Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 09.09.2021, Az. 2 C 14/20

2. Senat | REWIS RS 2021, 2744

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Gegenstand

Doppelte Anrechnung von Zeiten einer besonderen Auslandsverwendung bei Berufssoldaten als ruhegehaltfähige Dienstzeit


Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 23. April 2020 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass über den Antrag der Klägerin auf Berücksichtigung ihrer vor dem 1. Dezember 2002 liegenden Zeiten besonderer Auslandsverwendungen bis zum Doppelten als ruhegehaltfähige Dienstzeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des [X.] zu entscheiden ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Soldatin im Ruhestand, beansprucht die Neufestsetzung ihres Ruhegehalts unter doppelter Berücksichtigung ihrer vor dem 1. Dezember 2002 liegenden Zeiten besonderer Auslandsverwendung.

2

Der 1956 geborenen Klägerin stand bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des 31. März 2018 als Berufssoldatin, zuletzt im Rang einer Oberfeldärztin, im Dienst der [X.]. Im Zeitraum zwischen August 1996 und Juli 2001 absolvierte sie zwei mindestens 30-tägige [X.] im Rahmen von [X.] und [X.] in [X.] und im [X.] mit einer Gesamteinsatzzeit von 221 Tagen.

3

Mit Bescheid vom 5. März 2018 setzte die Generalzolldirektion die Versorgungsbezüge der Klägerin auf der Grundlage eines Ruhegehaltssatzes von 70,40 v.H. fest; hierbei wurden nur nach dem 1. Dezember 2002 geleistete Zeiten von [X.] doppelt angerechnet. Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruch vom 30. April 2018 zurück.

4

Auf die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, die Versorgungsbezüge der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen. Zeiten einer besonderen Auslandsverwendung könnten bis zum Doppelten als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden, wenn sie insgesamt mindestens 180 Tage und jeweils ununterbrochen mindestens 30 Tage gedauert hätten. Die Auslandseinsätze der Klägerin erfüllten diese Voraussetzungen. Sie seien bei der Festsetzung der Altersbezüge der Klägerin zu berücksichtigen, obwohl sie vor dem 1. Dezember 2002 gelegen hätten.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der [X.] zurückgewiesen. Die Klägerin habe Anspruch auf Berücksichtigung der von ihr im Zeitraum vor Dezember 2002 absolvierten Zeiten von besonderen [X.] bis zum Doppelten als ruhegehaltfähige Dienstzeiten. Einer [X.] der streitgegenständlichen Auslandseinsatzzeiten stehe nicht entgegen, dass sie sämtlich vor dem Inkrafttreten der einschlägigen soldatenversorgungsgesetzlichen Regelung über besondere [X.] am 1. Dezember 2002 lägen.

6

Zudem habe die Beklagte das ihr bei der Doppelberechnung eingeräumte Rechtsfolgeermessen noch nicht fehlerfrei ausgeübt. Die von ihr bei der Ermessensausübung zugrunde gelegten Erlasse des [X.] seien dazu nicht geeignet, weil sie die Berücksichtigung von vor dem 1. Dezember 2002 absolvierten besonderen [X.] bis zum Doppelten als ruhegehaltfähige Dienstzeiten generell ausschlössen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des [X.] vom 23. April 2020 und des [X.] vom 7. September 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Der Vertreter des [X.] beim [X.] unterstützt die Revision der [X.].

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass über den Antrag der - nach dem 13. Dezember 2011 in den Ruhestand getretenen - Klägerin auf Berücksichtigung ihrer vor dem 1. Dezember 2002 liegenden [X.]en besonderer [X.] bis zum Doppelten als ruhegehaltfähige Dienstzeit nicht nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, sondern nach der des [X.] zu entscheiden ist (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die Beklagte hat das ihr im Rahmen dieser Entscheidung zustehende Ermessen bislang nicht fehlerfrei ausgeübt.

