Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.12.2023, Az. I ZR 24/23

1. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 10059

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Gegenstand

(Wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Werbung für ein Medizinprodukt mit Bezug auf die COVID-19-Krankheit: Dynamische Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz - Corona-Prophylaxe)   


Leitsatz

Corona-Prophylaxe

Abschnitt A Nr. 1 der Anlage zu § 12 HWG verweist dynamisch auf die nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Krankheiten oder durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachte Infektionen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 9. Februar 2023 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 8. Juni 2022 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittel.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 [X.] eingetragener Verbraucherschutzverband.

2

Die Beklagte produziert und vertreibt die "      Mund- und Rachenspülung". In ihrem Internetauftritt [X.].   .com bewarb sie dieses Erzeugnis unter der Überschrift "Mundspülung ergänzend zu bestehenden Corona-Maßnahmen" und mit weiteren Aussagen in der Rubrik "[X.]". Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen Verstoßes gegen § 12 Abs. 1 [X.] mit Schreiben vom 26. April 2021 erfolglos ab.

3

Auf die am 29. Oktober 2021 zugestellte Klage hat das [X.] ([X.], [X.] 2022, 641) die Beklagte verurteilt,

1. es unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, wörtlich und/oder sinngemäß für das Produkt "      Mund- und Rachenspülung" mit folgenden Aussagen zu werben und/oder werben zu lassen,

a) [X.] durch physikalische Reduzierung der [X.] im Mund- und Rachenraum;

b) Reduziert die [X.] der Mundhöhle und des Rachenraums;

c) Das Risiko einer Tröpfchenübertragung der Coronaviren wird verringert;

d) In Laboruntersuchungen (ohne Patienten) konnten bis zu 99,999 % der Coronaviren inaktiviert werden;

e) Durch das Mittel werde verhindert, dass das Corona-Virus in die menschlichen Zellen eindringen könne;

f) Das Mittel wirke im gleichen Maße auch bei Corona-Virus-Mutationen;

g) Das Mittel sei ein zusätzlicher Baustein zum Schutz vor Corona-Viren;

wie geschehen auf der Internetseite [X.].   .com ausweislich der Screenshots vom 26. April 2021 (Anlage [X.]) und

2. an die Klägerin 260 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2021 zu zahlen.

4

Die Internetseite der Beklagten gemäß Anlage [X.] sah (auszugsweise) wie folgt aus:

Abbildung

Abbildung

5

Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht ([X.], [X.], 664) das Urteil des [X.]s abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

6

A. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren relevant - angenommen, die beanstandete Werbung beziehe sich nicht gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] auf die Erkennung, Verhütung, Beseitigung oder Linderung einer der in Abschnitt [X.], 3 oder 4 der Anlage zu § 12 [X.] aufgeführten Krankheiten oder Leiden. Hinsichtlich der Aussage "Reduziert die Virenlast der Mundhöhle und des [X.]" ergebe sich dies schon daraus, dass keinerlei Bezug zu einer der aufgeführten Krankheiten oder Leiden hergestellt werde. Die übrigen angegriffenen Aussagen würben zwar mit der Verhütung der durch SARS-CoV-2-Viren ausgelösten COVID-19-Krankheit. Dies verstoße aber gemäß dem eindeutigen Wortlaut nicht gegen Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] in Verbindung mit §§ 6, 7 [X.]. Es handle sich nicht um eine dynamische Verweisung auf das [X.] in seiner jeweils geltenden Fassung, sondern um eine statische Bezugnahme auf das [X.] vom 20. Juli 2000, das weder die COVID-19-Krankheit noch SARS-CoV-2-Viren erwähne.

7

Ein Verstoß gegen Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] ergebe sich auch nicht aus dem Auffangtatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] in der Fassung vom 20. Juli 2000. Die Meldepflicht nach dieser Vorschrift gründe auf dem Verdacht einer Bedrohung für die Bevölkerung und es sei unrealistisch, dass ein Hersteller in einem solchen (Verdachts-)Stadium [X.] abgebe. Zudem bestünden Bedenken mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot.

8

B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Wiederherstellung des der Klage stattgebenden landgerichtlichen Urteils. Die Klage ist zulässig (dazu [X.]) und begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch (dazu [X.]I) sowie der Kostenerstattungsanspruch (dazu [X.]II) zu.

9

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin als in die Liste nach § 4 [X.] eingetragener qualifizierter Verbraucherverband nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 Fall 1 UWG klagebefugt.

II. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.], Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. t, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 44a [X.] zu.

1. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG kann, wer eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, bei [X.] auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Nach § 3 Abs. 1 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig. [X.] handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3a UWG).

2. Die Werbung der Beklagten stellt eine geschäftliche Handlung im Sinn des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG in der bis 27. Mai 2022 geltenden Fassung und auch des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG in der ab 28. Mai 2022 geltenden Fassung dar.

3. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das in § 12 Abs. 1 [X.] geregelte Verbot der Publikumswerbung für Arzneimittel und Medizinprodukte, die sich auf die Erkennung, Verhütung, Beseitigung oder Linderung gravierender Krankheiten oder Leiden beim Menschen bezieht, eine Marktverhaltensregelung im Sinn von § 3a UWG darstellt (vgl. [X.], [X.], 872 [juris Rn. 74]; [X.], [X.] 2023, 99 [juris Rn. 129]; [X.]/[X.]/Kerl, 22. Edition [Stand 1. Oktober 2023], § 3a Rn. 155; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], UWG, 42. Aufl., § 3a Rn. 1.222; zu § 3a [X.] vgl. [X.], Beschluss vom 14. September 2023 - [X.], [X.], 1554 [juris Rn. 7] = [X.], 1353 - Femannose, mwN). Das Verbot hat den Zweck, gesundheitliche Individualinteressen und auch solche der Allgemeinheit vor durch Werbung beeinflusster unsachgemäßer Selbstbehandlung zu schützen (vgl. [X.] eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, BT-Drucks. 15/5316, [X.]).

4. Die Beklagte hat gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] verstoßen.

a) Außerhalb der Fachkreise darf sich die Werbung für Medizinprodukte gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] nicht auf die Erkennung, Verhütung, Beseitigung oder Linderung der in Abschnitt [X.], 3 und 4 der Anlage zu § 12 [X.] aufgeführten Krankheiten oder Leiden beim Menschen beziehen. Krankheiten und Leiden beim Menschen, auf die sich die Werbung nicht beziehen darf, sind nach Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] "[n]ach dem [X.] vom 20. Juli 2000 ([X.] 1045) meldepflichtige Krankheiten oder durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachte Infektionen".

b) Das Berufungsgericht hat zu Recht und von der Revision unbeanstandet festgestellt, dass es sich bei der beworbenen Mundspülung um ein Medizinprodukt im Sinn von § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1a [X.], Art. 2 Nr. 1 der Verordnung ([X.]) 2017/745 über Medizinprodukte handelt.

c) Ausweislich der im Klageantrag konkret in Bezug genommenen Anlage [X.] richtete sich die [X.] der Beklagten (auch) an die Allgemeinheit und damit nicht nur an die Fachkreise im Sinn von § 2 [X.]. Auch dies greift die Revision nicht an.

d) Alle von der Klägerin beanstandeten Aussagen über die Mundspüllösung der Beklagten beziehen sich aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise auf den Schutz vor der durch SARS-CoV-2-Viren ausgelösten COVID-19-Erkrankung. Dies gilt auch für die mit der gemäß Buchstabe b des [X.] beanstandete Aussage "Reduziert die Virenlast der Mundhöhle und des [X.]".

aa) Das Berufungsgericht hat gemeint, diese Aussage enthalte bei der gebotenen Ausblendung der weiteren beanstandeten Aussagen keinerlei Bezugnahme auf eine der in Abschnitt A der Anlage zu § 12 [X.] aufgeführten Krankheiten oder Leiden. Seien mehrere Einzelangaben innerhalb eines Werbemittels Gegenstand jeweils gesonderter Verbotsanträge, werde damit ein Verbot verfolgt, das die einzelne Werbeangabe nicht für sich, sondern im konkreten werblichen Umfeld der in Bezug genommenen Anlage betrachte, jedoch losgelöst von den weiteren angegriffenen Angaben. Eine gesonderte Angabe könne nicht wegen des unlauteren Gehalts einer anderen gesondert angegriffenen Angabe verboten werden (unter Verweis auf [X.], [X.], 1137 [juris Rn. 69 bis 71] mwN). Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

bb) Die Ermittlung der Verkehrsauffassung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung dahingehend, ob das Berufungsgericht den Tatsachenstoff verfahrensfehlerfrei ausgeschöpft hat und die Beurteilung mit den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen in Einklang steht (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 7. April 2022 - [X.], [X.], 837 [juris Rn. 21] = [X.], 720 - Kinderzahnärztin, mwN). Ein solcher Rechtsfehler liegt hier vor, weil das Berufungsgericht sich - wie die Revision mit Erfolg geltend macht - ausschließlich mit dem Wortlaut der Aussage gemäß Buchstabe b des [X.] befasst und entgegen § 286 Abs. 1 ZPO den Gesamteindruck der Werbung nicht berücksichtigt hat.

cc) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin die sieben in dem Unterlassungsantrag genannten Werbeaussagen nicht in ihrer Kombination ("und"), sondern selbständig, also jeweils für sich genommen ("oder"), zur Überprüfung stellt (vgl. [X.] in [X.]/[X.], UWG, 5. Aufl., Vorbemerkung zu § 12 Rn. 99; zu einem "und/oder"-Antrag vgl. [X.], Urteil vom 2. Juni 2022 - [X.], [X.], 1347 [juris Rn. 64] = [X.], 1253 - 7 x mehr, mwN). In der Klagebegründung, die für die Auslegung des Klageantrags heranzuziehen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Juli 2023 - [X.], [X.], 1311 [juris Rn. 16] = [X.], 1078 - Doppeltarifzähler, mwN), hat die Klägerin ausgeführt, die Beklagte habe, wie aus der Anlage [X.] ersichtlich, wiederkehrend verschiedene Werbeaussagen aufgestellt, die sich auf die Erkennung, Verhütung, Beseitigung oder Linderung von COVID-19 bezögen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin zudem ausgeführt, dass sie die Unterlassung sieben einzelner Aussagen beantragt habe.

dd) Soweit das Berufungsgericht für die Aussage gemäß Buchstabe b des [X.] keinen hinreichenden Bezug zu COVID-19 gesehen hat, ist es zu Unrecht allein auf den Wortlaut dieser Aussage eingegangen und hat den Gesamteindruck der als konkrete Verletzungsform angegriffenen Werbung nicht hinreichend berücksichtigt.

