Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.11.2009, Az. VI ZB 58/08

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 553

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[X.] vom 17. November 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 149 Setzt das Gericht die Verhandlung eines [X.] gemäß § 149 Abs. 1 ZPO bis zur Erledigung eines Strafverfahrens aus, so muss für das (Rechts-) Beschwer-degericht aufgrund der Begründung des [X.] nachprüfbar sein, dass das Gericht den Vorteil einer gründlicheren Klärung im Strafprozess aufgrund der konkreten Umstände des Falls gegen den Nachteil der Verzögerung einer Ent-scheidung im Zivilprozess abgewogen hat. [X.], Beschluss vom 17. November 2009 - [X.]/08 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 17. November 2009 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterin [X.], [X.] und die Richterin von [X.] beschlossen: Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden der Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 12. Juni 2008 und der Beschluss der 17. Zivilkammer des [X.] vom 11. Dezember 2007 aufgehoben. Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe: [X.] Auf der Grundlage der Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung und der Ausführungen der Rechtsbeschwerde ist von folgendem Sachverhalt auszugehen: Die Klägerin, eine Konzerngesellschaft der [X.], nimmt den Beklagten zu 1 als ehemaligen Geschäftsführer der Klägerin, den [X.] zu 2 als ursprünglich freien Mitarbeiter der Klägerin und die Beklagte zu 3, ein von Mitarbeitern der Klägerin geführtes Konkurrenzunternehmen, auf [X.] in Anspruch. Die Klägerin schätzt aufgrund von Ermittlungen der Revisionsabteilung der [X.] den eingetretenen und künftigen Schaden vorläufig auf rund 5,9 Mio. •, wobei die Feststellung des Schadens nicht [X.] - 3 - schlossen sei. Gegen die Beklagten zu 1 und 2 sowie weitere Verantwortliche der Beklagten zu 3 ermittelt die Staatsanwaltschaft [X.] unter anderem we-gen des Verdachts der schweren Untreue im Sinne von § 266 Abs. 2 StGB und des [X.] und Geschäftsgeheimnissen gemäß § 17 UWG bzw. Beihilfe dazu ([X.]. 148 Js 96085/06). 2 Nach Erörterung der Frage einer Verfahrensaussetzung und schriftsätzli-chem Widerspruch der Klägerin dazu hat das [X.] das Verfahren ge-mäß § 149 Abs. 1 ZPO bis zur Erledigung des Strafverfahrens ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Beschwerde-gericht zurückgewiesen. Mit der dagegen gerichteten vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde macht die Klägerin weiterhin geltend, dass die Aussetzung nicht gerechtfertigt sei. I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie [X.] hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Sie ist auch begründet. 3 1. Der angefochtene Beschluss erweckt bereits deshalb Bedenken, weil er keine ausreichende Darstellung des Sachverhalts enthält. Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die [X.] in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den gesetzmäßigen Gründen versehen und schon deshalb aufzuhe-ben (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - [X.] ZB 75/05 - [X.], 1423, 1424; [X.], Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - [X.]/01 - [X.], 926; 4 - 4 - vom 12. Juli 2004 - [X.]/03 - NJW-RR 2005, 78; vom 7. April 2005 - [X.]/03 - [X.]-Report 2005, 1000). 5 Im Falle des § 149 ZPO müssen die streitigen Umstände, auf die es im Zivilverfahren ankommt und die im Strafverfahren leichter oder einfacher geklärt werden können, so konkret und eingehend dargestellt werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht die Ermessensausübung der Vorinstanzen auf Er-messensfehler überprüfen kann. Dies ist nicht möglich, wenn nicht dargestellt ist, welche konkreten Ansprüche mit der Klage geltend gemacht werden und inwieweit diese auf strafbare Handlungen gestützt werden, die Gegenstand des Strafverfahrens sind. So liegt es im Streitfall. Zwar hat das Beschwerdegericht den für und gegen eine Aussetzung sprechenden Vortrag der Parteien [X.]. Doch beschränkt sich dies auf die formalen Gesichtspunkte. Sowohl die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss des [X.] als auch die Ausführungen in dem in Bezug genommenen Beschluss des Landge-richts lassen hingegen den sachlichen Gegenstand des Klageverfahrens nur andeutungsweise erkennen. 