Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.07.2015, Az. IV ZR 273/13

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 7746

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 273/13
Verkündet am:

22. Juli 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende
Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] im schriftli-chen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 17.
Juni 2015 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil der 2.
Zi-vilkammer des [X.] vom 10.
Juli 2013 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert wird auf 4.950,43

festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d. [X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Kapitallebensversiche-rung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. [X.] mit [X.] zum 1.
November 1999 nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] a.[X.]) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts 1
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erhielt d. [X.] mit dem Versicherungsschein eine Verbraucherinformation nach §
10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes ([X.])
und
die [X.], die ebenso wie das [X.] eine Belehrung über das
Widerspruchsrecht gemäß §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.[X.]
enthielten. Mit Schreiben vom 1.
September 2010 erklärte d. [X.] "den Widerspruch gem. §
5a
[X.]
a.[X.] bzw. den Widerspruch nach §
8 [X.], bzw. den Widerruf nach §
355 BGB höchstvorsorglich die Anfech-tung nach §
119 I BGB, hilfsweise die Kündigung". Der Versicherer ak-zeptierte die Kündigung und zahlte den Rückkaufswert aus.

Mit der Klage verlangt d. [X.] -
soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung
-
Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten [X.] nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.].

Nach Auffassung d. [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des -
gegen Gemein-schaftsrecht verstoßenden
-
§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] habe der [X.] noch erklärt werden können.

Der Versicherer erhebt die Einrede der Verjährung.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

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I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe zwar d. [X.] nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt. Die [X.] in dem [X.] sei nicht in drucktech-nisch deutlicher Form erfolgt. Auch die zu §
3 der [X.] befindliche Beleh-rung sei drucktechnisch nicht (ausreichend) hervorgehoben. Der Vertrag sei aber gemäß § 5a Abs.
2 Satz 4 [X.] a.[X.] ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden.

[X.] Die Revision ist begründet.

1. Der -
mit der Revision allein weiterverfolgte
-
Anspruch auf Prä-mienrückzahlung folgt dem Grunde nach aus §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB.

a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der [X.] war -
ungeachtet des Ablaufs der in §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] normierten Jahresfrist
-
rechtzeitig.

aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden [X.] belehrte der Versicherer d. [X.] nicht ord-nungsgemäß in drucktechnisch deutlicher Form i.S. von §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.[X.] über das Widerspruchsrecht. Dafür genügt es entgegen der Auffassung der Revisonserwiderung nicht, dass die Widerspruchsbe-lehrung in dem Anschreiben etwas eingerückt ist.

Für einen solchen Fall bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten 8
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Prämie erlischt.
Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.], 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.] -
wie hier

nicht ordnungsgemäß über das Recht zum [X.] belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

bb) Die (hilfsweise
erklärte und später widerrufene) Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem Widerspruch nicht entgegen (vgl. [X.] vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
36 m.w.[X.]). Ein Erlöschen des [X.]srechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
37 m.w.[X.]). Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung hat d. [X.] das Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Versicherer schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er
die Situation selbst herbeigeführt hat, indem er d. [X.] keine ordnungsgemäße Widerspruchs-belehrung erteilte
(vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
39 m.w.[X.]).

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b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.[X.] sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
42-44).

Ein [X.] war bei Erhebung der Klage im Juli 2012 noch nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die maßgebliche regelmä-ßige dreijährige Verjährungsfrist des §
195 BGB nicht abgelaufen. Diese konnte erst mit Schluss des Jahres 2010 beginnen, da d. [X.] erst in [X.] den Widerspruch erklärte. Der nach einem Widerspruch
gemäß §
5a [X.] a.[X.] geltend gemachte Bereicherungsanspruch entstand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte d. [X.] Kenntnis von den an-spruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8.
April 2015 -
IV ZR 103/15, [X.], 865 Rn.
19
ff.).

3. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
45 m.w.[X.]).

Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-16
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weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
46).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.12.2012 -
20 [X.] -

LG [X.], Entscheidung
vom 10.07.2013 -
2 S 8/13 -

Meta

IV ZR 273/13

22.07.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.07.2015, Az. IV ZR 273/13 (REWIS RS 2015, 7746)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7746

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