(1) Nimmt ein Klageantrag - wie im Streitfall - mit einem Vergleichspartikel ("wie geschehen …") unmittelbar auf die beanstandete Anzeige Bezug, deutet dies darauf hin, dass eine konkrete Werbeanzeige untersagt werden soll, die neben den im Antrag umschriebenen Merkmalen noch eine Reihe weiterer Eigenschaften aufweist. Für die Feststellung, welches Verständnis die im Klageantrag in der geschilderten Weise in Bezug genommene Werbeanzeige und etwaige dort getroffene Werbeaussagen bei dem angesprochenen Verkehr erwecken, ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] der Gesamteindruck der Werbung zu würdigen und nicht lediglich auf einzelne Elemente derselben abzustellen ([X.], [X.], 1347 [juris Rn. 23] - 7 x mehr, mwN; [X.], Beschluss vom 23. Februar 2023 - I ZR 127/22, [X.] 2023, 767 [juris Rn. 13 und 16]).

(2) Danach bezieht sich die Aussage gemäß Buchstabe b des [X.] unter Berücksichtigung des Gesamteindrucks der Anlage [X.] selbst dann auf SARS-CoV-2-Viren (Corona-Viren) beziehungsweise COVID-19 (Corona), wenn die übrigen angegriffenen Aussagen ausgeblendet werden. Bereits die in der Internetseite gemäß Anlage [X.] blickfangmäßig herausgestellte Abbildung der Flasche und des [X.], in denen das Produkt verkauft wird, nennt gut lesbar als Anwendungszweck "[X.]". Die Überschrift der nachfolgenden Produktbeschreibung lautet "Mundspülung ergänzend zu bestehenden [X.]". Dieser Überschrift folgt als zweiter von neun [X.] die gemäß Buchstabe b des [X.] beanstandete Aussage "Reduziert die Virenlast der Mundhöhle und des [X.]". Nach den [X.] heißt es im [X.] unter anderem, dass das Produkt "keinen alleinigen Schutz vor einer Infektion mit Coronaviren" biete und es "zur Unterstützung der [X.] ergänzend zu den bekannten Maßnahmen ([X.])" empfohlen werde. Diese weiteren Elemente der Werbung hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt.

e) Die angegriffenen Aussagen beziehen sich auf die Verhütung der in Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. t, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 44a [X.] aufgeführten COVID-19-Erkrankung, die durch SARS-CoV-2-Viren ausgelöst wird. Die Revision macht mit Erfolg geltend, dass Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] eine dynamische Verweisung auf §§ 6, 7 [X.] enthält. Dies entspricht auch der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ([X.], [X.], 872 [juris Rn. 77]; zuvor auch [X.], [X.], 1581 [juris Rn. 50]; [X.], Urteil vom 17. November 2020 - 416 [X.]/20, juris Rn. 55; Beschluss vom 19. Oktober 2022 - 406 [X.]/22, juris Rn. 2; [X.], [X.] 2023, 99 [juris Rn. 132]; BeckOK.[X.]/[X.]/[X.], 11. Edition [Stand 1. Oktober 2023], § 12 Rn. 126; Prütting/[X.], Medizinrecht, 6. Aufl., § 12 [X.] Rn. 5a; [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 12 Rn. 5, 57 bis 59).

aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es handle sich nicht um eine dynamische Verweisung auf das [X.] in seiner jeweils geltenden Fassung, sondern um eine statische Bezugnahme auf das [X.] vom 20. Juli 2000, das weder die COVID-19-Krankheit noch SARS-CoV-2-Viren erwähne. Diese seien erst mit Gesetz vom 19. Mai 2020 ([X.] 1018) in das [X.] aufgenommen worden. Die Vorschrift sei nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht als dynamische Verweisung auszulegen, weil sie einerseits keinen ausdrücklichen Zusatz (wie "in der jeweils geltenden Fassung" bei § 1 Abs. 1 Nr. 1a [X.]) enthalte, andererseits aber nicht (wie bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) auf jeglichen Zusatz verzichtet worden sei. Anhaltspunkte für ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers seien nicht ersichtlich; vielmehr sei davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber der Unterschied zwischen einer statischen und einer dynamischen Verweisung bekannt gewesen sei. Die atypische [X.] könne auch nicht mit einer Abgrenzung zum früheren [X.] erklärt werden; Anlass hierfür habe wegen der unterschiedlichen Gesetzesbezeichnung schon von Beginn an nicht bestanden. Auch später habe der Gesetzgeber trotz zahlreicher Änderungen des [X.]es keinen Anpassungsbedarf gesehen. Dass einzelne Mitglieder des [X.] im Frühjahr 2021 stillschweigend von einer dynamischen Verweisung ausgegangen seien, lasse keinen Schluss auf die gesetzgeberischen Erwägungen im [X.] und auf ein Problembewusstsein des [X.] zu. Auch Sinn und Zweck von Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] rechtfertige keine dem eindeutigen Wortlaut widersprechende Auslegung. Die Begründung des Gesetzentwurfs gehe nicht über eine allgemeine Rechtfertigung des Werbeverbots hinaus und sage nichts darüber, wie mit späteren Änderungen des [X.]es umzugehen sei. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

