Bundessozialgericht, Urteil vom 24.08.2017, Az. B 4 AS 9/16 R

4. Senat | REWIS RS 2017, 6188

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung und -berechnung - Aufwandsentschädigung für die ehrenamtliche Tätigkeit als Betreuer - keine nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zweckbestimmte Einnahme - jährliche Auszahlung in Form eines Pauschalbetrages - Anrechnung im Zuflussmonat - Absetzung des monatlichen Freibetrages nur einmalig im Zuflussmonat


Leitsatz

Die Aufwandsentschädigung eines ehrenamtlichen Betreuers, der Leistungen nach dem SGB II bezieht, ist insgesamt im Monat des Zuflusses als Einkommen anzurechnen, nachdem die gesetzlichen Absetzbeträge berücksichtigt worden sind.

Tenor

Auf die Revision des [X.] werden die Urteile des [X.] vom 21. Mai 2015 - L 6 AS 532/14 - und des [X.] vom 11. Februar 2014 ([X.] AS 177/13) sowie der Bescheid des Beklagten vom 19. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Januar 2013 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte Aufwandsentschädigungen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit als Betreuer [X.] berücksichtigen darf.

2

Der Kläger wendet sich zum einen gegen die Aufhebung der Bewilligung und die Pflicht zur Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den Vorschriften des [X.] für die Monate Juni, August und Oktober 2012 (Ausgangsverfahren [X.] AS 177/13, [X.] AS 532/14). Zum anderen wendet er sich gegen Bewilligungsbescheide, die das [X.] betreffen und seine Einnahmen als Betreuer berücksichtigen; insoweit beansprucht er höhere Leistungen nach dem [X.] für die Monate Juni, August und Oktober 2013 (Ausgangsverfahren [X.] AS 2524/13, [X.] AS 533/14).

3

Der 1961 geborene Kläger steht langfristig im Leistungsbezug des Beklagten. Der Beklagte bewilligte ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auch für die [X.] vom 1.6. bis 30.11.2012 in Höhe von monatlich 692,45 Euro (Bescheid vom 30.4.2012, Änderungsbescheid vom [X.]). Am 6.6.2012, 13.8.2012 und 2.10.2012 flossen dem Kläger jeweils 323 Euro zu, bei denen es sich um Aufwandsentschädigungen gemäß § 1835a BGB handelte, die ihm als ehrenamtlichem Betreuer jährlich zustehen. Der Kläger informierte den Beklagten über die Zahlungen und wies darauf hin, dass bei jährlicher Auszahlung der Freibetrag von 175 Euro monatlich - das seien 2100 Euro jährlich - nicht ausgeschöpft werde.

4

Mit Schreiben vom 31.10.2012 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Teilaufhebung der Bewilligung von Leistungen an. Die Aufwandsentschädigung aus der ehrenamtlichen Tätigkeit sei als Einkommen zu berücksichtigen. Mit Bescheid vom 19.11.2012 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung für die [X.] vom 1.6. bis 31.10.2012 zunächst ganz auf und forderte 444 Euro vom Kläger zurück. Dem Widerspruch des [X.] gab der Beklagte teilweise statt und hob mit Widerspruchsbescheid vom [X.] unter Abänderung des Bescheids vom 19.11.2012 nur noch die Bewilligungen für Juni, August und Oktober 2012 teilweise in Höhe von monatlich je 103,40 Euro auf; der Erstattungsbetrag wurde auf 310,20 Euro reduziert. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

5

Aufgrund des Weiterbewilligungsantrags vom [X.] bewilligte der Beklagte dem Kläger für die [X.] vom 1.6 bis 30.11.2013 Leistungen in Höhe von 745,79 Euro monatlich, für die Monate Juni, August und Oktober 2013 aber nur in Höhe von 597,79 Euro, weil die Aufwandsentschädigung von 323 Euro abzüglich eines Freibetrags von 175 Euro zu berücksichtigen sei. Der Kläger erhob Widerspruch, auf den der Beklagte den seit 1.1.2013 geltenden erhöhten Freibetrag von 200 Euro berücksichtigte und die Leistung entsprechend erhöhte (Änderungsbescheid vom [X.]). Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom [X.]).