1. Der streitgegenständliche Anspruch folgt aus der am 13. Dezember 2011 in [X.] getretenen Regelung des § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] in der Fassung des [X.] bei besonderen [X.] ([X.]) vom 5. Dezember 2011 ([X.] 2458 - [X.] 2011). Die Vorschrift bestimmt, dass die [X.]en einer besonderen Auslandsverwendung nach § 63c Abs. 1 bis zum Doppelten als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden können, wenn sie insgesamt mindestens 180 Tage und jeweils ununterbrochen mindestens 30 Tage gedauert haben. Der erstmals durch Art. 2 Nr. 10 Einsatzversorgungsgesetz vom 21. Dezember 2004 ([X.] 3592) rückwirkend zum 1. Dezember 2002 in [X.] getretene § 63c Abs. 1 Satz 1 [X.] ([X.]) definiert eine besondere Auslandsverwendung als eine Verwendung aufgrund eines Übereinkommens oder einer Vereinbarung mit einer über- oder zwischenstaatlichen Einrichtung oder mit einem auswärtigen Staat im Ausland oder außerhalb des [X.] Hoheitsgebietes auf Schiffen oder in Luftfahrzeugen, für die ein Beschluss der [X.]esregierung vorliegt.

a) Der Wortlaut der Vorschrift legt es nahe, dass besondere [X.] i.S.v. § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 für Soldaten, die nach dem 13. Dezember 2011 in den Ruhestand getreten sind, auch für [X.]räume vor dem 1. Dezember 2002 berücksichtigt werden können. Denn die Regelung enthält - anders als die zeitgleich durch das [X.] (Art. 6 Ziff. 3) für gesetzlich Rentenversicherte geschaffene Parallelregelung des § 76e Abs. 1 [X.] 2011 - keine zeitliche Einschränkung dahingehend, dass bei der Bestimmung der ruhegehaltfähigen Dienstzeiten nur besondere [X.] ab dem 1. Dezember 2002 Berücksichtigung finden. Die von § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 in Bezug genommene Regelung des § 63c Abs. 1 [X.] ihrerseits beschränkt sich auf eine Definition des Tatbestands der besonderen Auslandsverwendung. Eine ausdrückliche zeitliche Einschränkung der Definition etwa dahingehend, dass besondere [X.] nur solche ab einem bestimmten [X.]punkt sind, enthält auch diese Vorschrift nicht. Aus dem Wortlaut der Norm lassen sich also keine Anknüpfungspunkte für die von der Beklagten nach Maßgabe ihrer behördeninternen Verwaltungsvorschriften (Hinweise des [X.] zum [X.] 2011 vom 8. März 2012 <[X.] 3 - Az 20-01-01/45 ->, vom 23. August 2012 <[X.] 3 - Az 20-02-08/07 -> und vom 16. August 2013 <[X.] 3 - Az 20-02-08/07 ->) vorgenommene Auslegung entnehmen, dass eine [X.] von im Auslandseinsatz absolvierten [X.]en besonderer [X.] erst ab dem 1. Dezember 2002 möglich ist. Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von der Beklagten geäußerte Ansicht, man habe es als "[X.]" für ausreichend gehalten, das - seitens des [X.] - "Gewollte" im Erlasswege, nämlich in den vorbezeichneten [X.], zu regeln, ist insoweit unbehelflich.

