Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.02.2022, Az. 8 C 3/21

8. Senat | REWIS RS 2022, 3009

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Gegenstand

Zuordnung einer Siedlungsmülldeponie


Leitsatz

Verwaltungsvermögen ist nach Art. 21 Abs. 1 und 2 EV ungeachtet späterer Zuständigkeitsänderungen dem Verwaltungsträger zuzuordnen, der am 1. Oktober 1989 für die mit dem Vermögenswert bestimmungsgemäß wahrgenommene Aufgabe zuständig war.

Tenor

Das Urteil des [X.] vom 23. März 2021 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen, soweit sie sich gegen Ziffer [X.] des Bescheides des [X.] und offene Vermögensfragen vom 11. April 2018 richtet. Im Übrigen werden die Revisionen zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte die im erstinstanzlichen Verfahren angefallenen zur Hälfte, die im Revisionsverfahren angefallenen tragen die Beklagte und der Beigeladene zu 1 zu je 1/4; die Klägerin trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der im Revisionsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. Eine weitergehende Kostenerstattung findet nicht statt.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die [X.] von drei auf ihrem Gebiet liegenden Flurstücken.

2

Diese wurden seit 1968 zum Betrieb einer [X.] genutzt. Spätestens seit 1983 standen sie im Eigentum des Volkes in [X.] der Klägerin. Mit Verträgen vom 26. Juli 1983 und vom 30. September 1989 regelten der Rat der [X.], der [X.] und die LPG (P) [X.] den Betrieb der [X.]. Der [X.] wurde als Betreiber bestätigt. Die [X.] sollte der Ablagerung von Hausmüll, Sperrmüll und Bauschutt dienen. Die Ablagerung von [X.] und [X.] war verboten. Der Rat der Stadt stellte dem VEB die drei verfahrensgegenständlichen Flurstücke für den Betrieb der Deponie kostenlos zur Verfügung. Nach Schließung der [X.] sollten die Flurstücke rekultiviert und der LPG zur Verfügung gestellt werden. Mit Wirkung zum 1. Januar 1991 übernahm die Klägerin den Betrieb der [X.]. Mit Ablauf des 30. Juni 1991 wurde die Deponie stillgelegt.

3

Im Dezember 1995 beantragte die Klägerin die Zuordnung der Flurstücke. Mit [X.] vom 18. Juni 1996 ordnete der Präsident der [X.] diese unbeschadet möglicher Rechte Dritter, insbesondere nach § 1 Abs. 1 und § 11 [X.], der Beigeladenen zu 3 zu. Im August 1998 nahm die Klägerin ihren Zuordnungsantrag zurück und beantragte, die Flurstücke dem Beigeladenen zu 1 zuzuordnen. Das [X.] und offene Vermögensfragen nahm nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 11. April 2018 seinen [X.] vom 18. Juni 1996 hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Flurstücke zurück (Ziffer [X.]) und ordnete diese der Klägerin zu (Ziffer III.2.).

4

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid mit Urteil vom 23. März 2021 insgesamt aufgehoben. Zwar hätten die Flurstücke von Amts wegen zugeordnet werden dürfen, weil die Klägerin deren Zuordnung ablehne. Abgesehen davon sei ein öffentliches Interesse wegen der jedenfalls potenziell von den Grundstücken ausgehenden [X.] anzunehmen. Die Klägerin sei jedoch nicht zuordnungsberechtigt. Bei den Flurstücken habe es sich am 1. Oktober 1989 und auch noch am 3. Oktober 1990 um Verwaltungsvermögen gehandelt. Die mit ihnen erfüllte Aufgabe der Ablagerung örtlichen Siedlungsmülls sei in die Verwaltungskompetenz der Länder gefallen. Nach dem insoweit mit dem Grundgesetz zu vereinbarendem einfachen Recht seien für diese Aufgabe am 1. Oktober 1989 nach § 43 Abs. 3 und § 69 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen in der [X.] - GöV [X.] - vom 4. Juli 1985 (GBl. [X.] I S. 213) die Räte der [X.] zuständig gewesen, am 3. Oktober 1990 dagegen nach § 2 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der [X.] (Kommunalverfassung [X.] - [X.] [X.]) vom 17. Mai 1990 (GBl. [X.] I S. 255) die Gemeinden. [X.] die Zuständigkeit am zweiten Stichtag von der am ersten ab, komme es maßgeblich auf die Zuständigkeit am 1. Oktober 1989 an. Die in Ziffer [X.] des Bescheides vom 11. April 2018 verfügte teilweise Rücknahme des [X.]es vom 18. Juni 1996 müsse wegen des untrennbaren Zusammenhangs mit der Zuordnung der verfahrensgegenständlichen Flurstücke an die Klägerin ebenfalls aufgehoben werden.

