Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 26.09.2018, Az. 7 ABR 77/16

7. Senat | REWIS RS 2018, 3392

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Gegenstand

Gesamtbetriebsrat - Freistellung - Auswahlentscheidung - Rechtsmittelbefugnis


Tenor

Die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 13. bis 16. gegen den Beschluss des [X.] vom 20. Juni 2016 - 16 [X.] - werden als unzulässig verworfen.

Auf die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats wird der genannte Beschluss des [X.] teilweise aufgehoben, soweit das [X.] den Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des [X.] vom 4. März 2015 - 17 [X.] - entsprochen hat.

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den genannten Beschluss des [X.] werden zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die Auswahlentscheidung über die vollständige Freistellung von [X.] von der Arbeitsleistung nach den Grundsätzen der Verhältniswahl vorzunehmen ist, wenn mehr als ein Wahlvorschlag vorliegt.

2

Der zu 11. beteiligte Gesamtbetriebsrat ist bei der zu 12. beteiligten Arbeitgeberin gebildet. Die Antragsteller (ursprünglich Beteiligte zu 1. bis 10., zuletzt noch Beteiligte zu 2., 5., 7. und 9.) und die Beteiligten zu 13. bis 16. sind Mitglieder des [X.].

3

Zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Arbeitgeberin besteht Einvernehmen darüber, dass aufgrund der umfangreichen Aufgaben des [X.] und der Unternehmensgröße die Freistellung von vier Mitgliedern des [X.] von der Arbeitsleistung erforderlich ist. Für die am 4. Juni 2014 erfolgte Auswahlentscheidung über die freizustellenden Mitglieder waren zwei Vorschlagslisten eingereicht worden. Bei der Abstimmung entfielen 14.257 Stimmen auf die Liste, auf der die Beteiligten zu 13. bis 16. kandidiert hatten, und 4.509 Stimmen auf die Liste, auf der sich die Antragsteller beworben hatten. Daraufhin stellte der Versammlungsleiter fest, dass die Beteiligten zu 13. bis 16. gewählt waren.

4

Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten, die Auswahlentscheidung über die vollständige Freistellung von [X.] müsse in entsprechender Anwendung von § 38 Abs. 2 [X.] nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchgeführt werden, wenn mehr als eine Vorschlagsliste vorliege. Das gebiete der Minderheitenschutz.

5

Die Antragsteller haben - soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung - beantragt,

        

den Gesamtbetriebsrat zu verpflichten, die Auswahlentscheidung über die vollständige Freistellung von [X.] von der Arbeitsleistung dann, wenn mehr als ein Wahlvorschlag vorliegt, nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchzuführen.

6

Der Gesamtbetriebsrat und die Beteiligten zu 13. bis 16. haben beantragt, den Antrag abzuweisen. Die Arbeitgeberin hat keinen Antrag gestellt.

7

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Auf die Beschwerden der Antragsteller hat das [X.] den erstinstanzlichen Beschluss, mit dem das Arbeitsgericht auch über weitere Streitgegenstände entschieden hatte, teilweise abgeändert und dem Antrag entsprochen. Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen der Gesamtbetriebsrat und die Beteiligten zu 13. bis 16. ihre Abweisungsanträge weiter.

8

Nach Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerden hat der Gesamtbetriebsrat am 5. Juni 2018 erneut durch Mehrheitsentscheidung die Beteiligten zu 13. bis 16. als freizustellende Mitglieder des [X.] bestimmt.

9

B. Die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 13. bis 16. sind unzulässig. Die Rechtsbeschwerde des beteiligten [X.] ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit das [X.] den Beschwerden der Antragsteller entsprochen hat, und insoweit zur Zurückweisung der Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts. Der in der Rechtsbeschwerde noch anhängige Antrag ist unbegründet.

I. Die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 13. bis 16. sind unzulässig. Die Beteiligten zu 13. bis 16. sind durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert und damit nicht rechtsbeschwerdebefugt.

1. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist und mit seinem Rechtsmittel gerade die Beseitigung dieser Beschwer begehrt. Die Rechtsmittelbefugnis im Beschlussverfahren folgt der [X.]. Deshalb ist nur rechtsbeschwerdebefugt, wer nach § 83 Abs. 3 ArbGG am Verfahren beteiligt ist ([X.] 17. April 2012 - 1 [X.] - Rn. 19 mwN, [X.]E 141, 110). Das ist eine Person oder Stelle, die durch die zu erwartende Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition unmittelbar betroffen wird. Fehlt die Rechtsbeschwerdebefugnis, ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen ([X.] 8. November 2011 - 1 [X.] - Rn. 12).

2. Danach sind die Beteiligten zu 13. bis 16. nicht rechtsbeschwerdebefugt. Die Beteiligten zu 13. bis 16., die am 4. Juni 2014 und 5. Juni 2018 als freizustellende Mitglieder des [X.] bestimmt wurden, sind durch die angefochtene Entscheidung darüber, ob der Gesamtbetriebsrat verpflichtet ist, die Auswahlentscheidung über die vollständige Freistellung von [X.] von der Arbeitsleistung nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchzuführen, wenn mehr als ein Wahlvorschlag vorliegt, nicht unmittelbar in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen. Ihre betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition hängt davon ab, ob sie bei einer konkreten Wahl oder Auswahlentscheidung wirksam zu freizustellenden Mitgliedern des [X.] gewählt oder bestimmt wurden, nicht jedoch von der von einer konkreten Wahl oder Auswahlentscheidung losgelösten Frage, nach welchen Grundsätzen eine Wahl durchzuführen oder eine Auswahlentscheidung zu treffen ist.

II. Die Rechtsbeschwerde des [X.] ist zulässig und begründet.

1. Die Rechtsbeschwerde des [X.] ist zulässig. Sie ist entgegen der Ansicht der Antragsteller ordnungsgemäß begründet.

a) Nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG muss die Rechtsbeschwerdebegründung angeben, welche rechtliche Bestimmung durch den angefochtenen Beschluss verletzt sein soll und worin diese Verletzung besteht. Dazu hat die Rechtsbeschwerdebegründung den Rechtsfehler des [X.]s so aufzuzeigen, dass Gegenstand und Richtung ihres Angriffs erkennbar sind. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Rechtsbeschwerdeführer muss darlegen, warum er die Begründung des [X.] für unrichtig hält (vgl. etwa [X.] 23. Februar 2016 - 1 [X.] - Rn. 19 mwN).

b) Die Rechtsbeschwerdebegründung wird diesen Anforderungen gerecht. Das [X.] hat angenommen, die Wahl der freizustellenden Mitglieder des [X.] sei in analoger Anwendung von § 38 Abs. 2 [X.] nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchzuführen, wenn mehr als ein Wahlvorschlag vorliegt. Der Gesamtbetriebsrat macht mit der Rechtsbeschwerde geltend, die Voraussetzungen einer analogen Anwendung von § 38 Abs. 2 [X.] lägen nicht vor. Die Freistellung von Mitgliedern des [X.] erfolge nach § 37 Abs. 2 [X.]; für eine analoge Anwendung des § 38 Abs. 2 [X.] sei angesichts der eindeutigen Regelung in § 51 Abs. 1 [X.] kein Raum. Damit zeigt der Gesamtbetriebsrat den aus seiner Sicht bestehenden Rechtsfehler des [X.]s auf. [X.] seine Argumentation zu, wäre die Rüge geeignet, die angefochtene Entscheidung insgesamt in Frage zu stellen.

