Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.05.2018, Az. 1 StR 33/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 8980

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:170518B1STR33.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 33/18

vom
17. Mai
2018
in dem Sicherungsverfahren
gegen

-
2
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Der 1.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 17.
Mai 2018 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des [X.] vom 27.
September 2017 mit Ausnahme der Feststellungen zu dem jeweiligen äußeren Tatgeschehen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurück-verwiesen.
2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat die Unterbringung des Beschuldigten im psychiatri-schen Krankenhaus angeordnet und einen Betrag von 2.514
Euro sowie zahl-reiche Asservate eingezogen. Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit [X.] auf die Sachrüge gestützten Revision, die weitgehenden Erfolg hat.
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I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1.
Der Beschuldigte leidet an einer paranoiden Schizophrenie. Dies [X.], formalen Denkstörungen, einer auffälligen Apathie, inadäquaten Affekten und einer verminderten Leistungsfähigkeit. Seit Mitte der 1980er Jahre war sein Leben geprägt von teilweise jahrelangen Aufenthalten in psychiatrischen Klini-ken und Justizvollzugsanstalten. 1997 war gegen ihn bereits die Unterbringung im
psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden, diese Maßregel wurde 2012 für erledigt erklärt. Während der Maßregel wurde er wegen Diebstahls verurteilt, auch danach erfolgten weitere Verurteilungen, vor allem wegen Dieb-stahls. Nach seiner letzten Haftentlassung im Juni 2016 war der Beschuldigte obdachlos. Nachdem er am 23.
November 2016 wegen eines Sturzes in ein Krankenhaus gebracht worden war, wurde er von dort wegen bedrohlichen Verhaltens und psychischer Auffälligkeit in eine psychiatrische Klinik gebracht, wo er auch als bedrohlich und psychotisch beschrieben wurde. Obwohl am 24.
November 2016 die vorläufige Unterbringung nach §
1906 Abs.
1 [X.] worden war, wurde der Beschuldigte vier Tage später entlassen und seitens der Klinik die Aufhebung
der vorläufigen Unterbringung beantragt, da eine geschlossene psychiatrische Krankenhausbehandlung nicht mehr erforder-lich sei.
2.
Zwischen dem 30.
November und dem 18.
Dezember 2016
beging der Beschuldigte vier Einbruchstaten. Dabei handelte er stets in der Absicht, sich eine Einnahmequelle von einigem Umfang und Dauer zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes zu verschaffen. Aufgrund seiner psychotischen Erkrankung 2
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war dabei in allen Fällen seine Steuerungsfähigkeit sicher erheblich vermindert, nicht ausschließbar aufgehoben. Im Einzelnen:
a)
In der Nacht vom 3. auf den 4.
Dezember 2016 drang der Beschul-digte in N.

in im Erdgeschoss gelegene Büroräume ein, indem er die Fensterscheibe zum Waschraum aufhebelte. Er führte ein Beil mit sich. Er durchsuchte die Räumlichkeiten nach werthaltigen Gegenständen und nahm Schmuckgegenstände und zwei Uhren im Wert von 750
Euro mit, um sie für sich zu behalten.
b)
Zwischen dem 30.
November und dem 11.
Dezember 2016 [X.] sich der Beschuldigte Zutritt zu einem [X.]abteil eines Wohnhauses. Die Sicherung durch ein Vorhängeschloss überwand er, indem er den angenagelten Riegel lockerte, so dass sich die Holzlattentür öffnen ließ. Er entwendete die werthaltigen Gegenstände, wie Koffer, Taschen und einige Schmuckgegen-stände
im Wert von 800
Euro, um sie für sich zu behalten.
c)
Zwischen dem 7. und dem 9.
Dezember 2016 hielt sich der Beschul-digte im [X.] desselben Wohnhauses auf. Hier befand sich eine Tür, die zum Funduskellerraum der im Nachbarhaus gelegenen Ballettschule führte. Von dieser Seite war die Tür mit Styroporplatten verkleidet, davor standen Regale mit Kartons. Der Beschuldigte drückte kraftvoll gegen diese Tür, so dass er in den [X.] der Ballettschule gelangte. Die Regale mit den Kartons stellte er wieder auf, so dass die schadhafte Verkleidung nicht auf Anhieb sichtbar war. Er entwendete Modeschmuck und zahlreiche [X.], die die Ballettschule vertrieb, im Gesamtwert von etwa 10.000
Euro. Außerdem nahm er aus einem [X.] 100
Euro und aus der aufgehebelten Registrierkasse die dort befindlichen 40
Euro. Er nahm 5
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5
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aber auch den Schlüssel zur Eingangstür mit;
mit diesem verließ er die [X.] durch die Eingangstür, die er ordnungsgemäß verschloss.
d)
Am 18.
Dezember 2016 gelangte
der Beschuldigte gegen 5.20
Uhr über ein im Innenhof befindliches Baugerüst auf den Balkon im zweiten [X.], der zur Wohnung der Geschädigten K.

