [X.] hat die Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen
II.4 und 5 der Urteilsgründe und der Gesamtstrafenaussprüche zur Folge.
Für die Bemessung der Einzelstrafen durch den neu zur Entscheidung berufenen Tatrichter verweist der Senat mit Blick auf das Verschlechterungs-
9
10
11
-
8
-
verbot des §
358 Abs.
2 Satz
1 StPO auf die Senatsentscheidung vom 21.
Mai
1991

4
StR
144/91 ([X.]R StPO §
358 Abs.
2 Nachteil
5; vgl. auch [X.] in [X.], §
331 Rn.
34
f. mwN).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Ri[X.] Dr.
Franke ist erkrankt und deshalb gehindert zu unter-schreiben.
Sost-Scheible
Bender
[X.]

Meta

4 StR 322/17

11.10.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.10.2017, Az. 4 StR 322/17 (REWIS RS 2017, 4134)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4134

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