Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.04.2015, Az. 8 C 6/14

8. Senat | REWIS RS 2015, 12655

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Gegenstand

Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit bei nachfolgender Insolvenzverfahrenseröffnung


Leitsatz

1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gewerbetreibenden führt nicht zur Unterbrechung des gerichtlichen Verfahrens über eine Gewerbeuntersagung.

2. Der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO maßgebliche Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung gilt auch für den Anwendungsbereich des § 12 Satz 1 GewO (Fortentwicklung der Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 - 1 C 146.80 - BVerwGE 65, 1 <2 ff.>). Daher bewirkt ein erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren nicht die Rechtswidrigkeit einer Gewerbeuntersagung wegen einer auf ungeordneten Vermögensverhältnissen beruhenden Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden.

3. § 12 Satz 1 GewO normiert kein Verbot der Vollstreckung von Gewerbeuntersagungen für die Dauer des Insolvenzverfahrens.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine erweiterte [X.] bei nachfolgender Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

2

Mit Bescheid vom 17. September 2010, zugestellt am 21. September 2010, untersagte das [X.] dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1 500 € die Ausübung des zuletzt gemeldeten Gewerbes "Handel und Montage von Bauelementen", die Gewerbeausübung generell sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und die Tätigkeit als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte [X.] zum 21. Oktober 2010 und ordnete an, innerhalb dieser [X.] die gewerbliche Tätigkeit einzustellen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger sei unzuverlässig im Sinne des § 35 Abs. 1 [X.], weil er angesichts aufgelaufener Rückstände von Steuern von ca. 5 000 € und nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge von ca. 845 € wegen seiner wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße Betriebsführung biete.

3

Mit Beschluss vom 23. September 2010 ordnete das [X.] - Insolvenzgericht - auf Antrag eines Sozialversicherungsträgers die vorläufige Insolvenzverwaltung zur Sicherung des [X.] vor nachteiligen Veränderungen an; außerdem bestellte es einen vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete an, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und [X.]. 2 [X.]). Das Insolvenzverfahren wurde vom Insolvenzgericht am 11. November 2010 eröffnet.

4

Dem Antrag des [X.] auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner gegen die Untersagungsverfügung vom 17. September 2010 erhobenen Klage gab der [X.] mit Beschluss vom 14. Februar 2011 statt.

5

Mit Urteil vom 22. November 2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 17. September 2010 abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des [X.] hat der [X.] mit Urteil vom 27. Januar 2014 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des [X.] hindere eine gerichtliche Entscheidung hinsichtlich der [X.] nicht, weil der Prozess nicht gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen worden sei. Die Tatbestandsvoraussetzungen der [X.] sowie der erweiterten [X.] seien zum maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Bescheides mit dessen Zugang am 21. September 2010 erfüllt. Auch die Ermessenserwägungen der Behörde hinsichtlich der erweiterten [X.] hielten der gerichtlichen Prüfung stand. Es sei ohne Einfluss auf den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des [X.] und der Rechtmäßigkeit der erweiterten [X.], dass über das Vermögen des [X.] mit Beschluss des [X.] vom 23. September 2010 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet worden sei, nachdem der Bescheid am 21. September 2010 bereits wirksam, wenn auch noch nicht bestandskräftig geworden und ferner die im Bescheid gewährte [X.] (21. Oktober 2010) noch nicht abgelaufen gewesen sei, bis zu der die gewerbliche Betätigung habe eingestellt werden müssen, und dass das Insolvenzgericht am 11. November 2010 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen gehabt habe. Die von § 12 [X.] ausgehende Sperrwirkung für die Anwendung des § 35 Abs. 1 [X.] komme daher vorliegend nicht zum Tragen.

6

Zur Begründung seiner dagegen eingelegten Revision trägt der Kläger im Wesentlichen vor, seit der Anordnung vorläufiger Maßnahmen des [X.] und der späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens stehe § 12 [X.] der [X.] entgegen und mache damit den angefochtenen Bescheid, an dem der Beklagte festhalte, rechtswidrig.

7

Er beantragt,

die Urteile des [X.] vom 22. November 2012 und des [X.] vom 27. Januar 2014 zu ändern und den Bescheid des [X.] vom 17. September 2010 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Er verteidigt die Gründe des Berufungsurteils.