5

Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Revision vor, ein öffentliches Interesse an der Zuordnungsentscheidung bestehe schon, weil die zuordnungsberechtigte Klägerin die Zuordnung ablehne. Auf drohende [X.]en komme es dagegen nicht an. Die Flurstücke seien der Klägerin zuzuordnen, weil der Betrieb von [X.] mit örtlichem Charakter am 3. Oktober 1990 eine Verwaltungsaufgabe der Gemeinden gewesen sei.

6

Der Beigeladene zu 1 macht mit seiner Revision geltend, es fehle schon an einem öffentlichen Interesse für eine Zuordnung von Amts wegen. Die Eigentumsverhältnisse an den verfahrensgegenständlichen Flurstücken seien seit deren Sammelzuordnung zur Beigeladenen zu 3 nicht mehr klärungsbedürftig gewesen. Eine - erneute - Zuordnung sei auch nicht zur Klärung der ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit für die Deponie erforderlich. Diese folge nämlich nicht aus dem Eigentum an den streitgegenständlichen Flurstücken, sondern aus dem Betrieb der Deponie. Die Zuordnungsberechtigung der Klägerin ergebe sich aus der Zuständigkeit zum Stichtag des 3. Oktober 1990. Dafür spreche vor allem der Sinn und Zweck von Art. 21 Abs. 1 und 2 EV. Die Vorschrift diene der aufgabenangemessenen Ausstattung von [X.]. Derjenige Verwaltungsträger, dem die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe zugewiesen sei, solle über die dafür erforderlichen Vermögensgegenstände verfügen. Bei Veränderungen der Aufgabenzuständigkeit zwischen dem 1. Oktober 1989 und dem 3. Oktober 1990 komme es auf die am 3. Oktober 1990 bestehende Zuständigkeit an, damit der zu diesem Zeitpunkt zuständige Verwaltungsträger seine Aufgabe sinnvoll wahrnehmen könne. Am 3. Oktober 1990 seien die Gemeinden nach § 2 Abs. 2 [X.] [X.] für die Deponie örtlicher Siedlungsabfälle zuständig gewesen.

7

Die Beklagte und der Beigeladene zu 1 beantragen jeweils,

das Urteil des [X.] vom 23. März 2021 zu ändern und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Die Beigeladenen zu 2 und 3 unterstützen jeweils das [X.], ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Der Beigeladene zu 2 führt ergänzend aus, die Klägerin sei zuordnungsberechtigt, auch wenn die tatsächliche Aufgabenwahrnehmung maßgeblich sein sollte. Sie habe nämlich an beiden Stichtagen die tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt über die Deponiegrundstücke innegehabt.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Revisionen sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage als unzulässig abweisen müssen, soweit sie sich gegen die teilweise Rücknahme des [X.] vom 18. Juni 1996 richtet (1.). Im Übrigen verletzt sein Urteil kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Beklagte durfte die verfahrensgegenständlichen Flurstücke von Amts wegen zuordnen (2.). Die Klägerin ist insoweit jedoch nicht zuordnungsberechtigt (3.).

