Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2022, Az. 6 AZR 251/21

6. Senat | REWIS RS 2022, 2324

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Gegenstand

Eingruppierung - AVR-Johanniter - Bereitschaftsdienst bei Hausnotruf


Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17. März 2021 - 6 Sa 292/18 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

[X.]ie Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des [X.] und über die Vergütung der sog. [X.] ([X.]).

2

[X.]er beklagte Verein gehört zum [X.] und betreibt [X.] [X.]ienstleistungen. Er bietet [X.]. einen ganztägigen Hausnotrufdienst in [X.] an. [X.]er Kläger war ausweislich des Arbeitsvertrags seit Febr[X.]r 2013 bei dem Beklagten als „Fahrer [X.]/[X.]“ tätig. Im April 2014 nahm er an einem von der [X.]-Akademie durchgeführten Seminar zum Thema „Einsatzkräfte im Hausnotruf der [X.]“ teil. [X.]ieses vermittelte [X.]. Kenntnisse in der Kundenbetreuung und in Lagerungstechniken.

3

Auf das zwischenzeitlich beendete Arbeitsverhältnis fanden [X.] die Arbeitsvertragsrichtlinien der [X.] (im Folgenden [X.]) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. [X.]ie für den Rechtsstreit maßgeblichen Bestimmungen der [X.] in der Fassung vom 1. Jan[X.]r 2016 lauten auszugsweise:

        

C.    

Arbeitszeit

        

…       

        

§ 11g 

Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft

        

(1) [X.]ie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind verpflichtet, sich auf Anordnung der [X.] bzw. des [X.]ienstgebers außerhalb der vertraglichen Soll-Arbeitszeit an einer von der [X.] bzw. vom [X.]ienstgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). [X.]ie [X.] bzw. der [X.]ienstgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die [X.] ohne Arbeitsleistung überwiegt.

        

…       

        
        

(3) Nach dem Maß der während des Bereitschaftsdienstes erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistung wird die [X.] des Bereitschaftsdienstes wie folgt als Arbeitszeit faktorisiert:

        

Stufe 

Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes

Bewertung als
Arbeitszeit

        

I.    

0 % bis 10 %

42 %   

        

…       

                 
        

…       

                 
        

(4) [X.]ie nach Absatz 3 errechnete Arbeitszeit kann bis zum Ende des 3. Kalendermonats durch entsprechende Arbeitsbefreiung abgegolten werden (Freizeitausgleich). …

                 
        

(5) Kann ein Freizeitausgleich nicht gewährt werden, wird die nach Absatz 3 errechnete Arbeitszeit mit dem Überstundenentgelt gem. Anlage 7a bis Anlage 7c vergütet. …

                 
        

(8) [X.]ie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind verpflichtet, sich auf Anordnung der [X.] bzw. des [X.]ienstgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer der [X.] bzw. dem [X.]ienstgeber anzuzeigenden Stelle aufzuhalten, um auf Abruf die Arbeit innerhalb eines angemessenen [X.]raumes aufzunehmen (Rufbereitschaft). [X.]ie [X.] bzw. der [X.]ienstgeber darf Rufbereitschaft nur anordnen, wenn erfahrungsgemäß lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt.

        

…       

        

[X.]ie [X.] der Rufbereitschaft wird mit 12,5 % als Arbeitszeit gewertet und mit dem Überstundenentgelt vergütet.

                 
        

Für die anfallende Arbeit einschließlich einer etwaigen Wegezeit werden daneben das Überstundenentgelt sowie etwaige [X.]zuschläge gezahlt. … [X.]as Überstundenentgelt entfällt, soweit entsprechende Arbeitsbefreiung gewährt wird (Freizeitausgleich).

        

…       

        

[X.].    