Der Beteiligte stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Der [X.] hat die [X.]erufung des [X.] gegen das erstinstanzliche Urteil zu Recht zurückgewiesen. Der [X.]escheid des [X.]eklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Zu Recht hat das [X.]erufungsgericht das gerichtliche Verfahren im Hinblick auf das eröffnete Insolvenzverfahren nicht gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 240 Satz 1 ZPO ausgesetzt. Eine Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 Satz 1 ZPO setzt voraus, dass der Streitgegenstand "die Insolvenzmasse betrifft". Dies ist hier nicht der Fall. Die angefochtene [X.] knüpft an in der Person des [X.] liegende [X.] an und entzieht ihm als Person die [X.]efugnis, bestimmten beruflichen Tätigkeiten nachzugehen. Sie betrifft das berufliche [X.]etätigungsrecht des Gewerbetreibenden. Dieses personenbezogene Recht gehört nicht zur Insolvenzmasse. Denn sie umfasst gemäß § 35 Abs. 1 Insolvenzordnung ([X.]) vom 5. Oktober 1994 ([X.] I S. 2866) zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 31. August 2013 ([X.] I S. 3533) allein das dem Gemeinschuldner zur [X.] der Eröffnung des Verfahrens gehörende und das während des Verfahrens erlangte Vermögen ([X.], [X.]eschluss vom 18. Januar 2006 - 6 [X.] 21.05 - [X.] 310 § 134 VwGO Nr. 53). Das personenbezogene Recht zur Gewerbeausübung, das aus § 1 Gewerbeordnung ([X.]) in der Fassung der [X.]ekanntmachung vom 22. Februar 1999 ([X.] I S. 202) zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 15. April 2015 ([X.] I S. 583) folgt, zählt dazu nicht. Dementsprechend unterliegt es auch nicht der Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters.

2. Die Tatbestandsvoraussetzungen der vom [X.]eklagten nach § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.] verfügten [X.] sowie der erweiterten [X.] (§ 35 Abs. 1 Satz 2 [X.]) lagen zum hier maßgeblichen [X.]punkt des Wirksamwerdens des angefochtenen [X.]escheides am 21. September 2010 vor.

a) Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die [X.]keit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in [X.]ezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im [X.]etrieb [X.]eschäftigten erforderlich ist. [X.] ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche [X.]keit bestehen bei einem Gewerbetreibenden mit erheblichen Steuerrückständen sowie Zahlungsrückständen bei den Trägern der Sozialversicherung oder bei Straftaten im Zusammenhang mit der gewerblichen [X.]etätigung. Überschuldung und wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit begründen grundsätzlich die [X.]keit des Gewerbetreibenden (stRspr, vgl. u.a. [X.], Urteil vom 5. August 1965 - 1 [X.] 69.62 - [X.]E 22, 16). Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet ([X.], Urteil vom 2. Februar 1982 - 1 [X.] 146.80 - [X.]E 65, 1 <4>).

Für die [X.]eurteilung der Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden und der Rechtmäßigkeit einer [X.] kommt es nicht darauf an, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens weiterentwickelt haben. In der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, dass seit Inkrafttreten der Neufassung des § 35 Abs. 6 [X.] am 1. Mai 1974 eine deutliche Trennung zwischen dem Untersagungsverfahren einerseits und dem Wiedergestattungsverfahren andererseits besteht. Ist ein Gewerbe wirksam untersagt worden, hat die [X.]ehörde nicht mehr zu prüfen, ob die Untersagungsgründe die ergangene [X.] weiterhin tragen. Haben sich die tatsächlichen Umstände geändert, muss die Initiative zur Wiederzulassung nach § 35 Abs. 6 [X.] vom Gewerbetreibenden ausgehen (vgl. [X.], Urteil vom 2. Februar 1982 - 1 [X.] 146.80 - [X.]E 65, 1 <2 ff.>; [X.]eschlüsse vom 15. Februar 1995 - 1 [X.] - [X.] 451.20 § 35 [X.] Nr. 58 = [X.] 1995, 200 und vom 9. April 1997 - 1 [X.] - [X.] 451.20 § 35 [X.] Nr. 67).

