Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.10.2019, Az. 1 StR 206/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 2943

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[X.]:[X.]:[X.]:2019:071019B1STR206.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 206/19

vom
7. Oktober
2019
in der Strafsache
gegen

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.]

zu 2. und 3. auf dessen Antrag

am 7.
Oktober 2019 gemäß §
349 Abs.
2 und 4, §
421 Abs.
1 Nr. 3 StPO beschlos-sen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. November 2018,
soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Höhe der Einheitsjugend-strafe aufgehoben.
2.
Von der Einziehung des Wertes von Taterträgen wird abge-sehen.
3.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
4.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zu-rückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäu-bungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen [X.] von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit [X.] mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer
Einheitsjugend-1
-
3
-
strafe von acht Jahren verurteilt. Zudem hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 18.000

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit einer [X.] und mit der ausgeführten Sachrüge. Das Rechtsmittel erzielt den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg

349 Abs.
4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von §
349 Abs.
2 StPO.
I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1.
Im Oktober 2017 verbrachte der Angeklagte drei Kilogramm Marihua-na (Wirkstoffgehalt mindestens 5
% THC) aus den [X.] nach I.

und veräußerte dieses dort zum Preis von 6.000 bis 6.500

logramm (Tat
1).
Wenig später beauftragte er den anderweitig Verfolgten V.

mit der Einfuhr von fünf Kilogramm Marihuana von D.

(Niederlande) nach
[X.], um dieses wiederum
gewinnbringend zu veräußern (Tat
2). Der Kurier wurde jedoch kurz nach Grenzübertritt festgenommen; das Marihuana (Wirkstoffgehalt mindestens 15,2
% THC; Wirkstoffmenge 681
Gramm THC) wurde sichergestellt.
Schließlich erklärte sich der Angeklagte, der
zuvor lediglich mit Marihua-na und Ecstasy gehandelt hatte, im Februar 2018 auf entsprechende Anfrage einer polizeilichen Vertrauensperson bereit, fünf Kilogramm Heroin minderer Qualität zum gewinnbringenden Weiterverkauf aus den [X.] nach F.

zu liefern. Mit der Verbringung beauftragte er gegen einen entsprechen-den Kurierlohn den nicht revidierenden Mitangeklagten P.

. Das Heroin (Wirkstoffgehalte 4,31 bis 5,55
% [X.]; Gesamtwirkstoffmenge 241,1
Gramm 2
3
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6
-
4
-
[X.]) wurde nach Übergabe an einen nicht offen ermittelnden Polizeibeamten, der dieses vorgeblich zum Preis von 34.000

ben wollte, sichergestellt (Tat
3).
Der nicht vorbestrafte Angeklagte war bei den Taten 20
Jahre und drei bzw. sieben Monate alt. Er lebte im Haushalt seiner Mutter, besuchte eine Fachoberschule und ging jugendtypischen Freizeitaktivitäten nach.
2.
Die [X.] hat unter Hinweis auf den Stand der Persönlich-keitsentwicklung des Angeklagten Jugendstrafrecht zur Anwendung gebracht (§
105 Abs.
1 Nr.
1 [X.]) und
die Verhängung einer Jugendstrafe mit dem [X.] schädlicher Neigungen sowie der Schwere der Schuld begründet.
Zur Bemessung der Jugendstrafe hat das [X.] ausgeführt, es [X.] vorrangig erzieherische Gesichtspunkte berücksichtigt und die Wirkung der verhängten Jugendstrafe gegen die weitere Entwicklung des Angeklagten ab-gewogen. Dem äußeren Unrechtsgehalt der Taten komme insofern Bedeutung zu, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit und die Höhe der Schuld mög-lich seien. Im Folgenden hat es auf die gesetzliche Strafandrohung des [X.] abgestellt und ist dabei jeweils vom [X.] ausgegangen. Im Rahmen der Prüfung eines minder schweren Falles hat es im Hinblick auf Tat
3 unter anderem berücksichtigt, dass es sich bei diesem Tatge-

Aus dem Unrechtsgehalt der Taten und der Persönlichkeit des Angeklag-ten hat die [X.] auf ein erhebliches Erziehungsdefizit beim Ange-klagten geschlossen, aus dem

ebenso wie aus der bereits verfestigten, in Entwicklung und Reife schon stark einem Erwachsenen angenäherten Persön-lichkeit des Angeklagten

ein hohes Erziehungsbedürfnis folge. Trotz diverser 7
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-
5
-
zu seinen Gunsten zu berücksichtigender Aspekte sei daher eine lange Ju-gendstrafe erzieherisch notwendig. Unter vorrangiger Berücksichtigung des [X.] als beherrschendem Strafzweck des Jugendstrafrechts sei mit Blick auf das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs auch in [X.] der Folgen einer langjährigen Jugendstrafe für die weitere Entwicklung des Angeklagten

insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte die Haftzeit nutzen könne, um eine berufliche Qualifikation zu erwerben und eine eigenständige, von der Familie gelöstere Lebensplanung in Angriff zu nehmen

die Verhängung einer achtjährigen Jugendstrafe zur erzieherischen

II.
1.
Die Verfahrensrüge hat aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift näher dargelegten Gründen keinen Erfolg.
2.
Die Sachrüge führt dagegen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Um-fang zur Aufhebung des angegriffenen Urteils. Sie deckt zwar zum Schuld-spruch und hinsichtlich der Verhängung einer Jugendstrafe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf; die Erwägungen des [X.] zur Höhe der verhängten Jugendstrafe halten jedoch revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
Die Strafzumessung
ist allerdings grundsätzlich Sache des
Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, die wesentlichen zumessungsrelevanten Umstände auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des [X.] gewonnen hat, festzustellen, sie zu bewerten
und gegeneinander abzuwägen. Auch bei der Verhängung von Jugendstrafe
ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlos-sen (vgl. [X.], Urteil
vom 29.
August 2018

