Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2018, Az. 2 StR 545/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2018, 14301

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2018:070218B2STR545.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 [X.]/17
vom
7. Februar 2018
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
versuchter Nötigung u.a.
-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach [X.]örung des [X.], zu Ziff.
3 auf dessen Antrag, und nach [X.]örung des [X.] am
7. Februar 2018
gemäß §
349 Abs.
2 und 4, § 357
StPO einstimmig beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten S.

wird das Urteil
des [X.] vom 21. Juli 2017, auch soweit es den Angeklagten F.

betrifft, mit den
Feststellungen auf-
gehoben
a)

soweit die Angeklagten
wegen einer
Tat vom
31.
Mai 2015 verurteilt worden sind,
b)
im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafen.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels
des Angeklagten S.

, an das Amtsgericht

Schöffengericht

Aachen zurückverwiesen.
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Diebstahl (Tat vom 31.
Mai 2015) und wegen versuchter Nöti-gung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch (Tat vom 16.
Juni 2015) verurteilt. Gegen den Angeklagten S.

hat es unter Einbeziehung der Strafe aus ei-
nem früheren Urteil
auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten erkannt
und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten F.

hat es unter Auflösung einer früheren Gesamtfreiheitsstrafe und Einbeziehung der dortigen [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jah-ren verurteilt; die Einbeziehung von Einzelgeldstrafen aus einem weiteren
Urteil in die frühere Gesamtfreiheitsstrafe hat es aufgehoben. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten S.

mit der Sachrüge. Das
Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang [X.]. Insoweit ist es gemäß §
357 StPO auf den Angeklagten F.

zu erstre-
cken, der kein Rechtsmittel eingelegt hat. Im Übrigen ist das Rechtsmittel des Angeklagten S.

unbegründet
im Sinne von §
349 Abs.
2 StPO.

I.
Soweit es die
Verurteilung wegen der Tat vom 31.
Mai 2015 betrifft, lie-gen dem folgende Feststellungen und Wertungen zu Grunde:
1. Nach dem [X.] drohten die Angeklagten dem Zeugen
V.

auf einer Feier in der Wohnung des Angeklagten S.

damit, ihn zu

schlagen und ihn aus dem Fenster zu werfen, wenn er ihnen nicht sein Mobilte-lefon, sein Geld und Schlüssel sowie die Papiere zu seinem Motorroller aus-händige. Zudem
bedrohten sie ihn mit einem heißen Lötkolben. Der
Geschädig-1
2
3
-
4
-
te gab die Gegenstände heraus und wurde anschließend der [X.]. Dabei äußerten die Angeklagten, er sei [X.], wenn er zur Poli-zei gehe.

2. a) Das [X.] hat sich nicht davon überzeugen können, dass die Angeklagten die Herausgabe der
Gegenstände durch
Drohungen erzwangen. Es hat es ausdrücklich als ungeklärt bezeichnet, ob die Angeklagten dem [X.] die ihm abhanden gekommenen Gegenstände einfach weggenom-men haben oder ihnen diese von dem Geschädigten unter Zwang ausgehändigt worden sind und ist deshalb
im Zweifel zugunsten der
Angeklagten von
einer
Wegnahme der Sachen
gegen den erfolglosen Protest des Geschädigten aus-gegangen. Die
Drohung mit dem Lötkolben
sei zwar erfolgt, dies aber, ebenfalls
im Zweifel zugunsten der Angeklagten,
erst nach der Wegnahme der Sachen. Schließlich habe der Angeklagte F.

den Motorroller des Geschädigten
für
sich behalten.
b) Wegen
des Geschehens in der Wohnung hat das [X.] die An-geklagten wegen Diebstahls in
Tateinheit mit Nötigung verurteilt, weil die
Weg-nahme der Sachen eine
mildere Bestrafung wegen Diebstahls im Vergleich mit
einer schweren räuberischen Erpressung ermögliche.

II.
Die Revision des Angeklagten S.

ist unbegründet im Sinne des
§
349 Abs.
2 StPO, soweit sie die
Tat vom 16.
Juni 2015 betrifft, die als ver-suchte Nötigung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch abgeurteilt worden ist. Hinsichtlich der Verurteilung wegen der Tat vom 31.
Mai 2015
ist
das Rechts-mittel
begründet. Insoweit
gilt Folgendes:

4
5
6
-
5
-
1. Der Schuldspruch wegen Diebstahls ist rechtsfehlerhaft.
a) Sieht sich der Tatrichter nicht in der Lage, den von ihm zu [X.] eindeutig festzustellen, muss er vielmehr mehrere mögliche Geschehensabläufe in Rechnung stellen, dann ist das Verhältnis der möglichen das Tatgeschehen bildenden Verhaltensweisen zueinander dafür maßgebend, ob und aufgrund welcher Strafvorschrift der Angeklagte zu verurteilen ist. Ste-hen die zu beurteilenden Verhaltensweisen in
einem Stufenverhältnis
zueinan-der, so ist nach dem Grundsatz, dass im Zweifel zugunsten des Angeklagten zu entscheiden ist, aufgrund des
milderen
Gesetzes
zu verurteilen. Wenn ein sol-ches
Stufenverhältnis nicht vorliegt, kommt im Einzelfall eine gesetzesalternati-ve Verurteilung auf [X.] in Betracht. Ist auch dies rechtlich nicht möglich, kann
ein Auffangtatbestand
zur Anwendung
kommen
(vgl. [X.], Urteil vom 28.
Oktober 1982

