Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.03.2013, Az. 1 AZR 813/11

1. Senat | REWIS RS 2013, 7029

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) RENTE ABFINDUNG

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Gegenstand

Sozialplan - Ungleichbehandlung wegen des Alters


Leitsatz

Die Betriebsparteien sind unionsrechtlich nicht gehalten, in einem Sozialplan für rentennahe Arbeitnehmer einen wirtschaftlichen Ausgleich vorzusehen, der mindestens die Hälfte der Abfindung rentenferner Arbeitnehmer beträgt.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. September 2011 - 6 Sa 613/11 - aufgehoben soweit es der Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 11. April 2011 - 12 Ca 5887/10 - entsprochen hat.

Die Berufung des [X.] gegen das vorgenannte Urteil des [X.] wird ingesamt zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.

2

Der im Juli 1948 geborene Kläger war bis zum 31. März 2011 bei der [X.] in deren [X.] Betrieb beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen. Der Kläger hatte zuvor eine Weiterbeschäftigung am Standort in [X.] abgelehnt.

3

In dem am 16. Juni 2010 zwischen der [X.] und ihrem Gesamtbetriebsrat vereinbarten Sozialplan ([X.] 2010) ist bestimmt:

        

„2.4. 

Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis

                 

Es werden keine Abfindungen gewährt, wenn ein Beschäftigter in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis weiterbeschäftigt werden kann und die Weiterbeschäftigung ablehnt. …

                 

Beschäftigte, die zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet haben, fallen ausschließlich unter die Regelung der Ziffer 2.5.“

4

Die Abfindungen nach Nr. 2.4. [X.] 2010 berechnen sich aus einem einheitlichen Grundbetrag von 2.500,00 Euro sowie einem Steigerungsbetrag, der von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter und dem Bruttomonatsentgelt abhängt. Beschäftigte, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens das 58. Lebensjahr vollendet haben, erhalten nach den Regelungen in Nr. 2.5. [X.] 2010 bis zum frühestmöglichen Eintritt in die gesetzliche Altersrente 85 % des um die gesetzlichen Abzüge verminderten [X.] unter Anrechnung des voraussichtlichen Arbeitslosengelds für 24 Monate. Die Summe wird mit einem pauschalen Zuschlag von 15 % als Bruttoabfindungssumme gezahlt.

5

In Nr. 2.4.1.4. [X.] 2010 ist bestimmt:

        

„Wird das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 25jährigen, 40jährigen oder 50jährigen Dienstjubiläums beendet, erhält der Beschäftigte die Jubiläumszahlung nach den betrieblichen Regelungen, wenn vom Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Erreichen des 25jährigen Dienstjubiläums nicht mehr als zwei Jahre und bis zum Erreichen des 40jährigen oder 50jährigen Dienstjubiläums nicht mehr als fünf Jahre fehlen.“

6

Nach der im [X.] bestehenden Betriebsordnung aus dem Jahr 1993 ([X.] 1993) beträgt das [X.] bei Erreichen des 40. Dienstjubiläums drei Monatseinkommen. Das [X.] wird auch gezahlt an [X.], die innerhalb von zwölf Monaten nach ihrer Pensionierung ein Dienstjubiläum begehen würden (Nr. 6.17 [X.] 1993).

7

Die Beklagte zahlte dem Kläger, der ab August 2011 eine vorzeitige Altersrente beanspruchen konnte, entsprechend der Regelung in Nr. 2.5. [X.] 2010 eine Abfindung in Höhe von 4.974,62 Euro.

8

Der Kläger hat die Sonderregelung in Nr. 2.5. [X.] 2010 für unwirksam gehalten. Diese bewirke eine unzulässige Ungleichbehandlung wegen des Alters. Dies gelte auch für den damit verbundenen Ausschluss von der [X.]. Er hätte sein 40-jähriges Dienstjubiläum innerhalb von zwölf Monaten nach Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht.

9

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.500,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Fälligkeit zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 231.746,87 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Fälligkeit zu zahlen;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von weiteren 16.901,07 Euro brutto (Jubiläumszuwendung) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Fälligkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat ihr teilweise entsprochen und die Beklagte zu einer weiteren Abfindung iHv. 39.217,95 Euro sowie einer [X.]zahlung iHv. 16.901,07 Euro verurteilt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das [X.] hat den Klageanträgen zu Unrecht teilweise entsprochen.