b) Die Entstehungsgeschichte von § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 einerseits und § 63c Abs. 1 [X.] andererseits ist für Beantwortung der Frage nach der zeitlichen Reichweite der ruhegehaltrechtlich doppelt berücksichtigungsfähigen [X.]en besonderer [X.] unergiebig. Zu § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 enthält sich die Begründung des Gesetzesentwurfs jeder Stellungnahme zur Frage, ob die doppelte Anrechnung von [X.]en besonderer [X.] auch auf solche Auslandseinsätze zu erstrecken ist, die Soldaten vor dem 1. Dezember 2002 absolviert haben (vgl. [X.]. 17/7143 S. 15). Auch aus der Vorgeschichte des [X.] 2011 - dem Einsatzversorgungsgesetz 2004 - ergibt sich nichts für oder gegen eine doppelte Ruhegehaltsanrechnung für [X.]en besonderer [X.] vor dem 1. Dezember 2002 gemäß § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 (vgl. [X.]. 15/3416 [X.]). Die Einzelbegründung des Gesetzgebers zu der Vorschrift, in der die "besondere Auslandsverwendung" legal definiert wird - § 63c Abs. 1 [X.] -, verhält sich ebenfalls nicht zur Frage der zeitlichen Rückerstreckung von § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 auf Sachverhalte vor dem 1. Dezember 2002 (vgl. [X.]. 15/3416, [X.]). Nichts anderes ergibt sich aus den Materialien zum [X.] 2007, das ausschließlich Regelungen zugunsten infolge besonderer [X.] "einsatzgeschädigter Soldaten" zum Gegenstand hat (vgl. [X.]. 16/6564 S. 15). Auch die weitere Rückerstreckung von Einsatzversorgungsleistungen für im Ausland verunfallte Soldaten auf die [X.] ab dem 1. November 1991 durch das [X.] 2015 hat ausschließlich "schwer gesundheitlich geschädigte Personen" in den Blick genommen, die trotz zum Teil erheblicher Gefährdungslagen zum Beispiel im [X.] und Kosovoeinsatz bis dahin nicht dieselbe versorgungsrechtliche Absicherung wie ab dem 1. Dezember 2002 im Einsatz Geschädigte besaßen ([X.]. 18/3697 [X.]). Schließlich beschränken sich auch die in diesem Zusammenhang jüngsten gesetzlichen Änderungen durch das [X.] 2019 - § 63c Abs. 1 [X.] 2019 ([X.] 3054) - nach der Gesetzesbegründung allein auf die unfallrechtliche Einsatzversorgung; allgemeine Fragen der Ruhegehaltsberechnung haben sie nicht zum Gegenstand (vgl. [X.]. 19/9491 S. 139).

c) In gesetzessystematischer Hinsicht ist zu differenzieren: Nach der gesetzlichen Systematik des Soldatenversorgungsgesetzes ist zu beachten, dass § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 eine allein ruhegehaltbezogene Rechtsfrage in Anknüpfung an die "besondere Auslandsverwendung" beantwortet. Dagegen beinhalten die in §§ 63c bis 63g [X.] ([X.] 3592) sowie in § 103 Abs. 1 und 2 [X.] getroffenen Vorschriften das besondere Recht der Einsatzversorgung mit Regelungen zur [X.] und der Wiedereingliederung. Der Ruhegehaltsanspruch, den § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 mit ausgestaltet, unterscheidet sich aber nach Funktion, Voraussetzungen und Rechtsfolge wesentlich vom Recht der Einsatzversorgung nach dem durch die Verweisung in Bezug genommenen § 63c [X.].

Das in die Vorschriften der §§ 63c bis 63g [X.] im Jahre 2004 in das Soldatenversorgungsgesetz eingefügte Einsatzversorgungsrecht umfasst grundsätzlich alle Leistungen der [X.], allerdings angepasst an die Erfordernisse besonderer [X.]. Dazu zählen nach § 63c Abs. 3 [X.] insbesondere der Schadensausgleich in besonderen Fällen (§ 63b), das Unfallruhegehalt (§ 63d) und die einmalige Entschädigung (§ 63e). Der Schutzzweck des [X.] liegt in der verbesserten Absicherung von Soldaten gegenüber den Folgen einer anlässlich einer besonderen Auslandsverwendung erlittenen gesundheitlichen Schädigung.

