Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2017, Az. 2 StR 572/16

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 9025

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:270617B2STR572.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 [X.]/16
vom
27. Juni
2017
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schweren Raubes u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Generalbun-desanwalts
und des Beschwerdeführers
am 27.
Juni
2017
gemäß §
349 Abs.
4
StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 29.
September 2016 mit den Feststellungen auf-gehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schweren [X.] in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Seine dagegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.
Nach den Feststellungen begab sich der Angeklagte mit einem unbe-kannt gebliebenen Mittäter unmaskiert und unter Verwendung von Handschu-

Metallhändlers K.

in O.

1
2
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3
-

Über ein vergittertes Kellerfenster gelangten
der An-geklagte und
sein Mittäter in das Innere des Gebäudes und begaben sich in die im ersten Obergeschoss des Anwesens gelegene Wohnung des Geschädigten. Als
der Geschädigte die Täter in der Wohnung überraschte, fassten diese den Entschluss, ihn nunmehr mit Gewalt zur Preisgabe des Aufbewahrungsorts von Bargeld und Schmuck zu bewegen.
In Ausführung dieses Tatentschlusses traten sie von hinten an den [X.] in den Flur der Wohnung getretenen Geschädigten heran, packten ihn gemeinsam an Nacken und Hals und drückten ihn
zu Boden. Einer der Täter fixierte den sich heftig wehrenden Geschädigten am Boden, während der [X.] Täter mit der Faust auf den Kopf des [X.] einschlug und ihm zahlreiche
heftige Tritte versetzte, die diesen an
Kopf, Oberkörper und in der Nierenge-gend trafen. Um unerkannt zu bleiben, zog einer der Täter
die Kapuze seiner Jacke ins Gesicht, während der andere Täter
seinen Kopf mit einem Handtuch bedeckte. Einer der Täter holte nunmehr ein langes Fleischermesser mit einer Klingenlänge von rund 30 Zentimetern aus der Küche, hielt es dem Geschädig-ten unmittelbar an den Hals und forderte ihn auf, anzugeben, wo er Bargeld und erklärte der Geschädigte, dass sich das Bargeld in einer Tragetasche in [X.] befinde. Der Angeklagte und sein unbekannt gebliebener [X.] bekam; einer der Täter suchte erfolglos nach der Tasche mit Bargeld. Als er zurückkam, schlugen und traten beide Täter erneut auf den Geschädigten ein und würgten ihn schließlich mit einer Krawatte. Anschließend wickelten sie ihn fest in Decken, fesselten ihn an Händen und Füßen mit Stromkabeln und Krawatten und schlugen ihm wiederholt mit einem viereckigen Gegenstand auf den Kopf, wodurch der Geschädigte das Bewusstsein verlor. Nachdem sie schließlich die vom Geschädigten beschriebene Tragetasche mit einer Geld-3
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4
-
kassette, in der sich ein Bargeldbetrag in Höhe von 5.500
Euro befand, [X.] und an sich genommen hatten, versprühten sie aus einem Feuerlöscher Löschschaum in der Wohnung, um ihre Spuren zu verwischen. Anschließend schraubten sie die in der Wohnung angebrachten Rauchmelder ab, legten diese und den Feuerlöscher in der Badewanne ab und verließen die Wohnung mit der Beute. Der durch die Tat verursachte Sachschaden belief sich auf rund 15.000
Euro.
Dem Geschädigten gelang es, sich zu befreien und Hilfe zu holen. Er wurde in ein Krankenhaus eingeliefert
und zunächst auf der Intensivstation [X.]; dort wurde festgestellt, dass er eine Rippenserienfraktur (Bruch der 7. bis 11. Rippe links), einen Pneumothorax links, ein ausgedehntes Weichteil-
und Mediastinalemphysem, ein Monokelhämatom links sowie eine [X.] links, eine Augapfelverletzung sowie eine Gehirnerschütterung erlit-ten hatte. Sein
Gehör ist dauerhaft geschädigt.

