Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.11.2010, Az. 26 W (pat) 80/10

26. Senat | REWIS RS 2010, 1567

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einlegung der Erinnerung" – Postlaufzeit – kein Sorgfaltspflichtverstoß – Original Erinnerungsschrift ist nicht zu den Akten gelangt – Verlorengehen im Zusammenhang mit Umzug der Poststelle des DPMA innerhalb Münchens kann nicht völlig ausgeschlossen werden


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 306 00 188.8

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 10. November 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie des [X.] [X.] und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

1. Der Markeninhaberin und Beschwerdeführerin wird auf Antrag vom [X.] unter Aufhebung des Beschlusses der Markenstelle für Klasse 39 des [X.] vom 12.05.2010 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Erinnerung gewährt.

2. Die Sache wird zur Entscheidung über die Erinnerung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Die Markeninhaberin und Beschwerdeführerin begehrt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Erinnerung mit dem Vortrag, ihr [X.]r habe die nicht fristgerecht zu den Akten gelangte [X.] rechtzeitig zwei Tage vor Fristablauf zur Post gegeben.

2

Am 26.10.2009 ist ihrem [X.]n der angegriffene Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des [X.] vom [X.] zugestellt wurden. Die [X.] ist beim [X.] am 17.11.2009, die Erinnerungsbegründung am 31.12.2009 eingegangen. Mit Verfügung vom 18.3.2009 hat ihn die Markenstelle darauf hingewiesen, dass die Erinnerung beim [X.] nicht fristgerecht eingegangen sei. Daraufhin hat der [X.] der Markeninhaberin mit Schreiben vom [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und - wie vorsorglich bereits am 08.02.2010 - mit Datum des [X.] nochmals Erinnerung eingelegt.

3

Mit Beschluss vom [X.] hat die Markenstelle für Klasse 39 des [X.] die Erinnerung als unzulässig verworfen und den Wiedereinsetzungsantrag vom [X.] zurückgewiesen. Ein Anwalt dürfe sich nicht darauf verlassen, dass ein am [X.] zur Post gegebenes Schreiben beim [X.] bis zum Ablauf des übernächsten Tages eingehe. In ihrer Erinnerungsbegründung habe die Markeninhaberin zudem das Datum des angegriffenen Beschlusses und der [X.] unzutreffend angegeben.

4

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde, mit der sie beantragt,

5

1. unter Aufhebung des Beschlusses vom [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist zur Einlegung der Erinnerung zu gewähren,

6

2. der Markenstelle nach erfolgter Wiedereinsetzung aufzugeben, die inhaltlich bislang nicht verbeschiedene Erinnerung auf ihre Begründetheit hin zu prüfen und

7

3. hilfsweise den Widerspruch zurückzuweisen.

8

Die Widersprechende hat in der Beschwerdeinstanz bislang keinen Antrag gestellt.

9

Ergänzend wird auf die Akte des [X.]. 306 00 186.1 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Antrag der Markeninhaberin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Erinnerungseinlegungsfrist hat Erfolg, § 91 [X.].

Der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig, insbesondere ist die Antragsfrist des § 91 Abs. 2 [X.] eingehalten. Der Wegfall des Hindernisses tritt ein, sobald das Ereignis seine hindernde Wirkung auf den Säumigen oder dessen Vertreter verliert, also wenn der Säumige oder sein Vertreter bei Aufwendung der ihm zuzumutenden Sorgfalt nicht mehr gehindert ist, die versäumte Handlung vorzunehmen oder wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (vgl.

Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Antragsteller glaubhaft darlegt, dass er ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten, deren Versäumnis nach den gesetzlichen Vorschriften einen Rechtsnachteil zur Folge hat.

Die Markeninhaberin hat die einmonatige, mit Zustellung des angefochtenen Beschlusses vom 9.10.2009 am 26.10.2009 beginnende Frist zur Einlegung der Erinnerung gemäß § 64 Abs. 2 [X.] versäumt. Die Frist hat mit Ablauf des [X.], einem Donnerstag, geendet, § 82 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 ff. [X.]. Der Schriftsatz zur Einlegung der Erinnerung vom [X.] ist erstmals am 08.02.2010 und damit verspätet zu den Akten gelangt. Aus diesem Grunde ist die Erinnerung der Markeninhaberin als unzulässig verworfen worden.

Der für die Markeninhaberin handelnde [X.] hat diese Frist allerdings nicht schuldhaft im Sinne des § 276 Abs. 2 [X.] versäumt mit der Folge, dass sich diese das Verschulden ihres [X.]n wie eigenes Verschulden zurechnen lassen müsste, §§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 ZPO, § 82 Abs. 1 [X.]. [X.] war ohne Verschulden gehindert, die Frist einzuhalten, wenn er die für einen gewissenhaften, seine Belange sachgerecht wahrnehmenden Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den konkreten Umständen zumutbare Sorgfalt beobachtet hat (BPatGE 24, 124, 129; 24, 140, 142; [X.] 1982, 160 f.). Die Anforderungen an das Maß der erforderlichen Sorgfalt dürfen dabei nicht überspannt werden ([X.] NJW 1996, 2857; NJW 2001, 3473; NJW-RR 2002, 1006 [X.]; [X.], 865, 866;