6

Der Kläger hat in beiden Fällen Klagen vor dem [X.] erhoben ([X.] AS 177/13 wegen Aufhebung und Erstattung sowie [X.] AS 2524/13 wegen höherer Leistungen für Juni, August und Oktober 2013). Er hat geltend gemacht, bei der Aufwandsentschädigung handle es sich um eine Pauschale, um die ehrenamtlich tätigen Betreuer nicht mit dem Sammeln von Belegen und Führen eines Auslagenbuchs zu belasten. Die mit der Aufwandsentschädigung abgegoltenen Auslagen seien von ihm aus eigenen Mitteln vorgestreckt worden. Im [X.]alter von [X.] sei es schwierig, die Auslagen im Einzelnen zu belegen. Soweit der Beklagte bereit sei, einen höheren Freibetrag zu berücksichtigen, wenn über den Freibetrag hinausgehende Ausgaben belegt würden, konterkariere dies die mit der Pauschale verbundene gesetzgeberische Intention, das Ehrenamt zu stärken und die Ehrenamtlichen zu privilegieren.

7

Das [X.] hat die Klagen mit zwei getrennten Urteilen vom 11.2.2014 abgewiesen. Die Anfechtungsklage sowie die Anfechtungs- und Leistungsklage seien unbegründet, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien. Der Beklagte habe die Bewilligung von [X.]-Leistungen zu Recht unter Berücksichtigung des Einkommens aus der pauschalen Aufwandsentschädigung teilweise aufgehoben. Von dem Einkommen sei jeweils ein Freibetrag von 175 bzw 200 Euro abzusetzen. Soweit der Beklagte einen höheren Freibetrag berücksichtigt habe, sei der Kläger nicht beschwert. Das [X.] hat jeweils die Berufung zugelassen.

8

Gegen die Urteile des [X.] hat der Kläger Berufungen zum L[X.] eingelegt und ergänzend vorgetragen, zwar sei das Einkommen entsprechend dem Zufluss zu berücksichtigen, dies gelte aber nicht für die Freibeträge. Die Freibeträge entstünden in dem Monat, in dem eine Erwerbsarbeit oder ehrenamtliche Arbeit auch tatsächlich geleistet werde und der Anspruch auf das Einkommen entstehe. Daher müssten die monatlichen Freibeträge zu einem [X.] kumuliert werden. Das L[X.] Nordrhein-Westfalen hat mit Urteilen vom [X.] zurückgewiesen. Der Aufwendungsersatz für Betreuer (§ 1835a BGB) sei zivilrechtlich ausgestaltet und gehöre nicht zu den nach § 11a Abs 3 Satz 1 [X.] privilegierten Einnahmen. Dies entspreche auch der Vorstellung des Gesetzgebers, denn die Verweisung in § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] auf § 3 [X.] 26b EStG beziehe sich auf die Aufwandsentschädigung nach § 1835a BGB. Die Regelung ginge bei einem anderen Verständnis ins Leere. Auch sei nur die monatliche Berücksichtigung des Freibetrags möglich.

9

Der Kläger rügt mit der Revision, die Urteile des L[X.] verletzten § 11a Abs 3, § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] und § 1835a BGB. Die Anrechnung der Aufwandsentschädigung führe dazu, dass sein Existenzminimum in verfassungswidriger Weise unterschritten sei. Der Gesetzgeber habe den Aufwendungsersatzanspruch des Betreuers pauschaliert. Er gelte mit diesem den tatsächlichen Aufwand ab, von dem gesetzlich unterstellt werde, dass er anfalle. Dagegen enthalte der Betrag keinen "Lohn" für die ehrenamtlich ausgeübte Tätigkeit. Auch handle es sich bei der Zahlung nach § 1835a BGB um eine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11a Abs 3 [X.]. Das BGB messe der Zahlung den Charakter des Aufwendungsersatzes bei, was deren Zweck bestimme. Selbst wenn die Zahlung anzurechnen wäre, müsse berücksichtigt werden, dass diese als jährliche Einmalzahlung erfolge, während das [X.] nur monatliche Freibeträge kenne (§ 11b Abs 2 Satz 3 [X.]). Insoweit sei es geboten, entweder einen [X.] zu ermitteln oder die Einnahme auf sechs Monate zu verteilen. All dies führe dazu, dass die Zahlung nach § 1835a BGB nicht als Einkommen des [X.] zu berücksichtigen sei.