Eingruppierung

        

§ 15   

Eingruppierung

        

(1) [X.]ie Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter ist nach den Merkmalen der übertragenen Tätigkeiten in die [X.] gemäß der Anlage 1 eingruppiert. [X.]ie Tätigkeiten müssen ausdrücklich übertragen sein (z.B. im Rahmen von Aufgaben- oder Stellenbeschreibungen). [X.]ie Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter erhält Entgelt nach der [X.], in die sie bzw. er eingruppiert ist. …

                 
        

(2) [X.]ie Eingruppierung der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters erfolgt in die [X.], deren Tätigkeitsmerkmale sie bzw. er erfüllt und die der Tätigkeit das Gepräge geben. Gepräge bedeutet, dass die entsprechende Tätigkeit unverzichtbarer Bestandteil des Arbeitsauftrages ist.

        

…       

        

(4) [X.]ie Eingruppierung der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters richtet sich nach den Obersätzen der [X.], die für die Tätigkeitsbereiche in den Untersätzen näher beschrieben werden. [X.]en Sätzen sind Richtbeispiele zugeordnet, die häufig anfallende Tätigkeiten in dieser Eingruppierung benennen.

        

…“    

4

[X.]ie Anlage 1 zu den [X.] lautet auszugsweise:

        

Anlage 1 Eingruppierungskatalog

        

…       

        

[X.] 2 ([X.]. 2)

                 
        

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die nach einer fachlichen Einarbeitung ausgeführt werden können

                 
        

Hierzu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit sehr einfachen Tätigkeiten ([X.]. 2) in den Tätigkeitsbereichen

                 
        

1.    

Hauswirtschaft/Handwerk/Technik;

        

…       

        
        

Richtbeispiele: … Technische Hilfskraft im HNR-Bereich, …

                          
        

[X.] 3 ([X.]. 2, 3, 12, 13)

                 
        

A. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die Fertigkeiten und einfache Kenntnisse voraussetzen

                 
        

Hierzu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

                 
        

1.    

mit einfachen Tätigkeiten ([X.]. 3) in den Tätigkeitsbereichen

                 

a.    

Pflege/Betreuung/Erziehung,

                 

…       

        
        

Richtbeispiele: … Mitarbeiterin im [X.] mit Betreuungsaufgaben, …

        

…       

        

[X.]erkungen:

        

…       

        

(3) Einfache Tätigkeiten setzen Fertigkeiten und einfache Kenntnisse voraus. Fertigkeiten und einfache Kenntnisse werden in erweiterter fachlicher Einarbeitung über einen längeren [X.]raum, in Schulungen oder durch einschlägige Tätigkeitserfahrungen erlangt. [X.]urch das so erlangte Wissen kann auf unterschiedliche Arbeitssit[X.]tionen und -anforderungen angemessen reagiert werden.

        

…“    

5

[X.]ie Anlage 8b zu den [X.] lautet auszugsweise:

        

Anlage 8b Mitarbeitende im Fahrdienst

                 
        

§ 1     

Geltungsbereich

                          
        

Für Mitarbeitende im Fahrdienst, die gemäß § 2 dieser Regelung eingesetzt sind, gelten die [X.] mit den nachfolgend festgehaltenen Abweichungen.

                 
        

§ 2     

Eingruppierung

                          
        

(1)     

Mitarbeitende, die als Fahrerin bzw. Fahrer im

                 

…       

        
                 

●       

Hausnotrufdienst

        

tätig sind, … sind in die [X.] F eingruppiert.

                 
        

(2) Absatz 1 gilt nicht für Fahrerinnen und Fahrer, die einen Führerschein der Klassen C1/C/[X.]1/[X.]/[X.]/C1E/CE/[X.]1E oder [X.]E benötigen oder Mitarbeitende, für deren Tätigkeit eine bestimmte Q[X.]lifikation vorausgesetzt wird (z.B. als Rettungshelfer, Einsatzkraft im Hausnotrufdienst).

        

…“    

6

[X.]en Mitarbeitern, die in der [X.] des Beklagten eingesetzt sind, stehen ein [X.]ienstmobiltelefon und ein [X.]ienstwagen zur Verfügung. Sie haben die Vorgabe, spätestens 35 Minuten nach Beauftragung durch die den Notruf entgegennehmende Hausnotrufzentrale bei dem jeweiligen Notrufenden zu sein. Zuvor müssen sie dessen Wohnungs- bzw. Hausschlüssel von der [X.]ienststelle des Beklagten in der [X.] in [X.] abholen. Für die Schlüsselübernahme sind fünf Minuten anzusetzen. [X.]ie anschließende Fahrzeit von der [X.]ienststelle zu den am weitest entfernt wohnenden potentiellen Notrufenden betrug während der Beschäftigung des [X.] ca. 30 Minuten, denn das Einzugsgebiet des [X.] umfasste [X.]. [X.] und Blankenhain.