2. Die Rechtsbeschwerde des [X.] ist begründet. Das [X.] hat dem Antrag, den Gesamtbetriebsrat zu verpflichten, die Auswahlentscheidung über die vollständige Freistellung von [X.] von der Arbeitsleistung nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchzuführen, wenn mehr als ein Wahlvorschlag vorliegt, zu Unrecht stattgegeben. Der Antrag ist zwar zulässig, aber unbegründet.

a) Der Antrag ist in der gebotenen Auslegung zulässig.

aa) Der Antrag ist trotz seiner Formulierung, die auf einen Leistungsantrag hindeutet, als Feststellungsantrag zu verstehen. Das Ziel der Antragsteller kann durch eine Feststellung der streitigen Verpflichtung erreicht werden. Ein dem Leistungsantrag stattgebender Titel wäre auf die Vornahme einer unvertretbaren Handlung gerichtet. Ein solcher Titel wäre gegenüber dem [X.] nicht vollstreckbar (vgl. zum Betriebsrat [X.] 28. Mai 2014 - 7 [X.] - Rn. 18, [X.]E 148, 182; 17. März 2010 - 7 [X.] - Rn. 27, [X.]E 133, 342) und hätte damit ebenfalls nur feststellenden Charakter. Dieses [X.] haben die Antragsteller in der mündlichen Anhörung vor dem Senat bestätigt.

[X.]) Mit diesem Inhalt ist der Antrag zulässig.

(1) Der Antrag erfüllt die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO.

(a) Der Antrag ist auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet, nämlich die Verpflichtung des [X.], die Auswahlentscheidung über die Freistellung von [X.] von der Arbeitsleistung nach den Grundsätzen der Verhältniswahl vorzunehmen, wenn mehr als ein Wahlvorschlag vorliegt. Ein Feststellungsantrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO muss sich nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken, sondern kann sich - wie hier - auch auf einzelne Verpflichtungen aus dem Rechtsverhältnis beschränken (vgl. etwa [X.] 15. Mai 2018 - 1 [X.] - Rn. 11; 25. Oktober 2017 - 7 [X.] 731/15 - Rn. 19 mwN).

(b) Für den Antrag besteht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, da die Antragsteller und der Gesamtbetriebsrat über das Verfahren bei der Bestimmung der freizustellenden Mitglieder des [X.] streiten und damit zu rechnen ist, dass sich diese Frage auch bei künftigen Auswahlentscheidungen über die Freistellung von [X.] stellen wird.

(2) Die Antragsteller sind antragsbefugt.

(a) Die Antragsbefugnis im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren setzt voraus, dass der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in einer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen sein kann. Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht und dies nicht von vornherein als aussichtslos erscheint. Einzelne Mitglieder des [X.] können gegenüber dem Gesamtbetriebsrat die Unwirksamkeit von Beschlüssen oder die Rechtswidrigkeit von Handlungen daher nicht unabhängig von einem Eingriff in eine eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition geltend machen (vgl. zur Antragsbefugnis von Betriebsratsmitgliedern [X.] 7. Juni 2016 - 1 [X.] - Rn. 16, [X.]E 155, 221).

(b) Die Antragsteller machen geltend, durch die Vornahme einer Freistellungswahl als Mehrheitswahl in ihren Rechten als Mitglieder einer Minderheit im Gesamtbetriebsrat verletzt zu sein. Der darin liegende Eingriff in eine eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition erscheint nicht von vornherein aussichtslos.

b) Der Antrag ist unbegründet. Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, dass der Gesamtbetriebsrat verpflichtet ist, die Wahl der freizustellenden Mitglieder des [X.] nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchzuführen, wenn mehr als ein Wahlvorschlag vorliegt. § 38 Abs. 2 [X.] findet auf die Bestimmung der freizustellenden Mitglieder des [X.] keine Anwendung.

aa) Die generelle (Teil-)Freistellung eines oder mehrerer Mitglieder des [X.] richtet sich nicht nach § 38 [X.], sondern nach § 37 Abs. 2 [X.].

