Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.09.2012, Az. 6 AZR 483/11

6. Senat | REWIS RS 2012, 2977

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Gegenstand

Grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl bei Verkennung des Betriebsbegriffs


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 25. Februar 2011 - 3 Sa 1095/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung, die der beklagte Insolvenzverwalter auf der Grundlage eines Interessenausgleichs mit Namensliste erklärt hat.

2

Der Kläger war seit 1994 zunächst bei der [X.], später bei der Schuldnerin tätig. Zuletzt leitete er das [X.] ([X.]) der Schuldnerin in [X.] Nach § 1 Abs. 3 des [X.] vom 13. April/20. Mai 1999 konnte der Kläger im gesamten [X.] eingesetzt werden.

3

Die Schuldnerin beschäftigte bundesweit rund 3.500 Arbeitnehmer, von denen 1.022 in den insgesamt 109 [X.] arbeiteten. In diesen wurden hauptsächlich technische Geräte an Endverbraucher verkauft. Bei der Schuldnerin war ein Gesamtbetriebsrat gebildet.

4

Am 1. September 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser entschloss sich zu einer grundlegenden Umstrukturierung, die sich auf alle Betriebe der Schuldnerin auswirkte. Am 22. September 2009 vereinbarte er mit dem Gesamtbetriebsrat der Schuldnerin für alle Arbeitnehmer der von dieser unterhaltenen Betriebe einen Interessenausgleich mit Namensliste, der am Folgetag unterzeichnet wurde. Nach § 2 Ziff. 2 a dieses Interessenausgleichs sollten 107 der 109 [X.] bis zum 31. Dezember 2009 ersatzlos stillgelegt werden. § 4 Ziff. 1 des Interessenausgleichs bestimmte zu den personellen Konsequenzen dieser Betriebsänderung im Einzelnen:

        

„Infolge der Stilllegung aller in Anlage 1 bezeichneten 107 [X.] spätestens zum 31. Dezember 2009 im Sinne des § 2 Abs. 2a dieses Interessenausgleichs ist ein Personalabbau durchzuführen, der sämtliche Arbeitnehmer betrifft, die diesen Betrieben zugeordnet sind. Die zu kündigenden Arbeitnehmer sind namentlich in der Anlage 2 zu diesem Interessenausgleich benannt. Die Parteien sind darüber einig, dass freie Arbeitsplätze, auf welchen die betroffenen Arbeitnehmer der bezeichneten [X.] weiterbeschäftigt werden könnten, im Unternehmen der Insolvenzschuldnerin nicht bestehen. Die Parteien stimmen ferner überein, dass eine [X.] nicht durchzuführen ist.

        

...“   

5

In den Anlagen 1 und 2 zu diesem Interessenausgleich sind das [X.] G und der Kläger aufgeführt.

6

Die Schuldnerin unterhielt, wie sich aus § 2 Ziff. 2 h (4) des Interessenausgleichs ergibt, einen weitgehend eigenständigen Bereich, in dem sie mit insgesamt 270 Arbeitnehmern Küchen vertrieb. Diesem Bereich waren vier sog. [X.] mit insgesamt 28 Arbeitnehmern, nämlich Leitung, stationären Küchenplanern und Servicemitarbeitern, zugeordnet. Der [X.] sollte geschlossen werden, außerdem sollte ein weiterer den [X.] zugeordneter Arbeitsplatz entfallen. Die beiden gemäß § 2 Ziff. 2 a des Interessenausgleichs nicht geschlossenen [X.] R und F, in denen 16 bzw. sieben Arbeitnehmer beschäftigt waren, sollten zu [X.] umgestaltet werden. Aus § 4 Ziff. 1 Abs. 2 des Interessenausgleichs folgt, dass der Einsatz als Küchenfachverkäufer besondere Vorkenntnisse verlangt. Weil sie diese Vorkenntnisse nicht aufwiesen, wurden von den sieben Arbeitnehmern des [X.] F drei und von den 16 Arbeitnehmern des [X.] R acht Arbeitnehmer gekündigt.

