Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.05.2010, Az. VI R 25/09

6. Senat | REWIS RS 2010, 6850

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Gegenstand

(Aufwendungen für das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV sind Werbungskosten)


Leitsatz

Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV (sog. Statusfeststellungsverfahren) sind durch das Arbeitsverhältnis veranlasst und deshalb als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Aufwendungen des [X.] und Revisionsklägers (Kläger) für betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.

2

Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Geschäftsführer der [X.] Er schloss im Oktober 2004 mit einem Beratungsunternehmen eine Vereinbarung über eine betriebswirtschaftliche Beratung. Gegenstand dieser Beratung war die Erörterung, ob für die Tätigkeit des [X.] als Geschäftsführer Beiträge zu den Sozialversicherungen abgeführt werden müssen. Zudem schlossen der Kläger und die von ihm beauftragte [X.] eine Honorarvereinbarung, wonach der Kläger ein Basishonorar in Höhe von 2.900 € zuzüglich Umsatzsteuer zahlen musste, wenn die Sozialversicherungspflicht des [X.] verneint wird. Zudem wurde für den Fall, dass Beiträge aus der Vergangenheit erstattet werden, ein Erstattungshonorar in Höhe von 12 % der bei Arbeitnehmer und Arbeitgeber eingehenden Bruttoerstattungen zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Ende des Jahres 2004 teilte die angerufene Krankenkasse mit, dass der Kläger nicht sozialversicherungspflichtig sei. Daraufhin stellte die von dem Kläger beauftragte [X.] dem Kläger das Basishonorar in Höhe von 3.364 € in Rechnung. Diesen Betrag überwies der Kläger noch im Dezember 2004. Im Laufe des Jahres 2005 erstattete die [X.] dem Kläger die entrichteten Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung in Höhe von 31.973,86 € und die [X.] die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von 9.158,82 €. Dem nachfolgend stellte die [X.] ein Erstattungshonorar in Höhe von 8.901,52 € und in Höhe von 2.549,81 € in Rechnung. Die Rechnungen beglich der Kläger im Veranlagungszeitraum 2005.

3

In seiner Einkommensteuererklärung für den streitigen Veranlagungszeitraum 2005 gab der Kläger die erstatteten Sozialversicherungsbeiträge an und legte die beiden Rechnungen über die [X.] in Höhe von insgesamt 11.451,33 € vor. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) änderte daraufhin gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung ([X.]) die Einkommensteuerbescheide für die Kalenderjahre 2002 und 2003 dergestalt, dass die erstatteten Versicherungsbeiträge nicht mehr zum Sonderausgabenabzug zugelassen wurden. Im Einkommensteuerbescheid 2005 vom 26. Oktober 2006 wurden die Beraterkosten in Höhe von 11.451,33 € weder als Werbungskosten noch als Sonderausgaben berücksichtigt. Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 994 veröffentlichten Gründen ab.

4

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

5

Der Kläger beantragt,

das Urteil des [X.] Rheinland-Pfalz vom 25. März 2009  2 K 1478/07 aufzuheben und die Einkommensteuer unter Abänderung des Bescheids vom 26. Oktober 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2007 unter Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von insgesamt 11.451,33 € herabzusetzen, hilfsweise die Aufwendungen von den als negative Sonderausgaben berücksichtigten erstatteten Versicherungsbeiträgen abzusetzen.

6

Das [X.] beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind die streitbefangenen Beratungshonorare als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

8

1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

9

a) Sie liegen nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]) vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den Einnahmen ein objektiver Zusammenhang besteht. Dabei muss die Frage, ob der Steuerpflichtige Aufwendungen aus beruflichem Anlass erbringt oder ob es sich um Aufwendungen für die Lebensführung i.S. von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG handelt, anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden (ständige Rechtsprechung, vgl. beispielsweise [X.]-Urteile vom 1. Februar 2007 [X.], [X.]E 216, 522, [X.], 459; vom 11. Januar 2007 [X.], [X.]E 216, 320, [X.], 317; vom 24. Mai 2007 [X.], [X.]E 218, 177, [X.], 721; vom 6. März 2008 [X.]/06, [X.]/NV 2008, 1316, und vom 22. Juli 2008 VI R 2/07, [X.]/NV 2008, 1837). Die sogenannte Bedingungslehre begründet als logisch naturwissenschaftliches Prinzip allerdings noch keinen Zurechnungszusammenhang. Sie allein ist deshalb zur Abgrenzung von beruflicher und privater Sphäre ungeeignet (vgl. [X.]-Beschluss vom 10. Januar 2008 [X.], [X.]E 219, 358, [X.], 234). Ein lediglich abstrakter Kausalzusammenhang (Ursache-Folgeverhältnis im Sinne einer conditio sine qua non) rechtfertigt allein die einkommensteuerliche Zuordnung von Aufwendungen zur Erwerbssphäre noch nicht. Denn nach dem Einkommensteuergesetz sind Aufwendungen vielmehr nur dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgebend dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments und zum anderen die Zuweisung dieses maßgebenden Besteuerungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre ([X.]-Urteil vom 17. September 2009 [X.], [X.]E 226, 321, [X.], 198). Ob sich der streitige Aufwand konkret auf die Höhe des Arbeitslohns auswirkt, ist dabei ohne Belang ([X.]-Urteil in [X.]E 216, 320, [X.], 317).