(1) § 38 Abs. 1 [X.] ist auf den Gesamtbetriebsrat nicht anwendbar (allg. Ansicht, vgl. etwa [X.] 29. Aufl. § 51 Rn. 44; [X.] GK-[X.] 11. Aufl. § 38 Rn. 3; Annuß in [X.] [X.] 16. Aufl. § 51 Rn. 51). In § 51 Abs. 1 [X.], der für die Geschäftsführung des [X.] auf einzelne für den Betriebsrat geltende Vorschriften Bezug nimmt, fehlt eine Verweisung auf § 38 [X.]. Die [X.] in § 51 Abs. 1 [X.] sind abschließend. Sie können insbesondere nicht durch die allgemeine Bezugnahme auf Rechte und Pflichten des Betriebsrats wie in § 51 Abs. 5 [X.] erweitert werden (vgl. [X.] 11. November 2009 - 7 [X.] - Rn. 25, [X.]E 132, 232).

(2) Der Gesamtbetriebsrat kann jedoch einen eigenen Anspruch auf eine generelle (Teil-)Freistellung eines oder mehrerer seiner Mitglieder auf § 51 Abs. 1 iVm. § 37 Abs. 2 [X.] stützen, sofern er die Freistellung für die ordnungsgemäße Durchführung seiner Aufgaben für erforderlich halten darf (zum Konzernbetriebsrat vgl. [X.] 23. Mai 2018 - 7 [X.] - Rn. 26 ff.).

(a) Nach § 37 Abs. 2 [X.] sind die Mitglieder des Betriebsrats ohne Minderung des Arbeitsentgelts von ihrer Arbeitspflicht zu befreien, wenn und soweit dies zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Diese Vorschrift gewährt einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung in erster Linie für die Wahrnehmung von betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben im Einzelfall. Allerdings kann der Betriebsrat von dem Arbeitgeber auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 [X.] auf der Grundlage von § 37 Abs. 2 [X.] verlangen, eines oder mehrere seiner Mitglieder dauerhaft von der Arbeitspflicht zu befreien, sofern nach Art und Umfang des Betriebs die (zusätzliche) Freistellung zur ordnungsgemäßen Durchführung der dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben erforderlich ist ([X.] 12. Februar 1997 - 7 [X.] - zu B 1 der Gründe; 26. Juni 1996 - 7 [X.] - zu [X.] 2 a der Gründe, [X.]E 83, 234; 13. November 1991 - 7 [X.] - zu [X.] 1 der Gründe, [X.]E 69, 34). Dieser auf § 37 Abs. 2 [X.] gestützte Freistellungsanspruch kann sowohl über die Mindeststaffel des § 38 Abs. 1 [X.] hinausgehende Freistellungen als auch Freistellungen in Betrieben mit regelmäßig weniger als 200 Arbeitnehmern, für die § 38 Abs. 1 [X.] keine generellen Freistellungen vorsieht, rechtfertigen (vgl. [X.] 13. November 1991 - 7 [X.] - zu [X.] 1 der Gründe, aaO).

(b) Eine pauschale Freistellung nach § 37 Abs. 2 [X.] kann gemäß § 51 Abs. 1 [X.] auch der Gesamtbetriebsrat für seine Mitglieder geltend machen (zum Konzernbetriebsrat [X.] 23. Mai 2018 - 7 [X.] - Rn. 28).

(aa) Dafür spricht bereits der Gesetzeswortlaut. Nach § 51 Abs. 1 [X.] gilt § 37 Abs. 2 [X.] für den Gesamtbetriebsrat entsprechend. Daher können nach § 37 Abs. 2 [X.] - neben anlassbezogenen Arbeitsbefreiungen - vom Gesamtbetriebsrat auch generelle (Teil-)Freistellungen von [X.] beansprucht werden, sofern dies zur ordnungsgemäßen Durchführung seiner Aufgaben erforderlich ist (zum Konzernbetriebsrat [X.] 23. Mai 2018 - 7 [X.] - Rn. 29).