7

Mit Schreiben vom 25. September 2009, das dem Kläger am Folgetag, einem Samstag, zuging, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2009. Mit seiner am 19. Oktober 2009, einem Montag, beim Arbeitsgericht eingegangen Klage greift der Kläger diese Kündigung an. Der Beklagte hat zwischenzeitlich am 18. Dezember 2009 vorsorglich eine weitere ordentliche Kündigung zum 31. März 2010 erklärt. Der dagegen vom Kläger angestrengte Kündigungsrechtsstreit ist bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im vorliegenden Verfahren ausgesetzt worden.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - vorgetragen, der Interessenausgleich mit Namensliste sei nicht wirksam, weil die [X.] den [X.] verkannt hätten. Bereits deshalb sei die [X.] grob fehlerhaft. Keines der [X.] sei selbständig iSv. § 23 [X.] gewesen. Er habe als Leiter des [X.] keine Personalverantwortung gehabt. Diese sei komplett zentralisiert gewesen. Die [X.] habe darum bezogen auf alle [X.] bundesweit durchgeführt werden müssen. Er hätte in den beiden verbliebenen [X.] als Leiter eingesetzt werden können und müssen, ebenso in den anderen [X.].

9

Im letzten Kammertermin vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger gerügt, der Beklagte habe nicht dargelegt, dass er den Anforderungen des § 17 [X.] genügt habe.

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung vom 25. September 2009 aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31. Dezember 2009 hinaus fortbesteht.

Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, die [X.] hätten den [X.] nicht grob verkannt. Die [X.] seien eigenständige Betriebe iSv. § 23 [X.] gewesen. Im Übrigen hätten die [X.] die bewusste Entscheidung getroffen, die Arbeitnehmer der [X.] nicht mit anderen Arbeitnehmern zu vergleichen. Jedenfalls im Ergebnis sei die [X.] mangels vergleichbarer Arbeitnehmer nicht fehlerhaft. Der Kläger habe nicht vorgetragen, mit welchen nicht gekündigten Arbeitnehmern er vergleichbar sei. Die [X.] verfolgten einen anderen Geschäftszweck als die [X.], mit dem der Kläger - unstreitig - nie etwas zu tun gehabt habe. Eine Massenentlassungsanzeige sei nicht erforderlich gewesen, weil der Schwellenwert des § 17 [X.] bezogen auf das [X.] G nicht erreicht worden sei.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren, die Unwirksamkeit der Kündigung feststellen zu lassen, weiter. Er greift das Urteil des [X.]s nur mit [X.] an, die die [X.] sowie § 17 [X.] betreffen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung des Beklagten vom 25. September 2009 mit Ablauf der Kündigungsfrist des § 113 [X.] am 31. Dezember 2009 beendet worden.

A. Die Revision ist entgegen der Auffassung des Beklagten zulässig. Sie setzt sich mit dem angegriffenen Urteil in einer den gesetzlichen Anforderungen noch genügenden Weise auseinander (zu diesen Anforderungen vgl. [X.] 18. Mai 2011 - 10 [X.] - Rn. 10, [X.] 2011, 878). Das [X.] hat angenommen, der Interessenausgleich entfalte die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]. Darauf basierend hat es die [X.] als nicht grob fehlerhaft angesehen. Mit seiner Rechtsauffassung, die [X.] hätten den [X.] verkannt und bereits deswegen sei die [X.] grob fehlerhaft, stellt der Kläger das angefochtene Urteil ebenso insgesamt in [X.]rage wie mit der von ihm näher begründeten Auffassung, das [X.] habe zu Unrecht angenommen, dass die [X.] den Betriebsgriff jedenfalls nicht offenkundig verkannt hätten. Mit dieser Sachrüge hat die Revisionsbegründung den angenommenen Rechtsfehler des [X.]s so aufgezeigt, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Gründen des angegriffenen Urteils war für die Zulässigkeit der Revision nicht erforderlich (vgl. [X.] 19. April 2012 - 6 [X.] - Rn. 15, [X.], 468). Darauf, ob die rechtlichen Angriffe haltbar sind, kommt es für die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht an.

B. Die Revision ist unbegründet.

I. Der allgemeine [X.]eststellungsantrag ist unzulässig. Er bezieht sich infolge der gesondert erhobenen Kündigungsschutzklage gegen die vorsorgliche Kündigung vom 18. Dezember 2009 nur noch auf die [X.] nach Zugang dieser Kündigung (vgl. [X.] 7. Dezember 1995 - 2 [X.] - zu III 2 b der Gründe, [X.]E 81, 371). Zu dem Vorliegen eines [X.]eststellungsinteresses für den von der [X.]eststellungsklage erfassten [X.]raum hat der Kläger nichts vorgetragen. Dazu wäre es erforderlich gewesen, wenigstens die Möglichkeit weiterer Beendigungstatbestände darzulegen (vgl. [X.] 13. März 1997 - 2 [X.] - zu II 1 b der Gründe, [X.]E 85, 262). Das ist nicht geschehen.