In diesem Sinne war der Kläger zum [X.]punkt des Wirksamwerdens (Art. 43 Abs. 1 Satz 1 [X.]ayVwVfG) des angefochtenen [X.]escheides am 21. September 2010 und damit zum [X.]punkt der letzten [X.]ehördenentscheidung im [X.]sverfahren unzuverlässig. Nach den Feststellungen des [X.]erufungsgerichts, gegen die durchgreifende Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind, hatte der Kläger damals Steuerrückstände von 5 013 € und schuldete zudem der [X.] seit über einem Jahr Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 845 €. Ferner hatte er am 21. Dezember 2009 die eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO a.F. abgegeben, wobei sich dem zugehörigen Protokoll weitere Schulden des [X.] von mehr als 12 000 DM entnehmen ließen. Die Verletzung seiner Pflichten zur Zahlung der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge beruhte angesichts seiner Vermögensverhältnisse maßgeblich auf fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, nicht auf einer in der Person begründeten [X.]keit. Gegenüber dem [X.]eklagten hatte er sich selbst als mittellos bezeichnet. Irgendein Konzept zum Abbau seiner Schulden hatte der Kläger nicht entwickelt.

b) Revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des [X.]erufungsgerichts, dass die Voraussetzungen für die erweiterte [X.] nach § 35 Abs. 1 Satz 2 [X.] zum [X.]punkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorlagen. In der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, dass insoweit Tatsachen vorliegen müssen, welche die [X.]keit des Gewerbetreibenden in [X.]ezug auf die "Ausweichtätigkeit" dartun ("gewerbeübergreifende [X.]keit"). Diese sind bei steuerlichen Pflichtverletzungen und bei ungeordneten Vermögensverhältnissen gegeben. Außerdem muss die erweiterte [X.] erforderlich sein, weil eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein Ausweichen des Gewerbetreibenden vorliegt. Dabei folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz [X.]keit an seiner gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat, wodurch er regelmäßig seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen. Die erweiterte [X.] ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet ([X.], Urteil vom 2. Februar 1982 - 1 [X.] 17.79 - [X.]E 65, 9 <11>; [X.]eschluss vom 11. September 1992 - 1 [X.] 131.92 - [X.] 1995, 116).

Auch die Annahme des [X.]erufungsgerichts, dass die im angefochtenen [X.]escheid getroffenen Ermessenserwägungen der [X.]ehörde nach § 35 Abs. 1 Satz 2 [X.] rechtsfehlerfrei sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ist ein Gewerbetreibender in [X.]ezug auf andere - nicht ausgeübte - gewerbliche [X.]etätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser [X.]etätigungen erforderlich, so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten [X.] Gebrauch macht, nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll ([X.], Urteil vom 2. Februar 1982 - 1 [X.] 17.79 - [X.]E 65, 9 <11>). Eine Ermessenserwägung dieser Art lässt sich der angefochtenen Untersagungsverfügung entnehmen.

c) An der Maßgeblichkeit des [X.]punkts des Erlasses des angefochtenen [X.]escheides (hier: 21. September 2010) für die [X.]eurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des [X.] und der Rechtmäßigkeit der Untersagung des ausgeübten Gewerbes sowie der erweiterten [X.] ändert sich auch nichts dadurch, dass die dem Kläger im angefochtenen [X.]escheid gewährte Frist (21. Oktober 2010) noch nicht abgelaufen war, bis zu der die gewerbliche [X.]etätigung eingestellt werden musste. [X.]is zum Ablauf der von der [X.]sbehörde gesetzten Frist darf der Gewerbetreibende zwar noch gewerblich tätig sein, um [X.] vorzunehmen und die Einstellung des Geschäftsbetriebs vorzubereiten. Die Auslauffrist hebt die Wirksamkeit der bereits ergangenen Untersagungsverfügung aber nicht auf, sondern ist deren fester [X.]estandteil.

3. Der angefochtene [X.]escheid ist auch nicht nachträglich nach § 12 Satz 1 [X.] rechtswidrig geworden.

Für die [X.]eurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des [X.] und der Rechtmäßigkeit der Untersagung des ausgeübten Gewerbes sowie der erweiterten [X.] war ohne [X.]edeutung, dass nach dem Wirksamwerden des angefochtenen [X.] am 21. September 2010 über das Vermögen des [X.] durch [X.]eschluss des [X.] - Insolvenzgericht - vom 23. September 2010 zur Sicherung des [X.] vor nachteiligen Veränderungen die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet, ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und die Anordnung getroffen wurde, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und [X.]. 2 [X.]). Gleiches gilt für den Umstand, dass das Insolvenzgericht am 11. November 2010 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen hat.