7

[X.]er Kläger wurde ein- bis zweimal im Monat zur [X.] eingeteilt. Eine Bereitschaft dauerte jeweils von montags 09:00 Uhr bis montags 09:00 Uhr der Folgewoche.

8

Bei einem Hausnotrufeinsatz oblag es dem Kläger, vor Ort die Sit[X.]tion des Notrufenden einzuschätzen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Hierzu gehörte [X.] aus dem Bett bzw. dem Rollstuhl gefallene Personen wieder ins Bett zu bringen oder in den Rollstuhl bzw. auf die Couch zu setzen, sie ggfs. zur Toilette zu führen und bei bestehender Inkontinenz auch zu waschen. Stellte der Kläger einen erhöhten medizinischen Bedarf fest, hatte er den Hausarzt oder in dringenden Fällen den Notarzt zu rufen und erforderlichenfalls Erste-Hilfe-Maßnahmen einzuleiten.

9

[X.]er Beklagte vergütete den Kläger nach [X.] F [X.]. [X.]ie einsatzlosen [X.]en der [X.] behandelte er als Rufbereitschaft.

Mit seiner Klage hat der Kläger für den [X.]raum von Jan[X.]r bis einschließlich September 2016 unter Berücksichtigung seiner Teilzeitbeschäftigung die Entgeltdifferenz zwischen dem Grundentgelt nach [X.] F [X.] und dem der [X.] 3 [X.] sowie die Vergütungsdifferenz zwischen [X.] und [X.] für die inaktiven [X.]en während der [X.] geltend gemacht.

Er hat die Auffassung vertreten, die ihm im Hausnotrufdienst übertragenen Aufgaben hätten den Voraussetzungen der [X.] 3 [X.] entsprochen und seine Gesamttätigkeit iSv. § 15 Abs. 2 [X.] geprägt. Bei der von ihm geleisteten [X.] habe es sich um Bereitschaftsdienst iSd. § 11g Abs. 1 [X.] gehandelt. [X.]ie zeitliche Vorgabe des Beklagten, den Notrufenden innerhalb von 35 Minuten zu erreichen, habe zusammen mit der Verpflichtung, die jeweiligen Wohnungsschlüssel aus dem [X.] in der [X.]ienststelle zu holen, bei einer potentiell dreißigminütigen Fahrzeit faktisch zu einer Aufenthaltsbeschränkung geführt. [X.]ie inaktiven [X.]en seien deshalb als [X.] einzuordnen und entsprechend zu vergüten.

[X.]er Kläger hat zusammengefasst beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 11.902,33 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen genannter, gestaffelter Höhe zu zahlen.

[X.]er Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Kläger sei zutreffend als Mitarbeitender im Fahrdienst nach [X.] F [X.] vergütet worden. Zwar habe er eine Mischtätigkeit ausgeübt. [X.]ie Tätigkeit im Rahmen der [X.] sei jedoch für seine Gesamttätigkeit nicht prägend gewesen. [X.]er Kläger könne ferner nicht verlangen, für die inaktiven [X.]en der [X.] ein [X.] zu erhalten. [X.]ie [X.] sei ohne Vorgabe eines Aufenthaltsortes und ausdrücklich als Rufbereitschaft angeordnet worden. Ein Anspruch des [X.] auf Bereitschaftsdienstvergütung ergebe sich auch nicht aus einer etwaig rechtswidrigen Anordnung von Rufbereitschaft, denn dies führte nicht zu einer Umwandlung des geleisteten [X.]ienstes in Bereitschaftsdienst. Sollte es sich bei der [X.] tatsächlich nicht um Rufbereitschaft gehandelt haben, seien diese [X.]en allenfalls als Arbeitsbereitschaft zu werten und deshalb bereits mit dem Tabellenentgelt abgegolten.

