Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.06.2011, Az. 27 W (pat) 153/10

27. Senat | REWIS RS 2011, 5451

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Galerie/GALERIA (Wort-Bild-Marke)" – Dienstleistungsidentität – klangliche und begriffliche Verwechslungsgefahr  


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 19 775.1

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 28. Juni 2011 durch [X.] [X.], [X.] und die Richterin am Landgericht Werner

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.] vom 24. [X.] aufgehoben.

2. Die Marke 30719775.1 ist auf den Widerspruch aus der Marke 30414661.7 zu löschen.

Gründe

I.

1

Gegen die am 24. März 2007 angemeldete und am 20. Oktober 2008 u. a. für die Dienstleistungen der

2

Klasse 41:  Erziehung und Ausbildung

3

eingetragene Wortmarke 30719 775.1

4

Galerie

5

hat die Widersprechende am 5. [X.] aus ihrer am [X.] angemeldeten farbigen (grün / weißen) Wort-/Bildmarke 30414 661.7

Abbildung

6

die seit 3. September2004 für zahlreiche Waren und Dienstleistungen und dabei u. a. für die Dienstleistungen der

7

Klasse 41: Erziehung und Ausbildung

8

eingetragen ist, Widerspruch eingelegt.

9

Die Markenstelle hat den Widerspruch mit Beschluss vom 24. [X.] zurückgewiesen.

Dazu ist ausgeführt, selbst im Bereich der identischen Dienstleistungen und bei dem danach anzulegenden strengen Maßstab halte die angegriffene Marke den zur Vermeidung von Verwechslungen im Sinn des §9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erforderlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke ein.

Die Widerspruchsmarke sei durchschnittlich kennzeichnungskräftig.

„Galerie“ und „[X.]“ seien klanglich sehr ähnlich. Bei der Widerspruchsmarke handle es sich um eine [X.], bei der das Publikum in der Regel dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zumesse. Daher werde die Widerspruchsmarke mit „[X.]" benannt werden. Da „[X.]“, das aus dem [X.] oder [X.] stamme, dem entsprechenden [X.] Wort „Galerie“ sehr ähnlich sei und z. B. auf ,,Kunstgalerie“ hinweise oder eine Einkaufsgalerie, die auch Erbringungsort für die Dienstleistungen Erziehung oder Ausbildung sein könne, sei der Begriff beschreibend. Daher könne die graphische Gestaltung nicht außer Betracht gelassen werden, denn bei einem beschreibenden Wortbestandteil trage der [X.] zur Unterscheidbarkeit bei.

Der Beschluss ist am 31. [X.] an die Widersprechende versendet worden.

Sie hat am 16. [X.] eingelegt .

Dabei wendet sie sich insbesondere gegen die Annahme von lediglich durchschnittlicher Kennzeichnungskraft ihrer Widerspruchsmarke und eines ausreichenden bildlichen Unterschieds der Marken, der auch eine klanglicher Verwechslungsgefahr beseitige.

Die Widerspruchsmarke genieße deutschlandweit eine hohe Bekanntheit. Diese beziehe sich nicht nur auf typische Dienstleistungen des Einzelhandels. Einzelhandelsunternehmen seien auch Ausbilder. Unter der Marke „[X.]“ bilde der Konzern der Widersprechenden in den einzelnen Vertriebslinien regelmäßig aus. Im Rahmen einer modernen und praxisorientierten Ausbildung betreue das Unternehmen ca. 1.000 Auszubildende in unterschiedlichen Berufsbildern. Es gebe darüber hinaus bundesweit rund 70 sogenannte Lernkooperationen mit Schulen. Hier werde unter der Marke „[X.]“ Ausbildung und Erziehung gefördert.

„Galerie“ und „[X.]“ seien für Ausbildungs- und Erziehungsdienstleistungen nicht beschreibend und damit auch ausreichend [X.]. Aus Verbrauchersicht bedürfe es im Hinblick auf die benannten Dienstleistungen einer gedanklichen Herleitung, zumindest einer analysierenden Betrachtungsweise, was eindeutig gegen eine beschreibende Eigenschaft spreche. Demnach komme dem Bildteil in der Widerspruchsmarke keine erhöhte Bedeutung zu.

Damit seien „Galerie“ und „[X.]“ klanglich verwechselbar.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.] vom 24. [X.] aufzuheben und die Marke 30719775.1 „Galerie“ zu löschen.