II. [X.] des Beklagten vom 25. September 2009 ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 [X.] sozialwidrig. Das hat das [X.] im Ergebnis zutreffend erkannt.

1. [X.] vom 23. September 2009 hat die Wirkungen des § 125 [X.] entfaltet. Das [X.] hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass er wirksam zustande gekommen ist und dass sich die ihm zugrunde liegende Sachlage nicht wesentlich geändert hat. Gegen diese Würdigung des Berufungsgerichts führt die Revision keine Angriffe (vgl. zum Vorliegen einer Betriebsänderung iSd. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG bezogen auf die einzelnen [X.] als Voraussetzung für den Abschluss eines Interessenausgleichs [X.] 15. Dezember 2011 - 8 [X.] - Rn. 34 ff., [X.] 2002 § 613a Nr. 132; zur Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zum Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste bei einer betriebsübergreifenden Betriebsänderung [X.] 7. Juli 2011 - 6 [X.] - Rn. 24 ff., [X.] BetrVG 1972 § 102 Nr. 165 = EzA BetrVG 2001 § 26 N r. 3).

2. Das [X.] hat ebenfalls ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Kläger die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] nicht widerlegt hat. Auch insoweit erhebt die Revision keine Rügen.

3. Anders als die Revision im Ausgangspunkt ihrer Angriffe gegen die angefochtene Entscheidung annimmt, ist eine [X.], der eine Verkennung des [X.]s zugrunde liegt, nicht stets als grob fehlerhaft anzusehen.

a) Die Verkennung des [X.]s ist ein Unterfall einer Verkennung des auswahlrelevanten Personenkreises. Bei der [X.]rage, ob Arbeitnehmer einer anderen Betriebsstätte in die Auswahl einzubeziehen sind, gilt deshalb der Maßstab der groben [X.]ehlerhaftigkeit. Die [X.] ist dabei nur dann grob fehlerhaft, wenn im Interessenausgleich der [X.] selbst grob verkannt worden ist, seine [X.]ehlerhaftigkeit also „ins Auge springt“. Sprechen dagegen gut nachvollziehbare und ersichtlich nicht auf Missbrauch zielende Überlegungen für die - ggf. fehlerhaft - getroffene Eingrenzung des auswahlrelevanten Personenkreises, ist die Grenze der groben [X.]ehlerhaftigkeit unterschritten (vgl. für einen Interessenausgleich nach § 1 Abs. 5 [X.] [X.] 3. April 2008 - 2 [X.] - Rn. 16 f., [X.] [X.] 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA [X.] § 1 Interessenausgleich Nr. 15).

b) Bewerten die [X.], zumal unter dem Druck eilbedürftiger Entscheidungen in der Insolvenz, die tatsächlichen Verhältnisse bei der Abgrenzung, ob ein eigenständiger Betrieb im Sinne des [X.]s des § 23 [X.] vorliegt, in nachvollziehbarer und ersichtlich nicht auf Missbrauch zielender Weise falsch, liegt noch ein vom Maßstab der groben [X.]ehlerhaftigkeit gedeckter Auswahlfehler vor. Dies gilt umso mehr, als sich bei einer Vielzahl von [X.]ilialen, wie sie hier von den [X.]n zu beurteilen waren, die Kompetenzen der [X.]ilialleiter durchaus unterscheiden können (vgl. für einen Interessenausgleich nach § 1 Abs. 5 [X.] [X.] 3. April 2008 - 2 [X.] - Rn. 25, [X.] [X.] 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA [X.] § 1 Interessenausgleich Nr. 15). Erst jenseits dieser Grenze, wenn sich also die [X.] bewusst über die nicht zu ihrer Disposition stehenden gesetzlichen Grundbedingungen der [X.] Auswahl hinwegsetzen, entfaltet ein auf dieser Basis geschlossener Interessenausgleich mit Namensliste die gesetzliche Vermutungswirkung nicht mehr (vgl. [X.]/[X.] 12. Aufl. § 125 [X.] Rn. 10; vgl. für § 1 Abs. 5 [X.] [X.]S/[X.] 4. Aufl. § 1 [X.] Rn. 802). Die [X.] können deshalb auch in der Insolvenz über die Definition des [X.]s im Interessenausgleich nicht bewusst den Kreis der in die [X.] einzubeziehenden Arbeitnehmer enger oder weiter ziehen, als es das [X.] in seiner Auslegung durch das [X.] zulässt. § 125 [X.] eröffnet ihnen insoweit keinen über den des § 1 [X.] hinausgehenden Spielraum.