2. Dementsprechend ist auch nicht ausreichend erkennbar, dass die Er-messensausübung der Vorinstanzen auf ausreichenden Erwägungen beruht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob im Hinblick auf die Überprüfung der Ermes-sensentscheidung ein eher großzügiger (vgl. dahin gehend etwa [X.], Beschluss vom 2. April 2007 - 12 W 9/07 - Juris Rn. 2; [X.], Beschluss vom 20. Mai 2005 - 12 Ta 22/05 - Juris Rn. 12) oder ein engerer Maßstab (dahin gehend etwa [X.], Beschluss vom 16. August 2007 - 12 W 24/07 - Juris Rn. 7; [X.], NJW 1980, 2534; [X.], NJW-RR 2008, 1091, 1092 f.; [X.], Beschluss vom 3. Juli 2006 - 4 W 60/06 - Juris Rn. 4; MünchKomm-ZPO/Wagner, 3. Aufl., § 149 Rn. 9 f.; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 149 Rn. 12; vgl. auch [X.] - 5 - lak/[X.], ZPO, 7. Aufl., § 149 Rn. 3, 4; Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO, § 149 Rn. 3 ff.) anzulegen ist. Die Rechtsbeschwerde beanstandet mit Recht, dass sich die von den Vorinstanzen vorgenommene Abwägung auf allgemeine Er-wägungen beschränkt, die sich mit dem konkreten Streitstoff nicht auseinander-setzen. 7 Das [X.] hat den Aussetzungsbeschluss im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Ausgang des Strafverfahrens sowie die dortigen Beweiser-hebungen versprächen nach Einschätzung der Kammer einen zusätzlichen, erheblichen Erkenntnisgewinn für das hiesige Verfahren. Dies gelte generell in komplexen Fällen möglicher Wirtschaftskriminalität in besonders hohem Maße. Speziell im vorliegenden Fall komme hinzu, dass es nicht nur um mehrere Be-teiligte und verschiedene Klaganträge (Feststellung einer Schadensersatzver-pflichtung, [X.] hinsichtlich verschiedener Unterlagen und Daten, Auskunftsanträge) gehe, sondern dass eine Vielzahl von Einzelpunkten des umfangreichen Geschehens zwischen den Parteien streitig sei. Die Abwä-gung zwischen dem genannten Erkenntnisgewinn und der zu befürchtenden Verzögerung falle zu Gunsten der Aussetzung aus. Die Klägerin führe gegen eine Aussetzung in erster Linie ihr Interesse an einer baldmöglichsten Feststel-lung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten in den Raum. Dieses Interesse wiege eher gering, nachdem eine solche Feststellung der Klägerin keinerlei Vollstreckungsmöglichkeiten gegen die Beklagten eröffnen würde und dadurch die von der Klägerin ins Feld geführten Verschleierungsmaßnahmen nicht ver-hindert werden könnten. Auch für weitere Vergleichsgespräche zwischen den Parteien würde eine Feststellung entgegen den sonstigen Erfahrungen im ge-werblichen Rechtsschutz nach Auffassung der Kammer kaum etwas bewirken. Wie die mündliche Verhandlung gezeigt habe, seien die Beklagten durchaus zur Zahlung eines [X.] bereit; jedoch lägen die Vorstellungen - 6 - der Parteien hinsichtlich der Höhe weit auseinander. Hier würde aber ein Fest-stellungsurteil keinen (maßgeblichen) Fortschritt versprechen. 8 Darauf nimmt der Beschluss des [X.] lediglich allgemein Bezug und behandelt im Folgenden die Frage näher, ob die nicht absehbare Dauer des Strafverfahrens einer Aussetzung nach § 149 ZPO entgegen stehe. 9 Ob den Ausführungen des [X.] zu dem letztgenannten Punkt zu folgen ist, insbesondere ob sie mit § 149 Abs. 2 ZPO zu vereinbaren sind (vgl. [X.], aaO, Rn. 11), kann dahinstehen. Denn in den Ent-scheidungen der Vorinstanzen fehlen bereits nachprüfbare Argumente dafür, dass und gegebenenfalls inwieweit die Erkenntnisse im Ermittlungsverfahren - dessen Fortschritt, etwa durch Anklageerhebung oder Zulassung der Anklage, nicht festgestellt ist - für die konkret geltend gemachten Ansprüche von Bedeu-tung sein können. Der allgemeine Hinweis darauf, dass das Ermittlungs- bzw. Strafverfahren in komplexen Wirtschaftsstrafsachen regelmäßig einen erhebli-chen Erkenntnisgewinn verspreche, reicht nicht aus. Mit Recht werden derartige pauschale Hinweise, etwa auf die überlegenen Erkenntnismöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden, als Leerformel angesehen (vgl. [X.], aaO; [X.], aaO, S. 1093; [X.], aaO, Rn. 4). Zwar ist es nicht zu beanstanden, wenn das Gericht bestrebt ist, den Zi-vilrechtsstreit möglichst prozessökonomisch zu führen und doppelte Ermitt-lungsarbeit sowie zusätzliche Kosten zu ersparen; das ist aber nur zu erwarten, wenn bestimmte Punkte, auf deren Feststellung es im Zivilverfahren ankommt, streitig sind und mit der Aufklärung gerade dieser Umstände im Strafverfahren zu rechnen ist, so dass eine Klärung dieser Umstände im Zivilverfahren erspart wird (vgl. [X.], aaO). Für das (Rechts-) Beschwerdegericht muss aufgrund der Begründung des [X.] nachprüfbar sein, dass 10 - 7 - das Gericht den Vorteil einer gründlicheren Klärung im Hinblick auf den [X.] aufgrund der konkreten Umstände des Falls gegen den Nachteil der Verzögerung einer Entscheidung im Zivilprozess abgewogen hat ([X.], [X.], 238; OLG [X.], [X.], 1027; Prütting/Gehrlein/[X.], aaO; [X.]/[X.], ZPO, 27. Aufl., § 149 Rn. 2). II[X.] Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Juni 2006 - [X.]/04 - [X.], 1268). 11 [X.]Zoll Diederichsen Pauge von [X.] Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 11.12.2007 - 17 O 69/07 - OLG [X.], Entscheidung vom 12.06.2008 - 2 W 10/08 -

Meta

VI ZB 58/08

17.11.2009

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.11.2009, Az. VI ZB 58/08 (REWIS RS 2009, 553)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 553

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