Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.01.2011, Az. I R 49/10

1. Senat | REWIS RS 2011, 10559

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Gegenstand

Besteuerungsrecht für Bezüge nach dem sog. Blockmodell im Rahmen der Altersteilzeit - Arbeitgeberzuschüsse zu französischer Krankenversicherung nicht steuerfrei


Leitsatz

1. Bezüge, welche ein in Frankreich ansässiger Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber für eine in Deutschland ausgeübte nichtselbständige Arbeit während der Freistellungsphase nach dem sog. Blockmodell im Rahmen der Altersteilzeit erhält, sind keine Ruhegehälter, sondern nachträglicher Arbeitslohn, der als solcher in Deutschland zu versteuern ist.

2. Freiwillige Zuschüsse zu einer Krankenversicherung, die ein inländischer Arbeitgeber an einen Arbeitnehmer für dessen Versicherung in der französischen gesetzlichen Krankversicherung ("CPAM") leistet, sind nicht nach § 3 Nr. 62 EStG 2002 steuerfrei (Anschluss an BFH-Urteile vom 18. Mai 2004 VI R 11/01, BFHE 206, 158, BStBl II 2004, 1014; vom 28. Mai 2009 VI R 27/06, BFHE 225, 377, BStBl II 2009, 857).

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) lebt seit 2002 in [X.]. Er war als Angestellter einer inländischen Aktiengesellschaft in [X.] tätig, mit welcher er eine Beschäftigung nach dem sog. Blockmodell gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes ([X.] 1996) vereinbart hatte. Die Arbeitsphase dauerte vom 1. November 2001 bis zum 31. Oktober 2004, die Freistellungsphase vom 1. November 2004 bis zum 31. Oktober 2007. Somit befand sich der Kläger im Streitjahr 2005 in der Freistellungsphase.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) unterwarf den Kläger auf dessen Antrag hin der sog. fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) und erfasste hierbei sowohl die vom Arbeitgeber im Streitjahr geleisteten Vergütungen als auch die von diesem erbrachten Zuschüsse zur Krankenversicherung des [X.] in der [X.] Caisse [X.] ([X.]) als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Der Kläger sah die Vergütung hingegen als Ruhegehalt an und begehrte hierfür die Steuerfreistellung nach Art. 13 Abs. 8 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik [X.] und der [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 ([X.] 1961, 398, BStBl I 1961, 343) in der Fassung des [X.] vom 20. Dezember 2001 ([X.] 2002, 2372, [X.], 892) --DBA-[X.]--. Die Arbeitgeberzuschüsse zur [X.] Krankenversicherung seien nach § 3 Nr. 62 EStG 2002 steuerfrei.

3

Die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 war erfolglos. Das Finanzgericht (FG) München wies sie mit Urteil vom 21. Mai 2010  8 K 3773/07 als unbegründet ab; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2010, 2096 veröffentlicht.

4

Seine Revision stützt der Kläger auf Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Einkommensteuerbescheid aufzuheben, hilfsweise, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um 2.003,94 € niedriger anzusetzen und die Einkommensteuer 2005 unter Abänderung des vorgenannten Bescheides entsprechend niedriger festzusetzen.

5

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision ist unbegründet.

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1. Der in [X.] wohnende und dort unbeschränkt steuerpflichtige Kläger hat beantragt, (auch) in [X.] nach § 1 Abs. 3 EStG 2002 als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden. Die Voraussetzungen dieser sog. fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht liegen nach den tatrichterlichen Feststellungen vor, und darüber wird unter den Beteiligten auch nicht gestritten.

8

2. Der Kläger ist hiernach (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz EStG 2002) mit seinen inländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die er für seinen inländischen Arbeitgeber erbracht hat, i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG 2002 unbeschränkt steuerpflichtig. Es handelt sich dabei um Einkünfte aus einer Arbeit (§ 19 EStG 2002), die im Inland ausgeübt wird oder worden ist. Dazu gehören auch diejenigen Beträge, die er im Rahmen der sog. Freistellungsphase nach Maßgabe der aufgrund des Altersteilzeitgesetzes in Anspruch genommenen Altersteilzeit im Streitjahr vereinnahmt hat. Dem [X.] wird zeitversetzt in der Freistellungsphase das ausgezahlt, was er in der Arbeitsphase erarbeitet hat bzw. was er an [X.] aufgrund seiner erbrachten Vollzeittätigkeit hätte beanspruchen können (vgl. [X.], Urteile vom 19. Januar 2010  9 [X.], Arbeitsrechtliche Praxis Nr. 3 zu § 4 [X.]; vom 4. Oktober 2005  9 [X.], [X.], 86).

