Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 05.03.2021, Az. 5 C 11/19

5. Senat | REWIS RS 2021, 8144

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Gegenstand

Angemessenheit einer zahnärztlichen Gebührenforderung; Kieferorthopädie; Klebebracket


Leitsatz

Für die Eingliederung von Klebebrackets kann neben der Nummer 6100 nicht zusätzlich auch die Nummer 2197 Anlage 1 GOZ abgerechnet werden, weil deren selbstständige Berechnungsfähigkeit nach § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 5. Juli 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den Umfang von [X.] für die Eingliederung von [X.] im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung.

2

Die Klägerin ist Beamtin des [X.] und für ihren im Jahr 2002 geborenen [X.] beihilfeberechtigt. Für eine bei diesem geplante kieferorthopädische Behandlung reichte sie im [X.] bei der zuständigen Beihilfestelle einen Behandlungsplan ein, der u.a. für die Eingliederung von [X.] neben der Nummer 6100 (Eingliederung eines [X.]) des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Zahnärzte auch die dortige Nummer 2197 (adhäsive Befestigung) vorsah.

3

Die Beihilfestelle erkannte die aufgeführten Aufwendungen mit Ausnahme des Ansatzes der Nummer 2197 des Gebührenverzeichnisses als dem Grunde nach beihilfefähig an. Die Abrechnung der adhäsiven Befestigung sei neben der Nummer 6100 des Gebührenverzeichnisses nicht beihilfefähig, weil Letztere ihrem Leistungsinhalt nach eine Klebebefestigung umfasse. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Bescheid vom 22. Juli 2014 zurückgewiesen.

4

Auf die hiergegen erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten zur Anerkennung der Leistung nach der Nummer 2197 neben der Nummer 6100 des Gebührenverzeichnisses. Die hierzu ergangene Rechtsprechung der Zivilgerichte bejahe die Abrechenbarkeit nahezu einhellig; dieser sei zu folgen. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe rechtzeitig für Klarheit über seine Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen der Gebührenordnung gesorgt. Diese Auslegung, nach welcher die Nummern 6100 und 2197 des Gebührenverzeichnisses nicht nebeneinander anwendbar seien, sei nicht nur vertretbar, sondern entgegen der in der Zivilrechtsprechung mehrheitlich vertretenen gegenteiligen Ansicht auch rechtlich zutreffend. Weder eine Auslegung nach dem Wortlaut noch nach der Systematik ergebe, dass eine parallele Abrechnungsmöglichkeit zwingend sei. Vielmehr ergebe eine Auslegung nach dem Sinn und Zweck, dass die Eingliederung des [X.] im Rahmen der Nummer 6100 des Gebührenverzeichnisses und die adhäsive Befestigung nach dessen Nummer 2197 identische Leistungen darstellten und nicht nebeneinander abrechenbar seien.

5

Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die beanstandete Abrechnung stehe im Einklang mit der Gebührenordnung.

6

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil des [X.].

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 141, 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Abrechnung der Nummer 2197 neben der Nummer 6100 der Anlage 1 der Gebührenordnung für Zahnärzte ([X.]) vom 22. Oktober 1987 ([X.]), die zuletzt durch Art. 1 der Verordnung vom 5. Dezember 2011 ([X.]) geändert worden ist, zusteht. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO).