([X.]) Dem steht nicht entgegen, dass mangels Verweisung auf § 38 Abs. 1 [X.] in § 51 Abs. 1 [X.] für den Gesamtbetriebsrat die für den Betriebsrat in § 38 Abs. 1 [X.] geregelte generelle [X.] nicht gegeben ist. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass dem Gesamtbetriebsrat nach der gesetzlichen Konzeption ständige Freistellungen grundsätzlich - also auch auf der Grundlage von § 37 Abs. 2 [X.] - verwehrt sind. Vielmehr regelt die auch auf den Gesamtbetriebsrat und seine Mitglieder nach § 51 Abs. 1 [X.] anwendbare Norm des § 37 Abs. 2 [X.] den betriebsverfassungsrechtlichen Grundsatz zur Arbeitsbefreiung von Mandatsträgern, die für den Betriebsrat durch die Sonderregelung in § 38 Abs. 1 [X.] ergänzt wurde, wonach dem Betriebsrat in Abhängigkeit von der Belegschaftsstärke Freistellungen zugewiesen sind (vgl. [X.] 26. Juni 1996 - 7 [X.] - zu [X.] 2 a der Gründe, [X.]E 83, 234; 26. Juli 1989 - 7 [X.] - [X.]E 63, 1). Für die in § 38 Abs. 1 [X.] genannte Mindestzahl von Freistellungen wird aufgrund der Belegschaftsstärke des Betriebs unwiderleglich vermutet, dass diese zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben erforderlich sind. Zusätzliche Freistellungen können auf § 37 Abs. 2 [X.] gestützt werden. Dazu bedarf es der Darlegung der Erforderlichkeit (vgl. [X.] 26. Juli 1989 - 7 [X.] - zu [X.] 2 der Gründe, aaO). Damit regelt § 38 Abs. 1 [X.] nicht abschließend die pauschale Freistellung von Mandatsträgern. Die fehlende Verweisung auf § 38 Abs. 1 [X.] in § 51 Abs. 1 [X.] schließt auf § 37 Abs. 2 [X.] gestützte (Teil-)Freistellungen für den Gesamtbetriebsrat daher nicht aus (zum Konzernbetriebsrat vgl. [X.] 23. Mai 2018 - 7 [X.] - Rn. 30).

[X.]) Der Gesamtbetriebsrat entscheidet über die ggf. ständig freizustellenden Mitglieder nach § 51 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 [X.] durch Mehrheitsbeschluss. § 38 Abs. 2 [X.] findet auf die Bestimmung der freizustellenden Mitglieder des [X.] keine Anwendung.

(1) Nach § 38 Abs. 2 Satz 1 [X.] werden die freizustellenden Mitglieder des Betriebsrats nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Wird nur ein Wahlvorschlag gemacht, so erfolgt die Wahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl, § 38 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 [X.].

(2) Das in § 38 Abs. 2 [X.] geregelte Wahlverfahren findet aufgrund der fehlenden Verweisung in § 51 Abs. 1 [X.] auf § 38 [X.] auf die Freistellung von [X.] keine unmittelbare Anwendung.

(3) Entgegen der Auffassung des [X.]s ist § 38 Abs. 2 [X.] auf die Freistellung von Mitgliedern des [X.] auch nicht entsprechend anwendbar (vgl. [X.]/Glock [X.] 10. Aufl. § 51 Rn. 63; [X.]/[X.] Aufl. § 225 Rn. 78; [X.]/Franzen GK-[X.] 11. Aufl. § 51 Rn. 55; [X.] in [X.] [X.] 16. Aufl. § 51 Rn. 51; [X.] 29. Aufl. § 51 Rn. 44). Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift liegen nicht vor.

(a) Analoge Gesetzesanwendung setzt das Bestehen einer unbewussten Regelungslücke voraus. Hat sich der Gesetzgeber bewusst für die Regelung oder Nichtregelung eines bestimmten Sachverhalts entschieden, sind die Gerichte nicht befugt, sich über die gesetzgeberische Entscheidung durch eine Auslegung der Vorschrift hinwegzusetzen ([X.] 11. November 2009 - 7 [X.] - Rn. 22, [X.]E 132, 232). Eine unbewusste Regelungslücke kann durch die analoge Anwendung einer Vorschrift geschlossen werden, wenn der [X.] nicht erfasste, dh. gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt, wie die [X.] erfassten Fälle ([X.] 11. November 2009 - 7 [X.] - Rn. 22, aaO; 29. September 2004 - 1 [X.] - zu [X.]I 2 b der Gründe, [X.]E 112, 100).

