Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.11.2010, Az. 7 B 23/10

7. Senat | REWIS RS 2010, 1229

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Gegenstand

Fragen des auslaufenden Rechts und Zulassung der Grundsatzrevision; Wasserentnahme; Eigentümergebrauch


Gründe

I.

1

Die Klägerin gewinnt Quarzsand im Wege der [X.]. Der aus dem dadurch entstandenen [X.] geförderte Sand wird in einer Aufbereitungsanlage mithilfe von gesondert aus dem See entnommenem Wasser gewaschen, nach Korngrößen getrennt und sodann in einer Trocknungsanlage getrocknet. Zur Kühlung dieser Anlage wird ebenfalls Wasser aus dem [X.] benutzt. Nach Gebrauch wird das verwendete Wasser - bis auf einen im Sand verbleibenden Rest - zur Klärung in ein Absetzbecken und anschließend wieder in den [X.] geleitet. Die Klägerin wurde für diese [X.]enutzung des Oberflächenwassers zu einem Wasserentnahmeentgelt herangezogen. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die [X.]erufung zurückgewiesen. Es hat zur [X.]egründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Klägerin den - verfassungsgemäßen - Entgelttatbestand des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Erhebung eines Entgelts für die Entnahme von Wasser aus Gewässern (Wasserentnahmeentgeltgesetz des [X.] [X.] - [X.]) erfülle. Sie entnehme Wasser und führe es einer Nutzung - Sandkorntrennung und Kühlung - zu. Die Nutzung sei nicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 [X.] i.V.m. § 24 [X.] (a.F.) entgeltfrei. Eine erlaubnisfreie [X.]enutzung im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 [X.] (a.F.) liege nicht vor. Durch die [X.]enutzung in Gestalt von Entnahme (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ) und [X.] (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] ) sei eine nachteilige Veränderung der Eigenschaft des Gewässers zu erwarten. [X.]ei dieser Einschätzung komme es auf den Zustand des einzuleitenden Wassers unmittelbar nach der [X.] und vor der [X.]ehandlung im Absetzbecken an; es sei dann in erheblichem Umfang mit Fest- und Schwebstoffen durchsetzt, was bei [X.] jedenfalls zu einer geringfügigen nachteiligen Veränderung der physikalischen Eigenschaften des [X.] führen könne. Dem daraus folgenden Gefährdungspotential sei im Rahmen eines [X.] gegebenenfalls durch Auflagen zu begegnen. Eine nachteilige Veränderung der Eigenschaft des Wassers sei aber auch dann zu erwarten, wenn auf den Zustand des Wassers nach der [X.]ehandlung des [X.]rauchwassers abgestellt werde. Auch dann sei zu erwarten, dass die Einleitung des teilweise gereinigten Wassers eine wenn auch nur geringe nachteilige Veränderung des Gewässers zur Folge haben werde; dies gelte jedenfalls bezogen auf den näheren [X.]ereich der Einleitungsstelle.

II.

2

Die [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil ist nicht begründet. Der Rechtssache kommt die allein geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu.

3

Die [X.]eschwerde wirft folgende Fragen zu den rechtlichen Grenzen des [X.] nach § 24 Abs. 1 Satz 1 [X.] in der Fassung der [X.]ekanntmachung der Neufassung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 19. August 2002 ([X.]) - [X.] a.F. - auf:

1. Ist hinsichtlich der Voraussetzung des erlaubnisfreien [X.], dass eine nachteilige Veränderung der Eigenschaft des Wassers nicht zu erwarten sein darf, auf den Zustand des [X.]rauchwassers während des [X.] abzustellen, ohne dass zu Gunsten des [X.] getroffene Schutzvorkehrungen bei der Prognose eines Schadenseintritts berücksichtigt werden? Reicht mithin ein Gefährdungspotential, also eine potentielle, d.h. mögliche Gefährdung des Schutzguts aus, um annehmen zu können, dass eine nachteilige Veränderung der Eigenschaft des Wassers "zu erwarten" ist?