[X.]ie Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Abweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger für den geltend gemachten [X.]raum eine Vergütung nach [X.] 3 [X.] zusteht und die von ihm erbrachten [X.] als [X.] zu vergüten sind.

I. Die zulässige Klage ist begründet.

1. Der Kläger war im streitgegenständlichen [X.]raum in [X.] 3 [X.] eingruppiert. Ihm steht deshalb die geltend gemachte und der Höhe nach unstreitige Entgeltdifferenz zwischen [X.] F [X.] und [X.] 3 [X.] zu.

a) Die Vergütung des [X.] richtete sich unstreitig nach den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Regelungen der [X.]. Der Eingruppierungskatalog der Anlage 1 [X.] sieht für die Tätigkeit eines Mitarbeiters im [X.] mit Betreuungsaufgaben eine Vergütung nach [X.] 3 [X.] vor. Dies folgt aus dem entsprechenden [X.] in Teil A der [X.]nregelung. Die Tätigkeit des [X.] entsprach den Anforderungen dieses [X.]s.

aa) Die Erfordernisse eines Tätigkeitsmerkmals einer [X.] sind regelmäßig als erfüllt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine dem in der [X.] genannten Regel- oder [X.] entsprechende Tätigkeit ausübt (vgl. hierzu [X.] 21. Juni 2018 - 6 [X.] - Rn. 44; 12. April 2016 - 6 [X.] - Rn. 25 [X.]).

bb) Dies ist vorliegend gegeben. Der Kläger übte eine dem in Teil A der [X.] 3 [X.] genannten [X.] „Mitarbeiterin im [X.] mit Betreuungsaufgaben“ entsprechende Tätigkeit aus. Das folgt aus der Auslegung der [X.].

(1) Dabei kann unentschieden bleiben, ob es sich bei den für den Rechtsstreit maßgeblichen [X.] um Arbeitsrechtsregelungen des [X.] handelt (zweifelnd [X.] 10. Dezember 2012 - [X.]/[X.]-12 - Rn. 33 ff.; 8. September 2011 - [X.]/[X.]-10 - Rn. 49; vgl. auch [X.] 15. Januar 2014 - 10 [X.] - Rn. 34 ff. [X.]) und damit die für solche Regelungen geltenden Auslegungsmaßstäbe zur Anwendung kommen (vgl. hierzu [X.] 16. Dezember 2021 - 6 [X.] - Rn. 24) oder ob sich die Auslegung nach den für allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Maßgaben richtet (vgl. hierzu [X.] 23. September 2020 - 5 [X.] - Rn. 17). Beide Auslegungswege führen zum selben Ergebnis.

(2) Der Kläger war im [X.] beschäftigt und hatte dabei Betreuungsaufgaben zu erfüllen. Der Begriffsbestandteil „Betreuung“ in dem [X.] bedeutet „Fürsorge“, „Pflege“, „Versorgung“ ([X.] [X.]. Stichwort „Betreuung“). Bei den vom Kläger im Rahmen der [X.] unstreitig wahrgenommenen Aufgaben wie zB aus dem Bett oder dem Rollstuhl gefallenen Notrufenden aufzuhelfen, sie zurückzubetten bzw. in den Rollstuhl oder auf eine andere Sitzgelegenheit zu setzen, mit ihnen auf die Toilette zu gehen und sie bei Inkontinenz auch zu waschen, handelt es sich um Maßnahmen mit eindeutig versorgendem Charakter. Diese Verrichtungen dienen der Hilfeleistung und gehen erkennbar über das bloße Einschätzen der vorgefundenen Situation, also ob bspw. ein Arzt bzw. der Rettungsdienst zu benachrichtigen ist oder Hilfsmittel zu besorgen sind, hinaus. Dabei ist unerheblich, dass es sich nicht um jeweils länger andauernde Pflegetätigkeiten, sondern um eher kurzzeitige Hilfestellungen handelt, da Letzteres in der Natur von Hausnotruf-Einsätzen liegt.

