Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.12.2023, Az. VI R 30/21

6. Senat | REWIS RS 2023, 10372

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Gegenstand

Zweitwohnungsteuer als Kosten der Unterkunft für eine doppelte Haushaltsführung


Leitsatz

Die Zweitwohnungsteuer ist Aufwand für die Nutzung der Unterkunft und unterfällt daher bei den Mehraufwendungen für die doppelte Haushaltsführung der Abzugsbeschränkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 26.11.2021 - 8 K 2143/21 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat ihren [X.] und Lebensmittelpunkt in [X.] In den Streitjahren (2018 und 2019) erzielte sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in [X.], wo sie seit dem [X.] eine Wohnung angemietet hat.

2

In ihrer Einkommensteuererklärung für 2018 machte die Klägerin bei den Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für die Unterkunft am Ort der ersten Tätigkeitsstätte in Höhe von 12.480 € sowie eine Zweitwohnungsteuer der Landeshauptstadt [X.] in Höhe von 896 € bei den sonstigen Aufwendungen für ihre doppelte Haushaltsführung geltend. In der Einkommensteuererklärung für 2019 begehrte sie neben den Kosten für die Unterkunft am Ort der ersten Tätigkeitsstätte in Höhe von 15.880 € die Berücksichtigung gezahlter Zweitwohnungsteuer in Höhe von 1.157 €.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) erkannte für die Streitjahre die Kosten der Unterkunft am Ort der ersten Tätigkeitsstätte in [X.] jeweils mit dem gesetzlichen Höchstbetrag von 12.000 € an. Die Zweitwohnungsteuer bei den sonstigen Aufwendungen im Rahmen der doppelten Haushaltsführung berücksichtigte das [X.] nicht.

4

Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das [X.] ([X.]) mit den in Entscheidungen der [X.]e (E[X.]) 2022, 322 veröffentlichten Gründen statt.

5

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

6

Es beantragt,
das [X.]-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Das [X.] ist dem Verfahren beigetreten. Einen Antrag hat es nicht gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die von der Klägerin in den Streitjahren gezahlte Zweitwohnungsteuer nicht zu den nur beschränkt abzugsfähigen Unterkunftskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG zählt.

1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG).

Die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung sind im Streitfall erfüllt; dies steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht in Streit. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Begründung ab.

2. Zu den notwendigen Mehraufwendungen, die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, zählen unter anderem die notwendigen Kosten der Unterkunft am Beschäftigungsort. Als Unterkunftskosten für eine doppelte Haushaltsführung können nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG im Inland die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft angesetzt werden, höchstens 1.000 € im Monat.

a) Zu den Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG, die (nur) mit dem Höchstbetrag von 1.000 € pro Monat abgezogen werden können, zählen alle Aufwendungen, die der Steuerpflichtige getragen hat, um die Unterkunft zu nutzen, soweit sie ihr einzeln zugeordnet werden können. Hat der Steuerpflichtige eine Wohnung angemietet, gehört zu diesen Aufwendungen zunächst die Bruttokaltmiete; bei einer Eigentumswohnung die Absetzung für Abnutzung ([X.]) auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten sowie die Zinsen für Fremdkapital, soweit sie auf den Zeitraum der Nutzung entfallen. Aber auch die (warmen und kalten) Betriebskosten einschließlich der Stromkosten gehören zu diesen Unterkunftskosten (so bereits Senatsbeschluss vom 12.07.2017 - VI R 42/15, [X.], 439, [X.] 2018, 13, Rz 8, zu § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a.F.; vgl. auch BTDrucks 17/10774, S. 13), da sie durch den Gebrauch der Unterkunft oder durch das ihre Nutzung ermöglichende Eigentum des Steuerpflichtigen an der Unterkunft entstehen (ausführlich Senatsurteil vom 04.04.2019 - VI R 18/17, [X.], 6, [X.], 449, Rz 24).

b) Dagegen gehören die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Haushaltsartikel und Einrichtungsgegenstände einschließlich [X.] nicht zu den Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG. Diese Aufwendungen trägt der Steuerpflichtige für die Anschaffung bestimmter Wirtschaftsgüter oder sie dienen, wie die [X.], der Verteilung der Anschaffungskosten auf die Nutzungsdauer der entsprechenden Wirtschaftsgüter (s. dazu Urteil des [X.] vom 05.12.1985 - IV R 112/85, [X.], 537, [X.] 1986, 390). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Steuerpflichtige die Wirtschaftsgüter in der Unterkunft nutzt. Die Nutzung der Einrichtungsgegenstände und der Haushaltsartikel ist nicht mit der Nutzung der Unterkunft als solcher gleichzusetzen (Senatsurteil vom 04.04.2019 - VI R 18/17, [X.], 6, [X.], 449, Rz 26).