9

3. Das [X.] nach innerstaatlichem Recht zustehende Besteuerungsrecht für jene Beträge wird nicht durch das [X.]-[X.] beschränkt.

a) Art. 13 Abs. 1 [X.]-[X.] bestimmt, dass Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nur in dem Vertragstaate besteuert werden können, in dem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrühren, ausgeübt wird. Der Kläger war bis zum 31. Oktober 2004 "aktiv" bei einem [X.] Arbeitgeber in [X.] tätig und hat dort seine Tätigkeit ausgeübt. Die ihm zugeflossenen Vergütungen im Rahmen der vereinbarten Altersteilzeit rühren insgesamt aus dieser Tätigkeit her. Dass sie zeitversetzt zu einem [X.]punkt ausbezahlt wurden, in dem die persönlich ausgeübte Tätigkeit als solche beendet war, ändert daran nichts. Auch bei nachträglich ausbezahltem Arbeitslohn handelt es sich um entsprechende Einkünfte. Das alles betrifft das Regelarbeitsentgelt ebenso wie den vom Arbeitgeber zusätzlich gezahlten sog. [X.] (vgl. dazu § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des [X.] 1996).

b) Gründe, die das Besteuerungsrecht unabhängig davon [X.] zuweisen, sind nicht ersichtlich.

aa) Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass jene Vergütungen nicht "für" die erbrachte Tätigkeit geleistet werden, sondern dafür, dass der Kläger sich mit der Altersteilzeit im sog. Blockmodell einverstanden erklärt und in der Freistellungsphase gerade keine persönliche Tätigkeit mehr ausgeübt hat. Legt man das Verständnis zugrunde, das der Senat in ständiger Spruchpraxis zu Art. 15 Abs. 1 des Musterabkommens der [X.] ([X.]) vertritt (z.B. Senatsurteile vom 2. September 2009 [X.]/08, [X.], 276, [X.], 387, sowie [X.]/08, [X.], 267, [X.], 394, m.w.N.), könnte es infolgedessen an der erforderlichen (engen) Kausalität zwischen Leistung und Gegenleistung innerhalb des Arbeitsverhältnisses mangeln (so wohl [X.] in [X.]/[X.], Doppelbesteuerung, Art. 18 [X.] Rz 19a). Im Einzelnen kann das im Streitfall aber unbeantwortet bleiben. Denn gleichviel, ob man die beschriebene Schlussfolgerung zieht, wäre sie für das hier anzuwendende [X.]-[X.] nicht maßgebend, weil hiernach --abweichend von Art. 15 Abs. 1 [X.] und insofern weiter gehend-- alle Einkünfte dem Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats zugewiesen werden, welche aus der betreffenden Tätigkeit herrühren. Die besagte Kausalitätsfrage stellt sich also nicht; eine Veranlassung durch die Tätigkeit im weiteren Sinne genügt.

bb) Gleichermaßen scheidet auch ein [X.] Besteuerungsrecht nach Art. 13 Abs. 8 [X.]-[X.] aus. Zwar steht das in Abs. 1 der Vorschrift angeordnete Besteuerungsrecht des [X.] --hier also [X.]s-- unter dem Vorbehalt "der nachstehenden Absätze", und nach Abs. 8 der Vorschrift können private Ruhegehälter und Leibrenten nur in dem Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Um derartige Ruhegehälter handelt es sich bei den Vergütungen, die in der sog. Freistellungsphase der Altersteilzeit gezahlt werden, jedoch nicht.

