Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.03.2010, Az. 1 AZR 832/08

1. Senat | REWIS RS 2010, 8177

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialplan - Ungleichbehandlung wegen des Alters


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 22. August 2008 - 10 [X.]/08 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

<[X.]iv class="st-wrapper">

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">1 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

Die Parteien streiten über [X.]ie Höhe einer Sozialplanabfin[X.]ung.

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">2 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

Der im Juli 1946 geborene Kläger war vom 24. Mai 1965 bis zum 30. November 2007 bei [X.]er [X.] zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 3.160,39 Euro beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis en[X.]ete aufgrun[X.] einer betriebsbe[X.]ingten Kün[X.]igung [X.]er [X.] wegen einer Betriebsstilllegung.

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">3 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

Die Beklagte un[X.] [X.]er Betriebsrat schlossen am 23. März 2007 einen Interessenausgleich un[X.] einen Sozialplan für [X.]ie von [X.]er Betriebsstilllegung betroffenen Arbeitnehmer. Nach Ziff. 2 [X.]es Interessenausgleichs sollten [X.]eren Arbeitsverhältnisse [X.]urch eine nach [X.]em 1. April 2007 ausgesprochene betriebsbe[X.]ingte Kün[X.]igung unter Einhaltung [X.]er gesetzlichen un[X.] einzelvertraglichen Fristen o[X.]er [X.]urch Aufhebungsvertrag been[X.]et wer[X.]en. Der Sozialplan enthält unter Ziff. 3 Buchst. c un[X.] [X.] folgen[X.]e Regelungen:

        

c)     

Abfin[X.]ungsformel

                

Anspruchsberechtigte Mitarbeiterinnen un[X.] Mitarbeiter haben einen Anspruch auf eine in[X.]ivi[X.]uell berechnete Abfin[X.]ung, [X.]ie sich nach [X.]er folgen[X.]en Formel berechnet:

                

Lebensalter x Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsentgelt

                

X       

                

Der Faktor ‚X’ wir[X.] wie folgt bestimmt:

                

Die Gesellschaft stellt für [X.]iesen Sozialplan eine Summe zur Verfügung, welche [X.]ie Einigungsstelle [X.]urch Spruch festlegen soll.

                

Die Betriebspartner legen gemeinsam [X.]ie Zahl [X.]er Mitarbeiter un[X.] Mitarbeiterinnen fest, welche nach [X.]en Regeln [X.]ieses Sozialplans anspruchsberechtigt sin[X.].

                

Danach errechnen sie gemeinsam [X.]ie Summe [X.]er Zahlungen nach Ziffer 3 e [X.]ieses Sozialplans.

                

Diese Summe ziehen sie von [X.]er [X.]urch Spruch [X.]er Einigungsstelle festgesetzten Gesamt[X.]otierung ab un[X.] errechnen so[X.]ann gemeinsam [X.]en sich nunmehr ergeben[X.]en Divisor bis zur ersten Stelle hinter [X.]em Komma, wobei [X.]ie zweite Stelle kaufmännisch auf- o[X.]er abgerun[X.]et wir[X.]. Danach wir[X.] [X.]iese Zahl in [X.]ie obige Formel anstelle [X.]es Buchstabens ,X’ eingesetzt.

                

…       

        

[X.])       

Abfin[X.]ung für ältere Mitarbeiterinnen un[X.] Mitarbeiter un[X.] bei außeror[X.]entlicher Eigenkün[X.]igung

                

Die Abfin[X.]ung nach Ziffer 3c vermin[X.]ert sich für Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen nach Vollen[X.]ung [X.]es 60. Lebensjahres für je[X.]en weiteren Monat um 1/60stel. Stichtag ist [X.]er letzte Tag [X.]es rechtlichen Bestan[X.]es [X.]es Arbeitsverhältnisses.

                

…“   

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">4 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

Der Gesamtbetrag für [X.]ie Abfin[X.]ungen wur[X.]e [X.]urch einen Spruch [X.]er Einigungsstelle auf 4,55 Mio. Euro festgesetzt.

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">5 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

Die Beklagte zahlte [X.]em Kläger, [X.]er zum Zeitpunkt seines Ausschei[X.]ens 61 Jahre un[X.] 5 Monate alt war, einen Abfin[X.]ungsbetrag von 113.017,66 Euro. Der sich aus [X.]er Ziff. 3 Buchst. [X.] Satz 1 [X.]es Sozialplans ergeben[X.]e Kürzungsbetrag betrug beim Kläger rechnerisch 43.495,36 Euro.