3. Nach diesen Maßstäben hat das [X.] die Zweitwohnungsteuer zu Unrecht als sonstige notwendige Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung angesehen und sie ohne die Beschränkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG in voller Höhe zum Abzug zugelassen. Bei der (von der [X.] erhobenen) Zweitwohnungsteuer handelt es sich vielmehr um Unterkunftskosten im Sinne der Norm (ebenso [X.]/[X.]/[X.], § 9 EStG Rz 402; [X.] in Korn, § 9 EStG Rz 111.5; [X.] in [X.]/[X.], [X.] Steuerrecht, Stand [140. Lfg. 10.2023] § 9 EStG Rz 542; [X.], E[X.] 2022, 324; a.[X.] und [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 9 EStG Rz 498 "Unterkunftskosten"). Denn die Zweitwohnungsteuer stellt einen tatsächlichen Aufwand für die Nutzung der Unterkunft dar.

a) Gemäß § 1 der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der Landeshauptstadt [X.] vom 22.12.2006 (Zweitwohnungsteuersatzung --[X.]--) erhebt die [X.] eine Zweitwohnungsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet. Zweitwohnung ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] jede Wohnung, die [X.] als Nebenwohnung erfasst ist. Nebenwohnung ist jede weitere Wohnung, die ein Einwohner neben der Hauptwohnung hat (§ 21 Abs. 3 des Bundesmeldegesetzes).

Danach knüpft das Entstehen der Zweitwohnungsteuer maßgeblich an das Innehaben einer weiteren Wohnung in [X.] neben der Hauptwohnung und damit an die damit regelmäßig einhergehende Nutzung dieser Wohnung an. Die Steuer findet als örtliche Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a des Grundgesetzes (Beschluss des [X.] vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79, [X.] 65, 325, [X.] 1984, 72) ihre Rechtfertigung darin, dass das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ein Zustand ist, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln (Einkommen) erfordert und damit regelmäßig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des [X.] zum Ausdruck bringt (vgl. BVerfG-Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79, [X.] 65, 325, [X.] 1984, 72, unter B.I.3.c).

b) Zudem berechnet sich die Zweitwohnungsteuer nach dem jährlichen Mietaufwand (§ 4 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Dies ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] die Nettokaltmiete, die der Steuerpflichtige für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerpflicht für ein Jahr zu entrichten hätte ([X.]). Für Wohnungen, die im Eigentum des Steuerpflichtigen stehen oder die dem Steuerpflichtigen unentgeltlich oder zu einem Entgelt unterhalb der ortsüblichen Miete überlassen sind, ist die Nettokaltmiete in der ortsüblichen Höhe anzusetzen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 [X.]). Die Zweitwohnungsteuer stellt somit eine unmittelbar mit dem tatsächlichen Mietaufwand für die Zweitwohnung verbundene zusätzliche finanzielle Belastung für das Innehaben der Zweitwohnung dar.

c) Auch handelt es sich bei der [X.] als insbesondere bei Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Haushaltsartikel und [X.] um eine ratierlich anfallende Ausgabe, die von dem Höchstbetrag von 1.000 € pro Monat erfasst werden soll (hierzu Senatsurteil vom 04.04.2019 - VI R 18/17, [X.], 6, [X.], 449, Rz 28).

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

VI R 30/21

13.12.2023

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 26. November 2021, Az: 8 K 2143/21, Urteil

§ 9 Abs 1 S 3 Nr 5 EStG 2009, § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 S 4 EStG 2009, EStG VZ 2018, EStG VZ 2019

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.12.2023, Az. VI R 30/21 (REWIS RS 2023, 10372)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10372


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 8 K 2143/21

FG München, 8 K 2143/21, 26.11.2021.


Az. VI R 30/21

Bundesfinanzhof, VI R 30/21, 13.12.2023.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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