Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.08.2023, Az. 2 AZR 306/22

2. Senat | REWIS RS 2023, 7693

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Auflösungsantrag des Arbeitgebers - Abfindungshöhe - Gehaltserhöhung - Gleichbehandlungsgrundsatz - Schaden-/Aufwendungsersatz - Bonuszahlung - Beförderung - Ehrschutzanträge


Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - das Urteil des [X.] vom 23. März 2022 - 25 [X.] (25 [X.] 778/21) - aufgehoben, soweit es die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des [X.] vom 22. September 2016 - 63 [X.] 5866/15 und 63 [X.] 2517/16 - betreffend den Antrag auf Widerruf bestimmter Behauptungen der Beklagten zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die [X.]che zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über einen [X.] der [X.] sowie Anträge der Klägerin auf Auskunft, Zahlung, Feststellung und Ehrschutz.

2

Die Klägerin war bei der [X.] seit Mai 2009 als Rechtsanwältin (Associate) angestellt. [X.], die von der [X.] nach dem vierten bis fünften Beschäftigungsjahr nicht zum Assoziierten Partner bzw. Counsel befördert werden, verlassen in der Regel die Sozietät. In den Jahren 2009 bis 2015 beschäftigte die Beklagte bis auf die Klägerin keinen Associate, der länger als fünf Jahre bei ihr - der [X.] - tätig war. Die jährliche Grundvergütung der Klägerin wurde in den Jahren 2010 bis 2013 jeweils um zumindest 5.000,00 Euro brutto erhöht. Andere [X.] erhielten zum Teil Boni auf Grundlage der von ihnen erzielten Umsätze.

3

Im November 2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie aufgrund ihres nachhaltig niedrigen Umsatzes und erfolgloser Akquisebemühungen keine Aussicht habe, in der Sozietät aufzusteigen. Nachdem Bemühungen der [X.] um eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gescheitert waren, kündigte sie dieses mit Schreiben vom 2. April 2015 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. Juli 2015. Beide Kündigungen sind rechtskräftig für unwirksam befunden worden. Noch in erster Instanz hat die Beklagte ua. aufgrund des Prozessvorbringens der Klägerin die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragt.

4

Die Klägerin hat gemeint, die ordentliche Kündigung habe gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstoßen. Die Beklagte versuche, sie für die Weigerung zu bestrafen, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen. Ein [X.] liege nicht vor. Sie habe, obwohl dieser Verdacht objektiv bestehe, zu keiner Zeit behauptet, die Beklagte habe gegenüber den Mandanten überhöhte Stundenzahlen in Rechnung gestellt. Ihr stünde für die [X.] und 2015 die sog. Regelerhöhung von jeweils 5.000,00 Euro brutto zu. Da die Beklagte entgegen dem Arbeitsvertrag die Berufshaftpflichtversicherung nach den Kündigungen nicht mehr auf sie erstreckt habe, könne sie Zahlung der Beiträge an sich verlangen. Die Beklagte sei über die in den Jahren 2009 bis 2014 auf [X.] angewandten Bonusregelungen sowie die Bedingungen für eine Beförderung zum Assoziierten Partner bzw. Counsel auskunftspflichtig. Schließlich schulde die Beklagte den Widerruf und ggf. die Unterlassung von bestimmten, im vorliegenden Rechtsstreit bewusst wahrheitswidrig aufgestellten Tatsachenbehauptungen.

5

Die Klägerin hat - soweit noch von Interesse - sinngemäß beantragt,

        

1.    

den Auflösungsantrag der [X.] abzuweisen;

        

2.    

im Fall der Abweisung des Auflösungsantrags die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Zeitraum 1. August bis zum 31. Dezember 2015 bestimmte Beträge (Grundgehalt, Regelerhöhung, Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung, Arbeitgeberzuschüsse zum Versorgungswerk, zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung sowie Wert- bzw. Schadenersatz wegen unterbliebener Überlassung der [X.]) nebst Zinsen nach einer bestimmten Staffelung abzüglich des für den betreffenden Zeitraum erhaltenen Arbeitslosengeldes zu zahlen;

                          
        

3.    

im Fall der Abweisung des Auflösungsantrags festzustellen, dass sie aus dem [X.] Anspruch auf ([X.] im Sinn einer bezahlten (Ersatz-)Freistellung iHv. zwei weiteren Arbeitstagen hat;

