Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.01.2015, Az. V ZR 171/13

V. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 16243

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

V ZR 171/13

Verkündet am:
30. Januar 2015
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, den
Richter Dr. [X.], die Richterin
Dr.
[X.] und den
Richter Dr.
Göbel

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Mün-chen -
15. Zivilsenat -
vom 29. Mai 2013
wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin zweier Grundstücke. Deren Erwerb und Be-bauung finanzierten die miteinander verheirateten Parteien durch Darlehen, für die sie eine gesamtschuldnerische Haftung übernahmen.
In dem Bestreben, ihre steuerlichen Verhältnisse günstig zu gestalten, hatten die Parteien am 22.
September 1988 und am 30. April 1997 notariell beurkundete

im Wesent-lichen inhaltsgleiche

Verträge
geschlossen. In diesen verpflichtete sich die Klägerin, über die Grundstücke nur mit vorheriger Zustimmung des [X.] zu verfügen und

bei Verstoß gegen diese Abrede

zur Übertragung des [X.] auf den [X.]. Ein Anspruch auf Übereignung sollte zudem gege-ben sein bei [X.] der Klägerin, bei Stellung des Scheidungsantrags durch eine der Parteien, bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das jeweilige Grundstück und bei Insolvenz der Klägerin. Die [X.] wurden vereinbarungsgemäß durch Vormerkungen gesichert. Darüber 1
-
3
-

hinaus enthalten die Verträge Regelungen, nach denen der [X.] im Falle des Übereignungsverlangens verpflichtet ist, sämtliche im Grundbuch in [X.] oder [X.] im Range vor seiner Vormerkung eingetragenen Belastungen zu n-

Die auf den Grundstücken errichteten Gebäude wurden zunächst an eine Einzelfirma des [X.] vermietet. Nachdem die Mietzahlungen ca. Mitte des Jahres 2000 eingestellt worden waren, wurden die Objekte anderweit vermietet. In den Jahren 2003 und 2006 gab der [X.] eidesstattliche Versicherungen ab. Seit 2009 ist zwischen den Parteien ein Scheidungsverfahren anhängig.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Grundstücksübertragungsverträ-ge nach § 138 BGB
nichtig sind. Vor diesem Hintergrund hat sie im ersten Rechtszug in erster Linie die Zustimmung zur Löschung der zugunsten des [X.] im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkungen verlangt und die Feststellung der Nichtigkeit der Verträge beantragt; darüber hinaus hat sie mehrere Hilfsanträge gestellt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen.
Von den in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen sind im
Revisions-verfahren nur noch von Bedeutung die Anträge zu 2 bis 5, mit denen die [X.] weiterverfolgt werden, sowie
die Anträge zu 6 und 7, mit denen [X.] die Feststellung verlangt wird, dass die Verträge insoweit unwirksam sind, als dem [X.] im Falle der Stellung eines Scheidungsantrages ein Anspruch auf Übertragung der Grundstücke zustehen soll. Das Oberlandesge-richt hat die Berufung insgesamt zurückgewiesen und die Revision nur hinsicht-lich der genannten Anträge zugelassen. Diese verfolgt die Klägerin mit der Re-vision weiter.
2
3
4
-
4
-

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält die notariellen Verträge für wirksam. Diese [X.] weder mit Blick auf einzelne Regelungen noch in der Gesamtschau nach §
138 Abs. 1 BGB sittenwidrig. Insbesondere
werde die Klägerin
in ihrer wirt-schaftlichen Handlungsfreiheit nicht übermäßig eingeschränkt. Bei Abschluss der Verträge habe nichts dagegen gesprochen, dass die für den Erwerb und die Bebauung aufgenommenen
Darlehen aus den laufenden Erträgen hätten [X.] werden können. Auch sonst liege eine sittenwidrige Übervorteilung nicht vor. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass die Auslegung der [X.] auch zu der Verpflichtung des [X.] führe, im Falle eines
Übertra-gungsverlangens die Klägerin
Zug um Zug von den schuldrechtlichen Verbind-lichkeiten freizustellen, die sie für den Erwerb und die Bebauung des Grund-stücks eingegangen sei. Selbst wenn man die dem [X.] erteilte [X.] für sittenwidrig erachtete, führe dies nicht zur Nichtigkeit der Verträge. Vor diesem Hintergrund bestehe auch kein Anspruch auf Zustimmung zur Löschung der zugunsten des [X.] eingetragenen Vormerkungen.