In der Beschwerdebegründung hat der [X.] der Markeninhaberin an Eides statt versichert und damit im Sinne des § 91 Abs. 3 S. 2 [X.] glaubhaft gemacht, dass er am Morgen des [X.] die Freigabe seiner Mandantin zur Ausfertigung der [X.] erhalten und den Umschlag mit den [X.]en in drei Parallelverfahren in seiner Mittagspause zwischen 12 und 13 Uhr am selben Tag zum Briefkasten vor der Postfiliale in der [X.] in [X.] gebracht habe. Es habe diesen Briefkasten ausgewählt, weil dieser auch untertägig geleert werde und ihm aus langjähriger eigener Erfahrung bekannt sei, dass bei untertägiger Leerung mit einem Eintreffen der Sendungen am nächsten Morgen in [X.] zu rechnen sei; der Versandzeitpunkt habe einen Sicherheitspuffer von einem Tag gewährleistet. In einem Telefonat vom 8.02.2010 habe ihm der zuständige Mitarbeiter der Markenstelle zugesagt, zum Verbleib der [X.]en im Hause Nachforschungen anzustellen und darauf hingewiesen, dass im November 2009 die Postanschrift der Markenstelle von der [X.] in die [X.] in [X.] verlegt worden sei. Von dem Umstand, dass die beiden fehlenden [X.]en endgültig nicht auffindbar seien, habe er erstmals mit Verfügung der Markenstelle vom 18.3.2010 erfahren.

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.], des [X.] und der anderen Obersten Gerichtshöfe dürfen dem Bürger Verzögerungen der Briefbeförderung oder der Briefzustellung durch die [X.] nicht als Verschulden angerechnet werden. Er darf vielmehr darauf vertrauen, dass die [X.]en eingehalten werden, die seitens der [X.] für den Normalfall festgelegt werden. Hierauf hat der Bürger keinen Einfluss. Im Verantwortungsbereich einer [X.], die einen fristgebundenen Schriftsatz auf dem Postweg befördern lässt, liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der [X.] den Empfänger fristgerecht erreichen kann ([X.], 2778, NJW-RR 2004, 1217; [X.] NJW 2001, 744; NJW 2003, 1516; 2001, 1566; 1995, 1210, 1211, jeweils [X.]). Dabei darf eine [X.] grundsätzlich darauf vertrauen, dass im [X.] werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden ([X.]). Das gilt selbst dann, wenn - etwa vor Feiertagen - allgemein mit erhöhtem Postaufkommen zu rechnen ist ([X.]; [X.] NJW 2001 a. a. O.; 1995 a. a. O., jeweils [X.]). Daran hat sich durch den Erlass der Postuniversaldienstleistungsverordnung vom 15. Dezember 1999 ([X.]) nichts geändert. Danach sind die regelmäßigen [X.]en sogar als Mindeststandards verbindlich vorgegeben. Nach § 2 Nr. 3 Satz 1 [X.] müssen die [X.] und andere Unternehmen, die Universaldienstleistungen im Briefverkehr anbieten, sicherstellen, dass sie an Werktagen aufgegebene Inlandsendungen im gesamten [X.] im Jahresdurchschnitt mindestens zu 80% am ersten und zu 95% am zweiten Tag nach der Einlieferung ausliefern. Diese Quoten lassen die Einhaltung der [X.]en erwarten. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss ein Rechtsmittelführer deshalb nicht mit [X.]en rechnen, die die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen ([X.]; [X.] WM 2009, 416 - 418; [X.] NJW 2009, 2230, 2231).

Die genannten unverschuldeten Umstände sind für die Fristversäumung ursächlich (vgl. [X.] NJW-RR 1997, 1289). Der vom [X.]n der Markeninhaberin benannte Briefkasten in der [X.]. 109 – 110a in [X.] Steglitz wird nach Auskunft der [X.] (vgl. [X.]) werktags täglich um 14.30 Uhr, um 16.15 Uhr, um 18 und um 22 Uhr gelehrt. Bei normaler [X.] von einem Tag hätte ein dort am [X.], einem Dienstag, zwischen 12 und 13 Uhr eingeworfener Brief das [X.] in [X.] am folgenden Tag erreicht.

Da das Original der [X.] auch nach Fristablauf nicht zur Akte gelangte, ist im vorliegenden Fall nicht völlig auszuschließen, dass es im Zusammenhang mit dem Umzug der Poststelle des [X.] innerhalb [X.]s verlorenging. Auch diesen Umstand hätte die Markeninhaberin jedoch nicht zu vertreten.

Bei den unzutreffenden Datumsangaben für den angegriffenen Beschluss („09.11.2009“ statt „[X.]“) und die [X.] („09.12.2009“ statt „[X.]“) in der Erinnerungsbegründung handelt es sich schließlich erkennbar um Tipp- oder Flüchtigkeitsfehler, die nicht geeignet sind, die Glaubhaftigkeit der an Eides statt versicherten Angaben des [X.]n der Markeninhaberin in Zweifel ziehen. Der Umstand, dass die [X.] am 17.11.2009 eingezahlt wurde, ist vielmehr Indiz für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben zur rechtzeitigen Absendung der [X.].

Der Markeninhaberin war daher unter Aufhebung des Beschlusses des [X.] vom [X.] gem. § 91 Abs. 1 [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Zur weiteren Entscheidung über die Erinnerung war die Sache an das [X.] zurückzuverweisen, § 70 Abs. 3 [X.].

Meta

26 W (pat) 80/10

10.11.2010

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.11.2010, Az. 26 W (pat) 80/10 (REWIS RS 2010, 1567)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1567

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