5
StR 214/18 Rn. 7).
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12
13
-
6
-
Die Strafzumessungserwägungen der [X.] entsprechen aber vorliegend nicht den Anforderungen des §
18 Abs.
2 [X.]. Auch bei einer

unter anderem

wegen der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe ist gemäß §
18 Abs.
2 [X.] die Höhe der Strafe so zu bemessen, dass die erfor-derliche erzieherische Einwirkung möglich ist (st. Rspr.; vgl. etwa
[X.], [X.] vom 19.
April 2016

1
StR 95/16 Rn. 5 mwN). Die in den gesetzlichen Regelungen des allgemeinen Strafrechts zum Ausdruck gelangende Bewertung des Ausmaßes des in einer Straftat hervorgetretenen Unrechts ist zwar auch bei der Bestimmung der Höhe der Jugendstrafe
zu berücksichtigen; keinesfalls darf aber die Begründung wesentlich oder gar ausschließlich nach solchen Zu-messungserwägungen vorgenommen werden, die auch bei Erwachsenen in Betracht kommen. Die
Bemessung der Jugendstrafe erfordert vielmehr von der [X.], das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abzuwägen ([X.] aaO mwN).
Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.], Urteil vom 24.
April 2019

2
StR 377/18 Rn.
20; Beschlüsse vom 16.
April 2007

5
StR 335/06 Rn.
16; vom 20.
März 1996

3
StR 10/96 Rn.
3 und vom 27.
November 1995

1
StR 634/95 Rn. 3; in diese Richtung zudem [X.], Urteil vom 25.
März 2014

1
StR 630/13 Rn. 31 und Beschluss vom 6.
Mai 2013

1
StR
178/13 Rn.
9) und allgemeiner Meinung in der Literatur ([X.], [X.], 20.
Aufl., §
18 Rn.
9; [X.]/[X.], [X.], 14.
Ed., §
18 Rn.
5; [X.]/Dölling, [X.], 13.
Aufl., §
18 Rn. 3; jeweils mwN) lässt sich eine
länger als fünf Jahre andau-ernde Jugendstrafe allein erzieherisch in der Regel nicht begründen, weil eine Anstaltserziehung nur für eine Dauer von bis zu fünf Jahren Erfolg verspricht. Die Verhängung einer darüberhinausgehenden Jugendstrafe kann nur unter
zusätzlicher Berücksichtigung anderer Strafzwecke

insbesondere des Schuldausgleichs

angezeigt sein.
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15
-
7
-
Mit diesem Umstand hätte sich das [X.] im Rahmen der Strafzu-messung erkennbar auseinandersetzen müssen, was jedoch nicht geschehen ist. Stattdessen insinuiert die [X.], dass die von ihr angeführten Zie-le

Erwerb einer Berufsqualifikation, Entwicklung einer eigenständigen Le-bensplanung, moralische Fortentwicklung der Persönlichkeit

nur im Rahmen einer achtjährigen Jugendstrafe erreicht werden könnten,
und gewichtet diese positiven Erwartungen erkennbar stärker als die entsozialisierenden Wirkungen eines langjährigen Freiheitsentzuges. Dies steht nicht in Einklang mit der oben genannten Rechtsprechung und lässt zudem jegliche Begründung vermissen, warum die aufgeführten positiven Effekte einer Jugendstrafe vorliegend nur o-der erfolgversprechender durch eine Jugendstrafe von mehr als fünf Jahren erzielbar sein sollten.
3.
Der Senat hebt das Urteil daher im Ausspruch über die
Höhe der [X.] auf.
Die zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können daher bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann er-gänzende Feststellungen zu den erzieherischen Aspekten treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
4.
Entsprechend dem Antrag des [X.] hat der Senat im Hinblick auf das Anfrageverfahren zu §
8 Abs.
3 [X.] vom 11.
Juli 2019 (1
StR
467/18) von der Einziehung des Wertes von Taterträgen
abgesehen (§
421 Abs.
1 Nr.
3 StPO), um weitere Verzögerungen zu vermeiden.
5.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Zu Gunsten des Angeklagten ist bei der Strafzumessung auch der [X.] zu berücksichtigen, dass dieser im Rahmen der Tat 3 durch die polizeili-16
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21
-
8
-
che Vertrauensperson dazu veranlasst wurde, härtere

Betäubungsmittel ein-zuführen und damit Handel zu treiben, als dies bislang der Fall war; die Einwir-kung einer polizeilichen Vertrauensperson auf den Täter, die diesen in erhöhte [X.] verstrickt, ist bei der Strafzumessung in der Regel zu würdigen

gleichgültig,
ob sie sich in rechtsstaatlichem Rahmen gehalten oder ihn über-schritten hat (vgl. [X.], Beschluss vom 7.
Januar 1993

4
StR 607/92 Rn.
7; vgl. zudem [X.], Urteile
vom 4.
Juni 1992

4
StR 99/92 Rn. 13 und vom 6.
März
1992

2
StR 559/91 Rn. 13). Die vom [X.] insofern verwendete Formulierung, dass eine Vertrauensperson an der Tat beteiligt war, lässt [X.], dass es diesen Umstand nur unzureichend beachtet hat.

Raum

Bellay

Fischer

Bär

Pernice

Meta

1 StR 206/19

07.10.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.10.2019, Az. 1 StR 206/19 (REWIS RS 2019, 2943)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2943

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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