4
StR 480/82, [X.]St 31, 136, 137).

b) Danach scheidet auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen
ei-ne
Verurteilung wegen Diebstahls aus.
[X.]) Zwischen schwerer räuberischer
Erpressung und Diebstahl besteht kein Stufenverhältnis, das den Rückgriff auf den [X.] als güns-tigere Alternative
ermöglichen würde.
Ein derartiges Stufenverhältnis
liegt
nur vor, wenn die alternativ in Frage kommenden Tatbestände in einem Verhältnis von Mehr und Weniger zueinan-der stehen. Das ist aber ausschließlich
dann
der Fall, wenn ein Straftatbestand vollständig in dem anderen enthalten ist, wie etwa bei Diebstahl oder
Raub, die jeweils die Wegnahme einer fremden Sache voraussetzen
(vgl. [X.], Urteil vom 15.
Mai 1973

4
StR 172/73, [X.]St 25, 182, 186; [X.]/[X.], 9.
Aufl., [X.]. zu §
55 Rn.
43). So liegt es bei den Alternativen von
Diebstahl oder
(schwerer räuberischer)
Erpressung jedoch nicht; denn
Diebstahl setzt die 7
8
9
10
11
-
6
-
Wegnahme einer fremden Sache voraus, eine (schwere räuberische)
Erpres-sung hingegen die Herausgabe der Sache durch den Geschädigten aufgrund
einer Nötigung. Das sind rechtlich unterschiedliche
Voraussetzungen.
bb) Eine gesetzesalternative Verurteilung auf [X.] .

Sie erfordert
nach der Rechtsprechung des [X.], dass die verschiedenen in Frage kommenden Straftatbestände rechtsethisch und psy-chologisch vergleichbar sind (vgl. [X.], Beschluss vom 15.
Oktober 1956

[X.], [X.]St 9, 390, 394; Beschluss vom 8.
Mai 2017

[X.], NJW 2017, 2842, 2845
f.). Das ist bei den Alternativen von Diebstahl oder schwerer räuberischer Erpressung nicht der Fall, und zwar auch dann nicht, wenn Qualifikationen der Erpressung gemäß §
253 durch §§
255, 250 StGB bei der Vergleichsbetrachtung weggelassen werden; denn Diebstahl und Erpres-sung unterscheiden sich so sehr, dass sie einander ausschließen. Der [X.] bereichert sich nicht nur auf Kosten eines anderen, insoweit wertungsmäßig vergleichbar mit dem Dieb, sondern er wirkt mit Gewalt oder Drohung auf die Freiheit der Willensentschließung des Opfers ein. Diese Verletzung eines ande-ren
Rechtsguts steht der Annahme einer rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit
entgegen (vgl. [X.], Urteil vom 22.
Juli 1971

4
StR 249/71, [X.] 1972, 30, 31; [X.], Beschluss vom 21.
Juni 2007

3
Ss 62/07, [X.], 143).
cc)
Danach bleibt auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nur ein Rückgriff auf Unterschlagung als Auffangtatbestand möglich. Eine Unter-schlagung begeht, wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet

246 Abs.
1 Satz
1 Halbs.
1 StGB). Dafür
genügt jede Handlung, die als Betätigung des Zueignungswillens verstanden werden kann. Nach den Feststellungen des [X.]s verhielten
sich die Angeklagten 12
13
14
-
7
-
durch Ergreifen der Sachen des Geschädigten und Verweigerung der [X.] jedenfalls so, dass ein
Zueignungswille deutlich zu Tage
trat.
c) Der Senat kann den Schuldspruch nicht selbst ändern; denn er kann
nicht auszuschließen, dass ein neuer Tatrichter
noch Feststellungen zu treffen vermag, die zu einer eindeutigen Verurteilung wegen (schwerer) räuberischer Erpressung oder wegen Diebstahls führen.
Demgegenüber wäre der Tatbe-stand der Unterschlagung subsidiär (§
246 Abs.
1 Halbs.
2 StGB).
2.
Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Diebstahls
zwingt auch zur Aufhebung des Schuldspruchs, soweit
tateinheitlich ein Nötigungsversuch ab-geurteilt worden ist.

Mit der Aufhebung des Schuldspruchs entfällt die Grundlage für die Ein-zelstrafe
wegen der Tat vom 31.
Mai 2015 sowie
die Gesamtfreiheitsstrafe.

Der neue Tatrichter wird auch die Frage der Konkurrenz verschiedener Einzelakte
neu zu bewerten haben. Der Senat verweist dazu auf die Ausfüh-rungen des [X.] in seiner Antragsschrift vom 7.
Dezember 2017.
3. Die Verletzung materiellen Rechts durch das [X.] betrifft
beide Angeklagte in gleicher Weise. Deshalb ist
die [X.] gemäß §
357 StPO auf den Angeklagten F.

zu erstrecken, der kein Rechtsmittel eingelegt
hat.

15
16
17
18
19
-
8
-
III.
Der Senat verweist die Sache an das Amtsgericht zurück, weil ein Grund für die Zuständigkeit des [X.]s nicht mehr besteht

24 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 GVG). Die Notwendigkeit einer neuen Gesamtstrafenentscheidung
bezüg-lich des
Angeklagten F.

führt
zur Zuständigkeit des
Schöffengerichts

25
Nr.
2, §
28 GVG).

Schäfer Appl Krehl

Eschelbach

Zeng
20

Meta

2 StR 545/17

07.02.2018

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2018, Az. 2 StR 545/17 (REWIS RS 2018, 14301)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14301

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen
Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 StR 545/17

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.