2. Ist nach § 24 Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. auch eine zu erwartende "geringfügige" nachteilige Veränderung der Eigenschaft des Wassers tatbestandsmäßig?

3. Ist eine nachteilige Veränderung der Eigenschaft des "Wassers" auch zu erwarten, wenn lediglich ein untergeordneter Teilbereich des Gewässers betroffen ist, ohne dass sich dies nachteilig auf das [X.] oder zumindest einen gewissen Abschnitt des [X.] auswirkt?

4

Diese Fragestellungen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss dargelegt, d.h. näher ausgeführt werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), dass und inwieweit die höchstrichterliche [X.]eantwortung einer bestimmten Rechtsfrage des [X.]undesrechts zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (vgl. [X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - [X.]VerwG 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91>). Daran fehlt es hier.

5

Die als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichneten Fragen nach den rechtlichen Grenzen des [X.] beantworten sich allerdings nach revisiblem Recht. Sie stellen sich hier zwar im Rahmen der Anwendung der nicht revisiblen landesrechtlichen Vorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Das [X.]recht nimmt darin auf erlaubnisfreie [X.]enutzungen, darunter u.a. den in § 24 [X.] a.F. geregelten Eigentümergebrauch, [X.]ezug. Damit wird diese bundesrechtliche Norm aber nicht im Sinne einer echten Verweisung in der Weise landesrechtlich rezipiert, dass ihr sachlicher Anwendungsbereich erweitert wird und sie insoweit nur aufgrund des [X.] des [X.]gesetzgebers und folglich als irrevisibles [X.]recht gilt (vgl. etwa [X.]eschlüsse vom 2. Juli 2009 - [X.]VerwG 7 [X.] - [X.] 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 36 und vom 13. Juni 2009 - [X.]VerwG 9 [X.] - [X.] 445.4 § 3 [X.] Nr. 6). Vielmehr knüpft die landesrechtliche Regelung im Sinne einer "unechten" Verweisung an die vom [X.]gesetzgeber als vorgegeben hingenommene bundesrechtliche Regelung an, deren [X.] unverändert bleibt (vgl. Urteil vom 4. November 1976 - [X.]VerwG 5 C 73.74 - [X.]VerwGE 51, 268 <271 ff.>; [X.]eschluss vom 24. März 1986 - [X.]VerwG 7 [X.] - [X.] 310 § 137 VwGO Nr. 132). Denn nach der insoweit maßgeblichen Auslegung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 [X.] durch das Oberverwaltungsgericht greift das Wasserentnahmeentgeltgesetz die wasserhaushaltsrechtliche Privilegierung des [X.] durch die Freistellung von der Erlaubnispflicht auf und erkennt sie mit der Folge der Entgeltfreistellung an (vgl. [X.], Urteil vom 16. Oktober 2008 - 9 A 1385/08 - [X.] 2009, 157 ).

6

Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen verleihen der Rechtssache jedoch deshalb keine grundsätzliche [X.]edeutung, weil sie sich auf ausgelaufenes Recht beziehen.

7

Die für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Fassung des § 24 Abs. 1 [X.] ist aufgrund der Neuregelung des Wasserhaushaltsgesetzes durch das Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31. Juli 2009 ([X.] 2585) mit Wirkung vom 1. März 2010 durch die [X.]estimmung des § 26 Abs. 1 [X.] ersetzt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] haben Rechtsfragen bei auslaufendem Recht trotz anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche [X.]edeutung, da die Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur eine für die Zukunft geltende Klärung herbeiführen soll (vgl. etwa [X.]eschlüsse vom 9. Dezember 1994 - [X.]VerwG 11 PKH 28.94 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 und vom 13. Juli 2007 - [X.]VerwG 3 [X.] 16.07 - [X.] 451.511 § 6 [X.] Nr. 9).

