Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.09.2014, Az. 5 AZR 6/13

5. Senat | REWIS RS 2014, 3175

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Gegenstand

Gleichbehandlung bei Entgelterhöhung - Überkompensation


Leitsatz

Ob eine Entgelterhöhung nachteilige Arbeitsbedingungen der begünstigten Arbeitnehmer nicht nur ausgeglichen, sondern überkompensiert hat, bemisst sich nach einem Gesamtvergleich: Gegenüberzustellen ist das Arbeitsentgelt, das der auf Gleichbehandlung klagende Arbeitnehmer im maßgeblichen Zeitraum aufgrund der für ihn geltenden arbeitsvertraglichen Regelungen tatsächlich verdient hat, und dasjenige Arbeitsentgelt, das er erhalten hätte, wenn er zu den Konditionen der begünstigten Arbeitnehmer gearbeitet hätte.

Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 2. Oktober 2012 - 15 [X.]/11 - in seinen Ziffern I.9. und II. aufgehoben.

2. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. November 2012 - 3 [X.]/12 - aufgehoben.

3. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über [X.] unter dem [X.]esichtspunkt der [X.]leichbehandlung.

2

Der 1958 geborene Kläger ist seit 1992 bei der [X.] beschäftigt. Er ist Mitglied der [X.]. Die Beklagte war bis zum 31. März 2006 ordentliches Mitglied im [X.], im [X.] daran wechselte sie in eine sog. [X.].

3

[X.]rundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag vom 15. Oktober 1991, der auszugsweise lautet:

        

„1. Tätigkeit

        

Der/Die Angestellte wird ab 01.02.92 als [X.] eingestellt. (…)

        

…       

        

3. Kollektivvereinbarungen

        

Für das Arbeitsverhältnis gelten die für unsere Firma maßgebenden Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen in der jeweiligen Fassung.“

4

Der Kläger erhält ein Bruttomonatsgehalt von 4.034,00 Euro. Dieses setzt sich zusammen aus einem zum Stand 1. Mai 2006 eingefrorenen Tarifgehalt der [X.]ehaltsgruppe [X.] 5 / 12. Berufsjahr der [X.]ehaltstarifverträge für die Beschäftigen des [X.]roß- und Außenhandels in [X.] (2.908,00 Euro brutto) und einer übertariflichen Zulage, die nach einer individuellen Erhöhung um 50,00 Euro brutto seit dem 1. August 2007 1.126,00 Euro brutto beträgt. Weitere 30,58 Euro brutto monatlich gewährt die Beklagte dem Kläger unter der Bezeichnung „AVm[X.] PK A[X.] stfr.“.

5

Nach dem Wechsel in die [X.] bat die Beklagte zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt im Frühjahr 2006 ihre Mitarbeiter um eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von (tariflichen) 38,5 Stunden auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich. Einen entsprechenden Zusatz zum Arbeitsvertrag akzeptierten 96 % der Belegschaft, der Kläger nicht.

6

Am 25. März 2008 schloss die Beklagte mit dem in ihrem Betrieb errichteten Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung zur Bestimmung und Behandlung des Entgelts und des [X.]“ (im Folgenden: [X.]), die eine tätigkeitsbezogene Eingruppierung der Mitarbeiter in fünf allgemeine [X.]n ([X.] bis [X.]) vorsieht. Außerdem heißt es dort:

        

„3 [X.]rundsätze zu den [X.]n

        

…       

        

Die Festlegung des individuellen Entgelts innerhalb einer [X.], sowie des [X.]s der 1. [X.] erfolgt durch den Arbeitgeber. Die prozentuale Steigerungsrate zwischen den einzelnen [X.]n (= [X.] der [X.]n 2 - 5) ist in der Anlage geregelt.

        

4 Erhöhungen in den [X.]n

        

Entgelterhöhungen werden durch den Arbeitgeber festgelegt. (…)

        

Für alle Mitarbeiter, die vor dem [X.] in das Unternehmen eintraten, gilt ein Bestandsschutz. [X.] für diese Mitarbeiter ist deren individuelles Tarifentgelt zum Stichtag 1.5.2006, solange dieses höher ist als das [X.].“

7

Mit Wirkung zum 1. April 2008 bot die Beklagte allen Arbeitnehmern den Abschluss eines neuen Formulararbeitsvertrags (im Folgenden: [X.] 2008) an, der keine Bezugnahme auf Tarifverträge mehr enthält, eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Wochenstunden festschreibt und eine Vergütung nach den [X.]n der [X.] (beim Kläger: nach [X.] [X.] iHv. 4.083,00 Euro brutto) nebst einem 13. Bruttomonatsgehalt vorsieht. Des Weiteren enthält der [X.] 2008 Verschlechterungen im Vergleich zu den auf die Tarifbestimmungen für den [X.]roß- und Außenhandel in [X.] Bezug nehmenden Arbeitsverträgen, so etwa geringere Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, Wegfall eines Zuschusses zum Krankengeld, weniger Tatbestände, bei denen Anspruch auf bezahlte Freistellung bestehen soll, Reduzierung eines „Sterbegeldes“. Rund 90 % der Beschäftigten nahmen das Angebot an, der Kläger nicht.