I. Dem Kläger steht der geltend gemachte weitere Abfindungsanspruch nicht zu.

1. Die Beklagte hat die sich aus dem Sozialplan vom 16. Juni 2010 ergebenden Ansprüche des [X.] erfüllt. Seine Abfindung beträgt nach Nr. 2.5. [X.] 2010 4.974,62 Euro. Diesen Betrag hat der Kläger erhalten.

2. Die Revision ist schon deshalb begründet, weil das [X.] mit der von ihm vorgenommenen Anpassung von Nr. 2.5. [X.] 2010 gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen hat. Dies hat der [X.] wegen zu berücksichtigen. Einer hierauf gestützten Verfahrensrüge der Beklagten bedurfte es nicht.

a) Zwar ist das Gericht nach § 308 Abs. 1 ZPO verpflichtet, dem Kläger ein Weniger zuzuerkennen, wenn dieses Begehren im jeweiligen Sachantrag enthalten ist. Die gerichtliche Geltendmachung eines zahlenmäßig teilbaren Anspruchs enthält regelmäßig auch die Geltendmachung eines Anspruchs, der in seiner Höhe unterhalb des bezifferten (Haupt-)Anspruchs liegt. Etwas anderes gilt allerdings, wenn es sich nicht um „Weniger“, sondern um etwas Anderes handelt. Dies ist durch Auslegung des Klageantrags zu ermitteln ([X.] 22. Juni 2010 - 1 [X.] - Rn. 15, [X.]E 135, 13).

b) Das [X.] ist über den durch die Klage bestimmten Streitgegenstand hinausgegangen.

Der Kläger hat die Zahlung einer nach Nr. 2.4. [X.] 2010 berechneten Abfindung begehrt. Er hat sich während des gesamten Rechtsstreits auf die Unwirksamkeit der durch Nr. 2.5. [X.] 2010 bewirkten unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer berufen, die - wie der Kläger - zum Entlassungszeitpunkt das 58. Lebensjahr bereits vollendet haben. Dies belegt auch die Berechnung der Klageforderung. Der Kläger hat neben dem nach Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Bruttomonatsentgelt berechneten [X.] auch den Grundbetrag von 2.500,00 Euro eingeklagt, den er nur nach Nr. 2.4. [X.] 2010 beanspruchen kann. Das [X.] hat zwar die Regelung in Nr. 2.5.1. [X.] 2010 für unwirksam gehalten, diese aber durch die von ihm vorgenommene Auslegung des Merkmals „frühestmöglich“ angepasst. Es hat dem Kläger einen Nettolohnausgleich als Abfindung zuerkannt, der sich nach den in Nr. 2.5. [X.] 2010 bestimmten Voraussetzungen bis zu einem möglichen Bezug einer ungekürzten Altersrente ergibt. Auf eine solche Abfindungsberechnung hat der Kläger seinen Anspruch nicht gestützt. Selbst auf den vom Berufungsgericht erteilten Hinweis hat er sein Vorbringen nicht entsprechend erweitert. Bei der sich aus einer Anpassung von Nr. 2.5. [X.] 2010 ergebenden Verurteilung handelt es sich auch nicht lediglich um die Subsumtion des klägerischen Vorbringens unter eine anderweitige Anspruchsgrundlage. Die Begründung der jeweiligen Ansprüche steht in keinem Zusammenhang zueinander.

3. Einer hierauf gestützten Zurückverweisung (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) bedarf es indes nicht, da der Senat eine eigene Sachentscheidung treffen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitergehende Abfindung nach dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 [X.]). Die unterschiedliche Berechnung der Abfindung für Beschäftigte, die zum [X.]punkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet haben, und jüngeren Arbeitnehmern ist wirksam. Die unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung dieser Arbeitnehmergruppe ist nach § 10 Satz 3 Nr. 6, Satz 2 [X.] zulässig.

a) Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Diese sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht, wie insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, vereinbar sind.

aa) Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 [X.] darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 [X.] enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 [X.] geregelten [X.] in § 75 Abs. 1 [X.] übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 [X.] genannten Grund ist daher nur unter den im [X.] normierten Voraussetzungen zulässig. Sind diese erfüllt, ist auch der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt.

bb) Nach § 7 Abs. 1 [X.] dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 [X.] genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 [X.] unwirksam. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 [X.]. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 [X.] genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung kann aber nach § 10 [X.] unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig sein. § 10 Satz 1 und Satz 2 [X.] gestatten die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

cc) Nach § 10 Satz 3 Nr. 6 [X.] können die Betriebsparteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen, in der sie die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigen, oder auch Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausschließen, weil diese, gegebenenfalls nach Bezug von [X.], rentenberechtigt sind. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber den Betriebsparteien einen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum eröffnet, der es ihnen unter den in der Vorschrift bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, das Lebensalter als Bemessungskriterium für die Sozialplanabfindung heranzuziehen.