Der Kläger beantragt,
1. die Urteile des [X.] vom 21.5.2015 - [X.] AS 532/14 - sowie des [X.] vom 11.2.2014 - [X.] AS 177/13 - und den Bescheid des Beklagten vom 19.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufzuheben,

2. die Urteile des [X.] vom 21.5.2015 - [X.] AS 533/14 - und des [X.] vom 11.2.2014 - [X.] AS 2524/13 - sowie die Bescheide des Beklagten vom [X.], [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufzuheben und dem Kläger für die Monate Juni, August und Oktober 2013 Leistungen nach dem [X.] ohne Anrechnung der Beträge aus der Aufwandsentschädigung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist teilweise begründet. Die mit dem Antrag zu 1. angefochtenen Entscheidungen der Vorinstanzen und des Beklagten sind aufzuheben. Bezüglich des Antrags zu 2. ist die Revision unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G).

1. Gegenstand des Revisionsantrags zu 1. ist das Urteil des [X.], mit dem es die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des [X.] zurückgewiesen hat. Diese Entscheidungen sind aufzuheben, denn der vom Kläger mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid des Beklagten vom 19.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts beurteilt sich nach § 40 Abs 2 [X.] [X.]B II (in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.5.2011, [X.], die rückwirkend zum 1.4.2011 in [X.] getreten ist; [X.]B II aF). Danach sind die Vorschriften des [X.] über die Aufhebung von Verwaltungsakten 330 Abs 2, 3 Satz 1 und 4 [X.]B III) für das Verfahren nach dem [X.]B II entsprechend anwendbar. Gemäß § 330 Abs 3 Satz 1 [X.]B III ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn die in § 48 Abs 1 Satz 2 [X.]B X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorliegen. Nach § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]B X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn nach Antragstellung oder Erlass eines Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Die verfügte Erstattungsforderung ist am Maßstab des § 40 Abs 1 Satz 1 [X.]B II aF iVm § 50 Abs 1 Satz 1 [X.]B X zu prüfen. Danach sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.

Die Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung und die Pflicht zur Erstattung von Leistungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der [X.] kann in diesem Zusammenhang dahinstehen lassen, ob in den Verhältnissen, die der Bewilligung von Leistungen nach dem [X.]B II durch die Bescheide vom [X.] zu Grunde gelegen haben, durch die Erzielung von Einkommen aus der Tätigkeit als Betreuer eine wesentliche Änderung eingetreten ist, als dem Kläger am 6.6.2012, 13.8.2012 und 2.10.2012 jeweils 323 Euro zugeflossen sind.

Denn die vom Beklagten verfügte Aufhebung der Bewilligung für die Monate Juni, August und Oktober 2012 ist schon deshalb rechtswidrig, weil eine (unterstellte) wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen iS des § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]B X nicht in diesen Monaten, sondern in den Folgemonaten eingetreten wäre.

Die Frage, in welchem Zeitraum zufließendes Einkommen zu berücksichtigen ist und daher eine wesentliche Änderung der Verhältnisse bewirkt, richtet sich nach dem materiellen Recht des jeweiligen Buches des [X.]B (Coseriu/[X.]/[X.], [X.]B III, 6. Aufl 2017, § 330 Rd[X.] 286 mwN). Gemäß § 11 Abs 2 Satz 3, Abs 3 Satz 1 [X.]B II sind laufende Einnahmen, die - wie hier - in größeren als monatlichen Zeitabständen zufließen, in dem Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Sind aber für den Monat des Zuflusses schon Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden, werden sie (erst) im Folgemonat berücksichtigt (§ 11 Abs 3 Satz 3 [X.]B II).

So ist es hier. Beim Zufluss der jeweils 323 Euro in den Monaten Juni, August und Oktober 2012 waren die Leistungen für diese Monate vom Beklagten schon erbracht worden, ohne dass die Einmalzahlung berücksichtigt worden wäre. Nach § 11 Abs 3 Satz 3 [X.]B II, der auch auf den Fall der nachträglichen Aufhebung einer Bewilligung die für den Zeitpunkt der wesentlichen Änderung maßgebliche (materielle) Regelung ist, hätte der Beklagte die Bewilligung für den Leistungszeitraum entweder unabhängig von bestimmten Monaten, dh bezogen auf den Bewilligungszeitraum (Juni bis November 2012) oder - falls eine termingenaue Aufhebung erfolgen sollte - für die Monate Juli, September und November 2012 verfügen müssen. Dies ist aber nicht geschehen. Der Beklagte hat vielmehr für die Monate Juni, August und Oktober 2012 und damit für nicht von einer wesentlichen Änderung betroffene Zeiträume eine Teilaufhebung der Bewilligung und Pflicht zur Erstattung von Leistungen geregelt. Dazu ist er nach Maßgabe des § 48 Abs 1 Satz 2 [X.]B X iVm § 11 Abs 3 Satz 3 [X.]B II nicht ermächtigt gewesen.