Die Inhaberin des angegriffenen Zeichens, hat zu der Beschwerde auch nach Aufforderung durch das Gericht keine Stellungnahme abgegeben.

II.

Die statthafte und zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg.

Es besteht nach Auffassung des Senats im Bereich der Dienstleistungen Erziehung und Ausbildung bei Annahme durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr im Sinn von §9 Abs. 1 Nr. 2 [X.].

1. Da kein Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vorliegt und der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden, nachdem die Widersprechende ausreichend Gelegenheit hatte, ihre Beschwerde zu begründen, und die Inhaberin des angegriffenen Zeichens ausreichend Gelegenheit hatte, zu der Beschwerde der Widersprechenden schriftlich Stellung zu nehmen (§69 [X.]).

2. Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach §42 Abs. 2 Nr. 1, §9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] u. a. zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke die Gefahr von Verwechslungen besteht.

Dabei stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein größerer Grad einer Komponente den geringeren Grad einer anderen ausgleichen kann (st. Rspr.; vgl. [X.], 235 - [X.] / [X.]; [X.] GRUR 2005, 1042 - [X.] Life).

Der Schutz der älteren Marke ist dabei auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft von Waren oder Dienstleistungen, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. [X.] GRUR2007, 318 - [X.] / Autec).

3. Bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft und durchschnittlichem Schutzumfang der Widerspruchsmarke hält das angegriffene Zeichen im Bereich der identischen Dienstleistungen den zu fordernden deutlichen [X.] nicht ein.

a) Die Widerspruchsmarke ist durchschnittlich kennzeichnungskräftig.

Soweit die Widersprechende eine erhebliche Bekanntheit ihrer Marke geltend macht, ist dies jedenfalls für eine Verwendung der Widerspruchsmarke für die hier maßgeblichen Dienstleistungen der [X.] nicht genügend dargetan.

Dass ein großes Unternehmen sein Personal im größerem Umfang ausbildet, kann unterstellt werden. Inwieweit dies für andere geschieht, hat die Widersprechende nicht erläutert.

Letztlich kann die Frage, ob die Widerspruchsmarke insoweit über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt, allerdings dahinstehen, denn das angegriffene Zeichen wahrt schon bei angenommener durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke den einzuhaltenden deutlichen Abstand nicht.

b) Für die Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken ist grundsätzlich vom Gesamteindruck der betrachteten Zeichen auszugehen. Dieser unterscheidet sich zwar aufgrund des [X.] der Widerspruchsmarke, der in dem angegriffenen Zeichen keine Entsprechung findet.

Beim Zusammentreffen von Wort- und [X.]en misst das Publikum, wie die Markenstelle in der angegriffen Entscheidung zutreffend festgestellt hat, beim klanglichen Vergleich dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zu ([X.] in: [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., §9 Rn. 332 m. w. N.).

Aufgrund des Umstands, dass der [X.] zumindest bei mündlicher Wiedergabe zurücktritt (vgl. [X.], 60, 62 - [X.]; [X.], 859, 862 - Malteserkreuz; [X.], 903, 905 - [X.]), stehen sich im klanglichen Vergleich „Galerie“ und „[X.]“ gegenüber. Diese unterscheiden sich lediglich durch den zusätzlichen Endvokal „A“ in der Widerspruchsmarke, was klanglich nicht ausreichend ins Gewicht fällt, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.

„Galerie“ und der Wortbestandteil „[X.]“ der Widerspruchsmarke stimmen bei der Aussprache in der wesentlichen Laut- und Buchstabenfolge „[X.]“ bis auf den letzten Buchstaben überein. Auch Sprech- und Betonungsrhythmus sind im Wesentlichen gleich.

Angesichts dieser deutlichen Gemeinsamkeiten kann die verbleibende Abweichung am Ende der Wörter nicht für eine ausreichende Differenzierung sorgen, zumal der Verbraucher die Wörter in der Regel nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung meist aufgrund eines undeutlichen Erinnerungsbildes gewinnt.

Für die Feststellung der Verwechslungsgefahr ist die gegebene klangliche Nähe entgegen der Annahme der Markenstelle und der Inhaberin des angegriffenen Zeichens ausreichend.

Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, ([X.] und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verbraucher in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. [X.] [X.], 413, 414 - Nr. 19 - [X.]/SIR; GRUR 2005, 1042, 1044 - Nr. 28 - [X.] LIFE; [X.]. 2004, 843 - Nr. 29 - [X.]; [X.], 235 - Nr. 15 - [X.] / [X.]; [X.], 484, 487 - Nr. 32 - [X.]; [X.], 60 ff.- Nr. 17 - [X.]; [X.], 779, 781 - Zwilling/[X.]; [X.], 325, 329 Rn. 37 - idw; [X.], 393, 395 Rn. 21- [X.]; [X.], Beschluss vom 24. [X.], [X.].: 25W(pat) 38/07; [X.], 06611 - [X.]; Beschluss vom 10. [X.], [X.].: [X.](pat) 137/10 - Dux / Doc’s).

Die vom [X.] in der o. g. [X.] / SIR -Entscheidung berücksichtigte Neutralisierung durch den Sinngehalt kann der klanglichen Verwechslungsgefahr nur entgegenwirken, wenn das angesprochene Publikum die Unterschiede in der Bedeutung auch und gerade akustisch wahrnimmt, weil der Sinn sonst gar nicht zum Tragen kommen kann.

Hier bestehen schon keine auffälligen Unterschiede im Sinngehalt.

Mangels einer Kennzeichnungsschwäche von „[X.]“ ist die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke im Zusammenhang mit Erziehung und Ausbildung nicht auf die Graphik beschränkt. Insoweit ist weder der begriffliche noch der klangliche Gehalt der Widerspruchsmarke schutzunfähig, so dass die Widerspruchsmarke auch insoweit Schutz beanspruchen kann und „[X.]“ selbständig eine klangliche Verwechslungsgefahr begründen kann - anders als bei Marken, die nur aus einer Graphik bestehen ([X.], 60, [X.] - [X.]) oder bei denen nur diese schutzfähig ist ([X.]. 2004, 315, [X.] - Frish).

Eine abweichende Beurteilung ist hier auch nicht deshalb geboten, weil der [X.] die Marke nicht derart beherrscht, dass das Wort kaum noch beachtet wird. Der Wortbestandteil ist deutlich erkennbar. Auch prägt der [X.] die Marke nicht in einer Weise, die mit der vergleichbar wäre, die der Entscheidung des [X.], 530 - Limoncello (m. Anm. Bender, [X.], 60, 61 [X.]) zu Grunde lag. Der [X.] verleiht - anders als der mit Zitronen verzierte runde Teller im Limoncello-Fall - dem angegriffenen Zeichen vorliegend keinen ganz besonderen bildlichen Reiz. Der Bogen über dem Wort „[X.]“ besitzt keine hohe Kennzeichnungskraft. Er wirkt ebenso wie die rechteckige grüne Unterlegung lediglich als Ornament. Die graphische Gestaltung dominiert den Wortbestandteil daher nicht.

Gründe, warum die klangliche Zeichenähnlichkeit vorliegend ausnahmsweise außer Betracht bleiben soll, sind nicht ersichtlich. Auch wenn bei den hier in Frage stehenden Dienstleistungen die Kommunikation mit Kunden / Medien weitgehend schriftlich erfolgen sollte, würde dies nicht rechtfertigen, die klangliche Zeichenähnlichkeit unbeachtet zu lassen (vgl. [X.], [X.], 325, 329 [X.]. 38 - idw), zumal die mündliche Nennung bzw. Kommunikation, z. B. im Rahmen von Nachfragen, Empfehlungen etc. zu erwarten ist.

c) Neben der klanglichen ist auch eine begriffliche Verwechslungsgefahr zu bejahen, da der Begriff „Galerie“ in dem Wort „[X.]“ klar hindurch scheint, unabhängig davon, welcher Sprache das Publikum „[X.]“ letztendlich zuordnet und ob ihm die genauen Übersetzungsbedeutungen bekannt sind.

4. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit (§71 Abs. 1 [X.]) besteht kein Anlass.

5. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen.

Der Senat hat nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des [X.]s und des [X.] entschieden. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil nicht von Entscheidungen anderer Senate des [X.] oder anderer nationaler Gerichte abgewichen, sondern eine Einzelfallentscheidung anhand von tatsächlichen Gegebenheiten getroffen worden ist.

Meta

27 W (pat) 153/10

28.06.2011

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.06.2011, Az. 27 W (pat) 153/10 (REWIS RS 2011, 5451)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5451

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