Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.07.2012, Az. 3 StR 148/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 4165

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 148/12
vom
31. Juli
2012
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schweren Raubes u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung
des Beschwerde-führers und des [X.] -
zu
2. auf dessen Antrag
-
am 31.
Juli 2012 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 10.
November 2011 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat
den Angeklagten wegen besonders schweren [X.] in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und dessen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Ange-klagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Die Überprüfung des Schuld-
und Strafausspruchs hat keinen Rechts-fehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
1
2
-
3
-
2.
Die vom [X.] nach §
66 Abs.
3 Satz
1 StGB angeordnete
Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn die erforderliche Gefahr der Bege-hung weiterer Straftaten durch den Angeklagten ist nicht dargetan.
a)
Das [X.] hat zunächst den gehörten Sachverständigen [X.], wonach der Angeklagte ein bewusster Entscheidungstäter mit
einer Be-reitschaft zur Gewalt sei, der Waffen als Handlungsinstrument benutze und Straftaten bei verschiedenartigen, auch guten Lebensumständen begehe, "was insgesamt für ein gewisses Rückfallrisiko spreche", so dass eine "ungünstige Kriminalprognose" gegeben sei. In ihrer anschließenden eigenen Würdigung hat die [X.] es für "prognostisch wahrscheinlich" gehalten, dass der Angeklagte erneut erhebliche Straftaten begehen werde.
b)
Es bestehen bereits erhebliche Bedenken, ob diese Ausführungen nach der Rechtslage vor der Entscheidung des [X.] vom 4.
Mai 2011 ([X.], Urteil vom 4.
Mai 2011 -
2
BvR
2365/09 u.a., NJW 2011, 1931) genügt hätten, um die erforderliche Gefahrenprognose zu belegen; denn erforderlich war insoweit die Erwartung, d.h. die bestimmte Wahrschein-lichkeit, dass von dem Täter weitere erhebliche Taten ernsthaft zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (st. Rspr.; vgl. schon [X.], Urteil vom 21.
November 1972
-
1
StR
390/72, [X.]St 25, 59, 61).
c)
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung erweist sich jedenfalls nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des [X.] ([X.],
aaO) als nicht verhältnismäßig.
aa)
Danach bedarf es wegen der derzeit verfassungswidrigen Ausgestal-tung der Sicherungsverwahrung einer "strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung", wenn sie gleichwohl angeordnet werden soll. Die Anordnung wird "in der Regel"
3
4
5
6
7
-
4
-
nur verhältnismäßig sein, wenn "eine Gefahr schwerer Gewalt-
oder Sexual-straftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist"
([X.], aaO, NJW 2011,
1946 Rn.
172). Diese vom [X.] geforderte "strikte Verhältnismäßigkeitsprü-fung"
ist dahin zu verstehen, dass bei beiden
Elementen der Gefährlichkeit
-
mithin der Erheblichkeit weiterer Straftaten und der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengerer Maß-stab anzulegen ist
([X.], Beschluss vom 4.
August 2011 -
3
StR
235/11, [X.], 673).
Das Erfordernis, dass die Wahrscheinlichkeit der Begehung weite-rer Taten "aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten" sein muss, stellt somit höhere Anforderungen als die bislang vom Gesetz als Beurteilungsgrundlage für die Gefährlichkeitsprognose geforderte "Gesamtwürdigung des [X.] und seiner Taten"
([X.], Urteil vom 4.
August 2011 -
3
StR
175/11, [X.], 692).
bb)
Ein "gewisses Rückfallrisiko", eine "ungünstige Kriminalprognose" oder eine "prognostische Wahrscheinlichkeit" reicht nicht aus, um den nach diesen Vorgaben notwendigen erhöhten Grad der Gefährlichkeit zu begründen.
3.
Es ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass ein neues Tatgericht Tatsachen festzustellen in der Lage ist, die auch bei Be-achtung der neueren Rechtsprechung des [X.] die [X.] rechtfertigen können. Die Sache bedarf
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-
5
-
deshalb zum [X.] neuer tatrichterlicher Verhandlung und Ent-scheidung.
Becker
Hubert
Schäfer
Ri'in[X.] Dr.
Spaniol befin-det sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unter-schreiben.

Gericke
Becker

Meta

3 StR 148/12

31.07.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.07.2012, Az. 3 StR 148/12 (REWIS RS 2012, 4165)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4165

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