2. Gegenstand des Revisionsantrags zu 2. ist das Urteil des [X.], soweit es die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des [X.] zurückgewiesen hat. Die Entscheidungen verletzen nicht das Bundesrecht (§ 162 [X.]G), denn die Anfechtungs- und Leistungsklage des [X.], der sich gegen die Bescheide des Beklagten vom [X.] und [X.] (berücksichtigt den erhöhten Freibetrag) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] richtet, und für die Monate Juni, August und Oktober 2013 höhere Leistungen nach den [X.]B II erstrebt, ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem [X.]B II ohne (Teil-)Anrechnung der ihm nach § 1908i Abs 1 Satz 1 iVm § 1835a BGB zugeflossenen Einnahmen.

Zwar sind in der Person des [X.] die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs nach dem [X.]B II (§ 7 [X.]B II) hinsichtlich des Alters, der Erwerbsfähigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts in [X.] auch im [X.] erfüllt. Ebenso hat kein [X.] vorgelegen, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] ergibt.

Der Kläger hatte im [X.] einen monatlichen Bedarf von 745,79 Euro, der sich aus dem Regelbedarf von 382 Euro, einem Mehrbedarf für anteilige Warmwasserversorgung von 8,79 Euro sowie dem Bedarf an Kosten für Unterkunft und Heizung von 355 Euro monatlich zusammensetzte.

Dieser Bedarf mindert sich in den fraglichen Monaten um das berücksichtigungsfähige Einkommen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit als Betreuer. Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b [X.]B II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a [X.]B II genannten Einnahmen (§ 11 Abs 1 Satz 1 [X.]B II). Gemäß § 11 Abs 2 Satz 3, Abs 3 [X.]B II sind laufende Einnahmen, die in größeren als monatlichen Zeitabständen zufließen, in dem Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen; im Fall der Bewilligung von Leistungen für künftige Zeiträume findet § 11 Abs 3 Satz 3 [X.]B II dagegen keine Anwendung.

Der Kläger hatte in den Monaten Juni, August und Oktober 2013 für drei Betreuungen jeweils Anspruch auf eine Zahlung nach § 1908i Abs 1 Satz 1 iVm § 1835a BGB. Auf dieser Grundlage stand ihm im Juni 2013 noch ein Betrag von 323 Euro, im August und Oktober 2013 aufgrund einer Gesetzesänderung (§ 1835a Abs 1 Satz 1 BGB iVm § 22 [X.] in der Fassung des Art 7 [X.] 18 des 2. KostRModG vom [X.], [X.], in [X.] ab [X.]) aber ein Betrag von 399 Euro zu, der ihm im Oktober 2013 auch zugeflossen ist. Allerdings hat der Beklagte bei der Berechnung für August und Oktober 2013 nur Einnahmen von jeweils 323 Euro berücksichtigt, sodass der Kläger insoweit nicht beschwert ist.

Die Aufwandsentschädigungen sind zu berücksichtigende Einnahmen in Geld (§ 11 Abs 1 Satz 1 [X.]B II). § 11a Abs 3 Satz 1 [X.]B II regelt hierzu keine Ausnahme. Eine solche wäre nur gegeben, wenn es sich um Einnahmen des [X.] handelte, die aufgrund von öffentlich-rechtlichen Regelungen zu ausdrücklich genannten Zwecken erbracht werden. Der Aufwendungsersatzanspruch des Betreuers wird aufgrund von zivilrechtlichen Regelungen (§ 1908i Abs 1 Satz 1 iVm § 1835a BGB) erbracht. Die nicht nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften erbrachte Leistung wird durch § 11a Abs 3 Satz 1 [X.]B II nicht privilegiert.