8

Diese Aufgabe kann ein auf auslaufendes Recht bezogenes Revisionsverfahren jedoch ausnahmsweise dann erfüllen, wenn sich bei der gesetzlichen [X.]estimmung, die der außer [X.] getretenen Vorschrift nachgefolgt ist, die streitigen Fragen in gleicher Weise stellen. Trotz des Auslaufens des alten Rechts ist dann eine richtungsweisende Klärung zu erwarten, wie die neue Vorschrift anzuwenden ist (vgl. [X.]eschlüsse vom 20. Dezember 1995 - [X.]VerwG 6 [X.] 35.95 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 und vom 26. Juli 2005 - [X.]VerwG 6 [X.] 24.05 - [X.] 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 129). Eine solche Fallgestaltung liegt entgegen der Auffassung der Klägerin hier aber nicht vor. Zwar entspricht § 24 Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. im Wesentlichen dem neu gefassten § 26 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Auf die insoweit übereinstimmenden tatbestandlichen Voraussetzungen des [X.] sind die von der Klägerin allgemein formulierten Fragen auch bezogen. Sie stellen sich indessen in entscheidungserheblicher Weise nur für den Eigentümergebrauch, der auf eine Gewässerbenutzung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 4 [X.] a.F., nämlich das Einbringen und Einleiten von Stoffen in oberirdische Gewässer, bezogen ist. Diese Art der [X.]enutzung (siehe jetzt § 9 Abs. 1 Nr. 4 [X.]) nimmt § 26 Abs. 1 Satz 2 [X.] nunmehr aber ausdrücklich vom [X.] aus; die Öffnungsklausel für die Länder in § 26 Abs. 1 Satz 3 [X.] ermöglicht insoweit nur abweichende Regelungen für Zwecke der Fischerei (§ 25 Satz 3 Nr. 2 [X.]).

9

Eine weitere Ausnahme von der Regel, dass Fragen des auslaufenden Rechts die Zulassung der Grundsatzrevision nicht rechtfertigen, ist in der Rechtsprechung des [X.] dann anerkannt, wenn die Klärung der Rechtsfragen für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft weiterhin von [X.]edeutung ist. Für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist der [X.]eschwerdeführer darlegungspflichtig. Es müssen Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von [X.] dargetan und ersichtlich sein (vgl. [X.]eschluss vom 20. Dezember 1995 - [X.]VerwG 6 [X.] 35.95 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9). Dem trägt die [X.]egründung der [X.]eschwerde weder mit dem Hinweis auf noch anhängige Widerspruchsverfahren der Klägerin gegen weitere [X.]escheide für die Veranlagungszeiträume bis 2009 noch mit dem nicht näher spezifizierten Hinweis auf die Lage anderer Abgrabungsunternehmen in [X.] ausreichend Rechnung. Im Übrigen ist im Hinblick auf mögliche Altfälle zu berücksichtigen, dass auch die Rechtseinheit, der die Zulassung der Revision neben der Weiterentwicklung des Rechts zu dienen hat, nicht gefährdet wäre, weil für noch zu erwartende Streitverfahren ausschließlich das Oberverwaltungsgericht für das Land [X.] in zweiter Instanz zuständig wäre (vgl. [X.]eschluss vom 21. Dezember 1977 - [X.]VerwG 7 [X.] 109.77 - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 160).

Meta

7 B 23/10

18.11.2010

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 24. November 2009, Az: 9 A 1580/08, Urteil

§ 24 Abs 1 WHG vom 24.08.2002, § 3 Abs 1 Nr 4 WHG vom 24.08.2002, § 26 Abs 1 WHG 2009, § 25 S 3 Nr 2 WHG 2009, § 9 Abs 1 Nr 4 WHG 2009

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.11.2010, Az. 7 B 23/10 (REWIS RS 2010, 1229)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1229

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