und [X.].

gehörte. Dabei hatte er ein Taschenmesser in seiner Hosentasche. Die verriegelte [X.] drückte er gewaltsam auf und kam so in die Wohnung. Hier entwendete er aus einer Handtasche eine kostspielige Sonnenbrille und die Geldbörse, die er zwischen die zwei von ihm getragenen Jacken steckte und die dort durch den [X.] gehalten wurden. Als er sich im Bereich der [X.] befand,
wurde die Geschädigte K.

wegen des Scheins der Ta--raufhin der Beschuldigte durch die Wohnungstür zu entkommen versuchte. Dies gelang ihm nicht, da die Geschädigte ihn in ein Gerangel ver-wickelte. Durch den Schrei aufmerksam geworden, betrat nun der Geschädigte [X.].

den Flur und forderte den Beschuldigten auf, sich auf den Boden zu le-gen. Das tat der Beschuldigte aber nicht, er ging vielmehr auf [X.].

zu und versuchte, ihm Faustschläge zu versetzen, um unerkannt mit der Beute ent-kommen zu können. Tatsächlich traf er [X.].

, dessen dadurch hervorgerufene Ablenkung der Beschuldigte zu nutzen suchte, um die Wohnungstür mit dem steckenden Schlüssel aufzusperren und zu entkommen. Er stieß hierzu die im Wege stehende K.

zur Seite, wurde aber letztlich durch [X.].

zu [X.] gebracht. Dort leistete er keine Gegenwehr mehr und wurde festgenom-men.
Die Beute aus den Taten konnte entweder am Beschuldigten oder in mehreren Schließfächern im Bahnhof sichergestellt werden.
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II.
1.
Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind rechtsfehlerfrei getroffen.
2.
Die Unterbringung des Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus nach §
63 StGB kann jedoch keinen Bestand haben.
a)
Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich belastende
Maßnahme, die einen beson-ders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf [X.] nur angeordnet werden, wenn unter anderem zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der [X.] aufgrund einer nicht nur
vorübergehenden psychischen Störung im Sinne eines der in §
20 StGB ge-nannten Eingangsmerkmale schuldunfähig (§
20 StGB) oder vermindert schuld-fähig (§
21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. In diesem Zusam-menhang ist darzulegen, wie sich die festgestellte, einem Merkmal der §§
20, 21 StGB unterfallende Störung in der jeweiligen [X.] auf die Einsichts-
oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die [X.]en auf den entsprechenden Zustand zurückzuführen sind (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], [X.] vom 25.
Juli 2017

3
StR
119/17; Urteil vom 9.
August 2017

1
StR 63/17).
b)
Den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Feststellung der ursächlichen Verknüpfung zwischen dem Zustand, in dem der Beschuldigte sich befand, und der ihm zur Last gelegten Taten genügen die Urteilsgründe nicht.
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7
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Die Diagnose entweder einer [X.] Schizophrenie oder einer psychotischen Störung führt für sich genommen nicht zur Feststel-lung einer generellen oder zumindest längere
Zeiträume überdauernden [X.] erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit. Es hätte viel-mehr einer konkretisierenden Darlegung bedurft, in welcher Weise sich das festgestellte Krankheitsbild bei Begehung der Taten auf die Handlungsmöglich-keiten des Beschuldigten in den jeweiligen konkreten [X.]en ausgewirkt haben soll (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteil vom 9.
August 2017