(1) Mit der Regelung in § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 [X.] wollte der Gesetzgeber den Betriebsparteien entsprechend dem zukunftsgerichteten Entschädigungscharakter von Sozialplanleistungen ermöglichen, diese bei „rentennahen“ Arbeitnehmern stärker an den tatsächlich eintretenden wirtschaftlichen Nachteilen zu orientieren, die ihnen durch den bevorstehenden Arbeitsplatzverlust und eine darauf zurückgehende Arbeitslosigkeit drohen. Durch diese Gestaltungsmöglichkeit kann das Anwachsen der Abfindungshöhe, das mit der Verwendung der Parameter Betriebszugehörigkeit und/oder Lebensalter bei der Bemessung der Abfindung zwangsläufig verbunden ist, bei abnehmender Schutzbedürftigkeit im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit zu Gunsten der jüngeren Arbeitnehmer begrenzt werden ([X.] 23. März 2010 - 1 [X.] 832/08 - Rn. 17).

(2) § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 [X.] erfasst nach seinem Wortlaut nur den Ausschluss von älteren Arbeitnehmern, die entweder unmittelbar nach dem Ausscheiden oder im [X.] an den Bezug von [X.] durch den Bezug einer Altersrente wirtschaftlich abgesichert sind. Die Vorschrift ist gleichermaßen anwendbar, wenn die betroffenen Arbeitnehmer zwar nicht unmittelbar nach dem Bezug von [X.] rentenberechtigt sind, die Abfindung aber ausreichend bemessen ist, um die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen, die sie in der [X.] nach der Erfüllung ihres Arbeitslosengeldanspruchs bis zum frühestmöglichen Bezug einer Altersrente erleiden. Dies ist stets der Fall, wenn die Abfindungshöhe für diesen [X.]raum den Betrag der zuletzt bezogenen Arbeitsvergütung erreicht. Die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer sind dann wirtschaftlich so gestellt, als wäre das Arbeitsverhältnis bis zu dem [X.]punkt fortgesetzt worden, in dem sie nach dem Bezug von [X.] nahtlos eine Altersrente beziehen können ([X.] 23. März 2010 - 1 [X.] 832/08 - Rn. 19).

(3) Die Ausgestaltung des durch § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 [X.] eröffneten Gestaltungs- und Beurteilungsspielraums unterliegt allerdings noch einer weiteren Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 10 Satz 2 [X.]. Die von den Betriebsparteien gewählte Sozialplangestaltung muss geeignet sein, das mit § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 [X.] verfolgte Ziel tatsächlich zu fördern und darf die Interessen der benachteiligten ([X.] nicht unverhältnismäßig stark vernachlässigen.

b) Die an das Lebensalter anknüpfende Abfindungsberechnung im Sozialplan vom 16. Juni 2010 verstößt nicht gegen das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 [X.].

aa) Die Regelungen des Sozialplans vom 16. Juni 2010 sind nach dem am 18. August 2006 in [X.] getretenen [X.] idF des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 ([X.]I S. 2742) und nach § 75 Abs. 1 [X.] in der seit dem 18. August 2006 geltenden Fassung zu beurteilen.

bb) Die Betriebsparteien haben bei der Gewährung der Sozialplanleistungen nach dem Lebensalter unterschieden. Nach Nr. 2.4. [X.] 2010 können die dort vorgesehenen Abfindungen nur Arbeitnehmer beanspruchen, die zum [X.]punkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Zahlungen an ältere Beschäftigte richten sich ausschließlich nach Nr. 2.5. [X.] 2010. Die unterschiedliche Behandlung der beiden Arbeitnehmergruppen ist allein vom Lebensalter abhängig. Hierin liegt eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung.

cc) Die Voraussetzungen des § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 [X.] liegen vor.