8

Die Beklagte erhöhte das [X.] derjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in den [X.] 2008 gewechselt waren, zum 1. Juni 2008 um 2,6 %. Weitere [X.] erfolgten zum 1. Juli 2009 (2,2 %), zum 1. September 2010 (1,6 %) und zum 1. Juli 2011 (3,3 %).

9

In einem Vorprozess machte der Kläger eine Entgelterhöhung um 2,6 % für den Zeitraum Juni 2008 bis Februar 2009 erfolglos geltend (LA[X.] [X.] 15. April 2010 - 15 [X.]/09 -).

Mit den vorliegenden, mehrfach erweiterten und bis in die Revisionsinstanz in getrennten Verfahren geführten Klagen hat der Kläger unter Berufung auf den allgemeinen [X.]leichbehandlungsgrundsatz die den begünstigten Arbeitnehmern gewährten [X.], zuletzt für den Zeitraum Februar 2010 bis Dezember 2011 verlangt und geltend gemacht, ein sachlicher [X.]rund, ihn von den [X.] auszunehmen, liege nicht vor.

Der Kläger hat - soweit seine Klagen in die Revisionsinstanz gelangt sind - zuletzt sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.861,22 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte weiter zu verurteilen, an den Kläger 2.064,70 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der [X.]leichbehandlungsgrundsatz finde aufgrund der unterschiedlichen Arbeitsvertragsmodelle keine Anwendung. Jedenfalls sei die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt. Mit den [X.] hätten die Nachteile der Beschäftigten, die in den [X.] 2008 wechselten, ausgeglichen werden sollen.

In dem Rechtsstreit betreffend den Zeitraum Februar 2010 bis April 2011 (= Klageantrag zu 1.) hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das [X.] hat auf die Berufung des [X.] - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte rechtskräftig verurteilt, an den Kläger von September 2010 bis April 2011 monatlich (weitere) 28,34 Euro brutto zu zahlen. Mit der vom [X.] nur für den Kläger zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag weiter.

In dem Rechtsstreit betreffend den Zeitraum Mai bis Dezember 2011 (= Klageantrag zu 2.) hat das Arbeitsgericht der Klage teilweise, das [X.] ihr in vollem Umfang stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision (Ausgangsaktenzeichen - 5 [X.] -) verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Der Senat hat die Rechtsstreite nach Anhörung der Parteien zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Aktenzeichen - 5 [X.] - verbunden.

Entscheidungsgründe

Die Revisionen des [X.] und der Beklagten sind begründet. Ob der Kläger Anspruch auf die oder eine der den begünstigten Arbeitnehmern gewährten [X.] hat, kann der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung der Berufungsurteile und Zurückverweisung der - nunmehr verbundenen - Sachen an das [X.], § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

I. Der Anwendungsbereich des (allgemeinen) Gleichbehandlungsgrundsatzes ist eröffnet.

1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht (oft auch arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz oder allgemeiner arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz genannt) gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln (st. Rspr., [X.] 21. September 2011 - 5 [X.] - Rn. 18 [X.], [X.]E 139, 190). Er wurzelt in dem überpositiven Ideal der Gerechtigkeit, die es gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln, und ist seit langem unbestrittener Bestandteil des Arbeitsrechts (vgl. nur [X.]/Preis 14. Aufl. § 611 BGB Rn. 574; [X.]/Thüsing 6. Aufl. § 611 BGB Rn. 181, jeweils [X.]; siehe auch [X.] [X.], der schon 1958 festgestellt hat, die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei in der Literatur und Judikatur zum Arbeitsrecht ganz allgemein anerkannt). Der Gleichbehandlungsgrundsatz beschränkt die Gestaltungsmacht des Arbeitgebers ([X.] 25. Januar 2012 - 4 [X.] - Rn. 57, [X.]E 140, 291). Wird er verletzt, muss der Arbeitgeber die von ihm gesetzte Regel entsprechend korrigieren. Der benachteiligte Arbeitnehmer hat Anspruch auf die vorenthaltene Leistung ([X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 17; 13. April 2011 - 10 [X.] - Rn. 14, [X.]E 137, 339, jeweils [X.]).