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">6 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

Mit [X.]er am 29. November 2007 erhobenen Klage hat [X.]er Kläger eine weitere Abfin[X.]ung in Höhe [X.]es [X.] begehrt. Er hat gemeint, [X.]ie Regelung in Ziff. 3 Buchst. [X.] Satz 1 [X.]es Sozialplans sei unwirksam, [X.]a sie eine unzulässige Ungleichbehan[X.]lung aufgrun[X.] [X.]es Alters enthalte.

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">7 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

Der Kläger hat beantragt,

        

[X.]ie Beklagte zu verurteilen, an [X.]en Kläger 43.495,49 Euro nebst 5 % Zinsen über [X.]em Basiszinssatz seit [X.]em 29. November 2007 zu zahlen.

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">8 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

Die Beklagte hat beantragt, [X.]ie Klage abzuweisen.

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">9 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

Das Arbeitsgericht hat [X.]ie Klage abgewiesen. Das Lan[X.]esarbeitsgericht hat [X.]ie Berufung [X.]es [X.] zurückgewiesen. Mit [X.]er Revision verfolgt [X.]ieser seinen [X.] weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte weitere Abfindungsanspruch nicht zu.

I. Die Beklagte hat die sich aus dem Sozialplan vom 23. März 2007 ergebenden Ansprüche des [X.] erfüllt. Seine Abfindung beträgt nach Ziff. 3 Buchst. c des Sozialplans 153.513,02 Euro. Hinzu kommen weitere 3.000,00 Euro als Ausgleich für den beim Kläger festgestellten Grad der Behinderung. Nach der für ältere Arbeitnehmer geltenden Kürzungsbestimmung in Ziff. 3 Buchst. d Satz 1 des Sozialplans ermäßigt sich die Abfindung um 43.495,36 Euro auf 113.017,66 Euro. Diesen Betrag hat der Kläger erhalten.

II. Der Kläger hat keinen weitergehenden Abfindungsanspruch aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz(§ 75 Abs. 1 [X.]). Ziff. 3 Buchst. d Satz 1 des Sozialplans, der eine Kürzung der nach Ziff. 3 Buchst. c berechneten [X.] von Arbeitnehmern vorsieht, die zum [X.]punkt des Ausscheidens aus dem Betrieb das 60. Lebensjahr vollendet haben, ist wirksam. Die unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung dieser [X.] ist nach § 10 Satz 3 Nr. 6, Satz 2 [X.] in der ab dem 12. Dezember 2006 geltenden Fassung zulässig.

1. Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Diese sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht wie insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sind.

a) Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 [X.] darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 [X.] enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 [X.] geregelten [X.] in § 75 Abs. 1 [X.] übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 [X.] genannten Grund ist daher nur unter den im [X.] normierten Voraussetzungen zulässig. Sind diese erfüllt, ist auch der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt.

b) Nach § 7 Abs. 1 [X.] dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 [X.] genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 [X.] unwirksam. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 [X.]. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 [X.] genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung kann aber nach § 10 [X.] unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig sein. § 10 Satz 1 und 2 [X.] gestatten die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

c) Nach § 10 Satz 3 Nr. 6 [X.] können die Betriebsparteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen, in der sie die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigen, oder auch Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausschließen, weil diese, gegebenenfalls nach Bezug von [X.], rentenberechtigt sind. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber den Betriebsparteien einen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum eröffnet, der es ihnen unter den in der Vorschrift bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, das Lebensalter als Bemessungskriterium für die Sozialplanabfindung heranzuziehen.

aa) Die den Betriebsparteien in § 10 Satz 3 Nr. 6 2. Alt. [X.] eingeräumte Möglichkeit, ältere Arbeitnehmer unter den dort genannten Voraussetzungen von Sozialplanleistungen auszuschließen, verstößt nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung im Recht der [X.]. Die nationale Regelung ist iSv. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/[X.] vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf(Richtlinie 2000/78/[X.]) durch ein im Allgemeininteresse liegendes sozialpolitisches Ziel des [X.] Gesetzgebers gerechtfertigt. Dieser wollte es den Betriebsparteien entsprechend dem zukunftsgerichteten Entschädigungscharakter von Sozialplanleistungen ermöglichen, diese bei „rentennahen“ Arbeitnehmern stärker an den tatsächlich eintretenden wirtschaftlichen Nachteilen zu orientieren, die ihnen durch den bevorstehenden Arbeitsplatzverlust und eine darauf zurückgehende Arbeitslosigkeit drohen. Durch diese Gestaltungsmöglichkeit kann das Anwachsen der Abfindungshöhe, das mit der Verwendung der Parameter Betriebszugehörigkeit und/oder Lebensalter bei der Bemessung der Abfindung zwangsläufig verbunden ist, bei abnehmender Schutzbedürftigkeit im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit begrenzt werden ( vgl. dazu die ausführliche Begründung in [X.] 26. Mai 2009 - 1 [X.] - Rn. 33 bis 40 sowie Rn. 48 f., [X.] [X.] 1972 § 112 Nr. 200 = EzA [X.] 2001 § 112 Nr. 31).