Nach § 12 Satz 1 [X.] sind u.a. Vorschriften zur Untersagung des Gewerbes bei einer auf ungeordneten Vermögensverhältnissen beruhenden [X.]keit des Gewerbetreibenden während eines Insolvenzverfahrens, während der [X.], in der Sicherungsmaßnahmen nach § 21 [X.] angeordnet sind, und während der Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans nicht anzuwenden in [X.]ezug auf das Gewerbe, das zur [X.] des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt wurde. Der [X.] hat zu Recht angenommen, dass § 12 Satz 1 [X.] die aus § 35 Abs. 6 [X.] folgende Vorverlegung des für die [X.]eurteilung der Rechtmäßigkeit des Dauerverwaltungsakts "Untersagung der Gewerbeausübung" maßgeblichen [X.]punkts auf die letzte Verwaltungsentscheidung unberührt lässt. Ein Insolvenzverfahren, das - wie hier - erst nach Abschluss des [X.]sverfahrens eröffnet wurde, ist daher ohne Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Untersagung des Gewerbes wegen einer auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführenden [X.]keit des Gewerbetreibenden.

Der Wortlaut ist insoweit zwar nicht zwingend. § 12 Satz 1 [X.] verbietet für die Dauer des Insolvenzverfahrens nicht die Maßnahme der Untersagung eines Gewerbes selbst, sondern die Anwendung entsprechender Vorschriften. Mit [X.]lick auf die nicht nur von den [X.]ehörden, sondern auch von den Gerichten vorzunehmende Subsumtion kann von einer Anwendung der Untersagungsvorschriften auch im gerichtlichen Verfahren gesprochen werden. Daher schließt nicht bereits der Wortsinn die Annahme aus, dass auch ein erst nach Abschluss des [X.]sverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren nachträglich die im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Rechtswidrigkeit einer auf ungeordnete Vermögensverhältnisse gestützten [X.] auslöst (vgl. Hahn, [X.] 2000, 361, <365 f.>). Allerdings liegt eine solche Auslegung schon deshalb nicht nahe, weil die gerichtliche Subsumtion in die im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes zu leistende Kontrolle der Rechtsanwendung durch die [X.]ehörden eingebunden ist. Entscheidend gegen die Annahme eines erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens entstehenden Anwendungsverbots spricht jedoch die im Gesetz angelegte systematische Trennung zwischen Untersagungs- und Wiedergestattungsverfahren. Nach dem [X.] von § 35 Abs. 1 und 6 [X.] sind nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens eintretende Änderungen der Verhältnisse allein im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf Wiedergestattung zu prüfen und zu berücksichtigen. Die Vorschrift des § 12 Satz 1 [X.] lässt die Anwendbarkeit des § 35 Abs. 6 [X.] und die grundsätzliche systematische Trennung unberührt. Sie erfasst § 35 Abs. 6 [X.] schon deshalb nicht, weil es sich dabei um keine Vorschrift handelt, "welche die Untersagung eines Gewerbes ... ermöglicht". Eine [X.]erücksichtigung nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens eingetretener neuer Umstände würde die in § 35 Abs. 1 und 6 [X.] normierte Systematik von Untersagungs- und Wiedergestattungsverfahren durchbrechen.

Sinn und Zweck des § 12 Satz 1 [X.] stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, einen Konflikt mit den Zielen des Insolvenzverfahrens zu vermeiden und insbesondere die Möglichkeit einer Sanierung des insolventen Unternehmens nicht durch eine [X.] zu vereiteln (vgl. dazu vor allem die [X.]egründung des [X.] zu § 12 Satz 1 [X.], [X.]T-Drs. 12/3803, [X.] f.). Ohne die Regelung in § 12 Satz 1 [X.] könnte zum [X.]eispiel einem [X.]eschluss der Gläubigerversammlung gemäß § 157 [X.], das Unternehmen vorläufig fortzuführen, durch eine Untersagungsverfügung und ihre Vollziehung die Grundlage entzogen werden. Ebenso könnten ohne die von § 12 Satz 1 [X.] ausgelöste Sperrwirkung die Aufstellung und Durchführung eines Insolvenzplanes nach §§ 217 ff. [X.] gefährdet oder gar verhindert werden. Um diese Folgen auszuschließen, ordnet die Vorschrift an, dass die Untersagungsbehörde ab [X.]eginn der in § 12 Satz 1 [X.] abschließend bestimmten [X.]räume § 35 Abs. 1 [X.] nicht mehr anwenden darf, soweit die [X.]keit des Gewerbetreibenden auf ungeordneten Vermögensverhältnissen beruht. Auch im Hinblick auf die Interessen am Schutz des Geschäftsverkehrs vor den Gefahren, die von einem insolventen und deshalb gewerberechtlich unzuverlässigen Gewerbetreibenden ausgehen, erschien dies, wie insbesondere die Entstehungsgeschichte der Regelung ausweist, dem Gesetzgeber vertretbar. Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter kompensiert das Gefährdungspotential, das von der weiteren Ausübung des Gewerbes des insolventen Gemeinschuldners ausgeht. Neue Vertragspartner des Gewerbetreibenden können aufgrund der Vorschriften des Insolvenzrechts über die Einsetzung eines Insolvenzverwalters und dessen die Direktionsrechte des insolventen Gewerbetreibenden ersetzenden [X.]efugnisse, den Vorrang der Masseverbindlichkeiten und die Aufsicht des Insolvenzgerichts geschützt werden. Vorläufige Anordnungen des Insolvenzgerichts nach § 21 [X.] dienen dem gleichen Ziel, wenn auch mit unterschiedlichen Schutzwirkungen für den Geschäftsverkehr.

