Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2015, Az. XII ZB 352/14

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 17212

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 352/14

vom

14. Januar
2015

in der
Betreuungssache

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 14.
Januar 2015
durch
die Richter Dr.
Klinkhammer, Schilling, Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des
Betroffenen wird der Beschluss des [X.]s [X.]

5.
Zivilkammer
vom 30.
Mai 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
[X.]: 5.000

Gründe:
I.
Der
Betroffene wendet sich gegen die Anordnung der Betreuung.
Der Betroffene, der an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt ist,
be-findet sich derzeit aufgrund eines rechtskräftigen Strafurteils im [X.] nach §
63 StGB in einem psychiatrischen Bezirkskrankenhaus.

Auf Anregung des Krankenhauses
hat das Amtsgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und der persönlichen Anhörung des Be-troffenen eine Betreuung mit den [X.] und 1
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3
-
3
-
Aufenthaltsbestimmung für nervenärztliche Behandlung angeordnet und den Beteiligten
zu
1 zum Betreuer bestellt.
Das [X.] hat die
Beschwerde des Betroffenen ohne dessen [X.] Anhörung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine Rechtsbe-schwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der [X.] Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das [X.].
1. Das Beschwerdegericht hat die Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung nach §
1896 Abs.
1 BGB bejaht und zur Begründung folgendes ausgeführt:
Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten leide der Betroffene an einer paranoiden Schizophrenie, wobei differenzialdiagnostisch auch
an eine schizotype Störung gedacht werden müsse. Aufgrund der bestehenden psychi-schen Erkrankung des Betroffenen bestehe auch eine Betreuungsbedürftigkeit. Nach der aktuellen Stellungnahme des [X.] willige der Be-troffene nicht in eine medikamentöse Behandlung ein, die bei einer schizophre-nen Erkrankung aber die wichtigste therapeutische Maßnahme sei. Ein milderes
Mittel komme nicht in Betracht. Von einer nochmaligen Anhörung des [X.] habe gemäß §
68 Abs.
3 Satz
2 FamFG abgesehen werden können, da hieraus kein neuer Erkenntnisgewinn zu erwarten gewesen sei.
2. Diese
Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

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4
-
a) Die Rechtsbeschwerde rügt
zu Recht einen Verstoß gegen §
1896 Abs.
1
a BGB.
aa) Nach dieser Vorschrift darf gegen den freien Willen des Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden. Wenn der Betroffene

wie hier

der Einrich-tung einer Betreuung nicht zustimmt, ist neben der Notwendigkeit einer Betreu-ung stets zu prüfen, ob die Ablehnung durch den Betroffenen auf einem freien Willen
beruht ([X.]sbeschluss vom 9.
Februar 2011

XII
ZB
526/10

FamRZ 2011, 630 Rn.
3). Das fachärztlich beratene Gericht hat daher festzustellen, ob der Betroffene trotz seiner Erkrankung noch zu einer freien Willensbestimmung fähig ist ([X.]sbeschluss vom 9.
Februar 2011

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526/10

FamRZ
2011, 630 Rn.
8).
Die
Begriffe
der freien Willensbestimmung in
§
1896 Abs.
1
a BGB und in §
104 Nr.
2 BGB sind, wie der [X.] bereits entschieden hat ([X.]sbeschlüs-se
vom 9.
Februar 2011

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FamRZ 2011, 630 Rn.
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und vom 26.
Februar 2014

XII
ZB
577/13
FamRZ 2014, 830 Rn.
13), im [X.]. Die beiden entscheidenden Kriterien sind dabei die Einsichtsfä-higkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln.
Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grund-satz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Dabei dürfen jedoch keine über-spannten Anforderungen an die Auffassungsgabe des Betroffenen gestellt wer-den. Auch der an
einem Gebrechen im Sinne des §
1896 Abs.
1 BGB leidende Betroffene kann in der Lage sein, einen freien Willen zu bilden und ihn zu [X.]. Erforderlich
ist sein
Verständnis, dass ein gesetzlicher Vertreter (§
1902 BGB) bestellt wird, der eigenständige Entscheidungen in den ihm übertragenen Aufgabenbereichen treffen kann. Der Betroffene muss Grund, Bedeutung und 9
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Tragweite einer Betreuung intellektuell erfassen können ([X.]sbeschluss vom 26.
Februar 2014

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mRZ 2014, 830 Rn.
14).
Die Einsichtsfähigkeit in den Grund der Betreuung setzt dabei denknot-wendig voraus, dass der Betroffene seine Defizite wenigstens im Wesentlichen zutreffend einschätzen kann. Nur
dann ist es ihm nämlich möglich, die für und gegen eine Betreuung sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen ([X.]sbeschluss vom 9.
Februar 2011

