Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.04.2010, Az. VIII B 142/09

8. Senat | REWIS RS 2010, 7181

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde: materiellrechtliche Fehler, rechtliches Gehör, Verfahrensmangel


Leitsatz

1. NV: Die Rüge, das FG habe den Tatbestand unzutreffend gewürdigt, bezieht sich im Ergebnis auf die materielle Unrichtigkeit des finanzgerichtlichen Urteils. Auf falsche materielle Rechtsanwendung kann die Zulassung der Revision indes nicht gestützt werden.

2. NV: Eine Überraschungsentscheidung ist nur anzunehmen, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht rechnen musste.

3. NV: Die --unterstellt-- fehlerhafte Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften durch das FA im Besteuerungsverfahren oder im Einspruchsverfahren ist kein Verfahrensmangel im revisionsrechtlichen Sinn.

Gründe

1

1. Von der Darstellung des Tatbestandes sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) ab.

2

2. Die Beschwerde ist unbegründet. [X.] von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des [X.] ([X.]) zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Ebenso wenig ist ein Verfahrensmangel gegeben, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

3

a) Das Finanzgericht ([X.]) hat sich in seiner Entscheidung unter Bezugnahme auf die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob die an den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgrund der Vereinbarung vom 15. Mai 1998 gezahlten Gelder als Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu bewerten waren. Mit der Begründung, die Zahlungen seien zur Abgeltung bereits erdienter Ansprüche erfolgt und die Vereinbarung vom 15. Mai 1998 enthalte --entgegen dem ursprünglichen Wunsch des [X.] gerade nicht die Formulierung "Entschädigung", hat das [X.] eine solche letztlich verneint. Indem sich die Kläger gegen diese Würdigung des [X.] wenden, [X.] sie im Ergebnis die materielle Unrichtigkeit des finanzgerichtlichen Urteils. Auf falsche materielle Rechtsanwendung kann die Zulassung der Revision indes nicht gestützt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 28. April 2003 [X.]/02, [X.]/NV 2003, 1336; vom 23. Juni 2003 IX [X.]/02, [X.]/NV 2003, 1289).

4

b) In dieser Würdigung des [X.] liegt auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 [X.]O) aufgrund einer Überraschungsentscheidung. Eine solche ist nur anzunehmen, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht rechnen musste (Beschluss des [X.] vom 29. Mai 1991  1 BvR 1383/90, [X.] 84, 188; [X.]-Urteil vom 17. Februar 1998 VIII R 28/95, [X.]E 186, 29, [X.] 1998, 505; [X.]-Beschlüsse vom 1. Juli 1998 [X.]/97, [X.]/NV 1998, 1511; vom 14. Juni 1999 [X.], [X.]/NV 1999, 1609; Senatsurteil vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, [X.]/NV 2000, 978). Im Streitfall ist eine Überraschungsentscheidung bereits deshalb zu verneinen, weil es nach der Begründung des [X.]-Urteils auf die genaue Höhe der bis zur Vereinbarung vom 15. Mai 1998 fälligen Ansprüche des [X.] schon deshalb nicht entscheidend ankam, weil nach dem eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung vom 15. Mai 1998 die Zahlung von 225.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer "alle offenen" Ansprüche des [X.] abdecken sollte. Aufgrund dieser Vertragsformulierung ist die Vertragsauslegung des [X.] jedenfalls vertretbar und für die Beteiligten nicht überraschend. Das gilt umso mehr, als auch der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) in seinen im Klageverfahren eingereichten Schriftsätzen im Zusammenhang mit den an den Kläger erfolgten Zahlungen mehrfach auf die Problematik "Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1a EStG" eingegangen ist und auch die Berichterstatterin des [X.] in ihrem Schreiben an den Kläger vom 26. März 2009 dieses Thema aufgegriffen hat.

5

c) Ein Verfahrensmangel gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O ist auch im Hinblick auf die Anwendung des § 177 der Abgabenordnung ([X.]) nicht gegeben. Die --unterstellt-- fehlerhafte Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften durch das [X.] im [X.] oder im Einspruchsverfahren ist kein Verfahrensmangel im revisionsrechtlichen Sinn (s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 77, m.w.N.). Das [X.] hat sich unter Nr. 5 der Entscheidungsgründe detailliert mit der Anwendung des § 177 [X.] befasst und ist nach Abs. 3 der Vorschrift zu dem Ergebnis gekommen, eine Saldierung sei bis zur Grenze der Steuerermäßigung durch § 34 Abs. 3 EStG vorzunehmen. Wenn die Kläger sich dagegen wenden, [X.] sie letztlich eine fehlerhafte materielle Rechtsanwendung. Wie vorstehend bereits ausgeführt, kann die Zulassung der Revision darauf nicht gestützt werden.

6

d) Weshalb der Rechtsstreit eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung haben sollte, ist nicht erkennbar.

Meta

VIII B 142/09

27.04.2010

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 4. Juni 2009, Az: 2 K 1259/04, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 119 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.04.2010, Az. VIII B 142/09 (REWIS RS 2010, 7181)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7181

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII B 110/11 (Bundesfinanzhof)

(Überraschungsentscheidung, Anwendung von § 4 Abs. 4a EStG)


VI B 14/15 (Bundesfinanzhof)

(Inhaltsgleich mit BFH-Beschluss vom 31.08.2015 VI B 13/15 - Keine notwendige Beiladung bei Lohnsteuer-Außenprüfung - …


VIII B 66/11 (Bundesfinanzhof)

NZB: grundsätzliche Bedeutung; private Pkw-Nutzung


VIII B 14/10 (Bundesfinanzhof)

Nichtzulassungsbeschwerde - Recht auf Gehör - Überraschungsentscheidung


VI B 13/15 (Bundesfinanzhof)

Keine notwendige Beiladung bei Lohnsteuer-Außenprüfung - Zeitlich begrenzte Gewährung von Akteneinsicht "in letzter Minute" - …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.