Der [X.] kann offenlassen, ob dies anders zu beurteilen ist, wenn die Kosten der Betreuung aus der Staatskasse getragen werden, weil die betreute Person ihrerseits die Kosten der Betreuung nicht tragen kann. Denn bei den dem Kläger zugeflossenen Zahlungen handelt es sich auch nicht um zweckbestimmte Einnahmen iS des § 11a Abs 3 Satz 1 [X.]B II. Nach der Rechtsprechung des B[X.] wäre für eine Privilegierung nach dieser Vorschrift erforderlich, dass es sich um eine in ihrer Verwendung (nicht dem Grund der Entstehung) zweckbestimmte Einnahme handelt (B[X.] vom [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4225 § 1 [X.] Rd[X.] 23; B[X.] vom 28.10.2014 - [X.] [X.]/13 R - B[X.]E 117, 179 = [X.] 4-4200 § 37 [X.], Rd[X.]4; B[X.] vom 17.10.2013 - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 114, 249 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.] 28; so schon [X.] vom [X.] - 5 C 14/98 - juris Rd[X.] 10; final "zu etwas" zweckbestimmt so: [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II, § 11a Rd[X.] 126b, Stand VII/17).

Ein entsprechender Verwendungszweck der Zahlung ist weder dem Wortlaut der §§ 1908i Abs 1 Satz 1, 1835a Abs 1 BGB noch dem Sinn und Zweck der Leistung zu entnehmen. Denn dem Betreuer ist für die erhaltene Zahlung kein Verwendungszweck vorgegeben.

Dieses Ergebnis wird auch durch die systematische Auslegung des [X.]B II gestützt. Die Verweisung in § 11b Abs 2 Satz 3 [X.]B II nimmt - wie das [X.] zutreffend aufgezeigt hat - ausdrücklich auf § 3 [X.] 26b EStG iVm § 1835a BGB Bezug; sie betrifft allein die Aufwandsentschädigung der Betreuer. Sie regelt die Höhe des Betrags, der vor einer Einkommensanrechnung von der Aufwandsentschädigung abzusetzen ist. Die Regelung ginge ins Leere, wenn die Einnahme nach § 11a Abs 3 Satz 1 [X.]B II von vornherein nicht als Einkommen zu berücksichtigen wäre.

Der [X.] schließt sich damit im Ergebnis der Entscheidung des 14. [X.]s des B[X.] an (Urteil vom 26.5.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] 41), nach der Aufwandsentschädigungen von ehrenamtlich tätigen Bürgermeistern und Stadträten als Einkommen zu berücksichtigen sind. Diese bezwecken sowohl den Ersatz von notwendigen Aufwendungen bzw Auslagen als auch von Verdienstausfall. Der 14. [X.] ist ebenfalls davon ausgegangen, dass es sich bei dieser Art der Entschädigung nicht um eine (teilweise) zweckbestimmte Einnahme handelt (B[X.] aaO, Rd[X.] 19). Insoweit ist in der Rechtsprechung des B[X.] bereits geklärt, dass Zahlungen mit Aufwendungsersatzcharakter keine zweckbestimmten Einnahmen sind.

Von den zugeflossenen steuerprivilegierten Einnahmen (§ 3 [X.] 26b EStG iVm § 1835a BGB) ist gemäß § 11b Abs 2 Satz 3 [X.]B II in der ab 1.1.2013 geltenden Fassung des [X.]es vom 21.3.2013 ([X.]), ein Betrag von 200 Euro monatlich abzusetzen. Der Beklagte hat den erhöhten Freibetrag zu Gunsten des [X.] berücksichtigt (Änderungsbescheid vom [X.]) und in den Monaten Juni, August und Oktober 2013 jeweils 123 Euro als Einkommen angerechnet. Dass der Beklagte für August und Oktober 2013 zu hohe Leistungen bewilligt hat, weil jeweils 199 Euro anstatt 123 Euro bedarfsmindernd zu berücksichtigen gewesen wären, beschwert den Kläger nicht.