Das an die [X.]ehörden gerichtete Verbot des Erlasses von [X.] wegen ungeordneter Vermögensverhältnisse des Gewerbetreibenden während eines parallel zum [X.]sverfahren laufenden Insolvenzverfahrens dient dem Ziel des § 12 Satz 1 [X.], die Möglichkeit einer Sanierung des insolventen Unternehmens offenzuhalten. Dieses Ziel erfordert nicht darüber hinaus, dass ein erst nach Abschluss des [X.]sverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren unter Durchbrechung der Trennung von Untersagungs- und Wiedergestattungsverfahren die nachträgliche Rechtswidrigkeit einer auf ungeordnete Vermögensverhältnisse gestützten Untersagung auslöst. Allerdings hat der [X.] in diesem Zusammenhang zu Recht angenommen, dass § 12 Satz 1 [X.] kein Verbot der Vollstreckung von [X.]en wegen wirtschaftlicher [X.]keit des Gewerbetreibenden normiert, um die insolvenzrechtlichen Ziele zu sichern, wie dies zum Teil in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur vertreten wird. Dagegen spricht schon der klare Wortlaut der Vorschrift. Denn die vollstreckungsrechtlichen Vorschriften etwa zur Anordnung oder Festsetzung von Zwangsgeld "ermöglichen" nicht im Sinne von § 12 Satz 1 [X.] die Untersagung eines Gewerbes wegen [X.]keit des Gewerbetreibenden, sondern den Vollzug einer bereits ergangenen [X.]. Außerdem betrifft die Frage der [X.]keit wegen ungeordneter Vermögensverhältnisse die Rechtmäßigkeit des [X.] "Untersagung", die von der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen zur Vollstreckung des [X.] strikt zu trennen ist (vgl. [X.], Urteil vom 16. Dezember 2004 - 1 [X.] 30.03 - [X.]E 122, 293 <296 f.>). Zudem würde ein Vollstreckungsverbot eine ungerechtfertigte Privilegierung derjenigen Gewerbetreibenden bewirken, die eine vor [X.]eginn der in § 12 Satz 1 [X.] bezeichneten [X.]räume ergangene sofort vollziehbare oder bestandskräftig gewordene Untersagungsverfügung missachten. Die Frage, ob und inwieweit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die insolvenzgerichtliche Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 [X.] bei Ausübung des vollstreckungsrechtlichen Ermessens [X.]erücksichtigung finden kann, betrifft allein die Auslegung und Anwendung des landesrechtlichen Vollstreckungsrechts.