1. Der Klägerin fehlt für die Anfechtung der teilweisen Rücknahme des [X.] vom 18. Juni 1996 die erforderliche Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO).

a) Die Teilrücknahme kann die Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in eigenen Rechten verletzen. Ihre zuordnungsrechtliche Rechtsposition nach Art. 21 des [X.] (EV) und § 1 des Vermögenszuordnungsgesetzes ([X.]) wird durch die Aufhebung der Sammelzuordnung oder deren Fortbestehen nicht berührt. [X.] sind keine Zuordnungsentscheidungen im Sinne dieser Vorschriften. Sie haben nur verwaltungstechnische Bedeutung und bestimmen über die [X.], hier die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der [X.] oder der Beigeladenen zu 3. Eine eigentumsrechtliche Zuordnung im Sinne des Vermögenszuordnungsgesetzes wird dadurch weder gehindert noch präjudiziert (stRspr, z.B. BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2007 - 3 C 27.06 - [X.] 111 Art. 21 EV Nr. 58 Rn. 10 und vom 12. Dezember 2018 - 10 C 10.17 - [X.] 428.2 § 1 [X.] Nr. 8 Rn. 17). Demgemäß ist der Sammelzuordnungsbescheid ausdrücklich unbeschadet möglicher Rechte Dritter, insbesondere nach § 1 Abs. 1, § 11 [X.], ergangen.

b) Eine Klagebefugnis bezüglich der Teilrücknahme kann die Klägerin auch nicht aus dem Zusammenhang mit der Zuordnungsregelung in Ziffer [X.] des angegriffenen Bescheides herleiten. Entgegen dem angegriffenen Urteil sind beide Regelungen nicht untrennbar miteinander verknüpft. Da die Sammelzuordnung keine Zuordnung im Sinne des § 1 [X.] darstellt, hängen Rechtmäßigkeit und Aufhebbarkeit der Vermögenszuordnung an die Klägerin nicht vom Fortbestehen oder Wegfall der Sammelzuordnung ab. Die Teilrücknahme korrigiert lediglich die versehentliche Einbeziehung der [X.] in die Übertragung der Verwertungs- und Verfügungsbefugnis für die land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen.

2. Die Beklagte durfte die verfahrensgegenständlichen Flurstücke nach § 1 Abs. 1 und Abs. 6 [X.] i. V. m. Art. 21 EV von Amts wegen zuordnen, weil diese Vermögenswerte nach § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] zuordnungsfähig waren und das erforderliche öffentliche Interesse an einer Zuordnung von Amts wegen vorlag (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - [X.] 428.2 § 11 [X.] Nr. 38 Rn. 14 ff.).

a) Zum Stichtag des 1. Oktober 1989 handelte es sich bei den verfahrensgegenständlichen Flurstücken um volkseigenes Verwaltungsvermögen im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EV, weil sie der öffentlichen Aufgabe der Abfallbeseitigung dienten. Die Flurstücke sind nicht gemäß § 11 Abs. 2 des Treuhandgesetzes ([X.]) am 1. Juli 1990 im Rahmen der Umwandlung des [X.] in eine GmbH kraft Gesetzes aus dem zuordnungsfähigen Vermögen ausgeschieden. Als kreisgeleiteter Betrieb unterlag dieser VEB keiner Umwandlung (§ 11 Abs. 3 Spiegelstrich 3 [X.]). Bei Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 dienten die Vermögenswerte auch weiterhin der Abfallbeseitigung.

b) Das Verwaltungsgericht hat das öffentliche Interesse für eine Zuordnung der verfahrensgegenständlichen Vermögenswerte von Amts wegen zu Recht bejaht. Dieses ist anzunehmen, wenn die Eigentumsverhältnisse zur aufgabenangemessenen Ausstattung der Verwaltungsträger nach dem Beitritt geklärt werden müssen. Dafür genügt, dass mehrere Prätendenten um die Zuordnung streiten oder der potenziell [X.] eine Zuordnung ablehnt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - [X.] 428.2 § 11 [X.] Nr. 38 Rn. 16). Einer von dem betreffenden Vermögenswert ausgehenden Gefahr bedarf es dagegen nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - [X.] 428.2 § 11 [X.] Nr. 38 Rn. 16).