Der Absetzbetrag ist - entgegen der Ansicht der Revision - im Monat des Zuflusses mit dem Betrag von 200 Euro zu berücksichtigen. Die [X.] sind nicht zu einem Jahresbetrag von 2400 Euro (12 x 200 Euro) zu kumulieren und die jeweiligen Zahlungen hiervon abzusetzen. Zwar schreibt § 1835a Abs 2 BGB zwingend die jährliche Auszahlung vor, für Absetzbeträge nach § 11b [X.]B II gilt aber - wie im Übrigen allgemein im Bereich des [X.]B II - das Monatsprinzip. Dieses Prinzip hat das B[X.] in seiner Rechtsprechung mehrfach betont und herausgestellt (vgl zB B[X.] vom 9.4.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]5 Rd[X.] 27 mwN). Nach der Systematik des [X.]B II sind die Bedarfe eines Monats den [X.] dieses Monats gegenüberzustellen; eine Unterdeckung begründet den Leistungsanspruch für diesen Monat. Eine Abweichung von diesem Prinzip hat der Gesetzgeber trotz der Änderungen, die er durch das [X.] (vom 21.3.2013, [X.]) zeitgleich in § 3 [X.] 26b EStG und in § 11b Abs 2 Satz 3 [X.]B II vorgenommen hat, nicht geregelt (vgl auch BT-Drucks 17/4719 [X.]). Zwar ist das B[X.] bezogen auf den Grundfreibetrag (§ 11b Abs 2 Satz 2 [X.]B II) einmal ausnahmsweise vom Monatsprinzip abgerückt (B[X.] vom 17.7.2014 - [X.] A[X.]5/13 R - B[X.]E 116, 194 = [X.] 4-4200 § 11 [X.] 67). In dem konkreten Fall hätte eine zufällige [X.] von Arbeitsentgelt dazu geführt, dass eine Absetzung vom Entgelt, das in zwei Kalendermonaten erarbeitet worden war, nur einmal hätte erfolgen können. In dieser Situation hat das B[X.] die Absetzung des doppelten Grundfreibetrags zugelassen (B[X.] aaO, Rd[X.] 15). Hieraus vermag der [X.] für vorliegenden Fall, der nicht durch eine zufällige Verschiebung von Zahlungen gekennzeichnet ist, nicht abzuleiten, dass an die Stelle des monatlichen Absetzbetrags ein Jahresabsetzbetrag treten müsste.

Nur der Gesetzgeber wäre berufen, eine rechts- oder sozialpolitisch "gerechtere" Regelung zu schaffen, indem er an der Schnittstelle von Betreuungs- und Steuerrecht entweder das dortige [X.] (partiell) aufhebt oder im Bereich des [X.]B II eine (partielle) Abweichung vom Monatsprinzip regelt.

Zwar könnte der Kläger grundsätzlich einen weiteren Absetzbetrag nach § 11b Abs 1 Satz 1 [X.] 5 [X.]B II geltend machen, wenn mit der Erzielung des Einkommens notwendige Ausgaben verbunden sind, die er im Einzelnen belegen kann. Trotz Hinweises des Beklagten hat der Kläger solche Ausgaben gerade nicht geltend machen wollen, weil er meinte, dies stehe dem Zweck des § 1835a BGB entgegen, der ihn von solchen Nachweisobliegenheiten freistelle.

Der (weitere) Absetzbetrag für erwerbstätige Leistungsberechtigte nach § 11b Abs 1 Satz 1 [X.] 6 und Abs 3 [X.]B II kommt dagegen nicht in Betracht, weil der Kläger keine Erwerbstätigkeit im Sinne dieser Vorschrift verrichtet hat. Es handelt sich bei seiner Tätigkeit gerade nicht um eine Erwerbstätigkeit (zum Begriff Erwerbseinkommen iS des § 11b Abs 3 [X.]B II Schmidt in Eicher/[X.], [X.]B II, 4. Aufl 2017, § 11b Rd[X.]9), denn er hat sie nicht als Berufsbetreuer (vgl dazu § 1836 Abs 1 BGB) sondern als ehrenamtlicher Betreuer (§§ 1835, 1835a BGB; zum Ehrenamt vgl BT-Drucks 17/4719 [X.]) ausgeübt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 4 AS 9/16 R

24.08.2017

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Duisburg, 11. Februar 2014, Az: S 45 AS 177/13, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 11 Abs 2 S 3 SGB 2, § 11 Abs 3 S 1 SGB 2, § 11 Abs 3 S 2 SGB 2 vom 13.05.2011, § 11a Abs 3 S 1 SGB 2, § 11b Abs 2 S 3 SGB 2 vom 21.03.2013, § 3 Nr 26b EStG, § 1835a Abs 1 BGB, § 1835a Abs 2 BGB, § 1908i Abs 1 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 24.08.2017, Az. B 4 AS 9/16 R (REWIS RS 2017, 6188)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6188

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