Funktionell mit dem Einsatzversorgungsrecht verwandt ist das Recht der [X.], das durch das Gesetz zur Regelung der Weiterverwendung nach Einsatzunfällen vom 12. Dezember 2007 zum 18. Dezember 2007 geschaffen worden ist ([X.] - [X.] - [X.] 2861). Das [X.] dient einer verbesserten Absicherung einsatzgeschädigter Soldaten dadurch, dass diesen insbesondere die Herstellung der Dienstfähigkeit für die Wiederaufnahme der bisherigen beruflichen Tätigkeit, für eine Weiterverwendung beim [X.] oder für eine sonstige Eingliederung in das Arbeitsleben sowie die hierfür erforderliche berufliche Qualifizierung im Soldatenstatus ermöglicht werden. Es handelt sich mithin um ein besonderes Wiedereingliederungsrecht. Der Begriff der "Einsatzgeschädigten" (§ 1 [X.]) als zentrale persönliche Anspruchsvoraussetzung knüpft an einen Einsatzunfall i.S.v. § 63c Abs. 2 [X.] an, der wiederum eine besondere Auslandsverwendung im Sinne von § 63c Abs. 1 [X.] voraussetzt.

Materiell handelt es sich sowohl bei dem Recht der Einsatzversorgung als auch bei demjenigen der [X.] um [X.] und damit um Soldatenversorgungsrecht in einem weiteren Sinne. Maßgeblich ist die Rechtslage im [X.]punkt des Schadensereignisses, d.h. im [X.]punkt des [X.]. Beide Institute setzen einen Einsatzunfall voraus und unterscheiden sich damit schon in ihren tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen vom Ruhegehaltsanspruch, für den es maßgeblich auf die Rechtslage im [X.]punkt der Zurruhesetzung ankommt (Versorgungsfallprinzip). Die Verschiedenheit des Ruhegehaltsrechts einerseits und des [X.] als besonderes Dienstunfallrecht andererseits legt es nicht nahe, die Rechtsvorschriften trotz unterschiedlichen zeitlichen Anknüpfungspunkts einheitlich auszulegen. Dies deutet eher darauf hin, dass die Verweisung in § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 allein auf die Legaldefinition der besonderen Auslandsverwendung in § 63c Abs. 1 [X.] gerichtet ist.

d) Aus den verschiedenen maßgeblichen [X.]punkten - d.h. dem [X.]punkt des Schadensereignisses oder dem [X.]punkt der Zurruhesetzung - folgt nach Sinn und Zweck der Regelungen, dass der Gesetzgeber im Einsatzversorgungsrecht, um (überhaupt) eine Rückerstreckung des zeitlichen Anwendungsbereichs zu bewirken, dies ausdrücklich regeln muss, während aufgrund des im Ruhegehaltsrecht geltenden Versorgungsfallprinzips eine Rückerstreckung des zeitlichen Anwendungsbereichs gleichsam von selbst eintritt mit der Folge, dass eine Bestimmung des zeitlichen Anwendungsbereichs nur erforderlich ist, wenn dieser entsprechend dem Gestaltungsanliegen des Gesetzgebers auf ein bestimmtes Datum in der Vergangenheit begrenzt werden soll. Dementsprechend ist aus der Gesetzesbegründung zur Übergangsregelung in § 103 Abs. 2 [X.] 2015 ([X.] 796) zu ersehen, dass der Gesetzgeber sich bei der Schaffung der Vorschrift der allgemeinen Grundsätze zum maßgeblichen [X.]punkt für die Normanwendung bewusst war und er mit der Rückerstreckung des zeitlichen Anwendungsbereichs auf den 1. November 1991 - anders als mit § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 - ein konkretes Gestaltungsanliegen verfolgt hat.

Für die Auslegung bedeutsam sind weiter Sinn und Zweck der in § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 einerseits und § 76e [X.] 2011 andererseits enthaltenen unterschiedlichen Voraussetzungen. Während § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 die doppelte Ruhegehaltfähigkeit von [X.]en besonderer [X.] für Berufssoldaten mit Pensionsanspruch regelt, verbessert § 76e [X.] 2011 spiegelbildlich die rentenrechtliche Absicherung der Zivilbediensteten sowie der Helfer des [X.] und der Soldaten ohne Pensionsanspruch, also von Soldaten auf [X.] und von Soldaten, die aufgrund einer freiwilligen Verpflichtung eine Auslandsverwendung im Rahmen des Wehrdienstes leisten oder die im Rahmen ihrer Dienstleistungspflicht nach § 62 SG zu einer besonderen Auslandsverwendung herangezogen werden (insbesondere Reservisten).