(1) Von den Ausschlussregelungen in Nr. 2.5. [X.] 2010 sind Arbeitnehmer erfasst, die bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis das 58. Lebensjahr vollendet haben. Diese waren nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und einer sich daran anschließenden Arbeitslosigkeit für die Dauer von 24 Monaten durch den Bezug von [X.] abgesichert (§ 127 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 SGB III idF des Siebten Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 8. April 2008 [[X.]. I S. 681]). Die Arbeitnehmer, die nach dem Bezug von [X.] nicht unmittelbar eine vorzeitige Altersrente beanspruchen konnten, erhielten nach Nr. 2.5.2. [X.] 2010 einen pauschalierten Ausgleich für das bis zum frühestmöglichen Renteneintritt entfallende Arbeitsentgelt. Die Betriebsparteien konnten daher davon ausgehen, dass die den über 58-jährigen Arbeitnehmern gewährten [X.] ausreichend bemessen waren, um die wirtschaftlichen Nachteile, die diese nach dem Bezug des Arbeitslosengeldes I bis zur vorzeitigen Inanspruchnahmemöglichkeit einer Altersrente erleiden würden, nahezu vollständig auszugleichen.

(2) Die Begrenzung der den über 58-jährigen Arbeitnehmern gewährten Sozialplanleistungen ist angemessen und erforderlich iSd. § 10 Satz 2 [X.].

(a) Nach der Senatsrechtsprechung haben Sozialpläne eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und [X.]. Geldleistungen in Form einer Abfindung stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar, sondern sollen die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlustes ausgleichen oder zumindest abmildern. Die Betriebsparteien können diese Nachteile aufgrund ihres Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums in typisierter und pauschalierter Form ausgleichen (vgl. [X.] 7. Juni 2011 - 1 [X.] 34/10 - Rn. 31, [X.]E 138, 107). Dazu können sie die übermäßige Begünstigung, die ältere Beschäftigte mit langjähriger Betriebszugehörigkeit bei einer am Lebensalter und an der Betriebszugehörigkeit orientierten Abfindungsberechnung erfahren, durch eine Kürzung für rentennahe Jahrgänge zurückführen, um eine aus ihrer Sicht verteilungsgerechte Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Betriebsänderung zu Gunsten der jüngeren Arbeitnehmer zu ermöglichen ([X.] 23. März 2010 - 1 [X.] 832/08 - Rn. 29).

(b) Die Erstreckung der Berechnungsregel in Nr. 2.4. [X.] 2010 auch auf Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet haben oder älter sind, hätte Beschäftigte mit längeren Beschäftigungszeiten überproportional begünstigt. Die Betriebsparteien konnten bei diesen Jahrgängen davon ausgehen, dass diese selbst bei fortbestehender Arbeitslosigkeit nach dem Bezug von [X.] wegen des gewährten [X.] durch die Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente weitgehend wirtschaftlich abgesichert sind. Eine vergleichbare Absicherung konnten die Betriebsparteien bei den rentenfernen Jahrgängen nicht prognostizieren. Selbst wenn diese eine [X.]beschäftigung finden, verlieren die entlassenen Arbeitnehmer ihre bisherige kündigungsschutzrechtliche Stellung und gehören bei künftigen Personalreduzierungen regelmäßig zu den Beschäftigten, denen wegen ihrer kurzen Betriebszugehörigkeit vorrangig gekündigt wird. Überdies können sie regelmäßig bei der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses nicht ihr bisheriges Arbeitsentgelt erzielen, was, ebenso wie die vorangehenden [X.]en einer Arbeitslosigkeit, zu Nachteilen in ihrer Rentenbiografie führt.

(c) Die Interessen der über 58-jährigen Arbeitnehmer sind im Sozialplan vom 16. Juni 2010 bei der Ausgestaltung der sie betreffenden Ausgleichsregelungen genügend beachtet worden. Die Betriebsparteien haben diese Beschäftigtengruppe nicht von Sozialplanleistungen ausgeschlossen, sondern ihnen einen Nettolohnausgleich für das nach der Entlassung entfallende Arbeitsentgelt bis zum frühestmöglichen Bezug einer gesetzlichen Altersrente gewährt. Darin liegt zwar gegenüber der in Nr. 2.4. [X.] 2010 vorgesehenen Berechnungsregel für Abfindungsleistungen ein Systemwechsel. Dieser ist jedoch nicht unangemessen, da durch den pauschalierten Nettolohnausgleich bis zur Inanspruchnahmemöglichkeit einer gesetzlichen Altersrente keine nennenswerten wirtschaftlichen Nachteile entstehen. Einen darüber hinausgehenden Ausgleich der Abschläge für die vorzeitige Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente mussten die Betriebsparteien angesichts der begrenzt zur Verfügung stehenden [X.] und der den anderen Arbeitnehmern voraussichtlich entstehenden Nachteile nicht vorsehen.