c) Ob das [X.] zu Recht angenommen hat, dass die [X.] im Interessenausgleich vom 23. September 2009 bei Anlegung dieses Maßstabs den [X.] nicht grob verkannt haben, unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung. Die Würdigung des [X.]s kann nur dahin überprüft werden, ob es die unbestimmten Rechtsbegriffe des Betriebs iSv. § 1, § 23 Abs. 1 [X.] und seiner groben Verkennung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 125 [X.] Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob die Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr., vgl. [X.] 12. März 2009 - 2 [X.] - Rn. 16, [X.] [X.] 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA [X.] § 1 Interessenausgleich Nr. 17).

4. Es kann dahinstehen, ob insoweit dem [X.] revisionsrechtlich relevante [X.]ehler unterlaufen sind. Der Kläger berücksichtigt bei seinen Revisionsangriffen nicht, dass selbst dann, wenn die [X.] bei ihrer durch § 4 Ziff. 1 des Interessenausgleichs vom 23. September 2009 dokumentierten Entscheidung, die [X.] auf die einzelnen [X.] zu beschränken, den kündigungsschutzrechtlichen [X.] grob verkannt hätten, die Kündigung nur unwirksam wäre, wenn die [X.] im Ergebnis unwirksam wäre (vgl. [X.]/[X.] 12. Aufl. § 125 [X.] Rn. 10). Die der Kündigung vom 25. September 2009 zugrunde liegende [X.] war jedoch auch bei Anwendung des nach Auffassung der Revision zutreffenden Maßstabs des § 1 Abs. 3 [X.] im Ergebnis eindeutig fehlerfrei.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s ist eine [X.] nur dann unwirksam, wenn sich ihr Ergebnis als fehlerhaft erweist. Auch ein mangelhaftes Auswahlverfahren kann zu einem richtigen, nicht fehlerhaften Auswahlergebnis führen (vgl. [X.] 10. Juni 2010 - 2 [X.]/09 - Rn. 19, [X.] [X.] 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA [X.] § 1 Interessenausgleich Nr. 22; 9. November 2006 - 2 [X.] - Rn. 24, [X.]E 120, 137). Ist eine [X.] gar nicht oder methodisch fehlerhaft durchgeführt worden, ist die Kündigung jedenfalls nicht aus diesem Grund unwirksam, wenn mit der tatsächlich getroffenen Auswahl des Gekündigten eine, sei es auch zufällig, objektiv vertretbare Auswahl getroffen worden ist (vgl. [X.] 7. Juli 2011 - 2 [X.] - Rn. 48). Die Würdigung des Gerichts, die [X.] Auswahl sei nicht ausreichend bzw. fehlerhaft, setzt deshalb die [X.]eststellung voraus, dass der vom Arbeitnehmer konkret gerügte Auswahlfehler tatsächlich vorliegt, also ein bestimmter mit dem Gekündigten vergleichbarer Arbeitnehmer in dem nach dem Gesetz erforderlichen Maß weniger schutzbedürftig ist (vgl. [X.] 10. Juni 2010 - 2 [X.]/09 - aaO).

b) Eine solche [X.]eststellung hat das [X.] ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt, eine grobe [X.]ehlerhaftigkeit liege nicht vor, weil die Verkennung des [X.]s nicht „ins Auge springe“, nicht getroffen. Dass die [X.] Auswahl selbst bei einer derartigen Verkennung des [X.]s im Ergebnis nicht fehlerhaft ist, kann jedoch vom Senat selbst beurteilt werden. Mit der in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer erfolgten vorbehaltlosen Antragstellung ist grundsätzlich der gesamte bisherige Inhalt der Verfahrensakten in Bezug genommen, der damit insgesamt iSv. § 559 Abs. 1 ZPO der revisionsrechtlichen Beurteilung unterliegt ([X.] 12. Mai 2010 - 2 [X.] - Rn. 22, [X.] BGB § 123 Nr. 68 = [X.] 2002 § 123 Nr. 9; 5. [X.]ebruar 2009 - 6 [X.] - Rn. 24, [X.]E 129, 265). [X.], aus dem sich die für die Beurteilung der [X.] maßgeblichen Tatsachen ergeben, ist Teil dieses Akteninhalts.