Nach § 76e Abs. 1 [X.] 2011 werden für [X.]en einer besonderen Auslandsverwendung nach § 63c Abs. 1 [X.] ab dem 13. Dezember 2011 Zuschläge an Entgeltpunkten zu den in diesem Monat erworbenen Pflichtbeiträgen gewährt, wenn während dieser [X.]en Pflichtbeitragszeiten vorliegen und nach dem 30. November 2002 insgesamt mindestens 180 Tage an [X.]en einer besonderen Auslandsverwendung vorliegen, die jeweils ununterbrochen mindestens 30 Tage gedauert haben. Wie insbesondere an der identisch formulierten tatbestandlichen Anknüpfung an § 63c Abs. 1 [X.] und den gleichen sachlichen Anforderungen an die Dauer der Einsatzzeiten zu erkennen ist, handelt es sich bei § 76e Abs. 1 [X.] 2011 um die funktionale Entsprechung zu § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung. Auch die Begründung des Gesetzesentwurfs zum [X.] benennt die zu § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 analoge Funktion der Vorschrift, die Belastungen durch besondere [X.] verstärkt anzuerkennen (vgl. [X.]. 17/7143 S. 21), und behandelt die beiden Vorschriften aufgrund dessen in einem inhaltlichen Zusammenhang (vgl. [X.]. 17/7143 S. 1).

Die verbesserte rentenrechtliche Absicherung in Form von Zuschlägen an Entgeltpunkten nach § 76e Abs. 1 [X.] 2011 gilt indes aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung - und dem Wortlaut nach damit wiederum abweichend von § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 - nur für [X.]en der besonderen Auslandsverwendung, für die bereits Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung ab Dezember 2002 erworben wurden. Die Pflichtbeitragszeit muss aus der besonderen Verwendung im Ausland herrühren; sie bleibt dem ehemaligen Soldaten erhalten, wenn er nachversichert wird (vgl. [X.], in: [X.], jurisPK [X.], 3. Aufl. 2021, § 76e Rn. 9; [X.], in: Kasseler Kommentar, [X.], Stand März 2021, § 76e Rn. 3). Denn nach § 185 Abs. 2 i.V.m. § 186a Abs. 1 und § 188 Abs. 1 [X.] gelten auch [X.] als rechtzeitig gezahlte Pflichtbeiträge. Außerdem unterscheiden sich beide Modelle darin, dass die doppelte Berücksichtigung der besonderen [X.] nach § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 durch den [X.] von 71,75 v.H. gedeckelt ist, während die Zuschläge für die Entgeltpunkte nach § 76e Abs. 1 [X.] 2011 gemeinsam mit den Entgeltpunkten für die versicherte Beschäftigung die Entgeltpunkte überschreiten dürfen, die sich aus Beiträgen bis zur Beitragsbemessungsgrenze ergeben.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es sich bei § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 nach der gesetzlichen Regelungstechnik in der Rechtsfolge um eine Vorschrift handelt, die die Entscheidung über eine doppelte ruhegehaltfähige Berücksichtigung der [X.]en besonderer Auslandsverwendung - grundsätzlich - ins pflichtgemäße Ermessen der [X.] legt ("können"). Dagegen handelt es sich bei der Entscheidung der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 76e Abs. 1 [X.] 2011 über die Zuschläge an Entgeltpunkten infolge [X.]en besonderer Auslandsverwendung um eine in der Rechtsfolge gesetzlich gebundene Entscheidung ("werden").