4. Der Durchführung eines [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht.

a) Der Senat hat bereits in seinen Entscheidungen vom 23. März 2010 (- 1 [X.] 832/08 - Rn. 18) und vom 26. Mai 2009 (- 1 [X.] 198/08 - Rn. 41, [X.]E 131, 61) eingehend begründet, dass die zum Verständnis und zur Anwendung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/[X.] vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/[X.]) heranzuziehenden Grundsätze offenkundig, jedenfalls aber durch die jüngere Rechtsprechung des [X.] (5. März 2009 - [X.]/07 - [Age Concern [X.]] Slg. 2009, [X.]; 16. Oktober 2007 - [X.]/05 - [[X.]. 2007, [X.]; 22. November 2005 - [X.]/04 - [Mangold] Slg. 2005, [X.]) als geklärt anzusehen sind, so dass ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Zulässigkeit einer auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlung bei Sozialplanabfindungen nicht geboten ist.

b) Die Vereinbarkeit der Senatsrechtsprechung mit Unionsrecht wird überdies durch das Urteil des [X.] vom 6. Dezember 2012 (- [X.]/11 - [[X.]]) vollumfänglich bestätigt. In diesem hat der Gerichtshof über die Vereinbarkeit einer Sozialplanregelung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/[X.] entschieden. Auch der Gerichtshof geht davon aus, dass eine Ungleichbehandlung von älteren Arbeitnehmern bei der Berechnung der Sozialplanabfindung durch ein legitimes Ziel iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/[X.] gerechtfertigt sein kann, wenn der Sozialplan die Gewährung eines Ausgleichs für die Zukunft, den Schutz der jüngeren Arbeitnehmer sowie die Unterstützung bei ihrer beruflichen Wiedereingliederung und eine gerechte Verteilung der begrenzten finanziellen Mittel bezweckt ([X.] 6. Dezember 2012 - [X.]/11 - [[X.]], Rn. 42 f., 45). Eine in Abhängigkeit von Lebensalter und Betriebszugehörigkeit berechnete Abfindung könne bei Arbeitnehmern, die im [X.]punkt der Entlassung durch den möglichen Bezug einer vorgezogenen gesetzlichen Altersrente wirtschaftlich abgesichert sind, gemindert werden ([X.] 6. Dezember 2012 - [X.]/11 - [[X.]], Rn. 48). Diese Grundsätze entsprechen der Senatsrechtsprechung.

c) Entgegen der Auffassung des [X.] ist es unionsrechtlich nicht geboten, dass er als Abfindung zumindest einen Betrag in Höhe der Hälfte der nach Nr. 2.4. [X.] 2010 berechneten Abfindung erhält. Die Ausführungen des [X.] in der Rechtssache [X.] lassen ein solches Verständnis von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/[X.] nicht zu.

aa) Das [X.] hat den Gerichtshof im Verfahren nach Art. 267 AEUV ua. nach der Vereinbarkeit der im Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Regelung einer als „[X.]“ bezeichneten Vereinbarung mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/[X.] gefragt ([X.] 6. Dezember 2012 - [X.]/11 - [[X.]], Rn. 30). Nach dieser berechnet sich die Abfindung nach den Faktoren Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Bruttomonatsentgelt ([X.]). Für Mitarbeiter nach Vollendung des 55. Lebensjahres sieht der „[X.]“ eine geänderte Berechnung vor, die von der [X.] bis zum frühestmöglichen Renteneintritt abhängig ist ([X.]). Sollte die nach der [X.] berechnete Abfindung größer sein als diejenige nach der [X.], kommt die geringere Summe zur Auszahlung. Diese darf jedoch die Hälfte der [X.]abfindung nicht unterschreiten.