Vorliegend ist die Klägerin als frühere Rechtsträgerin der streitgegenständlichen Flurstücke potenziell zuordnungsberechtigt. Sie hat deren Zuordnung abgelehnt, indem sie ihren Zuordnungsantrag zurückgenommen und die Zuordnung an den Beigeladenen zu 1 beantragt hat. Gegen das hieraus folgende öffentliche Interesse an einer Zuordnung von Amts wegen kann nicht eingewandt werden, der Sammelzuordnungsbescheid vom 18. Juni 1996 habe die Frage der Zuordnung der streitgegenständlichen Flurstücke bereits geklärt. Wie ausgeführt, änderte jener Bescheid lediglich die [X.] ohne Prüfung der äußeren Zuordnungsrechtslage (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2002 - 3 C 27.06 - [X.] 111 Art. 21 EV Nr. 58 Rn. 10).

3. Wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat, ist die in Ziffer [X.] des Bescheides geregelte Zuordnung der [X.] jedoch materiell rechtswidrig. Die Klägerin ist gemäß Art. 21 Abs. 1 und 2 [X.] m. § 1 Abs. 1 [X.] nicht zuordnungsberechtigt, weil sie zum 1. Oktober 1989 nicht für die mit den Grundstücken widmungsgemäß wahrgenommene Aufgabe der Ablagerung örtlicher Siedlungsabfälle zuständig war.

a) Nach Art. 21 Abs. 1 EV wurde das Vermögen der [X.], das unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben diente, [X.], sofern es nicht nach seiner Zweckbestimmung am 1. Oktober 1989 überwiegend für Verwaltungsaufgaben bestimmt war, die nach dem Grundgesetz von Ländern, Gemeinden (Gemeindeverbänden) oder sonstigen Trägern öffentlicher Verwaltung wahrzunehmen waren. Soweit Verwaltungsvermögen nach der genannten Vorschrift nicht zu [X.] wurde, stand es gemäß Art. 21 Abs. 2 EV mit Wirksamwerden des Beitritts demjenigen Träger öffentlicher Verwaltung zu, der nach dem Grundgesetz für die Verwaltungsaufgabe zuständig war. Danach bestimmt der Stichtag des 1. Oktober 1989 den [X.] von Verwaltungsvermögen (BVerwG, Urteile vom 28. September 1995 - 7 C 57.94 - BVerwGE 99, 283 <285> und vom 11. November 1999 - 3 C 34.98 - BVerwGE 110, 61 <63 f.>; Beschlüsse vom 28. Oktober 1996 - 3 B 149.96 - [X.] 111 Art. 21 EV Nr. 17 S. 25 f. und vom 12. September 2000 - 3 B 149.00 - juris Rn. 1 und 4). Bezogen auf diesen Zeitpunkt sind die mit dem Vermögenswert wahrgenommene öffentliche Aufgabe und die Zuständigkeit für deren Wahrnehmung nach dem Grundgesetz zu bestimmen. Auf den Stichtag des 3. Oktober 1990 kommt es dagegen für die (weitere) Zugehörigkeit des Vermögensgegenstandes zum Verwaltungsvermögen an, weil vor Wirksamwerden des Beitritts daraus ausgeschiedenes Vermögen nicht (mehr) nach Art. 21 EV zuordnungsfähig ist. Außerdem bezeichnet der 3. Oktober 1990 den Zeitpunkt des [X.] aufgrund der Zuordnung. Sofern der Vermögensgegenstand auch am 3. Oktober 1990 noch Verwaltungsvermögen war, steht mit dem am 1. Oktober 1989 bei Zugrundelegung der Rechtsordnung des Grundgesetzes zuständig gewesenen Verwaltungsträger dieser als Eigentümer vom Beitrittszeitpunkt an fest (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1997 - 3 C 34.98 - BVerwGE 110, 61 <64>; Beschluss vom 12. September 2000 - 3 B 149.00 - juris Rn. 1).