e) Es ist Sache des Gesetzgebers, eine im Gesetzeswortlaut des § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 Niederschlag findende Stichtagsregelung für das Einsetzen der Berücksichtigung von [X.]en besonderer [X.] bis zum Doppelten als ruhegehaltfähige Dienstzeit zu bestimmen. Daran fehlt es bisher. Im Wortlaut der Parallelregelung des § 76e Abs. 1 [X.] 2011 ist dies gelungen. Im gewaltengeteilten [X.] ist es nicht Aufgabe der Gerichte, einer von Verwaltungsbehörden für zutreffend gehaltenen Gesetzesanwendung, die sich nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen dem Gesetz, insbesondere dem Gesetzeswortlaut, nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen lässt, Geltung zu verschaffen. Derartige Regelungsdefizite muss der Gesetzgeber selbst beheben (BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 2020 - 2 C 11.20 - [X.] 239.2 LBeamtVersorgR Nr. 5 Rn. 40).

2. Die Beklagte hat aber das ihr in § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] eingeräumte Ermessen mit dem Bescheid vom 5. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2018 noch nicht fehlerfrei ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO).

Zwar wird in dem Widerspruchsbescheid ausgeführt, das Ermessen der [X.] sei zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung im Rahmen der [X.] durch die Erlasse des [X.] vom 8. März 2012 ([X.] 3 - Az 20-01-01/45 -), vom 23. August 2012 ([X.] 3 - Az 20-02-08/07 -) und vom 16. August 2013 ([X.] 3 - Az 20-02-08/07 -) dahingehend gebunden worden, dass nach dem 30. November 2002 erbrachte [X.]en besonderer Auslandsverwendung stets mit dem Doppelten der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit zu berücksichtigen seien. Insoweit enthalten die genannten Erlasse zwar die Verwaltungspraxis leitende Ermessungserwägungen; diese beziehen sich jedoch nur auf [X.] nach dem darin bezeichneten Stichtag, nicht aber auf die hier streitigen Verwendungen, die vor diesem Stichtag liegen.

Eine fehlerfreie Ermessensausübung steht damit noch aus. Bei der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens wird die Beklagte in ihre Ermessenserwägungen insbesondere einstellen müssen, dass nach ihrer behördeninternen Erlasslage für von Soldaten nach dem 30. November 2002 absolvierte [X.]en besonderer [X.] nach § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 stets das Doppelte dieser [X.] als ruhegehaltfähige Dienstzeit zu berücksichtigen sind. Abgestufte Regelungen sind danach ausgeschlossen (Ziff. 4 der Hinweise des [X.] vom 23. August 2012 zum [X.] 2011 vom 8. März 2012 <[X.] 3 - Az 20-01-01/45 ->). Die Beklagte hat das ihr gesetzlich eingeräumte Einzelfallermessen damit durch Verwaltungsvorschrift dahingehend generalisiert, bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 in der Rechtsfolge bei [X.]en besonderer [X.] stets das Doppelte dieser [X.] als ruhegehaltfähige Dienstzeit zu berücksichtigen. Nach dieser - allerdings abänderbaren - [X.] hat sie sich auch bei der Bewertung von [X.]en besonderer [X.] vor dem 1. Dezember 2002 zu richten.

Die Beklagte hat folglich das ihr in § 25 Abs. 2 Satz 3 [X.] 2011 eingeräumte Ermessen nicht dem Zweck der Ermächtigung entsprechend ausgeübt (vgl. § 40 VwVfG und § 114 Satz 1 VwGO) und ist daher zu verpflichten, über den Antrag des [X.] eine neue, fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Beachtung der dargelegten Rechtsauffassung des [X.] zu treffen.

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

2 C 14/20

09.09.2021

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, 23. April 2020, Az: 5 Bf 384/18, Urteil

§ 25 Abs 2 S 3 SVG vom 05.12.2011, § 63c Abs 1 SVG vom 21.12.2012, § 76e Abs 1 S 1 SGB 6 vom 05.12.2011

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 09.09.2021, Az. 2 C 14/20 (REWIS RS 2021, 2744)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2744

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