(b) Nach diesen Grundsätzen kommt die entsprechende Anwendung von § 38 Abs. 2 [X.] auf die Bestimmung der nach § 37 Abs. 2 [X.] ständig freizustellenden Mitglieder des [X.] nicht in Betracht.

(aa) Das Fehlen einer Bezugnahme in § 51 Abs. 1 [X.] auf das in § 38 Abs. 2 [X.] geregelte Wahlverfahren stellt keine planwidrige Regelungslücke im Hinblick auf das Verfahren zur Bestimmung von nach § 37 Abs. 2 [X.] freizustellenden [X.] dar. Der Gesetzgeber hat für die Auswahl der freizustellenden Mitglieder des Betriebsrats in § 38 Abs. 2 [X.] ein Wahlverfahren vorgesehen, das nicht nur für die Wahl der nach § 38 Abs. 1 [X.] freizustellenden Betriebsratsmitglieder, sondern auch für die Wahl der nach § 37 Abs. 2 [X.] zusätzlich freizustellenden Mitglieder des Betriebsrats gilt (vgl. [X.] 20. April 2005 - 7 [X.] - zu [X.] 1 b der Gründe, [X.]E 114, 236). Dagegen hat der Gesetzgeber für den Gesamtbetriebsrat bewusst von einer Verweisung auf § 38 Abs. 2 [X.] abgesehen. Es kann nicht angenommen werden, er habe dabei den ggf. bestehenden Freistellungsanspruch des [X.] nach § 37 Abs. 2 [X.] übersehen und deshalb die Verweisung auf § 38 Abs. 2 [X.] unterlassen. Durch die fehlende Verweisung auf § 38 Abs. 2 [X.] ist die gesetzliche Regelung hinsichtlich der Verteilung der erforderlichen Freistellungen auf die [X.]mitglieder nicht unvollständig. Vielmehr hat der Gesamtbetriebsrat - soweit keine gesonderte Regelung besteht - nach § 51 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 [X.] durch Mehrheitsbeschluss zu entscheiden. In den Fällen, in denen der Gesetzgeber die Beachtung der Verhältniswahl für geboten hält, hat er dies ausdrücklich in die betreffende Norm aufgenommen (§ 27 Abs. 1 Satz 3, §§ 28, 38 Abs. 2 [X.]). Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass in den übrigen Fällen das Mehrheitsprinzip gilt ([X.] 21. Juli 2004 - 7 [X.] - zu [X.] 4 der Gründe, [X.]E 111, 269).

([X.]) Eine entsprechende Anwendung von § 38 Abs. 2 [X.] auf die Bestimmung der freizustellenden Mitglieder des [X.] ist auch nicht zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen erforderlich.

Die Einführung der Verhältniswahl bei der Freistellung von Mitgliedern des Betriebsrats nach § 38 Abs. 2 [X.] erfolgte durch das am 1. Januar 1989 in [X.] getretene Gesetz zur Änderung des [X.]es, über [X.] der leitenden Angestellten und zur Sicherung der [X.] ([X.]I 1988 S. 2312 ff.). Durch dieses Gesetz sollten, „um mehr Demokratie im betrieblichen Alltag zu verwirklichen“, die Minderheitenrechte im [X.] verstärkt, betrieblichen Minderheiten und kleineren Gewerkschaften der Zugang zur Betriebsratsarbeit erleichtert und für sie die Möglichkeiten zur aktiven Mitarbeit bei der täglichen Betriebsratsarbeit verbessert werden ([X.]. 11/2503 S. 23; vgl. dazu auch [X.] 25. April 2001 - 7 ABR 26/00 - zu [X.] 2 c aa (1) der Gründe, [X.]E 97, 340). Nach der Entwurfsbegründung zur Änderung von § 38 [X.] sollen auch bei Freistellungen die Interessen der Minderheit stärker berücksichtigt werden; die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder soll deshalb in der Regel nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgen, weil die Arbeitnehmer einer Minderheitengruppe ein erhebliches Interesse daran haben, unter den freigestellten Betriebsratsmitgliedern eine Person ihres Vertrauens zu finden ([X.]. 11/2503 S. 24).