bb) Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist ([X.] 1, 299 [juris Rn. 56]; [X.], Beschluss vom 28. Juni 2022 - [X.], [X.], 1859 [juris Rn. 14]; Beschluss vom 27. Juli 2023 - [X.] 43/22, [X.] 2023, 289 [juris Rn. 24]). Die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierende Auslegung kann durch Motive, die im Gesetzgebungsverfahren dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut aber keinen Ausdruck gefunden haben, nicht gebunden werden (vgl. [X.], Urteil vom 6. Juni 2019 - [X.], [X.], 970 [juris Rn. 66] = WRP 2019, 1304 - Erfolgshonorar für Versicherungsberater, mwN; [X.], [X.] 2023, 289 [juris Rn. 24]). Der Entstehungsgeschichte kommt bei der Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie deren Richtigkeit bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können. Nicht entscheidend ist die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung (vgl. [X.] 1, 299 [juris Rn. 56]; [X.], [X.], 1859 [juris Rn. 14]), zumal sich Versuche, das Vorstellungsbild der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen zu ermitteln, oftmals im Spekulativen bewegen (vgl. [X.], [X.], 1859 [juris Rn. 15]).

cc) Der Wortlaut von Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] ist offen und nicht eindeutig als statische Verweisung formuliert.

(1) Der Wortlaut "[X.] vom 20. Juli 2000 ([X.] 1045)" in Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] gibt den amtlichen Titel des Gesetzes wieder und stellt - zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung wie auch zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung - ein aktuelles Zitat dieses Gesetzes dar. Darin liegt nicht eindeutig eine statische Bezugnahme auf die Gesetzesfassung vom 20. Juli 2000.

(2) Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass im aktuellen Vollzitat des [X.]es zusätzlich die letzte Änderung des Gesetzes genannt wird. Bei der hier maßgeblichen Neufassung von Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] im [X.] (vgl. [X.]/[X.] aaO § 12 Rn. 53), mit der die frühere Verweisung auf das [X.] redaktionell angepasst wurde (Regierungsentwurf eines [X.] seuchenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/2530, [X.], 90), gab es noch keine Änderungen des [X.]es. Das neue [X.] trat gemeinsam mit der Änderung von Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] zum 1. Januar 2001 in [X.] (vgl. Art. 1, Art. 2 § 14 Nr. 3, Art. 5 Abs. 1 des [X.] seuchenrechtlicher Vorschriften vom 20. Juli 2000, [X.] 1045).

dd) Auch aus der Binnensystematik des [X.]es ergibt sich kein durchgreifendes Argument für eine statische Verweisung.

(1) Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 Nr. 1a [X.] auf Medizinprodukte im Sinn von Art. 2 Nr. 1 der Verordnung ([X.]) 2017/745 beziehungsweise Art. 2 Nr. 2 der Verordnung ([X.]) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika "in der jeweils geltenden Fassung" Bezug genommen hat, lässt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nichts für die Auslegung des Abschnitts [X.] der Anlage zu § 12 [X.] herleiten. Nach der Begründung des [X.] sollen dynamische Verweisungen erzeugt werden, die es zukünftig erübrigen, das Vollzitat der jeweiligen Verordnung bei jeder Änderung des zitierten [X.] Rechtsaktes im nationalen Recht anzupassen (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des [X.] und weiterer Gesetze, BT-Drucks. 19/26942, [X.]). Die Verweisungen wurden jedoch erst mit Wirkung vom 26. Mai 2021 beziehungsweise 26. Mai 2022 eingefügt (vgl. Art. 5 Nr. 1, Art. 6 Nr. 1, Art. 20 Abs. 1 und 5 des Gesetzes zur Änderung des [X.] und weiterer Gesetze vom 12. Mai 2021, [X.] 1087) und beziehen sich zudem auf Regelungen eines anderen Normgebers.

(2) Das Argument des Berufungsgerichts, dass andererseits nicht (wie bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) auf jeglichen Zusatz verzichtet worden sei, überzeugt ebenfalls nicht. § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] verweist für Arzneimittel auf § 2 des Arzneimittelgesetzes und damit auf eine konkret bezeichnete Vorschrift innerhalb eines Gesetzes. Bei einer Bezugnahme auf ein ganzes Gesetz entsprach es zum Zeitpunkt der Änderung von Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] im [X.] der gängigen Regelungspraxis, den amtlichen Gesetzestitel zu verwenden. Die Vorgängerregelung in Abschnitt [X.] nahm auf das "[X.] in der im [X.], Gliederungsnummer 2126-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 10. August 1978 ([X.] 1217)" Bezug. Abschnitt B der Anlage zu § 12 [X.] verwies bis in das [X.] auf "[n]ach dem Viehseuchengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Februar 1977 ([X.] 313, 437) meldepflichtige Krankheiten".