Im Bereich der Arbeitsvergütung ist der Gleichbehandlungsgrundsatz unter Beachtung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit bei individuellen Entgeltvereinbarungen anwendbar, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt (st. Rspr., [X.] 21. September 2011 - 5 AZR 520/10 - Rn. 18, [X.]E 139, 190; 25. Januar 2012 - 4 [X.] - Rn. 57, [X.]E 140, 291, jeweils [X.]).

2. Danach ist der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes eröffnet.

a) Die Beklagte hat freiwillig, also ohne hierzu - insbesondere arbeitsvertraglich oder aufgrund der [X.] - rechtlich verpflichtet zu sein (zur Nichtanwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei bloßem [X.] und Vertragserfüllung, vgl. [X.] 21. September 2011 - 5 [X.] - Rn. 21 [X.], [X.]E 139, 190), die Arbeitsentgelte zum 1. Juni 2008, 1. Juli 2009, 1. September 2010 und 1. Juli 2011 kollektiv nach einem generalisierenden Prinzip angehoben. Für diese Leistung hat sie den Wechsel in den [X.] zur Voraussetzung gemacht. Mit der Anknüpfung an die zunächst durch die Reaktion der Arbeitnehmer auf das Angebot zum Abschluss des [X.]s 2008 erfolgte Teilung der Belegschaft in Arbeitnehmer mit [X.] 2008 und solche mit „Altverträgen“ hat die Beklagte eine Gruppenbildung vorgenommen (vgl. [X.] 14. März 2007 - 5 [X.]/06 - Rn. 23, [X.]E 122, 1).

b) Der Kläger und die Arbeitnehmer mit [X.] 2008 befinden sich „in vergleichbarer Lage“. Zwar ist dafür nicht in jedem Falle bereits das gemeinsame Band eines Arbeitsverhältnisses zum selben Arbeitgeber ausreichend. Es ist aber andererseits nicht erforderlich, dass die Arbeitsbedingungen des Gleichbehandlung fordernden Arbeitnehmers mit denjenigen der Begünstigten in Gänze identisch sind (vgl. [X.] 14. März 2007 - 5 [X.]/06 - Rn. 26, [X.]E 122, 1). Die Geltung verschiedener [X.] kann allenfalls dann eine im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes vergleichbare Lage ausschließen, wenn das eine [X.] gekennzeichnet ist durch die dynamische Bezugnahme auf ein Tarifwerk und damit auf [X.] kollektive, der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers entzogene Regelwerke in ihrer jeweiligen Fassung zur Anwendung kommen, während das andere [X.] der unbeschränkten Gestaltungsmacht des Arbeitgebers entspringt und den Arbeitnehmern gestellt wird. Eingedenk des Primats, (nur) Gleiches gleich und Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln, kommt es auch bei verschiedenen [X.]n darauf an, ob sich der auf Gleichbehandlung berufende Arbeitnehmer hinsichtlich der vom Arbeitgeber verteilten Leistung in vergleichbarer Lage zu den begünstigten Arbeitnehmern befindet. Ist das der Fall, sind ansonsten unterschiedliche Arbeitsbedingungen erst für das Vorliegen eines sachlichen Differenzierungsgrundes von Belang.