c) Die Entscheidung, den Kläger zu entlassen, ist auch am Maßstab des § 1 Abs. 3 [X.] gemessen im Ergebnis nicht zu beanstanden. Allerdings spricht eine vom Arbeitgeber auszuräumende tatsächliche Vermutung dafür, dass die Auswahl auch im Ergebnis sozialwidrig ist, wenn er entgegen § 1 Abs. 3 [X.] keine [X.] vorgenommen hat. Hat der Arbeitgeber unter Verkennung des [X.]s die [X.] auf einzelne [X.]ilialen beschränkt, die keine eigenständigen Betriebe iSd. § 23 [X.] sind, führt die Unterlassung der [X.] Auswahl aber dann nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn sich aus dem Vorbringen des Arbeitgebers bzw. dem Parteivorbringen ergibt, dass in den anderen [X.]ilialen keine vergleichbaren Arbeitnehmer beschäftigt waren ([X.] 3. April 2008 - 2 [X.] - Rn. 30 f., [X.] [X.] 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA [X.] § 1 Interessenausgleich Nr. 15). Dies ist vorliegend der [X.]all. Der Beklagte hat nicht nur das [X.] G, in dem der Kläger beschäftigt war, stillgelegt, sondern hat auch alle anderen 108 [X.] entweder ebenfalls stillgelegt oder einem anderen Geschäftszweck zugeführt. Kein anderes [X.] ist unverändert weiterbetrieben worden. Ein Einsatz des [X.] wäre nur noch in einem [X.] möglich gewesen. Der Kläger war jedoch mit den in den [X.]s tätigen Arbeitnehmern nicht vergleichbar. Ein etwaiger, auf der Verkennung des [X.]s beruhender Auswahlfehler hätte sich deshalb auf das Ergebnis der [X.] nicht ausgewirkt.

(1) Der Beklagte hat mitgeteilt, dass er in die [X.] nur die Arbeitnehmer des [X.] G einbezogen hat und die Arbeitnehmer aller anderen [X.] als nicht vergleichbar angesehen hat. Die Namen der von ihm für vergleichbar gehaltenen Arbeitnehmer ergaben sich aus der Anlage 2 zum Interessenausgleich. Damit hat der Beklagte dem Kläger Auskunft über die von ihm zugrunde gelegten Auswahlkriterien, deren Gewichtung und die Namen der seiner subjektiven Auffassung nach in die Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer erteilt. Er hat dadurch, wie das [X.] rechtsfehlerfrei festgestellt hat, auch dann seiner Auskunftspflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 [X.] genügt, wenn sich aus der erteilten Auskunft ergäbe, dass seine Auffassung unrichtig gewesen wäre (vgl. [X.] 21. Juli 1988 - 2 [X.] - [X.] [X.] 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 17 = EzA [X.] § 1 Soziale Auswahl Nr. 26).

(2) Der Kläger nimmt bei seiner Argumentation zwar im Ansatzpunkt zur Kenntnis, dass der Beklagte nicht nur das [X.] G, sondern 106 weitere der bisher 109 [X.] geschlossen hat. Er lässt bei seiner Rüge, er hätte in den beiden verbleibenden [X.] oder in den übrigen [X.]s als Leiter eingesetzt werden können und müssen, aber außer [X.], dass sich das Anforderungsprofil dafür von seinem bisherigen erheblich unterscheidet. Auch die [X.] R und [X.] sollten nicht in der bisherigen [X.]orm weitergeführt werden, sondern zu [X.]s umgestaltet werden. [X.]ür den Vertrieb von Küchen reichen aber die für den Verkauf technischer Geräte an den Endverbraucher, wie er in den [X.] und auch im [X.] G erfolgt ist, verlangten Kenntnisse und [X.]ähigkeiten nicht aus. Der Beklagte hat unter Hinweis auf den anders gelagerten Geschäftszweck der [X.]s die Vergleichbarkeit des [X.] mit den dort beschäftigten Leitern in Abrede gestellt. Dass für die Tätigkeit in einem [X.] besondere Kenntnisse erforderlich sind, ergibt sich aus § 4 Ziff. 1 Abs. 2 des Interessenausgleichs und ist im Übrigen offenkundig iSv. § 291 ZPO. Zum Vertrieb von Küchen gehören neben vertieften Kenntnissen der dafür benötigten technischen Geräte auch solche der Küchenplanung und des damit zwingend verbundenen [X.]. Das gilt grundsätzlich auch für den Leiter eines solchen Stores, zumal angesichts der geringen Anzahl der dort jeweils beschäftigten Arbeitnehmer, die es erfordern dürfte, dass der Leiter auch selbst beim Küchenvertrieb tätig wird. Der Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, der Kläger sei mit dem Vertrieb von Küchen in seiner bisherigen Tätigkeit nicht befasst gewesen. Wieso der Kläger ungeachtet dessen die Leitung eines [X.]s nach allenfalls kurzer Einarbeitungszeit hätte übernehmen können, hätte er deshalb näher darlegen müssen. Er hat dies jedoch nicht einmal behauptet, sondern sich darauf beschränkt, auf seine sich aus § 1 Abs. 3 seines [X.] ergebende bundesweite Einsetzbarkeit zu verweisen. Dieser Hinweis ersetzt den erforderlichen Tatsachenvortrag zur Vergleichbarkeit des [X.] mit den Leitern der (künftigen) [X.]s nicht.