bb) Der Gerichtshof hat zwar die im „[X.]“ vorgenommene Berechnung der Abfindung auf der Grundlage des frühestmöglichen Rentenbeginns als mit Unionsrecht für vereinbar gehalten ([X.] 6. Dezember 2012 - [X.]/11 - [[X.]], Rn. 54). Hierauf kann der Kläger seinen Anspruch jedoch nicht stützen. Der Gerichtshof hat nicht verlangt, dass die Abfindung von rentennahen Arbeitnehmern stets die Hälfte der für andere Arbeitnehmer geltenden Abfindungsformel betragen muss. Eine solche Aussage enthält die Entscheidung nicht. Die vorgenannten Ausführungen des [X.] sind einzelfallbezogen und beschränken sich auf die Vereinbarkeit einer bestimmten nationalen Sozialplanregelung mit Unionsrecht. Sie enthalten lediglich einen Hinweis des Gerichtshofs an das vorlegende Gericht, mit dem diesem eine sachdienliche Antwort auf seine Vorlagefrage gegeben werden sollte (vgl. [X.] 15. April 2010 - [X.]/05 - [[X.]], Rn. 35, Slg. 2010, I-2885).

d) Der Durchführung eines zur Klärung der vom Kläger angesprochenen Frage gerichteten [X.] bedarf es nicht. Es ist offensichtlich, dass die von ihm vertretene Sichtweise durch das Unionsrecht nicht vorgegeben wird. Sie würde zu inkohärenten und systemwidrigen Ergebnissen führen. Der [X.] hat die Minderung der nach der [X.] berechneten Abfindung bei rentennahen Arbeitnehmern als legitimes Ziel anerkannt. Könnten diese unabhängig von der [X.] bis zu einer vorzeitigen Bezugsmöglichkeit einer vorzeitigen Altersrente stets die Hälfte der nach der [X.] zu berechnenden Abfindung beanspruchen, erhielten Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - bei ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nur noch kurze [X.] vor dem Erreichen der vorzeitigen Altersgrenze stehen, die gleiche Abfindung wie solche Arbeitnehmer, die diesen [X.]punkt erst nach Ablauf von mehreren Jahren erreichen. Eine solche pauschale Abfindungsberechnung widerspräche der [X.] von Sozialplänen.

5. Da sich die in Abhängigkeit vom Lebensalter vorgenommene Abfindungsberechnung im Sozialplan vom 16. Juni 2010 als zulässig erweist, bedarf es keiner Entscheidung, ob der nach Nr. 2.4. [X.] 2010 berechnete Abfindungsanspruch deshalb entfallen wäre, weil der Kläger die ihm von der Beklagten angebotene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit an einem anderen Standort abgelehnt hat.

II. Die Revision ist auch hinsichtlich der [X.] begründet.

Nach Nr. 2.4.1.4. [X.] 2010 erhält der Beschäftigte ua. eine [X.] nach den betrieblichen Regelungen, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von fünf Jahren vor Erreichen des 40-jährigen Dienstjubiläums beendet wird. Es kann dahinstehen, ob auch die von Nr. 2.5. [X.] 2010 erfassten Arbeitnehmer aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz Anspruch auf eine solche [X.] haben. Der Kläger erfüllt die in Nr. 2.4.1.4. [X.] 2010 bestimmten Voraussetzungen nicht. Sein Arbeitsverhältnis wäre bei einer Weiterarbeit bis zum Erreichen des Regelrentenalters vor Erreichen des 40-jährigen Dienstjubiläums beendet worden. Auf die Regelung in Nr. 6.17 BO 1993 vermag der Kläger seinen Anspruch nicht zu stützen. Nr. 2.4.1.4. [X.] 2010 stellt für die Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - unter den persönlichen Geltungsbereich des Sozialplans vom 16. Juni 2010 fallen, eine abschließende Regelung über die entfallende [X.] dar. Im Übrigen erfüllt er auch die Nr. 6.17 BO 1993 genannten Voraussetzungen nicht. Die Vorschrift setzt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch das Erreichen einer gesetzlichen Altersgrenze („Pensionierung“) voraus.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Platow    

        

    Rath    

                 

Meta

1 AZR 813/11

26.03.2013

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 11. April 2011, Az: 12 Ca 5887/10, Urteil

§ 75 Abs 1 BetrVG, § 10 S 3 Nr 6 Alt 2 AGG, § 10 S 1 AGG, § 10 S 2 AGG, § 3 Abs 1 AGG, § 7 Abs 1 AGG, Art 6 Abs 1 EGRL 78/2000, Art 267 Abs 3 AEUV, § 308 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.03.2013, Az. 1 AZR 813/11 (REWIS RS 2013, 7029)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7029

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