Welche Zahlungen als Ruhegehalt i.S. des Art. 13 Abs. 8 [X.]-[X.] gelten, bestimmt sich unbeschadet des Fehlens einer ausdrücklichen Begriffsdefinition nach Maßgabe eines abkommensautonomen Verständnisses und nicht nach innerstaatlichem Recht (Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2010 [X.]/09, abrufbar im [X.] unter www.bundesfinanzhof.de, dort im Hinblick auf Art. 19 [X.] 1971/1992, m.w.N.). Doch ändert das nichts daran, dass Ruhegehälter in erster Linie solche --vom Arbeitgeber aufgewendete-- Leistungen sind, welche der Versorgung des Arbeitnehmers dienen (vgl. z.B. [X.] in [X.]/ [X.]/[X.], [X.]-[X.]/[X.], Art. 18 Rz 9; [X.], [X.]/[X.], Art. 18 [X.] Rz 16). Dem dient die Vergütung für die vereinbarte Altersteilzeit indes in ihrer Gesamtheit nicht. Die Altersteilzeit geht vielmehr sowohl im kontinuierlichen als auch in dem hier interessierenden sog. Blockmodell dem eigentlichen Ruhestand voran. Die Freistellungsphase repräsentiert so gesehen eine Ausprägung der eigentlichen aktiven Tätigkeit, auch wenn sich diese Phase und der nachfolgende "richtige" Ruhestand für den betreffenden Arbeitnehmer in tatsächlicher Hinsicht nicht unterscheiden mögen. Letzteres ändert nichts daran, dass es sich ausschließlich um arbeitsvertraglich vereinbarte nachträgliche Bezüge als Gegenleistung für die aktive Tätigkeit handelt, nicht aber um arbeitsvertraglich für die [X.] nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausbedungene "Ruhegehälter" (im Ergebnis ebenso die Verwaltungspraxis, vgl. [X.], Schreiben vom 15. September 2006, [X.], 532, dort unter 6.7, sowie z.B. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., Art. 18 Rz 38; [X.]/[X.], Recht der [X.] 2002, 378; [X.] in juris Lexikon Steuerrecht, Arbeitslohn [X.], Rz 53).

4. Auch der vom (früheren) Arbeitgeber gezahlte Zuschuss zur Krankenversicherung ist als Arbeitslohn i.S. von § 19 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG 2002 (z.B. [X.] --[X.]--, Urteil vom 28. Mai 2009 [X.], [X.], 377, [X.], 857) beschränkt steuerpflichtig; er ist nicht gemäß § 3 Nr. 62 EStG 2002 steuerbefreit.

Danach sind Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers steuerfrei, soweit der Arbeitgeber hierzu nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften verpflichtet ist. Zur Zukunftssicherung gehört auch die Absicherung gegen Krankheit.

Eine derartige gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers zu Zahlungen an die Sozialversicherung bestand nach den von der Revision nicht angegriffenen und den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) Feststellungen des [X.] nach [X.] Recht im Streitjahr nicht, da der Kläger wegen Überschreitens der [X.] versicherungsfrei war (§ 257 Abs. 1 des [X.] [X.] --Gesetzliche Krankenversicherung-- [SGB V]). Allerdings war der Arbeitgeber solange gesetzlich zur Zahlung eines Zuschusses an den Kläger verpflichtet, wie dieser freiwillig in der [X.] gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist (§ 257 Abs. 1 SGB V). Diese freiwillige Versicherung hat der Kläger indes im April des Streitjahres aufgegeben und sich in der [X.] [X.] versichert; eine vergleichbare gesetzliche Verpflichtung für den Arbeitgeber zur Zahlung eines Zuschusses für die Versicherung in der [X.] [X.] besteht nicht. Dazu kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz zu der sozialversicherungsrechtlichen Lage verwiesen werden. Gleiches gilt für die unionsrechtliche Beurteilung, durch die das [X.] die einschlägigen Urteile des [X.] vom 18. Mai 2004 [X.] ([X.]E 206, 158, [X.], 1014) sowie in [X.], 377, [X.], 857 bestätigt hat.

Meta

I R 49/10

12.01.2011

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 21. Mai 2010, Az: 8 K 3773/07, Urteil

§ 1 Abs 3 EStG 2002, § 3 Nr 62 EStG 2002, § 19 EStG 2002, Art 13 Abs 1 DBA FRA, Art 13 Abs 8 DBA FRA, § 2 Abs 2 S 1 Nr 1 AltTZG 1996, § 3 Abs 1 Nr 1 Buchst a AltTZG 1996

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.01.2011, Az. I R 49/10 (REWIS RS 2011, 10559)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10559

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9 AZR 51/09

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