(3) Der Kläger hat auch nicht behauptet, dass er mit Arbeitnehmern in anderen Betrieben der Schuldnerin außerhalb der [X.] vergleichbar gewesen sei.

III. [X.] vom 25. September 2009 ist nicht nach § 102 BetrVG unwirksam. Die Würdigung des [X.]s, das Anhörungsverfahren sei fehlerfrei eingeleitet worden, der Betriebsrat sei ausreichend informiert worden und eine eventuell fehlerhafte Besetzung des Betriebsrats sei für die Wirksamkeit der Anhörung unschädlich, lässt keine Rechtsfehler erkennen und wird von der Revision nicht angegriffen.

IV. Auch die Rüge einer Verletzung des § 17 [X.] verhilft der Revision nicht zum Erfolg.

1. Der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung erster Instanz und damit noch innerhalb des von § 6 Satz 1 [X.] gezogenen [X.]rahmens auf § 17 [X.] berufen.

2. Ob neben der Präklusionsvorschrift des § 6 [X.] (zu dieser rechtlichen Einordnung [X.] 18. Januar 2012 - 6 [X.] - Rn. 12, 18, EzA [X.] § 6 Nr. 4) noch die allgemeinen Präklusionsbestimmungen des § 61a Abs. 5 ArbGG sowie des § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 282, § 296 Abs. 2 ZPO zur Anwendung kommen, wie es das Arbeitsgericht angenommen hat, oder ob § 6 [X.] insoweit eine abschließende [X.] darstellt, ist umstritten (für die Annahme einer [X.] [X.] [X.] 2004, 65, 69; [X.]S/[X.] 4. Aufl. § 6 [X.] Rn. 3; wohl auch [X.] [X.] 2012, 9, 10; dagegen [X.] 2004, 321, 328 f.; Stahlhacke/[X.] 10. Aufl. Rn. 1931; [X.]/[X.] [X.] 2004, 358, 365; [X.], 70, 77). Ob der Gesetzgeber im Versuch, die widerstreitenden Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber auszugleichen, ersterem uneingeschränkt die Möglichkeit eröffnen wollte, neue [X.] bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht nur zu rügen, sondern dadurch gegebenenfalls unter Vertagung auch neuen Sachvortrag des Arbeitgebers erzwingen zu können, letztlich also die Sachentscheidung hinauszuzögern (vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 13; aA [X.] 2004, 321, 329), kann dahinstehen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob § 6 [X.] auf die Rüge des § 17 [X.] überhaupt anzuwenden ist (offengelassen auch von [X.] 18. Januar 2012 - 6 [X.] - Rn. 29, EzA [X.] § 6 Nr. 4). Das [X.] hat ohne erkennbaren Rechtsfehler festgestellt, dass die Voraussetzungen einer Massenentlassungsanzeige nicht vorlagen, weil der Schwellenwert des § 17 [X.] bezogen auf das [X.] G nicht erreicht war (vgl. zur Maßgeblichkeit des Schwellenwerts bezogen auf die einzelnen [X.] auch [X.] 15. Dezember 2011 - 8 [X.] - Rn. 71 ff., [X.] 2002 § 613a Nr. 132). Dagegen erhebt die Revision keine Angriffe.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    [X.]ischermeier    

        

    [X.]    

        

    Spelge    

        

        

        

    Schäferkord    

        

    Koch    

        

        

Meta

6 AZR 483/11

20.09.2012

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Gießen, 5. Mai 2010, Az: 6 Ca 568/09, Urteil

§ 125 Abs 1 S 1 Nr 2 InsO, § 1 Abs 3 KSchG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.09.2012, Az. 6 AZR 483/11 (REWIS RS 2012, 2977)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2977

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