(3) Dieses Verständnis entspricht auch dem Gesamtzusammenhang der Eingruppierungsregelungen. Die [X.] enthalten ein ausdifferenziertes Eingruppierungssystem für Tätigkeiten im Bereich des [X.]. Die [X.]n 2 und 3 der Anlage 1 [X.] sowie § 2 Abs. 1 und Abs. 2 der Anlage 8b [X.] weisen diesbezügliche Tätigkeitsmerkmale und [X.]e mit unterschiedlichen Inhalten aus.

(a) Entgegen der Annahme der Revision unterfällt der vom Kläger geleistete Hausnotrufdienst nicht der Spezialregelung in § 2 Abs. 1 der Anlage 8b [X.] und war folglich nicht nach [X.] F [X.] zu vergüten. § 2 Abs. 1 der Anlage 8b [X.] erfasst nur die reine Fahrtätigkeit im Hausnotrufdienst. Gemäß § 2 Abs. 2 [X.] gilt die Regelung demgegenüber nicht für Mitarbeitende, für deren Tätigkeit eine bestimmte Qualifikation vorausgesetzt wird, zB als Einsatzkraft im Hausnotrufdienst. Eine solche Tätigkeit unterfällt vielmehr dem allgemeinen Eingruppierungskatalog der Anlage 1 [X.]. Dies betrifft auch den Kläger, denn seine Tätigkeit als Einsatzkraft im Hausnotrufdienst setzte bzgl. der Betreuung der Kunden des [X.] eine weitere Qualifikation voraus. Dies ergibt sich schon aus der notfallbezogenen Aufgabenstellung und wird zudem dadurch belegt, dass das Bildungsinstitut der [X.] ein auch vom Kläger besuchtes Seminar zum Thema „Einsatzkräfte im Hausnotruf der [X.]“ angeboten hat, welches sich ua. mit den Themen Kundenbetreuung und Lagerungstechniken befasst.

(b) Die Anlage 1 [X.] unterscheidet ausdrücklich zwischen technischen Hilfskräften im HNR-Bereich, die ausweislich des entsprechenden [X.]s der [X.] 2 [X.] zugeordnet sind, und - wie dargelegt - den nach [X.] 3 [X.] zu vergütenden Mitarbeitern im [X.] mit Betreuungsaufgaben. Hierdurch wird klar zum Ausdruck gebracht, dass im [X.] tätige Mitarbeiter, die nicht im technischen Bereich eingesetzt sind, sondern Betreuungsaufgaben wahrnehmen, nach [X.] 3 [X.] zu vergüten sein sollen, weil diese Tätigkeit als höherwertig eingeschätzt wird.

b) Einer Eingruppierung des [X.] in die [X.] 3 [X.] steht nicht entgegen, dass er außerhalb des [X.] als Fahrer eingesetzt war. Die Tätigkeit des [X.] in der [X.] war unverzichtbarer Bestandteil des ihm im Arbeitsvertrag übertragenen [X.] und gab daher seiner Tätigkeit das Gepräge iSv. § 15 Abs. 2 Satz 2 [X.].

aa) Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 [X.] ist das „Gepräge“ erst heranzuziehen, wenn mehrere Tätigkeitsmerkmale erfüllt sind und festzustellen ist, welches der - erfüllten - Tätigkeitsmerkmale bzw. der zugrundeliegenden Teiltätigkeiten der gesamten Tätigkeit (dem „Arbeitsauftrag“) das Gepräge gibt (so zu § 12 Abs. 2 [X.] DWM [X.] 20. Juni 2012 - 4 [X.] - Rn. 25). Zur Beurteilung des [X.] kann die zu Eingruppierungsordnungen des öffentlichen Dienstes ergangene und damit auf den Arbeitsvorgang bezogene Rechtsprechung nicht herangezogen werden (aA zu § 12 Abs. 2 [X.] [X.]/Steuernagel/Steuernagel [X.].DD § 12 Rn. 9). Nach den [X.] der [X.] erfolgt keine Aufspaltung der Gesamttätigkeit in einzelne Arbeitsvorgänge. Die überwiegend auszuübende Tätigkeit ist nicht ausschlaggebend. Darum kommt es dafür, ob Tätigkeiten das für die Eingruppierung erforderliche Gepräge aufweisen, auch nicht auf das zeitliche Ausmaß der Tätigkeit, sondern gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 [X.] allein darauf an, dass die Tätigkeit unverzichtbarer Bestandteil des [X.] ist. Tätigkeiten, die nur einen geringen Anteil der Gesamttätigkeit ausmachen und ihr deshalb nicht das Gepräge geben können, sind allerdings außer [X.] zu lassen (vgl. zu § 12 Abs. 2 [X.]-DW [X.] bzw. [X.]-DD [X.] 21. Juni 2018 - 6 [X.] - Rn. 44 [X.]).