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FamRZ
2011, 630 Rn.
8 mwN).
Handlungsfähigkeit als weitere Voraussetzung der freien Willensbestim-mung liegt vor, wenn der Betroffene imstande ist, nach der gewonnenen Er-kenntnis zu handeln, also die sich daraus ergebenden Schlüsse in Bezug auf die Einrichtung einer Betreuung umzusetzen ([X.]sbeschluss vom 26.
Feb-ruar 2014

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ZB
577/13

FamRZ 2014, 830 Rn.
16).
[X.]) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung nicht [X.], da sie sich zu den Voraussetzungen des §
1896
Abs.
1
a BGB nicht
ver-hält. Insoweit fehlt es auch an den erforderlichen Feststellungen. Insbesondere ergibt sich aus dem vom Beschwerdegericht zur Begründung seiner Entschei-dung in Bezug genommenen Sachverständigengutachten nicht, ob der Betroffe-ne zur Bildung eines freien Willens i.S.v. §
1896 Abs.
1
a BGB in der Lage ist.
Die Sachverständige kommt
in ihrem Gutachten zwar zu dem Ergebnis, dass bei dem Betroffenen
aufgrund der festgestellten psychischen Störung
die Indikation für eine Betreuung im Bereich der Gesundheitsfürsorge
und insoweit auch für den Bereich der Aufenthaltsbestimmung
gegeben ist. Im Übrigen
führt die Sachverständige jedoch nur aus, dass es aufgrund der Störung und der un-terschiedlichen Ausprägung der Störung schwer zu beurteilen sei, ob der Be-troffene in die Maßnahme einwilligen könne. Bei einem nicht vorhandenen
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-
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Krankheitsbewusstsein
müsse man aber wohl davon ausgehen, dass dem Be-troffenen eine Einwilligung in diese Maßnahmen letztlich nicht möglich sei.
Ob dem Betroffenen krankheitsbedingt die Fähigkeit fehlt, einen freien Willen zu bilden und die Bedeutung der Einrichtung einer Betreuung für seine Lebensge-staltung zu erkennen, hat die
Sachverständige damit
nicht festgestellt.
Da der
Betroffene in dem bei seiner Anhörung
vorgelegten Schreiben vom 24.
November 2013 ausdrücklich die Einrichtung einer Betreuung abge-lehnt hat, durfte
ohne entsprechende Feststellungen zu §
1896 Abs.
1
a BGB keine Betreuung angeordnet werden. Dass gilt auch dann, wenn eine Betreu-ung für den Betroffenen objektiv vorteilhaft wäre (vgl. [X.]sbeschluss vom 14.
März 2012

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ZB
502/11
RZ 2012, 869 Rn.
19).
b) Die
angefochtene Entscheidung ist auch deshalb fehlerhaft, weil das Beschwerdegericht entgegen §
1897 Abs.
4 Satz
1 BGB nicht auf den gegen-über der Betreuungsbehörde ausdrücklich geäußerten Wunsch des
[X.], seine Mutter
zur
Betreuerin
zu bestellen, eingegangen ist.
aa) Nach §
1897 Abs.
4 Satz
1 BGB hat das Betreuungsgericht dem Vorschlag des Betroffenen, eine Person zum Betreuer zu bestellen, zu entspre-chen, sofern die Bestellung des vorgeschlagenen Betreuers dem Wohl des Be-troffenen
nicht zuwiderläuft. Ein solcher Vorschlag erfordert weder Geschäftsfä-higkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden. Etwaigen Missbräuchen und Gefahren wird hinreichend durch die [X.], letztlich auf das Wohl des Betroffenen abstellende Bindungswirkung eines solchen Vorschlags begegnet ([X.]sbeschluss vom 15.
Dezember 2010

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165/10
Z 2011, 285 Rn.
14).

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[X.]) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung nicht [X.]. Das Beschwerdegericht hat sich nicht mit dem Wunsch des
Betroffenen, seine Mutter zur
Betreuerin
zu bestellen, befasst.
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie
nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Be-deutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).
4. Die Entscheidung ist daher insgesamt aufzuheben und, weil die Sache in tatsächlicher Hinsicht noch nicht ausreichend aufgeklärt ist, an das Be-schwerdegericht zurückzuverweisen (§
74 Abs.
6 Satz
2 FamFG).
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8
-
Dies gibt dem Beschwerdegericht Gelegenheit, im Rahmen der persönli-chen Anhörung die Willenskundgabe des Betroffenen zu überprüfen und wegen der Frage, ob die Bestellung der Mutter zur Betreuerin möglicherweise dem Wohl des Betroffenen zuwiderläuft, weitere Ermittlungen anzustellen.

Klinkhammer

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.12.2013 -
XVII 657/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 30.05.2014 -
5 [X.] -

23

Meta

XII ZB 352/14

14.01.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2015, Az. XII ZB 352/14 (REWIS RS 2015, 17212)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17212

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