II.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Die tatrichter-liche Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Das [X.] hat seine Überzeugung von der Täterschaft des [X.] entscheidend auf eine DNA-

24) bzw.

14 und 34) einer am Tatort aufgefundenen abgerissenen Finger-kuppe eines ([X.] gesichert worden ist. Die insoweit angestell-ten Beweiserwägungen sind nicht nachvollziehbar und lückenhaft.

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r-abgerissene Fingerkuppe eines Handschuhs sichergestellt worden; nähere Einzelheiten zu Art, Material und Beschaffenheit des [X.] sowie sein genauer
Auffindeort sind nicht Auf
dieser
rschiedlichen [X.]mengen . Angaben dazu, wie viele Personen als Verursacher dieser [X.] in Betracht kommen, enthalten die Urteilsgründe
nicht. Der Geschädigte K.

-

-Merkmale des Ange-klagten seien durchgehend in sechzehn voneinander unabhängigen DNA-Merkmalssystemen in dieser [X.] festgestellt worden. Der Angeklagte sei ils dieser [X.] in Betracht zu zie-a-ge 99,9999985
%; in einer Gruppe von 60 Millionen zufällig ausgewählten Per-sonen sei mithin eine Person zu erwarten, die als Mitverursacher der [X.] in Betracht komme. Es sei daher sehr unwahrscheinlich, dass eine andere Per-r-DNA des [X.] ein den Angeklagten zentral belastendes Indiz gesehen.
b) Diese Beweiserwägungen sind unklar und lückenhaft.
aa) Die Ausführungen zur Lage der Spur an dem [X.] sind unklar. In
den Sachverhaltsfeststellungen ist festgehalten, dass sich DNA-

14) der sichergestellten [X.] habe; im Rahmen der Beweiswürdigung wird mitgeteilt, dass [X.] auf e sichergestellt worden sei
(UA 7
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6
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S.
25). Demgegenüber gibt das Urteil den Inhalt der
in der Hauptverhandlung verlesenen beiden molekulargenetischen Gutachten des [X.] dahin wieder, dass zwei Stellen der Innenseite
der Handschuhfin-gerkuppe ausgeschnitten und untersucht worden seien; an einer der beiden Stellen der Handschuhfingerkuppe sei eine [X.] gesichert worden, die verursacht worden sei. Aufgrund der nachgewiesenen [X.] K.

als Verursacher des dominierenden [X.] dieser

n
Angaben zur Lage der [X.] an der Außenseite des [X.]s lediglich um ein Schreibversehen handelt, erscheint zweifelhaft; denn das [X.] hat an-genommen, dass der Angeklagte die Handschuhe zum Tatort mitgebracht hat (vgl. UA S.
11). Diese Annahme lässt sich nicht ohne Weiteres mit dem weite-ren Befund vereinbaren, dass der
Geschädigte K.

als Hauptspurenverur-
sacher der an der Innenseite
der Handschuhfingerkuppe gesicherten [X.] in Betracht zu ziehen isti-cherten Spur ließe sich dieses Ergebnis jedoch zwanglos vereinbaren.
[X.]) Darüber hinaus genügen die Darlegungen in den Urteilsgründen auch im Übrigen den insoweit bestehenden Anforderungen nicht.
(1) Das Tatgericht hat in Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sach-verständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den [X.] des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind
(st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 21. Juli 2016

2 [X.], juris Rn.
35).
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(2) Die Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist so auszugestalten, dass die Wahrscheinlichkeitsberechnung für das [X.] nachvollziehbar ist. Insoweit ist es in Fällen, die keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen, ausreichend, wenn der Tatrichter in den Urteilsgründen mitteilt, wie viele Systeme untersucht worden sind, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben ha-ben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren
Person zu erwarten ist ([X.], Beschluss vom 12.
April 2016

4 StR 18/16; Beschluss vom 22.
Oktober 2014

1
StR 364/14, [X.], 87, 88; Urteil vom 5. Juni 2014

4 [X.], NJW 2014, 2454, 2455; zum Erfordernis der Angabe, ob die untersuchten Merkmale unabhängig
vonei-nander verer[X.]ar sind vgl. nunmehr [X.], Urteil vom 5.
Juni 2014