II.
Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Das Berufungsgericht
hat eine Sittenwidrigkeit der beiden Verträge (§ 138 Abs.
1 BGB)
jedenfalls im Ergebnis zu Recht verneint.
1.
a)
Allerdings weist die Revision der Sache nach zutreffend darauf hin, dass die Verträge schon bei Fehlen jeglicher kompensatorischer schuldrechtli-cher Verpflichtungen des [X.] wegen sittenwidriger Übervorteilung (dazu etwa [X.], Urteil vom 10. Dezember 2013 -
XI [X.], [X.], 124 5
6
7
-
5
-

Rn.
15 mwN) der Klägerin nach §
138 Abs.
1 BGB nichtig wären. Da bei der
Beurteilung der Sittenwidrigkeit grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der Rechtsgeschäfte abzustellen ist (vgl. nur Senat, Urteil vom 21. Februar 2014

[X.], NJW 2014, 2177 Rn. 10; Urteil vom

die [X.] einzubeziehen, dass der Übertragungsfall schon kurz nach Vertrags-schluss eintreten würde. Dies wiederum hätte dazu geführt, dass die Klägerin trotz Wegfalls der Möglichkeit, aus der Vermietung des Grundstücks [X.] zu erzielen, zumindest im Außenverhältnis weiterhin die von ihr zur Finan-zierung des Grundstücks aufgenommenen Darlehen in nahezu voller Höhe [X.] bedienen müssen. Eine solche vertragliche Gestaltung stellte

da für die Annahme einer schenkweisen Eigentumsübertragung zumal im Lichte der vor-getragenen steuerrechtlichen Gestaltung nach dem sog. [X.] Modell (dazu [X.], 129, 132
f.) nichts ersichtlich ist

eine krasse Übervorteilung der Klägerin dar, die von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden könn-te (vgl. Senat, Urteil vom 21.
Februar 2014

[X.], NJW 2014, 2177 Rn. 10).
b) Entgegen der Auffassung der Revision hält jedoch die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach die Klägerin im Falle eines Übertragungsverlangens nur Zug um Zug entweder gegen Befreiung von den restlichen Darlehensver-bindlichkeiten im Außenverhältnis (§ 415 Abs. 1 BGB) oder aber gegen Stellung einer entsprechenden (werthaltigen) Sicherheit (§ 273 Abs. 3 BGB) zur Eigen-tumsübertragung verpflichtet ist, einer rechtlichen Überprüfung stand. Soweit in dem Berufungsurteil hinaus

von den auf den Grundstücken lastenden werthaltigen Grundpfandrechten die Rede ist, wird die Auslegung des [X.] durch diese im Konjunktiv abgefasste

nicht tragende

Hilfser-wägung weder in Frage gestellt noch relativiert.
8
9
-
6
-

Auch davon abgesehen lässt die Interpretation des [X.] Rechtsfehler erkennen. Die (ergänzende) tatrichterliche Auslegung von [X.] ist revisionsrechtlich nur darauf hin überprüfbar, ob ge-setzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (vgl. nur Ur-teil vom 21.
Februar 2014

[X.], NJW 2014, 2177 Rn. 11 mwN). Sol-che Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Es kann auch keine Rede davon denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar ist. Im Gegenteil ist der [X.] schon nach dem e des Übereignungs-i-
e-zeichnung der

zumindest nahe, dass der [X.] selbst eine Leistung zu erbringen hat und er es nicht nur hinnehmen muss, dass er keine [X.] Grundstücke übereignet [X.]. Untermauert wird dies zudem dadurch, dass die Klägerin vor Eintritt des Übergabefalls zwar die Darlehen bedienen muss, sie die Grundstücke aber auch durch Vermietung nutzen kann. Da diese Möglichkeit mit der Grundstücks-übertragung entfällt, wäre es nicht [X.], die Belastung der Kläge-rin mit den noch offenen [X.] aufrechtzuerhalten.
2. Auch im Übrigen ist die Verneinung der Sittenwidrigkeit jedenfalls im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Hervorzuheben ist:
a) Dass auch die Stellung eines Scheidungsantrages den Übertragungsfall auslöst, ist unter dem Blickwinkel von § 138 Abs. 1 BGB unbedenklich. Da es für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit

wie bereits dargelegt

auf den Zeit-punkt des Vertragsschlusses ankommt, wäre die Vereinbarung nur dann zu [X.], wenn die Finanzierung nach den Vereinbarungen der Parteien nicht 10
11
-
7
-