bb) Nach § 3 des Arbeitsvertrags setzte sich die dem Kläger übertragene Arbeitsaufgabe aus der Beschäftigung als „Fahrer [X.]“ und dem Einsatz in der [X.] zusammen. Damit gehörte die Tätigkeit „[X.]“ zu seinem Arbeitsauftrag. Sie kann bezogen auf die ihm übertragene Aufgabe in ihrer Gesamtheit nicht hinweggedacht werden und war deshalb ihr unverzichtbarer Bestandteil iSd. § 15 Abs. 2 Satz 2 [X.]. Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung des [X.]n auch nicht daraus, dass die [X.] nicht in Form von [X.], sondern als Bereitschaft geleistet wurde, in die inaktive [X.]en fielen. Für die Zuordnung zu einer [X.] kommt es nicht darauf an, in welchem Ausmaß der Kläger aufgrund ausgelöster Notrufe zu aktiven Einsätzen herangezogen wurde. Dies hätte sonst zur Folge, dass die Eingruppierung nicht von der inhaltlichen Wertigkeit der übertragenen Tätigkeit, sondern von unkalkulierbaren und ggf. wechselnden äußeren Umständen abhinge. Daher ist nur bedeutsam, ob der Umfang der Einteilung zur [X.] so gering war, dass er nicht prägend sein konnte. Dies trifft hier nicht zu. Der Kläger war in der Regel ein- bis zweimal im Monat für je sieben Schichten zu 24 Stunden, mithin 168 Stunden bzw. 336 Stunden pro Monat zur [X.] eingeteilt. Damit hat die [X.] nicht nur einen zu vernachlässigenden Anteil an der Gesamttätigkeit des [X.] eingenommen.

2. Dem Kläger steht für die in der [X.] vom 1. Januar 2016 bis zum 30. September 2016 geleisteten [X.] ein Anspruch auf [X.] in rechnerisch unstreitiger Höhe nach § 11g Abs. 5 Satz 1 [X.] zu. Der [X.] hat in diesem [X.]raum konkludent Bereitschaftsdienst iSv. § 11g Abs. 1 Satz 1 [X.] angeordnet. Ein Freizeitausgleich kommt schon wegen der zwischenzeitlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr in Betracht. Die vom Kläger geleisteten Dienste sind daher als Bereitschaftsdienste zu vergüten.