bb) Nach der Rechtsprechung des Senats sind die zur Beurteilung der Zulässigkeit von § 10 Satz 3 Nr. 6 [X.] heranzuziehenden Grundsätze zum Verständnis und zur Anwendung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/[X.] offenkundig, jedenfalls aber durch die jüngere Rechtsprechung des [X.](22. November 2005 - [X.]/04 - [Mangold] Slg. 2005, [X.]; 16. Oktober 2007 - [X.]/05 - [[X.]. 2007, [X.]; 5. März 2009 - [X.]/07 - [Age Concern England] NZA 2009, 305) geklärt, so dass ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 Abs. 3 [X.]V (nunmehr: Art. 267 Abs. 3 AEUV) nicht geboten ist (26. Mai 2009 - 1 [X.] - Rn. 41, [X.] [X.] 1972 § 112 Nr. 200 = EzA [X.] 2001 § 112 Nr. 31). Die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens zur Durchführung eines [X.] ist entgegen der Ansicht des [X.] auch nicht durch das Urteil des [X.] zur Nichtberücksichtigung von Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr bei der Berechnung der gesetzlichen Kündigungsfrist in § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB veranlasst (19. Januar 2010 - [X.]/07 - [[X.]] NZA 2010, 85). In dieser Entscheidung hat der Gerichtshof lediglich seine vom Senat bereits berücksichtigten Grundsätze zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters auf die Regelung in § 622 Abs. 2 BGB fallbezogen angewandt (19. Januar 2010 - [X.]/07 - [[X.]] Rn. 33 bis 43, aaO).

d) § 10 Satz 3 Nr. 6 [X.] erfasst nach seinem Wortlaut nur den Ausschluss von älteren Arbeitnehmern, die entweder unmittelbar nach dem Ausscheiden oder im [X.] an den Bezug von [X.] durch den Bezug einer Altersrente wirtschaftlich abgesichert sind. Die Vorschrift ist gleichermaßen anwendbar, wenn die betroffenen Arbeitnehmer zwar nicht unmittelbar nach dem Bezug von [X.] rentenberechtigt sind, die Abfindung aber ausreichend bemessen ist, um die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen, die sie in der [X.] nach der Erfüllung ihres Arbeitslosengeldanspruchs bis zum frühestmöglichen Bezug einer Altersrente erleiden. Dies ist stets der Fall, wenn die Abfindungshöhe für diesen [X.]raum den Betrag der zuletzt bezogenen Arbeitsvergütung erreicht. Die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer sind dann wirtschaftlich so gestellt, als wäre das Arbeitsverhältnis bis zu dem [X.]punkt fortgesetzt worden, in dem sie nach dem Bezug von [X.] nahtlos eine Altersrente beziehen können.

e) § 10 Satz 3 Nr. 6 [X.] ermöglicht danach den Betriebsparteien unter den dort bestimmten Voraussetzungen eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung in einem Sozialplan. Die Vorschrift bestimmt aber nur das legitime Ziel iSv. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/[X.] und eröffnet den Betriebsparteien einen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum. Dessen Ausgestaltung unterliegt noch einer weiteren Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 10 Satz 2 [X.]. Die von den Betriebsparteien gewählte Sozialplangestaltung muss geeignet sein, das mit § 10 Satz 3 Nr. 6 [X.] verfolgte Ziel tatsächlich zu fördern und darf die Interessen der benachteiligten ([X.] nicht unverhältnismäßig stark vernachlässigen.