Dem Ziel des § 12 Satz 1 [X.], dem Gewerbetreibenden die mit der Durchführung eines Insolvenzverfahrens eröffnete [X.]hance zu einem Neuanfang zu sichern, kann jedoch auch unter Wahrung der im Gesetz angelegten Trennung von [X.]s- und Wiedergestattungsverfahren Rechnung getragen werden. Zwar ist § 12 [X.] nach seinem Wortlaut nicht auf das Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 [X.] anwendbar. Soweit die Untersagung wegen [X.]keit des Gewerbetreibenden auf dessen ungeordneten Vermögensverhältnissen beruht, kann jedoch ein nach Abschluss des [X.]sverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren die Grundlage für eine Wiedergestattung der Gewerbeausübung bieten. Das setzt die Prognose voraus, dass der Gewerbetreibende künftig wirtschaftlich hinreichend leistungsfähig sein wird, um das Gewerbe ordnungsgemäß ausüben zu können. Allerdings rechtfertigen allein die oben genannten insolvenzrechtlichen Sicherungen eine solche Prognose nicht. Wie ausgeführt, bewirken diese Sicherungen, solange und soweit sie greifen, dass kein [X.]edürfnis im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 [X.] besteht, den Geschäftsverkehr von einer Fortsetzung der gewerblichen Tätigkeit des insolventen Gewerbetreibenden zu schützen (vgl. [X.]T-Drs. 12/3803 [X.]). Für die Prognose einer auf den Aspekt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bezogenen dauerhaften Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ist darüber hinaus erforderlich, dass begründete Aussicht auf eine Sanierung seiner Vermögensverhältnisse infolge der im Insolvenzverfahren durchzuführenden Maßnahmen besteht. Für diesen Fall werden in der Regel die Voraussetzungen des § 35 Abs. 6 Satz 1 [X.] für eine Wiedergestattung der Gewerbeausübung wegen künftig geordneter Vermögensverhältnisse und zwischenzeitlich fehlender Gefährdung des Geschäftsverkehrs vorliegen. Umgekehrt wird eine Wiedergestattung im Regelfalle nicht in [X.]etracht kommen, wenn die [X.] negativ zu bewerten sind. Ist der [X.] - insbesondere zu [X.]eginn des Insolvenzverfahrens - noch offen, fehlt zwar zunächst die Grundlage für die Feststellung, dass der Gewerbetreibende die Gewähr dafür bietet, das Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß auszuüben. Insoweit kann dem in § 12 [X.] zum Ausdruck kommenden öffentlichen Interesse, eine Sanierung des insolventen Gewerbes im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht durch eine fortdauernde Untersagung der Gewerbeausübung von vornherein zu vereiteln, dadurch Rechnung getragen werden, dass die nach § 35 Abs. 6 Satz 1 [X.] vorausgesetzte Gewähr dauerhafter Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden - hier nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit - durch geeignete Nebenbestimmungen gesichert wird, die den weiteren [X.]estand der Wiedergestattung vom Ergebnis des Insolvenzverfahrens abhängig machen (§ 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG). Zur raschen vorläufigen Klärung der [X.]efugnis zur Fortführung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 [X.] steht dem Gewerbetreibenden die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO zur Verfügung.

Das Wiedergestattungsverfahren ist auch nicht deshalb ungeeignet, die [X.]hance für eine Sanierung des insolventen Gewerbes durch ein nach Abschluss des [X.]sverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren zu erhalten, weil im Regelfall für die Wiedergestattung eine Wartefrist von einem Jahr nach Durchführung der Untersagungsverfügung einzuhalten ist (§ 35 Abs. 6 Satz 2 [X.]). Denn für den Fall, dass Aussicht auf eine Sanierung der Vermögensverhältnisse des Gewerbetreibenden im Wege insolvenzrechtlicher Maßnahmen besteht oder ein [X.] jedenfalls möglich erscheint, wird vom Vorliegen "besonderer Gründe" im Sinne des § 35 Abs. 6 Satz 2 [X.] auszugehen sein, weil es dann nicht mehr aufgrund überwiegender öffentlicher Interessen gerechtfertigt ist, den [X.]etroffenen trotz fehlender Gefährdung des Geschäftsverkehrs länger von der Ausübung des Gewerbes fernzuhalten und dadurch den [X.] zu gefährden (vgl. [X.], Urteil vom 21. Juli 1959 - 1 [X.] 101.54 - DV[X.]l. 1959, 775 <776> und [X.]eschluss vom 23. November 1990 - 1 [X.] 155.90 - [X.] 451.20 § 35 [X.] Nr. 47; [X.], in: [X.][X.], [X.], Stand Oktober 2014, [X.]d. I, § 35 Rn. 177.

4. [X.] nicht zu beanstanden ist auch die vom [X.]erufungsgericht bejahte Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung und der Kostenentscheidung im angefochtenen [X.]escheid.

5. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

8 C 6/14

15.04.2015

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 27. Januar 2014, Az: 22 BV 13.260, Urteil

§ 12 S 1 GewO, § 35 Abs 1 S 1 GewO, § 35 Abs 1 S 2 GewO, § 35 Abs 6 GewO, § 21 Abs 1 InsO, § 21 Abs 2 InsO, § 240 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.04.2015, Az. 8 C 6/14 (REWIS RS 2015, 12655)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12655

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