Mit den streitgegenständlichen [X.] hat die Beklagte die statische Vergütungsabrede im [X.] 2008 freiwillig dynamisiert. Insoweit befindet sich der Kläger mit den begünstigten Arbeitnehmern „in vergleichbarer Lage“, weil auch sein Arbeitsvertrag eine statisch gewordene Vergütungsabrede enthält. Davon ist auszugehen, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien vor dem 1. Januar 2002 begonnen hat. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die „für unsere Firma maßgebenden Tarifverträge (…) in der jeweiligen Fassung“ hat das [X.] angesichts der vormaligen [X.] der Beklagten kraft [X.] zutreffend nach der Rechtsprechung des [X.] als Gleichstellungsabrede ausgelegt (zu Auslegung und Vertrauensschutz für vor dem 1. Januar 2002 vereinbarte [X.], vgl. [X.] 11. Dezember 2013 - 4 [X.] - Rn. 13 ff. [X.]). Die Dynamik der tariflichen Inkorporierung ist deshalb auf die [X.] begrenzt, in der die Beklagte durch ihre Verbandsmitgliedschaft an die Tarifentwicklung gebunden war (vgl. [X.] 17. November 2010 - 4 [X.] - Rn. 15 ff. [X.], [X.]E 136, 184). Danach hat der Kläger ab dem Ende der Nachbindung der Beklagten (§ 3 Abs. 3 TVG) an den zur [X.] ihres Wechsels in eine [X.] geltenden Gehaltstarifvertrag, also mit dem Inkrafttreten des (neuen) Gehaltstarifvertrags vom 5. Juli 2007 (zur Dauer der Nachbindung, vgl. [X.] 1. Juli 2009 - 4 [X.] - Rn. 34 ff., [X.]E 131, 176) weder kraft beiderseitiger [X.], noch aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme einen Anspruch auf Tariferhöhungen. Das Entgelt bzw. die Entgeltvereinbarung ist statisch geworden. Für [X.] ist der Kläger wie die Arbeitnehmer mit [X.] 2008 - und anders als Arbeitnehmer mit nach dem 1. Januar 2002 abgeschlossenen Altverträgen, deren Bezugnahmeklausel dynamisch wirkt - auf den Gestaltungswillen der Beklagten angewiesen und deren kollektivrechtlich nicht beschränkter Gestaltungsmacht unterworfen.

II. Ob die Ungleichbehandlung des [X.] sachlich gerechtfertigt ist, kann der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des [X.]s nicht entscheiden.

1. Ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung ist der Ausgleich unterschiedlicher Arbeitsbedingungen zwischen verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern, solange ein solcher Ausgleich herbeigeführt wird und keine Überkompensation eintritt ([X.] 13. April 2011 - 10 [X.] - Rn. 23 [X.], [X.]E 137, 339; vgl. auch [X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 25 f.). Wann bei einer Entgelterhöhung als begünstigender Maßnahme eine Überkompensation anzunehmen ist, musste das [X.] bislang nicht im Einzelnen klären.

Aus der bisherigen Rechtsprechung kann nicht gefolgert werden, eine Überkompensation liege stets bereits dann vor, wenn zu einem bestimmten [X.]punkt der Stundenlohn der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als der Stundenlohn der von der Leistung ausgenommen Arbeitnehmer (zur Stundenvergütung als Vergleichsmaßstab siehe: [X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 23). So ließe ein bloßer Vergleich der [X.] im Streitfall außer Betracht, dass die begünstigten Arbeitnehmer vor der ersten Entgelterhöhung über längere [X.] eine faktische Lohnkürzung durch die Erhöhung der Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Wochenstunden ohne Lohnausgleich hingenommen haben. Geht es um den Ausgleich von [X.] und sich finanziell auswirkender unterschiedlicher sonstiger Arbeitsbedingungen, tritt eine Überkompensation erst und mit dem [X.]punkt ein, zu dem die finanziellen Nachteile, die die begünstigten Arbeitnehmer bis zu einer Entgelterhöhung erlitten haben oder danach noch erleiden werden, vollständig ausgeglichen sind.

2. Zur Prüfung der Frage, ob eine Entgelterhöhung nachteilige Arbeitsbedingungen der begünstigten Arbeitnehmer nicht nur ausgeglichen, sondern überkompensiert hat, ist ein Gesamtvergleich erforderlich. Dabei ist nicht - wie es das [X.] unternommen hat - abstrakt auf die verschiedenen [X.] abzustellen und zu versuchen, deren unterschiedliche Arbeitsbedingungen irgendwie finanziell zu bewerten. Das ist objektiv nicht möglich, soweit - wie im Streitfall - die Nachteile der begünstigten Arbeitnehmer im Vergleichszeitraum variieren können, je nachdem, in welchem Umfang sie etwa zu Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit herangezogen wurden oder bei ihnen Entgeltfortzahlungstatbestände vorlagen. Ob die Differenzierung bei den streitgegenständlichen [X.] im Sinne materieller Gerechtigkeit sachgerecht war (zu diesem Postulat: [X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 16 [X.]), kann bei unterschiedlichen Arbeitsbedingungen aufgrund verschiedener [X.] zuverlässig nur am Maßstab des auf Gleichbehandlung klagenden Arbeitnehmers beurteilt werden. Soweit der Entscheidung des [X.] vom 14. März 2007 (- 5 AZR 420/06 - Rn. 28, [X.]E 122, 1) ein anderer Vergleichsmaßstab entnommen werden kann, hält der Senat daran nicht fest.