2. Danach verstößt die [X.] in Ziff. 3 Buchst. d Satz 1 des Sozialplans nicht gegen das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 [X.].

a) Die Regelungen des Sozialplans vom 23. März 2007 sind nach dem am 18. August 2006 in [X.] getretenen [X.] idF des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006(BGBl. I S. 2742) und nach § 75 Abs. 1 [X.] in der seit dem 18. August 2006 geltenden Fassung zu beurteilen.

b) Ziff. 3 Buchst. d Satz 1 des Sozialplans führt zu einer unmittelbar auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlung. Von der Kürzung der nach Ziff. 3 Buchst. c des Sozialplans berechneten Abfindung sind nur Arbeitnehmer betroffen, die zum [X.]punkt der Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse das 60. Lebensjahr vollendet haben.

c) Die Voraussetzungen des § 10 Satz 3 Nr. 6 [X.] liegen vor.

aa) Nach Ziff. 2 des Interessenausgleichs vom 23. März 2007 konnte die Beklagte betriebsbedingte Kündigungen erst nach dem 1. April 2007 aussprechen. Unter Berücksichtigung der längsten gesetzlichen Kündigungsfrist hätte eine solche Kündigung die in Betracht kommenden Arbeitsverhältnisse zum Ablauf des 30. November 2007 beendet. Von der [X.] in Ziff. 3 Buchst. d Satz 1 des Sozialplans waren danach nur Arbeitnehmer betroffen, die im November 1947 oder früher geboren worden sind.

bb) Die bis einschließlich Juni 1947 geborenen Arbeitnehmer, zu denen auch der Kläger zählt, konnten bei einem Ausscheiden am 30. November 2007 nach dem Bezug von [X.] nahtlos eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit beziehen. Nach § 237 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB VI iVm. der Anlage 19 liegt das Alter für die vorzeitige Inanspruchnahme einer solchen Altersrente für bis zum Juni 1947 geborene Personen bei 61 Jahren und 6 Monaten oder darunter. Bis zum Erreichen des frühestmöglichen Renteneintrittsalters war diese [X.] durch den Bezug von [X.] abgesichert. Die Anspruchsdauer für Arbeitslose, die bei der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld das 55. Lebensjahr vollendet hatten, betrug nach einer Dauer des [X.] von 36 Monaten 18 Monate(§ 127 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 SGB III idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 [[X.]. I S. 3002]).

cc) Die zwischen Juli und November 1947 geborenen Arbeitnehmer konnten eine vorzeitige Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zwar erst mit 61 Jahren und sieben bzw. elf Monaten in Anspruch nehmen. Ihre Einbeziehung in die [X.] in Ziff. 3 Buchst. d Satz 1 des Sozialplans ist aber gleichermaßen nach § 10 Satz 3 Nr. 6 [X.] zulässig. Die Betriebsparteien konnten nach der Berechnungsformel für die Abfindungen, die sich an den Faktoren Betriebszugehörigkeit, Lebensalter sowie Bruttomonatsverdienst orientiert, und dem von der Einigungsstelle festgesetzten Sozialplanvolumen davon ausgehen, dass die für diese Beschäftigtengruppe zur Verfügung stehenden [X.] ausreichend bemessen waren, um die wirtschaftlichen Nachteile, die diese nach dem Bezug des Arbeitslosengeldes I und der vorzeitigen Inanspruchnahmemöglichkeit einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erleiden würden, vollständig auszugleichen. Die Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit und des Lebensalters führte zu einem überproportionalen Ansteigen der Abfindungshöhe bei älteren Arbeitnehmern mit längerer Betriebszugehörigkeit. Überdies mussten die nach dem Juni 1947 geborenen und von der [X.] betroffenen Arbeitnehmer lediglich einen Abschlag zwischen 1/60 und 5/60 von der nach Ziff. 3 Buchst. c des Sozialplans ermittelten Abfindung hinnehmen.

d) Die [X.] in § 3 Buchst. d Satz 1 des Sozialplans ist angemessen und erforderlich iSd. § 10 Satz 2 [X.].

aa) Nach der Senatsrechtsprechung haben Sozialpläne eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Geldleistungen in Form einer Abfindung stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar, sondern sollen die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlustes ausgleichen oder zumindest abmildern. Die Betriebsparteien können diese Nachteile aufgrund ihres Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums in typisierter und pauschalierter Form ausgleichen(26. Mai 2009 - 1 [X.] - Rn. 23, [X.] [X.] 1972 § 112 Nr. 200 = EzA [X.] 2001 § 112 Nr. 31). Dazu können sie die übermäßige Begünstigung, die ältere Beschäftigte mit langjähriger Betriebszugehörigkeit bei einer am Lebensalter und an der Betriebszugehörigkeit orientierten Abfindungsberechnung erfahren, durch eine Kürzung für rentennahe Jahrgänge zurückführen, um eine aus Sicht der Betriebsparteien verteilungsgerechte Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Betriebsänderung zu ermöglichen.