1
StR
63/17; Beschlüsse
vom 16.
März 2017

4
StR
11/17
und
vom 6.
September 2017

1
StR 307/17).
Hierzu stellt das [X.] lediglich allgemein fest, dass die Steue-
vermindert, eine wahnbedingte Aufhebung der Einsichtsfähigkeit nicht ausge-schlossen werden könne. Konkrete Feststellungen zu einem etwaigen Effekt der psychischen Erkrankung auf die [X.] sind indes weder aus-drücklich getroffen noch lassen sie sich den Urteilsgründen sonst entnehmen.
Anzeichen für wahnhaftes Erleben, formale Denkstörungen, krankhaft leistungsgemindertes oder apathisches Verhalten

die als psychopathologi-sche Verhaltensweisen des Beschuldigten festgestellt werden

, lassen sich in den von zielgerichteter und zweckmäßiger
Ausführung unter Vermeidung von [X.], die zudem zahlreiche planeri-sche Elemente aufweisen, nicht ausmachen. Dies zeigt sich in der jeweiligen situationsangepassten und sachgerechten Zutrittsweise zu den [X.]. Auch wählte der Beschuldigte für die Tatbegehung in den Fällen
2.a. und d.
jeweils die Nachtzeit, im Fall
2.d. führte er eine Taschenlampe mit, deren 14
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Gebrauch nahe liegt, um nachts in fremden Wohnungen unbemerkt nach wert-haltigen Gegenständen suchen zu können. Im Fall
2.c. richtete er den [X.] nach seinem Eindringen so wieder her, dass die beschädigte Türverkleidung zunächst nicht auffiel, und wählte den regulären Ausgang über die Tür, für die er den Schlüssel mitführte. Angesichts dieser Tatbilder vermag auch der [X.], dass der Beschuldigte wenige Tage vor den Taten in einer psychiatri-schen Klinik als psychotisch beschrieben worden ist, nicht den Schluss auf eine psychotische Beeinflussung der Taten zu begründen (vgl. [X.], Urteil vom 9.
August 2017

1
StR
63/17), zumal da diese Einschätzung durch das spätere Verhalten der Klinik an Bedeutung verliert.
Dass die [X.] in seiner krankheitsbedingten Persönlichkeits-veränderung wurzeln, erschließt sich ebenfalls nicht. Als imponierende Persön-lichkeitszüge werden dargestellt eine feindliche Wahrnehmung der Umwelt, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, weitschweifige und sprunghafte Erzählwei-se; wie solche Verhaltensweisen sich auf die Handlungsmöglichkeiten des [X.] bei der Begehung der Taten ausgewirkt haben sollen, bleibt [X.]. Dies gilt auch für die schon nicht mit konkreten Verhaltensweisen des Beschuldigten unterlegte Impulskontrollstörung. Dass diese Ursache für die er-hebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit gewesen sein soll, hätte [X.] der Nutzung der Nachtzeit für die entdeckungsgeneigten Taten in den Fällen
2.a. und d., der zweckmäßigen Ausrüstung und der Konzentration auf werthaltige Gegenstände bei allen Taten, konkretisierender Darlegung bedurft. Hinzu tritt, dass sich das [X.] davon überzeugt hat, dass der Beschul-digte die Taten beging, um sich aus den Erlösen eine dauerhafte Einnahme-quelle zu verschaffen, was auch das Motiv nachvollziehbar und ohne Zusam-menhang zur diagnostizierten Störung erscheinen lässt.
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Die von der Strafkammer mitgeteilte Einschätzung des Sachverständi-gen,
im Fall

interpr

e-amten ergeben, der Geschädigte [X.].

habe ihn entführt oder ihn mit dem
ussung dieser Taten durch die psychotische Erkrankung des Beschuldigten ebenso wenig tragfähig zu [X.].
Über die [X.] muss deshalb umfassend neu verhandelt und entschieden werden.
3.
Die rechtsfehlerhafte Einziehungsentscheidung (vgl.
§
413 StPO) wird ohnehin von der Aufhebung miterfasst.
Raum
Jäger
Bellay

Cirener
Fischer
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20

Meta

1 StR 33/18

17.05.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.05.2018, Az. 1 StR 33/18 (REWIS RS 2018, 8980)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8980

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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