Auch § 17 Nr. 1 [X.] aF verwies jedenfalls seit der Neubekanntmachung 1978 bis zum 24. Juli 2001 auf das "[X.] in der im [X.], Gliederungsnummer 43-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 14 des Gesetzes vom 10. März 1975 ([X.] 685)". Erst in der seit 25. Juli 2001 geltenden Neufassung des § 17 [X.] ist unter Verzicht auf jeglichen Zusatz nur noch das "[X.]" genannt (vgl. Art. 2 Nr. 2, Art. 4 des Gesetzes zur Aufhebung der Zugabeverordnung und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften vom 23. Juli 2001, [X.] 1661). Die Begründung des [X.] nennt keinen Grund für diese geänderte Regelungstechnik (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Aufhebung der Zugabeverordnung und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften, BT-Drucks. 14/5594), so dass auch insoweit nichts auf eine bewusste Änderung von einer zuvor statischen hin zu einer dynamischen Verweisung hindeutet. Dem Schweigen der Gesetzesmaterialien kann in keiner Richtung [X.] entnommen werden (zu § 6 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 Nr. 3 Buchst. [X.] vgl. [X.], [X.], 1859 [juris Rn. 15]).

(3) Ohne Erfolg beruft sich die Revisionserwiderung auf Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.]. Wie ausgeführt (vgl. Rn. 33), entsprach die Verweisung auf das Viehseuchengesetz bis in das [X.] der hier maßgeblichen Verweisung. Erst mit Wirkung vom 6. September 2005 wurde eine Verweisung auf zwei Verordnungen in ihrer jeweils geltenden Fassung eingefügt (vgl. Art. 2 Nr. 7, Art. 8 Abs. 1 des Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August 2005, [X.] 2570). Eine Erläuterung hierfür findet sich in der Entwurfsbegründung nicht (vgl. BT-Drucks. 15/5316, [X.] f. zu Teil B).

ee) Die - nicht vorrangig maßgebliche - Entstehungsgeschichte der Vorschrift deutet nicht auf eine statische, sondern auf eine dynamische Verweisung hin.

(1) Hierfür spricht zunächst das Gesetzgebungsverfahren des [X.]es. Da durch die im Referentenentwurf von 1959 vorgesehene [X.] eine Anpassung an die Entwicklung des [X.] erschwert würde, sah der Regierungsentwurf von 1964 in § 5 Abs. 2 [X.]-E eine Verordnungsermächtigung als vorzugswürdig an (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiet des [X.], BT-Drucks. IV/1867, S. 9; [X.], [X.] 1998, 2, 4 bis 6). Der vom Gesundheitsausschuss erarbeitete neue Gesetzestext (vgl. Schriftlicher Bericht des [X.], BT-Drucks. IV/3356, [X.]), der der am 15. Juli 1965 in [X.] getretenen Fassung entspricht ([X.] 604, 608), zählte einzelne Krankheiten auf, verwies aber zusätzlich in Abschnitt [X.] der Anlage zu § 10 [X.] aF - wie im Ergebnis bis heute beibehalten - auf die nach dem [X.] meldepflichtigen Krankheiten. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber damit das Ziel aufgegeben hätte, schnell auf die Entwicklung des [X.] reagieren zu können, ohne stets das [X.] ändern zu müssen (vgl. Plenarprotokoll 4/185 zur 185. Sitzung des [X.] vom 20. Mai 1965, [X.] bis 9325, insbesondere S. 9323 f.; dazu [X.], [X.] 1998, 2, 6 bis 8).

(2) Der [X.] ist in früheren Entscheidungen zu Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] bereits stillschweigend davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber nicht statisch, sondern dynamisch auf das [X.] verwiesen hat.

(a) Die Verweisung in Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] auf das "[X.] (…), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 10. August 1978 ([X.] 1217)" besteht seit der Bekanntmachung der Neufassung des [X.]es vom 18. Oktober 1978 ([X.] 1677). Nach der im Wortlaut von Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] genannten Änderung des [X.]es vom 10. August 1978 wurde die Meldepflicht in § 3 [X.] - entgegen der Behauptung der Revisionserwiderung - zum 1. Januar 1980 durch Art. 1 Nr. 2, Art. 5 des [X.] zur Änderung des [X.]es vom 18. Dezember 1979 ([X.] 2248) geändert. Damit wurde § 3 [X.] an die wissenschaftliche Entwicklung und die international gebräuchliche Nomenklatur angepasst; teilweise entfielen Krankheiten, teilweise wurden neue aufgenommen (vgl. Regierungsentwurf eines [X.] zur Änderung des [X.]es, BT-Drucks. 8/2468, S. 17 f.). Die Änderungen mündeten in die Bekanntmachung der Neufassung des [X.]es vom 18. Dezember 1979 ([X.] 2262).

(b) Der [X.] hat in seiner Entscheidung "[X.]" ausdrücklich über die Verweisung in Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] auf diese Neufassung des [X.]es abgestellt und den Wortlaut von § 3 Abs. 3 Nr. 1 [X.] in der Fassung vom 18. Dezember 1979 ("Influenza (Virusgrippe)" statt zuvor "Grippe (Virusgrippe)") als maßgeblich angesehen (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 1981 - [X.], [X.]Z 81, 130 [juris Rn. 22] - [X.]; ebenso [X.], Urteil vom 20. Januar 1983 - [X.], [X.]Z 86, 277 [juris Rn. 24] - [X.]I). Die damals geltende Anlage zu § 12 [X.] in der Fassung vom 18. Oktober 1978 - wie auch die spätere Fassung vom 19. Oktober 1994 ([X.] 3068) - nahm hingegen ausdrücklich auf die vermeintlich letzte Änderung des [X.]es vom 10. August 1978 Bezug.