3. Demzufolge muss - ähnlich wie beim Gesamtvergleich zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt im Bereich der Leiharbeit, in dem der Verleiher gesetzlich zur Gleichbehandlung verpflichtet ist - ein Gesamtvergleich der Entgelte angestellt werden. Dabei zählt zum Arbeitsentgelt jede Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt wird bzw. aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Entgeltfortzahlungstatbestände gewährt werden muss (vgl. [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 34. ff; 23. Oktober 2013 - 5 [X.] - Rn. 28). [X.] ist das Arbeitsentgelt, das der Kläger im maßgeblichen [X.]raum aufgrund der für ihn geltenden arbeitsvertraglichen Regelungen tatsächlich verdient hat und dasjenige Arbeitsentgelt, das er erhalten hätte, wenn er zu den Konditionen der begünstigten Arbeitnehmer gearbeitet hätte.

Dazu ist zunächst das Arbeitsentgelt zu ermitteln, das der Kläger ab dem - vom [X.] bislang nicht exakt festgestellten - [X.]punkt im Jahre 2006, an dem sich die Gruppe der Arbeitnehmer mit dem späteren [X.] 2008 bei ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen mit einer Erhöhung der Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Wochenstunden ohne Lohnausgleich einverstanden erklärte, bis zum Ende des [X.] (hier: Dezember 2011) erhalten hat. Dem gegenübergestellt werden muss das Arbeitsentgelt, das der Kläger im genannten [X.]raum unter Zugrundelegung der für ihn weitergeltenden Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden, aber mit einem entsprechend der Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich verringerten faktischen Stundenlohn, erhalten hätte, wenn er ansonsten zu den für die Vergleichsgruppe geltenden Konditionen gearbeitet hätte. Ergibt sich dabei im Wege eines [X.] ab einem bestimmten [X.]punkt ein Plus, ist von da an eine Überkompensation anzunehmen: Der Kläger hätte mehr verdient, wenn er ins „schlechtere“ [X.] gewechselt wäre. Freizeit ist dabei nicht zusätzlich zu bewerten, sie findet arbeitsrechtlich ihren Niederschlag in Höhe und Umfang der Hauptleistungspflichten einschließlich etwaiger Zuschläge.

4. Rechtsfolge einer Überkompensation ist, dass im Umfang der Überkompensation der sachliche Grund des Ausgleichs von Unterschieden nicht trägt (vgl. [X.] 13. April 2010 - 10 [X.] - Rn. 23, [X.]E 137, 339; 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 25). Für eine nach Eintritt der Überkompensation erfolgende - weitere - Entgelterhöhung fehlt deshalb der sachliche Grund von vornherein, für eine Entgelterhöhung vor Eintritt der Überkompensation entfällt der sachliche Grund ab diesem [X.]punkt. Wäre [X.] im Streitfall eine Überkompensation ab 1. Januar 2011 anzunehmen, könnte der Kläger die zum 1. Juli 2011 erfolgte Entgelterhöhung beanspruchen. Die Entgelterhöhung zum 1. September 2010 stünde ihm in diesem Falle erst ab dem 1. Januar 2011 zu, weil bis dahin der sachliche Grund die Differenzierung gerechtfertigt hat.

5. Nach Maßgabe dieser Grundsätze wird das [X.] im erneuten Berufungsverfahren prüfen müssen, ob und gegebenenfalls wann eine Überkompensation der Nachteile der begünstigten Arbeitnehmer eingetreten ist. Dabei gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Die Beklagte hat eine Gruppe von Arbeitnehmern von den streitgegenständlichen [X.] ausgenommen und muss deshalb die Gründe für die Differenzierung offenlegen und substantiiert dartun (vgl. im Einzelnen: [X.] 23. Februar 2011 - 5 [X.] - Rn. 15 f.). Dem ist sie mit ihrem bisherigen Vorbringen nachgekommen. Nunmehr ist es Sache des sich auf eine Überkompensation berufenden [X.], anhand eines ihn betreffenden Gesamtvergleichs im Einzelnen darzulegen (und im [X.] zu beweisen), dass die Beklagte unstreitig bestehende unterschiedliche Arbeitsbedingungen nicht nur ausgeglichen, sondern ab einem bestimmten [X.]punkt überkompensiert hat. Dem genügt das Vorbringen des [X.] bislang nicht. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet es aber, dem Kläger in einem erneuten Berufungsverfahren Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag zu geben.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Mandrossa     

        

    E. Bürger    

                 

Meta

5 AZR 6/13

03.09.2014

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Stuttgart, 25. August 2011, Az: 6 Ca 5777/10, Urteil

§ 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.09.2014, Az. 5 AZR 6/13 (REWIS RS 2014, 3175)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3175

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