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Regelerhöhung für das Kalenderjahr 2014 5.000,00 Euro brutto und für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Juli 2015 5.833,33 Euro brutto nebst Zinsen nach einer bestimmten Staffelung zu zahlen;

        

5.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Zeitraum vom 3. April bis zum 31. Juli 2015 die Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung iHv. 1.927,96 Euro brutto nebst Zinsen nach einer bestimmten Staffelung zu zahlen;

        

6.    

die Beklagte im Weg der Stufenklage zu verurteilen,

                 

a)    

ihr Auskunft über die in den Jahren 2009 bis einschließlich 2014 auf [X.] angewandten Bonusregelungen zu erteilen,

                 

b)    

im Fall begründeter Zweifel die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft an Eides statt zu versichern,

                 

c)    

an die Klägerin die sich aus den Auskünften ergebenden Beträge nebst Zinsen zu zahlen;

        

7.    

die Beklagte im Weg der Stufenklage zu verurteilen,

                 

a)    

ihr Auskunft über die auf [X.] angewandten Ernennungs- bzw. Beförderungsbedingungen zum Assoziierten Partner bzw. Counsel zu erteilen,

                 

b)    

im Fall begründeter Zweifel die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft an Eides statt zu versichern,

                 

c)    

an die Klägerin das nach Maßgabe der Auskunft Geschuldete herauszugeben;

        

8.    

die Beklagte zu verurteilen, bestimmte in einem Schriftsatz aufgestellte Behauptungen gegenüber der 63. Kammer des [X.] und den Prozessbevollmächtigten beider Parteien schriftlich zu widerrufen;

        

9.    

im Fall der Zulässigkeit des [X.] die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes oder von Ordnungshaft zu unterlassen, die betreffenden Behauptungen so oder sinngemäß aufzustellen oder zu verbreiten bzw. durch Dritte aufstellen oder verbreiten zu lassen.

6

Die Beklagte hat beantragt,

        

1.    

das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum 31. Juli 2015 aufzulösen;

        

2.    

die Klage abzuweisen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Teil- und Schlussurteil abgewiesen. Das [X.] hat - nach Verbindung der Verfahren - die Berufungen der Klägerin zurückgewiesen, ihre klageerweiternd erhobenen Anträge abgewiesen und das Arbeitsverhältnis der Parteien auf den Antrag der [X.] aufgelöst. Mit der für alle Streitgegenstände zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Abweisung des [X.]s und verfolgt ihre Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist überwiegend unbegründet.

9

I. Nach § 559 ZPO ist hinsichtlich aller Anträge von den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen auszugehen. Der [X.] hat sämtliche von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer darauf bezogenen Begründung sieht er ab (§ 564 Satz 1 ZPO).

II. Das [X.] hat ohne Rechtsfehler zulasten der Klägerin das Arbeitsverhältnis der Parteien auf den Antrag der [X.]n nach § 9 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 [X.] zum 31. Juli 2015 gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst.

1. Der Auflösungsantrag der [X.]n ist „statthaft“.

a) Nach den gemäß § 9 [X.] maßgeblichen Annahmen des Berufungsgerichts war die im betrieblichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes (§ 23 Abs. 1 [X.]) erklärte ordentliche Kündigung vom 2. April 2015 sozialwidrig (§ 1 Abs. 2 [X.]).

b) Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag der beklagten Arbeitgeberin scheidet nicht aus, weil die ordentliche Kündigung maßregelnd iSv. § 612a BGB gewesen wäre (vgl. [X.] 27. September 2022 - 2 [X.] - Rn. 14). Nach den für den [X.] bindenden Feststellungen des [X.]s hat die [X.] der Klägerin den Abschluss eines Aufhebungsvertrags nicht wegen einer Rechtsausübung durch diese, sondern vielmehr deshalb angetragen, weil sie sie für eine weitere Tätigkeit in ihrer Sozietät ungeeignet hielt. Deshalb stellt sich auch die anschließend wegen der Weigerung der Klägerin, einvernehmlich aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, erklärte Kündigung nicht als maßregelnd dar (vgl. [X.] 20. Mai 2003 - 2 [X.] - Rn. 53 f.). Daran ändert der Umstand nichts, dass die [X.] einen Kündigungsgrund „gesucht“ haben mag.