a) § 11g Abs. 1 Satz 1 und Abs. 8 Satz 1 [X.] definieren die Begriffe Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft abschließend. Danach ist mit der Leistung von Bereitschaftsdienst eine Aufenthaltsbeschränkung verbunden sowie die Verpflichtung, bei Bedarf sofort tätig zu werden. Bei Rufbereitschaft muss der Mitarbeiter hingegen nur seinen frei bestimmbaren Aufenthaltsort anzeigen, um auf Abruf die Arbeit innerhalb eines angemessenen [X.]raums aufzunehmen. Der Mitarbeiter hat somit bei Rufbereitschaft die Möglichkeit, sich in dieser [X.] auch um persönliche und familiäre Angelegenheiten zu kümmern, an sportlichen oder kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen oder sich mit Freunden zu treffen. Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst unterscheiden sich letztlich dadurch, dass der Dienstgeber beim Bereitschaftsdienst den Aufenthaltsort des Mitarbeiters bestimmt, wohingegen dieser vom Mitarbeiter bei der Rufbereitschaft grundsätzlich selbst gewählt werden kann. Ob Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft im Sinne der [X.] vorliegt, hängt danach allein vom Umfang der vom Dienstgeber angeordneten [X.] ab. Diese können auch konkludent erfolgen, etwa dadurch, dass der Dienstgeber die [X.] zwischen Abruf und Arbeitsaufnahme genau vorgibt und die [X.]spanne dabei so kurz bemisst, dass diese einer Aufenthaltsbeschränkung gleichkommt. In einem solchen Fall ersetzt der Dienstgeber die örtliche Beschränkung lediglich durch den Faktor [X.] und ordnet dadurch konkludent Bereitschaftsdienst an. Wann die (mittelbaren) Einschränkungen hinsichtlich der freien Wahl des Aufenthaltsortes so stark sind, dass sie faktisch einer Bestimmung des Aufenthaltsortes durch den Dienstgeber iSv. § 11g Abs. 1 Satz 1 [X.] gleichkommen und damit eine Anordnung von Bereitschaftsdienst darstellen, ist eine Frage des Einzelfalls (zu § 7 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 [X.]/[X.] siehe [X.] 25. März 2021 - 6 [X.] - Rn. 12 ff. [X.]).

b) Danach handelte es sich entgegen der Auffassung des [X.]n bei der vom Kläger geleisteten [X.] um Bereitschaftsdienst iSd. § 11g Abs. 1 Satz 1 [X.]. Der [X.] hat den Aufenthaltsort des [X.] zwar nicht ausdrücklich festgelegt. Die mit der Anordnung von [X.] verbundenen Einschränkungen erreichten aber ein Ausmaß, das einer Aufenthaltsbeschränkung gleichkam.

aa) Vor dem Hintergrund, dass die Fahrzeiten von der Dienststelle zu den am weitest entfernt gelegenen Einsatzorten [X.] und [X.] ca. 30 Minuten betrugen, war der Kläger wegen der Vorgabe, spätestens 35 Minuten nach Auftragserteilung beim Notrufenden eintreffen zu müssen, gezwungen, sich während der jeweils einwöchigen [X.] in unmittelbarer Nähe zur Dienststelle aufzuhalten, um den angeordneten [X.]rahmen einhalten zu können. Dies folgt daraus, dass er in jedem Fall zunächst die in der Dienststelle verwahrten Schlüssel zu holen hatte und allein dieser Vorgang ca. fünf Minuten in Anspruch nahm. Da der Kläger - wie alle in der [X.] eingesetzten Mitarbeiter - stets mit der maximalen Fahrtzeit zu rechnen hatte, war es ihm nicht möglich, persönliche Aktivitäten zu planen und durchzuführen, die mehr als wenige Minuten von seiner Dienststelle entfernt stattfanden. Diese Begrenzung in der Wahl seines Aufenthaltsortes hat den Kläger in seiner Freizeitgestaltung in einem Maß einschränkt, das eine Einordnung der [X.], so wie sie vom [X.]n organisiert ist bzw. war, als Rufbereitschaft iSv. § 11g Abs. 8 Satz 1 [X.] nicht zulässt. Dem steht nicht entgegen, dass - wie der [X.] meint - nach § 4 der Dienstvereinbarung zur Neuordnung für Mitarbeiter im Hausnotruf und/oder Organtransport vom 31. August 2016 die [X.] zwischen den Einsätzen als Rufbereitschaft gelten soll. Für die Einordnung der [X.] kommt es auf die vom Dienstgeber und der Mitarbeitervertretung gewählte Bezeichnung nicht an. Maßgeblich ist allein die organisatorische Ausgestaltung des Dienstes.