4
[X.], [X.], 477).
Für die Darstellung der Bewertung von [X.]en, also von Spuren, die mehr als zwei Allele in einem DNA-System aufweisen, können jedoch je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls strengere Anforderungen
gelten
(vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Januar 2016

4
StR 484/15, [X.], 118, 119). Dabei wird sich regelmäßig die Angabe empfehlen, wie viele [X.] in Betracht kommen und um welchen Typ von [X.] es sich handelt (vgl. Senat, Beschluss vom 16. November 2016

2 [X.], [X.], 91, 92; zur Spurenqualität und zur Bedeutung der Anzahl der Spurenverursacher [X.] u.a., Gemeinsame Empfehlungen der Projektgruppe -s-tischen Bewertung von [X.] Befunden, [X.], 135, 136; zur Klassifikation von [X.]en Schneider u.a., [X.], 447).

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(3) Hieran fehlt es. Das [X.] hat sich auf die Mitteilung be-schränkt, dass die [X.] unabhängigen DNA-Merkmalsystemen in dieser [X.] festge-eh-men, wie viele Spurenverursacher in Betracht kommen. Die Formulierung, dass [X.] verursacht haben, deutet darauf hin, dass es sich um eine [X.] jedenfalls mit mehr als zwei Spurenverursachern handelt.
[X.]) Schließlich lässt sich die vom [X.] aus der Spurenlage gezo-gene Folgerung, dass die an dem Fingerkuppenfragment des Handschuhs ge-sicherte Spur DNA des Angeklagten enthalte, aus der Nichtausschließbarkeit einer Spurenverursachung nicht herleiten (vgl. Senat, Beschluss vom 16.
November 2016

2
[X.], [X.], 91, 92; vgl. auch die Emp-fehlungen der Spurenkommission [X.], 135).
2. [X.] vermag nicht auszuschließen, dass das Urteil auf diesen
[X.] beruht. Zwar hat die [X.] weitere Beweisanzei-chen für die Täterschaft des Angeklagten herangezogen; sie hat diesen weite-ren Beweisanzeichen aber gegenüber der DNA-Spur eine nur untergeordnete Bedeutung beigemessen. Hinzu tritt, dass auch die weiteren Beweiserwägun-gen rechtlich nicht unbedenklich erscheinen:
a)
.

gestützt werde, der davon be-
richtete, die Tochter des Angekl
der Täterschaft des Angeklagten stützen könnte. Denn ausweislich der Feststel-14
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9
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lungen ist bei der verfahrensgegenständlichen Tat kein Schmuck, sondern nur Bargeld erbeutet worden.
bdes Zeugen H.

erhärtet sieht, begegnet auch diese Erwägung rechtlichen
Bedenken. Der Tatrichter hat die Aussage des Zeugen H.

hinsichtlich der aus
den [X.] gewonnenen Erkenntnisse dahin wie-dergegeben,
. Die Beweiserwägungen geben jedoch den die Wertung des Polizeibeamten tragenden tatsächlichen
Gesprächsinhalt nicht wieder
und sind daher nicht nachvollziehbar.
Zwar hat das [X.] als ein weiteres, den Angeklagten belastendes Indiz berücksichtigt, dass einer der Täter den anderen Täter während der [X.] nach den glaubhaften Angaben des Geschädigten .

angesprochen hat und der Angeklagte

wie er selbst eingeräumt hat

von .

. Gleichwohl
vermag der Senat ein Beruhen
des Urteils auf den [X.] nicht sicher auszuschließen.
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-
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entschei-dung.
Appl

Eschelbach

Bartel

Grube

Ri[X.] [X.] ist

wegen Urlaubs an der

Unterschrift gehindert.

Appl
20

Meta

2 StR 572/16

27.06.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2017, Az. 2 StR 572/16 (REWIS RS 2017, 9025)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9025

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 StR 383/15

4 StR 18/16

4 StR 439/13

2 StR 141/16

2 StR 572/16

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