2. Das Berufungsgericht hat ohne revisiblen Rechtsfehler gemeint, es habe darin ein Auflösungsgrund gelegen, dass die Klägerin durch ihren Prozessvortrag leichtfertig und ohne Bezug zur Bestandsstreitigkeit den nicht den Tatsachen entsprechenden Eindruck erweckt habe, die [X.] habe vorsätzlich zu viele Stunden in das [X.] eingestellt, um Mandanten überhöhte Abrechnungen zu erteilen. Dieses Vorbringen sei allein in der Absicht erfolgt, die [X.] herabzuwürdigen.

a) Das [X.] hat zutreffend angenommen, das Vorbringen der Klägerin habe nach Wortlaut, sprachlichem Kontext und Begleitumständen (vgl. [X.] 9. November 2022 - 1 BvR 523/21 - Rn. 15) nur dahin verstanden werden können, dass sie eine vorsätzliche Erhöhung abrechenbarer [X.]en durch die [X.] in erheblichem Umfang (knapp 10.000,00 Euro) „zum Zwecke der Rechnungsstellung“ gegenüber den Mandanten habe suggerieren wollen.

b) Die einzelfallbezogene Würdigung des Berufungsgerichts nach § 286 Abs. 1 ZPO, diese Behauptung sei unwahr gewesen und für das Gegenteil hätten keine greifbaren Anhaltspunkte bestanden, hält einer revisionsrechtlichen Kontrolle stand. Sie legt entgegen der Auffassung der Klägerin das Maß des [X.] zugrunde und ist in sich widerspruchsfrei, ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen [X.] erfolgt und rechtlich möglich (zum solchermaßen eingeschränkten Prüfungsmaßstab vgl. [X.] 5. Dezember 2019 - 2 [X.] - Rn. 48).

c) Soweit die Klägerin einwendet, das [X.] habe ihrer grundrechtlich verbürgten Meinungsfreiheit kein ausreichendes Gewicht beigemessen, verkennt sie, dass ihre vom Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei als unwahr angesehenen Tatsachenbehauptungen nicht vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG umfasst sind (vgl. [X.] 24. Mai 2018 - 2 [X.] - Rn. 17, [X.]E 163, 36).

d) Das Berufungsgericht hat schließlich ohne Rechtsfehler angenommen, dass die [X.] das betreffende Prozessvorbringen der Klägerin nicht treuwidrig iSv. § 242 BGB provoziert und die Klägerin sich von diesem nicht etwa distanziert, sondern noch im Schriftsatz vom 11. März 2022 an ihm festgehalten hat.

3. Das [X.] hat die Abfindung nach Maßgabe von § 10 [X.] nicht rechtsfehlerhaft zu niedrig festgesetzt (zum eingeschränkten Prüfungsmaßstab vgl. [X.] 21. Juni 2012 - 2 [X.] - Rn. 38 ff., [X.]E 142, 188). Entgegen der Annahme der Klägerin hat es die herabwürdigende Wirkung des haltlosen [X.] - und damit zugleich die grobe Sozialwidrigkeit der ordentlichen Kündigung - abfindungserhöhend berücksichtigt.

III. [X.] auf verschiedene Zahlungen für die [X.] vom 1. August bis zum 31. Dezember 2015 sowie Feststellung des Bestehens zweier weiterer Ersatzurlaubstage fallen angesichts der Stattgabe des [X.] nicht zur Entscheidung an.

IV. Die Anträge auf Zahlung der sog. Regelerhöhungen für das [X.] und den [X.]raum vom 1. Januar bis zum 31. Juli 2015 sind zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klägerin stützt ihr einheitliches Begehren auf mehrere Klagegründe. Nach der gebotenen Auslegung möchte sie diese in der vom [X.] gewählten Reihenfolge geprüft wissen. Damit ist ihre Klage hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. [X.] 21. Dezember 2022 - 7 [X.] - Rn. 52 ff.).