(3) Nichts Anderes gilt für die seit dem [X.] geltende Verweisung auf das [X.] in Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.]. Das Berufungsgericht hat insoweit bereits im Ausgangspunkt übersehen, dass der historische Gesetzgeber, wie dargelegt (vgl. Rn. 33), stets den amtlichen Gesetzestitel angegeben und im hier relevanten Fall keine atypische [X.] angewandt hat.

(4) Auch das Argument des Berufungsgerichts, der Gesetzgeber habe in den letzten 20 Jahren trotz zahlreicher Gesetzesänderungen keine Veranlassung zur Anpassung der ihrem Wortlaut nach eindeutig statischen Verweisung auf das [X.] in seiner damaligen Fassung gesehen, verfängt nicht.

(a) Abschnitt A der Anlage zu § 12 [X.] wurde seit dem Inkrafttreten im Jahr 1965 - mit Ausnahme der redaktionellen Anpassung im [X.] - nur einmal im [X.] modifiziert und gekürzt (vgl. Gerstberger/Greifeneder, [X.] 2005, 297, 308). Dadurch weitete der Gesetzgeber die Möglichkeiten zur Werbung außerhalb der Fachkreise für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel aus, allerdings mit Ausnahme besonders gravierender Krankheiten ([X.]/[X.] aaO § 12 Rn. 49). Abschnitt [X.] der Anlage passte er redaktionell an, indem er klarer auf meldepflichtige Krankheiten (§ 6 [X.]) oder durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachte Infektionen (§ 7 [X.]) Bezug nahm. Ansonsten ließ er die seit dem [X.] bestehende Verweisung auf das [X.] unverändert. Dass der Gesetzgeber dabei von einer statischen Verweisung auf die im [X.] seit dessen Inkrafttreten im [X.] aufgeführten Krankheiten ausgegangen wäre, lässt sich der Begründung des Gesetzentwurfs nicht entnehmen (vgl. BT-Drucks. 15/5316, [X.]). Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung führt die Annahme einer dynamischen Verweisung auf das [X.] auch nicht dazu, dass die Kürzung der Krankheitenliste in Abschnitt A der Anlage zu § 12 [X.] "durch die Hintertür" revidiert würde.

(b) Die vom Berufungsgericht angeführte neue Strukturierung "aus Gründen der besseren Lesbarkeit" im Jahr 2019 betraf § 12 Abs. 1 [X.] und nicht die Anlage zu § 12 [X.] (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung, BT-Drucks. 19/8753, S. 16, 70).

(c) Schließlich ging der Gesundheitsausschuss des [X.] im Frühjahr 2021 von einer dynamischen Verweisung in Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] auf die §§ 6, 7 [X.] aus, die sich auch auf die COVID-19-Erkrankung und SARS-CoV-2-Viren erstreckt (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des [X.] zum Entwurf eines [X.] zur Änderung des [X.]es und weiterer Gesetze, BT-Drucks. 19/29870, S. 29; zur Neufassung des § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] mit Blick auf In-vitro-Diagnostika für die Eigenanwendung zum Nachweis einer HIV-Infektion vgl. BT-Drucks. 19/8753, [X.]; zur nachfolgenden Erweiterung zum Nachweis von SARS-CoV-2 vgl. Prütting/[X.] aaO § 12 [X.] Rn. 5a). Dies hat auch das Berufungsgericht gesehen, aber keinen Rückschluss daraus auf die gesetzgeberischen Erwägungen zum Zeitpunkt der Neufassung im [X.] für möglich gehalten. Das im Jahr 2021 niedergelegte Verständnis könnte indes erklären, weshalb der Gesetzgeber nach dem [X.] keinen Bedarf für die - vom Berufungsgericht vermisste - Anpassung des Wortlauts in Abschnitt [X.] der Anlage gesehen hat.

ff) Eine Auslegung nach dem objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt ebenfalls, dass es sich um eine dynamische Verweisung handelt.

(1) Wie ausgeführt (oben Rn. 13), bezweckt Abschnitt A der Anlage zu § 12 [X.] den Schutz gesundheitlicher Individualinteressen und auch solcher der Allgemeinheit. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollte die Publikumswerbung für Arzneimittel und Medizinprodukte bezüglich gravierender Krankheiten und Leiden werblichen Restriktionen unterworfen bleiben. Dies gelte insbesondere für nach dem [X.] meldepflichtige, durch Krankheitserreger verursachte Krankheiten. Hier berge eine durch Werbung beeinflusste Selbstbehandlung erhebliche Gefahren für die erkrankte Person, aber auch und vor allem für die Bevölkerung (vgl. BT-Drucks. 15/5316, [X.]; zu § 5 [X.]-E vgl. auch schon BT-Drucks. IV/1867, S. 8 f.; ebenso [X.], [X.], 1099 [juris Rn. 12]). Damit geht die Entwurfsbegründung, anders als das Berufungsgericht meint, über eine allgemeine Rechtfertigung des Werbeverbots hinaus und sieht ausdrücklich eine Verzahnung von Heilmittelwerbe- und [X.] vor. Durch die Unterbindung von Werbung, die die unsachgemäße Selbstbehandlung ansteckender Krankheiten fördert, soll die Ausbreitung solcher Krankheiten verhindert werden. Dies übersieht die Revisionserwiderung, soweit sie mit angeblich unterschiedlichen Stoßrichtungen der beiden Gesetze argumentiert.