zumindest im Wesentlichen aus den Mieteinnahmen hätte bedient werden [X.], sondern in einem nicht unerheblichen
Maß aus Eigenmitteln der [X.]. Dem stünde es gleich, wenn es für die Parteien aufgrund greifbarer [X.] bereits absehbar gewesen wäre, dass es zu einem Einsatz von Eigen-mitteln kommen würde.
Die Erwägung des Berufungsgerichts, bei Abschluss der Verträge habe nichts dagegen gesprochen, dass die für den Erwerb und die Bebauung [X.] (bzw. noch aufzunehmenden)
Darlehen aus den laufenden Erträgen hätten zurückgeführt werden können, wird durch die Rüge der Revision, die Darlehen seien von der Klägerin mit eigenen Mitteln bedient worden, nicht ent-kräftet. Sie verweist auf kein tatsächliches Vorbringen, dass dies nicht nur der späteren Entwicklung geschuldet
war, sondern bereits den bei Vertragsschluss getroffenen
Abreden entsprach oder aufgrund greifbarer Anhaltspunkte bei [X.] bereits absehbar war. Vielmehr führt sie ins Feld, das mit den [X.] verfolgte [X.] Modell habe nur bis in das [X.] hinein [X.] werden können.
[X.] die Parteien bei Vertragsschluss aber davon aus, dass die Klägerin entsprechend dem von den Parteien verfolgten [X.] zumindest keine wesentlichen Eigenmittel aufbringen sollte
und im Übertragungsfall die schuldrechtliche Verpflichtung des [X.]
eingreifen sollte, die Klägerin von den [X.] zu befreien, hat die Ver-tragsgestaltung
auch nicht zur Folge, dass eine verständige Vertragspartei [X.] oder überwiegend aus wirtschaftlichen Erwägungen einen Scheidungsan-trag stellt oder von der Stellung eines solchen Antrags abgehalten wird (vgl. Senat, Urteil vom 21.
Februar 2014

[X.], NJW 2014, 2177 Rn. 18
mwN.).

b) Vor diesem Hintergrund führt auch die Gesamtwürdigung aller Abreden unter Berücksichtigung insbesondere des Umstandes, dass die Klägerin den [X.] unter Befreiung der Beschränkungen nach §
181 BGB die unwider-12
13
-
8
-

rufliche Vollmacht zur Erklärung der Auflassung(en) erteilt hat, nicht zur [X.] nach § 138 Abs.
1 BGB
(vgl. auch Senat, Urteil vom 21.
Februar 2014

[X.], NJW 2014, 2177 Rn. 18). Dass die Klägerin bei dem von den Parteien verfolgten [X.] den Risiken ausgesetzt ist, die jeder [X.] zu tragen hat,
rechtfertigt keine
andere
Beurteilung. Zwar steht der Klägerin im Falle des Übertragungsverlangens

anders als mit Blick auf die Darlehensverbindlichkeit

insoweit kein schuldrechtlicher Anspruch ge-gen den [X.] zu, wenn sich solche Risiken realisieren. Diese

im Übrigen nur schwer quantifizierbaren

Risiken
werden jedoch zumindest zu einem [X.] Teil durch die von den Parteien mit der vertraglichen Gestaltung [X.] steuerliche Besserstellung kompensiert. Eine ggf. verbleibende Dispa-rität hat jedenfalls kein derartiges Gewicht, dass die Verträge bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände mit dem Verdikt der Sittenwidrigkeit zu bele-gen wären.
-
9
-

[X.].
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann

Schmidt-Räntsch

[X.]

[X.]

Gobel

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 05.01.2011 -
20 O 12643/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 29.05.2013 -
15 [X.] -

14

Meta

V ZR 171/13

30.01.2015

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.01.2015, Az. V ZR 171/13 (REWIS RS 2015, 16243)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16243

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 171/13 (Bundesgerichtshof)

Wirksamkeit einer Grundstücksübertragung unter Ehegatten


V ZR 176/12 (Bundesgerichtshof)

Notarieller Grundstücksnutzungs- und Übertragungsvertrag: Sittenwidrigkeit infolge einseitiger Interessenwahrnehmung


V ZR 176/12 (Bundesgerichtshof)


V ZR 278/14 (Bundesgerichtshof)

Sittenwidrigkeit eines Immobilienkaufvertrages: Berücksichtigung der vom Verkäufer übernommenen Erwerbsnebenkosten bei der Prüfung eines auffälligen Missverhältnisses …


22 U 81/13 (Oberlandesgericht Hamm)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZR 171/13

XI ZR 508/12

V ZR 176/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.