Diese Erwägungen gelten nicht gleichermaßen für den Gesamtbetriebsrat. Bei der Bildung und der personellen Zusammensetzung des [X.] ist - anders als bei der Wahl des Betriebsrats - ein Minderheitenschutz nicht vorgesehen. Die Mitglieder des [X.] werden von den im Unternehmen bestehenden [X.] nach § 47 Abs. 2 [X.] durch [X.] mit einfacher Stimmenmehrheit nach § 33 Abs. 1 [X.] in den Gesamtbetriebsrat entsandt ([X.] 21. Juli 2004 - 7 [X.] - [X.]E 111, 269). Dabei findet keine Verhältniswahl statt. Diese ist auch nicht aus Gründen des [X.] geboten (vgl. [X.] 21. Juli 2004 - 7 [X.] - zu [X.] 5 der Gründe, aaO). Es ist dann folgerichtig, auch die Bestimmung der freizustellenden [X.]mitglieder nicht nach den Grundsätzen der Verhältniswahl vorzunehmen.

Dem steht nicht entgegen, dass die weiteren Mitglieder des [X.] gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 27 Abs. 1 Satz 3 [X.] nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu wählen sind ([X.] 21. Juli 2004 - 7 [X.] - zu [X.] 1 der Gründe, [X.]E 111, 276). Damit soll den einer Minderheitskoalition angehörenden Mitgliedern des [X.] eine Mitarbeit im [X.] ermöglicht werden. Diese Mitarbeit setzt eine generelle Freistellung nicht zwingend voraus. Der Regelung in § 51 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 27 Abs. 1 Satz 3 [X.] lässt sich kein allgemeines Prinzip des [X.] beim Zugang zur Arbeit des [X.] entnehmen. Der Minderheitenschutz ist auch kein allgemeines Prinzip der Betriebsverfassung ([X.] 21. Juli 2004 - 7 [X.] - zu [X.] 4 der Gründe, [X.]E 111, 269). Der in § 51 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 27 Abs. 1 Satz 3 [X.] vorgesehene Minderheitenschutz ist auf die Wahl der weiteren Mitglieder des [X.] beschränkt. Er gilt auch nicht für die Wahl der Mitglieder der anderen Ausschüsse des [X.] ([X.] 21. Juli 2004 - 7 [X.] - zu [X.] 1 b [X.] der Gründe, aaO).

([X.]) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass bei der Entscheidung über pauschale Freistellungen von [X.] nach § 37 Abs. 2 [X.] - anders als bei der Verteilung der Freistellungen auf die Betriebsratsmitglieder - durch das Gremium eine Erforderlichkeitsbeurteilung zu erfolgen hat, bei der regelmäßig sowohl Umstände der Aufgabenverteilung als auch Erwägungen zur personellen Verteilung der Freistellungen ineinandergreifen. Die-

ser Besonderheit bei der Bestimmung der freizustellenden Mitglieder des [X.] würde ein Wahlverfahren nicht gerecht.

        

    Gräfl    

        

    Waskow    

        

  M. Rennpferdt    

        

        

        

    Busch    

        

    H. Hansen    

                 

Meta

7 ABR 77/16

26.09.2018

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Frankfurt, 4. März 2015, Az: 17 BV 420/14, Beschluss

§ 38 Abs 1 BetrVG, § 38 Abs 2 BetrVG, § 37 Abs 2 BetrVG, § 51 Abs 1 BetrVG, § 51 Abs 3 S 1 BetrVG, § 51 Abs 3 S 2 BetrVG, § 83 Abs 3 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 26.09.2018, Az. 7 ABR 77/16 (REWIS RS 2018, 3392)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3392

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