2. Allerdings ist die Klage aus sämtlichen Klagegründen unbegründet. Dies hat das [X.] jeweils ausgehend von den zutreffenden Rechtssätzen ohne Rechtsfehler erkannt.

a) Zum einen hat es unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Streitfalls widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze angenommen, die [X.] habe sich mangels entsprechender, positiv festzustellender tatsächlicher Anhaltspunkte jedenfalls nicht zu „unbegrenzten“ Erhöhungen des [X.] der Klägerin über das fünfte Beschäftigungsjahr hinaus verpflichtet. Dabei gehen die Parteien nach den unangefochtenen tatbestandlichen Feststellungen im Berufungsurteil übereinstimmend davon aus, dass 2009 trotz des unterjährigen Eintritts das erste Beschäftigungsjahr der Klägerin war. [X.] ist insbesondere die Annahme des Berufungsgerichts, Gegenteiliges folge nicht zwingend aus dem von der Klägerin behaupteten allgemeinen Zweck von Entgelterhöhungen. Ein Arbeitgeber darf der Auffassung sein, dass Arbeitnehmer ab einer bestimmten Einkommensgrenze keines „Inflationsausgleichs“ mehr bedürfen. Zumindest darf er sich die Prüfung einer Entgelterhöhung zu gegebener [X.] vorbehalten.

b) Ein Anspruch der Klägerin auf Erhöhung ihres Grundgehalts über das fünfte Beschäftigungsjahr hinaus aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. hierzu [X.] 25. Januar 2023 - 10 [X.] - Rn. 25 ff.) scheidet aus, weil die [X.] keinen anderen Arbeitnehmer länger als fünf Jahre als Associate beschäftigt hat. Mit Assoziierten Partnern oder Counsels war die auf einer niedrigeren Karrierestufe verbliebene Klägerin - ungeachtet der Frage, wie die jährliche Grundvergütung der beiden anderen Beschäftigtengruppen ausgestaltet war und ob deren Mitglieder regelmäßig Erhöhungen erhielten - nicht vergleichbar. Die [X.] durfte eine Beförderung auch - wie sie unbestritten vorgetragen hat - von der Erreichung eines bestimmten Umsatzziels im Jahr vor der Beförderung abhängig machen, das die Klägerin nicht erreicht hat. Soweit diese unter Bezugnahme auf § 162 Abs. 1 BGB behauptet hat, sie sei ab Anfang 2015 durch den Entzug von Mandaten und Kontaktverbote zu zuvor von ihr betreuten Mandanten „kaltgestellt“ worden, hätte sich ein etwaiger Beförderungsanspruch frühestens im Jahr 2016 ergeben können.

V. Der Antrag auf Zahlung von Beiträgen zur Berufshaftpflichtversicherung für den [X.]raum vom 3. April bis zum 31. Juli 2015 an die Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

1. Entgegen der Annahme des [X.]s ist der Antrag nicht teilweise wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig. Die Klägerin begehrt die Zahlung der Beiträge, die die [X.] für die nach § 5 des Arbeitsvertrags übernommene „Erstreckung“ der von ihr abgeschlossenen Berufshaftpflichtversicherung auf sie - die Klägerin - im betreffenden [X.]raum hätte aufwenden müssen. Vor dem Arbeitsgericht hatte die Klägerin die Beiträge eingeklagt, die sie für die von ihr selbst „ersatzweise“ abgeschlossene Berufshaftpflichtversicherung aufgewendet hat. Insofern handelt es sich um verschiedene Streitgegenstände.

2. Der nunmehr verfolgte Antrag ist allerdings unbegründet. Die Klägerin kann nicht die „Beitragszahlung“ durch die [X.] an sich verlangen. Vielmehr ginge ein Schadenersatzanspruch wegen schuldhaft unterbliebener Erstreckung der von der [X.]n abgeschlossenen Berufshaftpflichtversicherung entweder - wie vom Arbeitsgericht bereits rechtskräftig zuerkannt - auf Zahlung der Beiträge, die die Klägerin für die von ihr „ersatzweise“ abgeschlossene Versicherung aufwenden musste, oder bei dem - nicht festgestellten - Eintritt eines Haftungsfalls ggf. auf eine Freistellung von Regressansprüchen.