(2) Das Werbeverbot bezweckt einen zukunftsgerichteten Schutz mit Blick auf Krankheiten im Anwendungsbereich des [X.]es (vgl. BeckOK.[X.]/[X.]/[X.] aaO § 12 Rn. 126; ebenso [X.], [X.] 2023, 99 [juris Rn. 132]). Wie das [X.] überzeugend ausgeführt hat, ist es damit nicht vereinbar, den Schutz vor Schäden durch unsachgemäße Selbstbehandlung nur auf die in der Ursprungsfassung des [X.]es vom 20. Juli 2000 bekannten und benannten meldepflichtigen Krankheiten zu begrenzen. Vielmehr ist es zur Verwirklichung des genannten Ziels notwendig, das Werbeverbot durch eine dynamische Verweisung auch auf neu auftretende meldepflichtige Krankheiten zu erstrecken, die in späteren Fassungen des [X.]es genannt werden. Insoweit weist die Revision zutreffend darauf hin, dass der Gesetzgeber die besondere Gefährlichkeit von neuen Krankheiten bereits durch deren Aufnahme in die Liste meldepflichtiger Krankheiten oder Erreger in §§ 6, 7 [X.] dokumentiert. So liegt es auch im Streitfall, der die hochansteckende neue COVID-19-Krankheit betrifft. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist das Publikum für eine Werbung mit Produkten, die neue Krankheiten bekämpfen sollen, besonders empfänglich, so dass der Schutzzweck in besonderem Maß tangiert ist.

(3) Anders als die Revisionserwiderung meint, können die im Streitfall angegriffenen Werbeaussagen zu einer unsachgemäßen Selbstbehandlung führen. Das [X.] hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Anwender des Produkts - trotz des Hinweises, dass die Anwendung keinen alleinigen Schutz vor einer Infektion bietet und sie als Ergänzung der allgemeinen Maßnahmen empfohlen wird - auf die Einhaltung weiterer gebotener Schutzmaßnahmen verzichten könnten. Damit gefährdeten sie nicht nur sich selbst, sondern auch ihr Umfeld. Die angegriffenen Werbeaussagen sind nicht mit einem nur objektiv neutral gehaltenen Hinweis auf den Verwendungszweck medizinischer Schutzmasken zur Reduzierung des Infektionsrisikos mit COVID-19 vergleichbar (für eine teleologische Reduktion in diesen Fällen vgl. BeckOK.[X.]/[X.]/[X.] aaO § 12 Rn. 127). Der Streitfall erfordert danach keine Entscheidung, ob § 12 [X.] eine konkrete unmittelbare oder zumindest mittelbare Gesundheitsgefährdung erfordert (dagegen BeckOK.[X.]/[X.]/[X.] aaO § 12 Rn. 57, dafür [X.]/[X.] aaO § 12 Rn. 29 f., jeweils mwN; zur Entbehrlichkeit bei § 5 [X.] vgl. [X.], Urteil vom 28. September 2011 - [X.], [X.], 647 [juris Rn. 40] = WRP 2012, 705 - [X.]).

f) Die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] in Verbindung mit Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] ist schließlich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen unanwendbar oder einschränkend auszulegen.

aa) Es bestehen keine Bedenken gegen die Bestimmtheit der Norm. Sie unterliegt insbesondere nicht den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG, nach dem eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Das dort für den Bereich des Strafrechts und gemäß § 3 OWiG auch für den Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts statuierte Bestimmtheitsgebot schlägt dann auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung durch, wenn die Marktverhaltensregelung, auf die wettbewerbsrechtliche Ansprüche gemäß § 3a UWG gestützt werden, selbst eine Vorschrift des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts ist. Soweit dagegen die Einhaltung einer Marktverhaltensregelung, die - wie im Streitfall - selbst keine solche straf- oder bußgeldrechtliche Vorschrift ist, durch eine (Blankett-)Norm des (Neben-)Strafrechts oder des Ordnungswidrigkeitenrechts - im Streitfall § 15 Abs. 1 Nr. 9 [X.] - sanktioniert ist, gilt Art. 103 Abs. 2 GG für die Marktverhaltensregelung nur insoweit, als ein Gericht sie in Verbindung mit der Straf- oder Bußgeldnorm zur Verurteilung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit anwendet (vgl. [X.], Urteil vom 9. Dezember 2021 - [X.], [X.], 399 [juris Rn. 28] = [X.], 426 - Werbung für Fernbehandlung, mwN).

bb) Die Regelung führt auch nicht zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte der Beklagten.

(1) Es handelt sich um nicht vollständig durch Unionsrecht determiniertes nationales Recht (vgl. BeckOK.[X.]/[X.]/[X.] aaO § 12 Rn. 57 und 166 bis 168), so dass die Überprüfung am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes zu erfolgen hat (vgl. [X.] 152, 152 [juris Rn. 42]). Im Streitfall geht es zudem um ein Medizinprodukt und nicht um ein Arzneimittel, so dass der grundsätzlich auch das Werberecht umfassende Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/83/[X.] zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (vgl. [X.], Urteil vom 26. März 2009 - [X.], [X.], 1082 [juris Rn. 23] = WRP 2009, 1385 - DeguSmiles & more, mwN; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO § 3a Rn. 1.219; die alleinige Anwendbarkeit der [X.]-Grundrechtecharta im Bereich des § 5 UWG offenlassend [X.], [X.], 647 [juris Rn. 39] - [X.]) bereits nicht eröffnet ist. Für Medizinprodukte enthält das Unionsrecht - über das Irreführungsverbot des Art. 7 der Verordnung ([X.]) 2017/745 hinaus - keine entsprechenden Vorschriften.