bb) Der Anspruch des [X.] scheitert entgegen der Auffassung des [X.]n auch nicht daran, dass dieser durch die zeitliche Vorgabe von 35 Minuten zwischen Auftragserteilung und Eintreffen beim Kunden richtlinienwidrig Rufbereitschaft angeordnet habe, die sich nach der Rechtsprechung des Senats nicht automatisch in Bereitschaftsdienst umwandele. Soweit er sich zur Begründung seiner Auffassung auf die Entscheidung des Senats vom 31. Januar 2002 (- 6 [X.]/00 -) beruft und diese in seinem Sinne verstanden werden könnte, hält der Senat hieran nicht fest. Die Ansicht des [X.]n findet auch keine Stütze in der Entscheidung des Senats vom 25. März 2021 (- 6 [X.] - Rn. 22 ff.). Anders als bei den [X.] im vorliegenden Verfahren handelte es sich bei den dort angeordneten [X.] tatsächlich um Rufbereitschaft. Die mit den Anordnungen des Arbeitgebers verbundenen Einschränkungen hatten kein Ausmaß erreicht, das einer Aufenthaltsbeschränkung gleichgekommen wäre und damit nach den maßgeblichen Tarifnormen Bereitschaftsdienst dargestellt hätte. Allerdings hätte der Arbeitgeber nach den tariflichen Vorgaben diese Rufbereitschaft nicht anordnen dürfen, weil nicht lediglich im Ausnahmefall Arbeit angefallen war. Für diese Fallkonstellation weisen die dort maßgeblichen Tarifnormen eine bewusste und damit von den Gerichten nicht zu schließende Tariflücke hinsichtlich der Vergütung von tarifwidrig angeordneten Rufbereitschaften auf. Ein solcher Sachverhalt liegt dem vorliegenden Verfahren gerade nicht zugrunde, weil es sich hier tatsächlich um Bereitschaftsdienst handelt. Insoweit fehlt es auch nicht an einer Ausgleichs- bzw. Vergütungsregelung für die nach den Bestimmungen der [X.] als Bereitschaftsdienst einzuordnende [X.].

cc) Der [X.] kann sich schließlich nicht darauf berufen, die [X.] sei, sofern sie nicht Rufbereitschaft darstelle, allenfalls bereits mit dem Tabellenentgelt abgegoltene Arbeitsbereitschaft.

(1) In Ermangelung einer Definition in den [X.] ist Arbeitsbereitschaft nach dem herkömmlichen Verständnis als [X.] wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung zu verstehen (vgl. [X.] 12. Dezember 2012 - 5 [X.] - Rn. 19). Entscheidend für die Abgrenzung der Arbeitsbereitschaft zum Bereitschaftsdienst - und insoweit auch zur Rufbereitschaft - ist dabei, dass sich der Arbeitnehmer bei der Arbeitsbereitschaft zur Arbeit bereithalten muss, um erforderlichenfalls von sich aus tätig zu werden, während er bei den anderen Formen der Bereitschaft auf „Anforderung“ den Dienst aufnehmen muss (vgl. [X.] 24. Juni 2021 - 5 [X.] - Rn. 35; 12. Dezember 2012 - 5 [X.] - aaO).

(2) Die Voraussetzungen der Arbeitsbereitschaft liegen hier nicht vor. Der Kläger musste bei den [X.] seine Arbeit nicht von sich aus aufnehmen, sondern erst auf Anforderung durch die Hausnotrufzentrale tätig werden. Dass er sich aufgrund der Organisation und des Charakters der [X.] durchgehend, und damit 168 Stunden je zugeteilter Bereitschaft, im Zustand „wacher Aufmerksamkeit“ halten musste, hat der [X.] selbst nicht behauptet. Der [X.] kann sich zur Begründung seines [X.] auch nicht auf die Tätigkeit von Rettungssanitätern stützen. Die Gestaltung der Arbeitsabläufe und die damit verbundenen Arbeitsformen in diesem Bereich unterscheiden sich - auch vor dem Hintergrund verschiedenartiger arbeitszeit- und vergütungsrechtlicher [X.] - vollständig von den beim [X.]n zu leistenden [X.] und sind daher nicht vergleichbar.

II. Der [X.] hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    [X.]    

        

    [X.]    

        

    Wemheuer    

        

        

        

    Der ehrenamtliche Richter Knauß ist an der Unterschriftsleistung verhindert.
[X.]    

        

    Augat    

                 

Meta

6 AZR 251/21

24.02.2022

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Erfurt, 19. April 2018, Az: 7 Ca 2225/16, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2022, Az. 6 AZR 251/21 (REWIS RS 2022, 2324)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2324

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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