b) Auch Kosten der Rechtsverfolgung (Beratungs-, Vertretungs- und Prozesskosten) können danach Werbungskosten sein, wenn der Gegenstand des Prozesses mit der Einkunftsart zusammenhängt, in deren Rahmen die Aufwendungen geltend gemacht werden. Der Zusammenhang mit der Einkunftsart ist nach objektiven Gesichtspunkten, nicht nach den Vorstellungen des Steuerpflichtigen, zu entscheiden. Mit der Einkunftsart der nichtselbständigen Arbeit hängen die das Arbeitsverhältnis betreffenden bürgerlich-rechtlichen oder arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zusammen ([X.]-Urteil vom 6. Dezember 1983 [X.], [X.]E 140, 219, [X.] 1984, 314).

Aber auch die mit einer Beschäftigung (§ 7 des [X.] IV--) einhergehenden öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten weisen den erforderlichen Veranlassungszusammenhang mit den Einkünften aus § 19 EStG auf. Denn die Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] regelmäßig Ausfluss eines Arbeitsverhältnisses (Beschluss des [X.] vom 19. August 2008  5 [X.], Urteilssammlung für die gesetzliche Krankenversicherung --[X.]-- 2008, 50). Deshalb zählen insbesondere Aufwendungen des Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem Anfrageverfahren nach § 7a [X.] (sog. Statusfeststellungsverfahren), das die Feststellung der Sozialversicherungspflicht einer Beschäftigung zum Gegenstand hat (Urteile des [X.] vom 11. März 2009 B 12 R 11/07 R, [X.], 17, und vom 4. Juni 2009 B 12 R 6/08 R, [X.] 2009, 72), zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

2. Die Entscheidung des [X.], den streitbefangenen Honoraraufwand wegen des nur losen (mittelbaren) Zusammenhangs mit dem [X.] nach § 19 EStG als steuerunerhebliche Aufwendungen der Lebensführung nicht zum Werbungskostenabzug zuzulassen, entspricht diesen Grundsätzen nicht. Sie verkennt den Veranlassungszusammenhang von honorierter Beratungsleistung und Arbeitsverhältnis. Die Vorinstanz hat insoweit bindend festgestellt, dass die Beratung auf die Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers (vgl. § 7a [X.]) zielte. Diese Frage beantwortet sich nach der Art der Beschäftigung (§ 7 [X.]) und steht damit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Der Umstand, dass das Steuerrecht den gesetzlich verwendungsgebundenen Teil des Arbeitseinkommens, den Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag, als Vorsorgeaufwendungen durch einen beschränkten Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG entlastet, lässt diesen Veranlassungszusammenhang entgegen der Auffassung des [X.] nicht entfallen. Insbesondere wird der Beratungsaufwand dadurch nicht zu einer Angelegenheit des [X.]. Ob der Steuerpflichtige sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, betrifft das Arbeitsverhältnis als solches und [X.] der Einkommenserzielung, insbesondere die Höhe des vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer auszuzahlenden Gehalts. Fragen der privaten Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen waren hingegen nicht Gegenstand der Beratungsleistung. Auch dieser Umstand zeigt, dass die streitigen Aufwendungen nicht als Kosten der Lebensführung einzuordnen sind, sondern in einem einkommensteuerlich erheblichen Bezug zum Arbeitsverhältnis stehen.

Demnach hat die Vorinstanz den Werbungskostenabzug der geltend gemachten Beratungshonoraraufwendungen zu Unrecht versagt, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben ist.

Meta

VI R 25/09

06.05.2010

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 25. März 2009, Az: 2 K 1478/07, Urteil

§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 10 Abs 1 Nr 2 EStG 2002, § 10 Abs 1 Nr 3 EStG 2002, § 7 SGB 4, § 7a Abs 1 SGB 4

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.05.2010, Az. VI R 25/09 (REWIS RS 2010, 6850)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6850

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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