VI. Die zulässige Stufenklage betreffend mögliche Bonuszahlungen für die Jahre 2009 bis 2014 ist ungeachtet der Frage, ob etwaige Ansprüche der Klägerin nach §§ 195, 199 BGB verjährt wären, jedenfalls deshalb insgesamt unbegründet, weil sie die von Rechts wegen nicht zu beanstandende Voraussetzung eines Umsatzes von mindestens 300.000,00 Euro unstreitig in keinem der fraglichen Jahre erreicht hat. Zwar hat die Klägerin unter Bezugnahme auf § 162 Abs. 1 BGB behauptet, die [X.] habe ihr Mandate entzogen und ein Kontaktverbot zu ehemals von ihr betreuten Mandanten ausgesprochen. Doch soll die [X.] erst ab Anfang 2015 versucht haben, die Klägerin „kaltzustellen“ (Rn. 25).

VII. Die Stufenklage bezüglich der Bedingungen einer Beförderung zum Assoziierten Partner bzw. Counsel ist - wie das [X.] zutreffend erkannt hat - unzulässig und deshalb insgesamt abzuweisen. Sie dient nicht dem Zweck des § 254 ZPO, die (noch) fehlende Bestimmtheit des auf der letzten Stufe verfolgten Leistungsanspruchs vorzubereiten (vgl. [X.] 8. September 2021 - 10 [X.] - Rn. 27), sondern allein einer Abschätzung der Erfolgsaussichten einer Klage auf Beförderung zum Assoziierten Partner bzw. Counsel. Im Übrigen wäre die Stufenklage insgesamt unbegründet, weil die Klägerin den für eine Beförderung erforderlichen Mindestumsatz im jeweiligen Vorjahr nicht erreicht hat und sie nach ihrem eigenen Vorbringen erst ab Anfang 2015 von der [X.]n „kaltgestellt“ wurde (Rn. 25). Damit konnte ihr vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 31. Juli 2015 kein „Beförderungsanspruch“ mehr erwachsen.

VIII. Mit der gegebenen Begründung durfte das Berufungsgericht nicht den Antrag der Klägerin auf Widerruf bestimmter, von der [X.]n im Rechtsstreit aufgestellter Tatsachenbehauptungen mangels Vorliegens eines Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abweisen. Insoweit ist die Revision der Klägerin begründet. Zwar ist es mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) grundsätzlich unvereinbar, wenn Äußerungen in einem Zivilprozess aus Gründen des Ehrschutzes zu zivilrechtlichen Nachteilen führen, weil die Behauptung sich später als unrichtig oder unaufklärbar erweist. Doch gilt dies mangels redlichen Handelns des sich Äußernden nicht, wenn die betreffenden Behauptungen - was die Klägerin in den Vorinstanzen nicht von vornherein unschlüssig behauptet und das Berufungsgericht dementsprechend ausdrücklich offengelassen hat - wissentlich unwahr erfolgen (vgl. [X.] 15. Dezember 2008 - 1 [X.] - Rn. 18; [X.] 28. Februar 2012 - VI ZR 79/11 - Rn. 14; 11. Dezember 2007 - VI ZR 14/07 - Rn. 17). Unter diesen Umständen kann sich der Erklärende auch nicht auf die Wahrnehmung von Rechten iSv. § 193 StGB berufen (vgl. [X.] 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu [X.] 3 aE der Gründe).

IX. Die danach erforderliche teilweise Zurückverweisung der Sache an das [X.] umfasst den von der Klägerin unecht hilfsweise angebrachten Unterlassungsantrag.