(2) Die Beschränkung der Werbemöglichkeiten der Beklagten betrifft deren Berufsausübungsfreiheit und ihr Recht auf Meinungsfreiheit, das auch kommerzielle Meinungsäußerungen sowie reine Wirtschaftswerbung schützt (BeckOK.[X.]/[X.]/[X.] aaO § 12 Rn. 57; zu letzterem vgl. [X.], [X.], 1083 [juris Rn. 22]). Der durch § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] nebst Anlage, eine gesetzliche Bestimmung im Sinn von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 5 Abs. 2 GG, bewirkte Eingriff ist durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls, namentlich den Gesundheitsschutz, unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt (zu Art. 5 GG vgl. [X.], [X.], 1083 [juris Rn. 25 bis 43]; zu Art. 12 GG vgl. [X.], Urteil vom 2. Mai 1996 - [X.], [X.], 806 [juris Rn. 25] = WRP 1996, 1018 - [X.]; zu § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] vgl. [X.], [X.], 1099 [juris Rn. 12]; zu § 11 Abs. 1 [X.] aF vgl. [X.], [X.], 720 [juris Rn. 18 bis 33]; zu § 5 [X.] vgl. [X.], [X.], 647 [juris Rn. 40] - [X.]; vgl. auch BeckOK.[X.]/[X.]/[X.] aaO § 12 Rn. 57 mwN; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO § 3a Rn. 1.219; [X.] in Fuhrmann/[X.]/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 3. Aufl., § 28 Rn. 13, 15).

5. Der Verstoß der Beklagten gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.], Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. t, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 44a [X.] ist geeignet, die Interessen von Verbrauchern im Sinn von § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen (vgl. [X.], [X.], 1388 [juris Rn. 37] mwN; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO § 3a Rn. 1.222; [X.] in Fuhrmann/[X.]/Fleischfresser aaO § 28 Rn. 145; zu § 5 [X.] vgl. [X.], [X.], 647 [juris Rn. 42] - [X.]).

6. Damit liegt eine nach § 3a UWG unlautere und nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vor, die wegen der von der Beklagten nicht ausgeräumten [X.] einen Unterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG) der Klägerin begründet. Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, auf dem Markt finde auch Werbung unter Bezugnahme auf andere, erst nach dem [X.] als meldepflichtig aufgenommene Krankheiten statt. Ein unlauteres Verhalten wird nicht dadurch zulässig, dass es in der Branche üblich ist (vgl. [X.], Urteil vom 29. Juni 2000 - [X.], [X.], 256 [juris Rn. 19] = WRP 2001, 144 - Gebührenvereinbarung; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO § 11 Rn. 2.3; jeweils mwN).

7. Es kann demnach offenbleiben, ob - wie das [X.] angenommen hat - auch ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.], Abschnitt [X.] der Anlage zu § 12 [X.] in Verbindung mit dem Auffangtatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 [X.] vorliegt, der die Meldepflicht auch auf bedrohliche übertragbare Krankheiten erstreckt, die nicht bereits nach den Nummern 1 bis 4 meldepflichtig sind.

III. Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der geltend gemachten Abmahnkostenpauschale ergibt sich aus § 13 Abs. 3 UWG, der nach § 15a Abs. 2 UWG auf die Abmahnung vom 26. April 2021 anwendbar ist. Die Beurteilung des [X.]s, dass die geltend gemachten Aufwendungen angemessen sind, begegnet keinen Bedenken. Die Höhe der Pauschale ist von der Klägerin schlüssig dargelegt, wird von der Beklagten nicht bestritten und hält sich mit 260 € im üblichen Rahmen (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO § 13 Rn. 132 mwN). Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

C. Auf die Revision der Klägerin ist das angefochtene Urteil daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu erwarten sind und die Sache nach den getroffenen Feststellungen zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Danach ist die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des [X.]s zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Koch     

      

Schwonke     

      

[X.]

      

Schmaltz     

      

Odörfer     

      

Meta

I ZR 24/23

21.12.2023

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 9. Februar 2023, Az: I-4 U 144/22, Urteil

§ 3a UWG, § 12 Abs 1 S 1 Nr 2 Anlage Abschn A Nr 1 HeilMWerbG, § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst t IfSG, § 7 Abs 1 S 1 Nr 44a IfSG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.12.2023, Az. I ZR 24/23 (REWIS RS 2023, 10059)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10059


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 4 U 144/22

Oberlandesgericht Hamm, 4 U 144/22, 09.02.2023.


Az. 16 O 54/21

Landgericht Bielefeld, 16 O 54/21, 08.06.2022.

Landgericht Bielefeld, 16 O 54/21, 27.04.2022.

Landgericht Köln, 16 O 54/21, 25.01.2022.


Az. I ZR 24/23

Bundesgerichtshof, I ZR 24/23, 21.12.2023.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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