bb) Die in Ziff. 3 Buchst. c des Sozialplans vereinbarte Abfindungsformel führt zu einer überproportionalen Begünstigung von älteren Arbeitnehmern mit längeren Beschäftigungszeiten. Eine Kürzung der mit dem Alter und der Betriebszugehörigkeit ansteigenden [X.] war aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit geboten. Bei den rentennahen Jahrgängen war absehbar, dass diese bei fortbestehender Arbeitslosigkeit nach dem Bezug von [X.] durch den Bezug einer vorgezogenen Altersrente weitgehend wirtschaftlich abgesichert waren. Von einer vergleichbaren Absicherung konnten die Betriebsparteien bei den rentenfernen Jahrgängen nicht ausgehen. Entgegen der Auffassung des [X.] hält es sich auch im Rahmen des den Betriebsparteien zustehenden Gestaltungsspielraums, wenn sie die Abfindung nach Ziff. 3 Buchst. c des Sozialplans bei Arbeitnehmern, die im unmittelbaren [X.] an die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine [X.]beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufnehmen, nicht gleichermaßen einer Kürzung unterworfen haben. Denn auch dieser Personenkreis verliert seine bisherige kündigungsschutzrechtliche Stellung und gehört bei künftigen Personalreduzierungen regelmäßig zu den Arbeitnehmern, die wegen ihrer kurzen Betriebszugehörigkeit vorrangig entlassen werden.

cc) Die Interessen der älteren Arbeitnehmer sind bei der Ausgestaltung der [X.] in Ziff. 3 Buchst. d Satz 1 des Sozialplans genügend beachtet worden. Die Betriebsparteien haben die über 59-jährigen Arbeitnehmer nicht von Sozialplanleistungen ausgeschlossen, sondern nur Abschläge von der nach Ziff. 3 Buchst. c des Sozialplans berechneten Abfindung vorgesehen. Sie haben keinen Systemwechsel bei der Bemessung der Sozialplanabfindung vorgenommen und die mit Stichtagsregelungen regelmäßig verbundenen Härten weitgehend vermieden. Die [X.] orientiert sich entsprechend dem von § 10 Satz 3 Nr. 6 [X.] verfolgten Zweck an dem [X.]punkt, in dem die entlassenen Arbeitnehmer eine Regelaltersrente (§ 35 SGB VI idF der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 [BGBl. I S. 754]) beanspruchen können, durch deren Bezug sie wirtschaftlich abgesichert sind. Die Abschläge betragen 1/60 für jeden Monat nach der Vollendung des 60. Lebensjahres, so dass nur Arbeitnehmer, die im Monat ihres Ausscheidens das 65. Lebensjahr vollenden, keine Abfindung erhalten. Die wirtschaftlichen Nachteile der übrigen von der [X.] betroffenen Arbeitnehmer werden aufgrund ihrer überproportionalen Begünstigung durch die verwandte Abfindungsformel und der moderat bemessenen Abschläge durch den Sozialplan in nicht zu beanstandender Weise abgemildert oder im Einzelfall sogar vollständig ausgeglichen.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Münzer    

        

    [X.]    

                 

Meta

1 AZR 832/08

23.03.2010

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Wesel, 14. Februar 2008, Az: 5 Ca 3251/07, Urteil

§ 75 Abs 1 BetrVG, § 3 Abs 1 AGG, § 7 Abs 1 AGG, § 10 S 3 Nr 6 Alt 2 AGG, § 237 Abs 3 SGB 6 vom 19.12.2002, § 10 S 2 AGG, Art 6 Abs 1 S 1 EGRL 78/2000

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.03.2010, Az. 1 AZR 832/08 (REWIS RS 2010, 8177)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8177

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 AZR 25/12 (Bundesarbeitsgericht)

Sozialplan - Ungleichbehandlung wegen des Alters


11 Sa 764/11 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


1 AZR 916/11 (Bundesarbeitsgericht)

Sozialplan - Ungleichbehandlung wegen des Alters - Benachteiligung von schwerbehinderten Menschen


1 AZR 813/11 (Bundesarbeitsgericht)

Sozialplan - Ungleichbehandlung wegen des Alters


1 AZR 857/11 (Bundesarbeitsgericht)

Sozialplanabfindung - Altersdiskriminierung


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.