X. Für das hinsichtlich der [X.] fortgesetzte Berufungsverfahren sind folgende weitere Hinweise veranlasst:

1. Das [X.] wird zunächst nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf eine sachdienliche Fassung des [X.] hinzuwirken haben. Dieser benennt in wörtlicher Fassung als Adressaten die „63. Kammer des [X.]“ und die „Prozessbevollmächtigten beider Parteien“. Die Klage dürfte indes als Globalantrag (vgl. [X.] 29. September 2020 - 1 ABR 21/19 - Rn. 22, [X.]E 172, 292) insgesamt abzuweisen sein, wenn die Klägerin gegenüber nur einem der von ihr benannten Adressaten den Widerruf schon deshalb nicht verlangen könnte, weil ihm die inkriminierten Äußerungen nicht zur Kenntnis gelangt sind. So dürfte es liegen, wenn die Klägerin tatsächlich den Widerruf gegenüber der gesamten Kammer (in ihrer damaligen oder aktuellen Besetzung?), also gegenüber dem/der Vorsitzenden und sämtlichen der Kammer zugehörigen ehrenamtlichen Richtern (vgl. § 16 ArbGG) begehren sollte. Und [X.], die im erstinstanzlichen Verfahren zu einer Sitzung herangezogen waren, müssen nicht zwingend mit den fraglichen Behauptungen konfrontiert worden sein. Es ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich, dass ihnen der die Äußerungen enthaltende Schriftsatz der [X.]n zur Kenntnis gebracht worden wäre oder die Behauptungen - obwohl für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich - in einer mündlichen Verhandlung wiedergegeben worden wären. Entsprechendes gilt für die Bezeichnung „Prozessbevollmächtigte beider Parteien“. Ein Widerruf dürfte ggf. nur gegenüber den Berufsträgern der [X.] Sozietäten beansprucht werden können, die von dem Vorbringen der [X.]n im Rechtsstreit auch Kenntnis genommen haben.

2. Für das Bestehen des [X.] könnte es zum einen eine Rolle spielen, ob die durch die Behauptung ausgelöste Störung fortbesteht (vgl. [X.] 28. Juli 2015 - VI ZR 340/14 - Rn. 13, [X.]Z 206, 289) oder es der Klägerin allein darum geht, die [X.] ins Unrecht gesetzt zu sehen (vgl. [X.] 14. Juni 1977 - VI ZR 111/75 - zu I 2 der Gründe, [X.]Z 69, 181), wohin auch die derzeitige, über die tatsächlichen Adressaten der inkriminierten Behauptungen (weit) hinausgehende Antragsfassung deuten könnte. Zum anderen könnte die Klägerin nicht den vollständigen Widerruf der betreffenden Äußerungen verlangen, sondern lediglich eine Richtigstellung, wenn die Behauptungen nur zum Teil unwahr sein sollten (vgl. [X.] 17. Februar 1987 - VI ZR 77/86 - zu II 1 c der Gründe).

3. Sollte das Berufungsgericht von einem wissentlich wahrheitswidrigen Vorbringen der [X.]n ausgehen, spräche zwar eine Vermutung für das im Rahmen des [X.] erforderliche Bestehen einer Wiederholungsgefahr. Doch wäre diese Vermutung als widerlegt anzusehen, wenn die Beeinträchtigung durch eine einmalige Sondersituation veranlasst gewesen sein und eine Wiederholung fernliegen sollte (vgl. [X.] 27. April 2021 - VI ZR 166/19 - Rn. 23; 14. November 2017 - VI ZR 534/15 - Rn. 17). So könnte es hier liegen, weil die [X.] die inkriminierten Äußerungen - soweit ersichtlich - nur in Reaktion auf das Vorbringen der Klägerin in der - rechtskräftig abgeschlossenen - Bestandsstreitigkeit hin gehalten hat, die betreffenden Mandate seien ihr - der Klägerin - grundlos entzogen worden.

        

    Koch    

        

    Schlünder    

        

    Niemann    

        

        

        

    Grimberg    

        

    Klein    

                 

Meta

2 AZR 306/22

24.08.2023

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 11. März 2021, Az: 63 Ca 5866/15 und 63 Ca 2517/16, Urteil

§ 9 Abs 1 KSchG, § 9 Abs 2 KSchG, § 10 KSchG, § 612a BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.08.2023, Az. 2 AZR 306/22 (REWIS RS 2023, 7693)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7693

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 AZR 217/15 (Bundesarbeitsgericht)

Ordentliche verhaltensbedingte Kündigung - Auflösungsantrag


2 AZR 434/13 (Bundesarbeitsgericht)

Ordentliche Kündigung - Auflösungsantrag des Arbeitgebers - Sonderkündigungsschutz - Gleichstellungsantrag nach Zugang der Kündigung


2 AZR 356/21 (Bundesarbeitsgericht)

Verhaltensbedingte Kündigung - Auflösungsantrag


2 AZR 73/18 (Bundesarbeitsgericht)

Auflösungsantrag - wahrheitswidriger Prozessvortrag


2 AZR 240/19 (Bundesarbeitsgericht)

Verhaltensbedingte Kündigung - Meinungsfreiheit - Schmähkritik


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.