Das gilt auch dann, wenn sich die Zuständigkeit für die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe, welcher der zuzuordnende Vermögenswert seiner Widmung nach dient, nach dem 1. Oktober 1989 bis zum Wirksamwerden des Beitritts geändert hat. Ziel der in Art. 21 EV enthaltenen Stichtagsregelung war es, das Vermögen des Einheitsstaates [X.], wie er zu diesem Zeitpunkt bestand, sachgerecht auf die drei Ebenen [X.], Länder und Kommunen aufzuteilen (vgl. [X.]. 11/7760 [X.]). Dabei sollten Verschiebungen des öffentlichen Vermögens, die im letzten Jahr der Existenz der [X.] stattgefunden hatten, nicht berücksichtigt werden, weil man viele davon als rechtlich zweifelhaft ansah (vgl. [X.]/[X.], [X.], Stand März 2021, Art. 21 EV Rn. 7 m. w. N.; [X.], [X.] 1991, 329 <331>; BVerwG, Beschluss vom 12. September 2000 - 3 B 149.00 - juris Rn. 4). Als mithin pauschalierende, aber gleichwohl von keiner Ausnahme durchbrochene und mithin strikt anzuwendende Vorschrift betrifft die Stichtagsregelung des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EV damit auch solche Fälle, für die ein anderes Ergebnis ebenso sachgerecht oder womöglich sogar sachgerechter gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 2000 - 3 B 149.00 - juris Rn. 4).

b) Die Klägerin war am 1. Oktober 1989 nicht für die mit den streitgegenständlichen Flurstücken wahrgenommene Aufgabe zuständig.

Das Verwaltungsgericht ist revisionsrechtlich fehlerfrei davon ausgegangen, dass diese Flurstücke am 1. Oktober 1989 als Deponie zur Ablagerung örtlicher Siedlungsabfälle dienten. Für die Bestimmung der für die Zuordnungsentscheidung maßgeblichen Aufgabenerfüllung kommt es wegen des normativen Gehalts jeder Aufgabenzuweisung auf die widmungsgleiche Zweckbestimmung des zuzuordnenden Vermögenswertes und nicht auf dessen faktische, möglicherweise rechtswidrige und allenfalls geduldete Nutzung an (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - [X.] 428.2 § 11 [X.] Nr. 38 Rn. 19). Dass die verfahrensgegenständlichen Flurstücke am 1. Oktober 1989 dazu bestimmt waren, der Ablagerung von Siedlungsabfällen zu dienen, ergibt sich aus den Nutzungsverträgen zwischen dem [X.], dem [X.] und der LPG (P) [X.] vom 26. Juli 1983 und vom 30. September 1989. Das Verwaltungsgericht hat ihnen revisionsrechtlich fehlerfrei entnommen, dass auf der Deponie nur Hausmüll, Sperrmüll und Bauschutt, nicht hingegen Wasserschadstoffe und Industriemüll abgelagert werden durften. Nach den revisionsrechtlich bindenden Tatsachenfeststellungen zum in den Einzugsbereich einbezogenen Gebiet "Naherholung [X.]" ist außerdem davon auszugehen, dass die [X.] ausschließlich zur Ablagerung örtlicher Siedlungsabfälle - einschließlich des stadtnahen, zum [X.] hin gelegenen [X.] - bestimmt waren.

Am maßgeblichen Stichtag des 1. Oktober 1989 war nicht die Klägerin für den Betrieb der [X.]deponie auf den verfahrensgegenständlichen Flurstücken zuständig.

Die nach Art. 83 GG in die Verwaltungskompetenz der Länder fallende Beseitigung von [X.] und von hausmüllähnlichen, nicht zum Sonderabfall zählenden Gewerbeabfällen stellt nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes eine kommunale Aufgabe dar (BVerwG, Urteile vom 24. September 1998 - 3 C 13.97 - [X.] 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 17 S. 35 <38 f.>, vom 11. November 1999 - 3 C 34.98 - BVerwGE 110, 61 <63 f.> und vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - [X.] 428.2 § 11 [X.] Nr. 38 Rn. 18). Ob sie den Gemeinden oder den [X.]n zugewiesen ist, richtet sich mangels näherer verfassungsrechtlicher Regelung nach dem grundgesetzkonformen einfachen Recht. Danach fiel der Betrieb von Deponien zur Ablagerung örtlicher Siedlungsabfälle im Beitrittsgebiet zum 1. Oktober 1989 kraft spezialgesetzlicher, mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes vereinbarer Regelung nicht in die Zuständigkeit der Gemeinden, sondern in die der [X.] (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - [X.] 428.2 § 11 [X.] Nr. 38 Rn. 23 f.). Nach § 43 Abs. 3 des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen in der [X.] - GöV [X.] - vom 4. Juli 1985 (GBl. [X.] I S. 213) waren die Räte der [X.] für die Müll- und Fäkalienabfuhr in ihrem jeweiligen Territorium sowie in Zusammenarbeit mit den Räten der Städte und Gemeinden für eine geordnete Mülldeponie verantwortlich. Die Abfallbeseitigungszuständigkeit der Räte der kreisangehörigen Städte und Gemeinden beschränkte sich demgegenüber nach § 69 Abs. 3 Satz 2 GöV [X.] auf die Straßenreinigung und die Mitwirkung "bei der Organisierung" der geordneten Mülldeponie und Fäkalienabfuhr. Der Deponiebetrieb selbst zählte nicht zu den gemeindlichen Aufgaben (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - [X.] 428.2 § 11 [X.] Nr. 38 Rn. 24).

Auf die Frage, ob der örtlich zuständige Rat des [X.]s die ihm danach rechtlich obliegende Aufgabe der [X.]deponie am 1. Oktober 1989 tatsächlich wahrgenommen hat, kommt es nicht an. Art. 21 EV soll das Verwaltungsvermögen des [X.]es [X.] sachgerecht auf die Ebenen [X.], Länder und Kommunen aufteilen und demjenigen Verwaltungsträger zuweisen, der am 1. Oktober 1989 die mit dem jeweiligen Vermögenswert bestimmungsgemäß wahrgenommene Aufgabe zu erfüllen hatte (vgl. [X.]. 11/7760 [X.]). Wer sie tatsächlich erfüllt hat, ist dagegen nicht maßgeblich. Dem Urteil des [X.] vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - ([X.] 428.2 § 11 [X.] Nr. 38 Rn. 26) ist nichts anderes zu entnehmen. Es stellt nicht auf den fehlenden Vollzug einer Kompetenzänderung, sondern auf die Unvollständigkeit ihrer normativen Regelung ab.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 155 Abs. 1 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 6 Abs. 3 Satz 1 [X.]; wegen des Gegenstandswertes wird auf Satz 2 dieser Vorschrift hingewiesen.

Meta

8 C 3/21

16.02.2022

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend VG Gera, 23. März 2021, Az: 6 K 944/18 Ge, Urteil

Art 21 Abs 1 EinigVtr, Art 21 Abs 2 EinigVtr, § 42 Abs 2 VwGO, § 22 S 2 Nr 2 VwVfG, § 1 Abs 1 VZOG, § 1 Abs 6 VZOG, § 11 Abs 2 TreuhG, § 11 Abs 3 Ss 3 TreuhG, § 2 KomVerfG, § 43 Abs 3 ÖrtlVoVertrG, § 69 Abs 3 S 2 ÖrtlVoVertrG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.02.2022, Az. 8 C 3/21 (REWIS RS 2022, 3009)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3009

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