8

Grundlage für den im Streit stehenden [X.] ist § 10 Satz 2 i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung des [X.] über die Gewährung von Beihilfe in Krankheits-, Pflege, Geburts- und sonstigen Fällen in der - soweit hier von Interesse - seit dem [X.] inhaltlich unverändert gebliebenen und bis zum 27. November 2020 geltenden Fassung ([X.] Beihilfeverordnung - SächsBhVO a.F.), die hier weiterhin maßgeblich ist, weil nach den Feststellungen des [X.] die vom streitigen Anerkennungsbegehren erfassten Leistungen noch vor dem Ergehen des angefochtenen Urteils erbracht worden sind. Danach sind Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen nach Beginn der zweiten Phase des [X.] dem Grunde nach beihilfefähig, wenn bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet ist und die Festsetzungsstelle vor Beginn der Behandlung die Beihilfefähigkeit auf der Grundlage eines vorgelegten Heil- und Kostenplanes dem Grunde nach anerkannt hat. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 SächsBhVO a.F. sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Zwischen den Beteiligten steht die grundsätzliche Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die hier in Rede stehende Eingliederung von [X.] zu Recht nicht im Streit. Ihr Streit konzentriert sich vielmehr darauf, ob es sich bei der hierfür im Raum stehenden Nummer 2197 der Anlage 1 [X.] um angemessene Aufwendungen handelt. Das ist nicht der Fall.

9

Die Angemessenheit von Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen beurteilt sich gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 SächsBhVO a.F. nach dem [X.] der Gebührenordnung für Zahnärzte in der jeweils geltenden Fassung. Somit knüpft die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für ärztliche Leistungen grundsätzlich an den Leistungsanspruch des Arztes an und setzt im Rahmen der hier in Rede stehenden Entscheidung über die Vorabanerkennung voraus, dass dieser im Behandlungsplan einen Leistungsanspruch unter zutreffender Auslegung der Gebührenordnung bezeichnet hat.

Das Oberverwaltungsgericht ist richtigerweise davon ausgegangen, dass die Frage der materiell-rechtlichen Berechtigung des hier in Rede stehenden ärztlichen [X.] anhand einer objektiv zweifelhaften Gebührenvorschrift zu beurteilen ist, deren Auslegung bislang nicht als geklärt angesehen werden kann. Ferner hat es ausgehend hiervon zutreffend angenommen, dass dann die Anwendung des Gebührenrechts durch den Dienstherrn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vollständig zu prüfen ist (1.). Ebenfalls zuzustimmen ist seiner Beurteilung, dass der Klägerin kein Anspruch auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Abrechnung der Nummer 2197 neben der Nummer 6100 der Anlage 1 [X.] dem Grunde nach zusteht (2.).

1. Ob der Arzt eine Forderung zu Recht geltend gemacht hat, ist eine der Beihilfegewährung vorgreifliche Rechtsfrage, die nach der Natur des Rechtsverhältnisses zwischen Arzt und Patienten dem Zivilrecht zuzuordnen ist. Den Streit über die Berechtigung einer ärztlichen Liquidation entscheiden letztverbindlich die Zivilgerichte. Damit ist für die Entscheidung, ob nach den Maßstäben des Beihilferechts Aufwendungen für ärztliche Leistungen angemessen sind, die Auslegung des ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte maßgebend. Deren Beurteilung im konkreten Fall präjudiziert die Angemessenheit der Aufwendungen für ärztliche Leistungen im beihilferechtlichen Sinne. Hat das Zivilgericht - in welcher Instanz auch immer - den Beamten rechtskräftig zur Begleichung der Honorarforderung eines Arztes verurteilt, ist die Vergütung regelmäßig angemessen im Sinne des Beihilferechts. Gleiches gilt, wenn es eine einschlägige und eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung zu den sich im konkreten Fall stellenden gebührenrechtlichen Fragen gibt. Ist dies nicht der Fall, hat der Dienstherr zu prüfen, ob die vom Arzt bezeichneten Ansprüche nach materiellem Recht begründet sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2017 - 2 C 19.16 - BVerwGE 160, 114 Rn. 17 f., 22 m.w.N.). [X.] gilt entsprechend auch für das Verfahren, in dem - wie hier auf der Grundlage eines Kostenplanes - über die Vorabanerkennung der Beihilfefähigkeit von erst künftig entstehenden Aufwendungen auch mit Blick auf ihre Angemessenheit entschieden und der Beamte zugleich individuell über die Auslegung objektiv zweifelhafter Vorschriften des Gebührenrechts durch den Dienstherrn in Kenntnis gesetzt wird, was insoweit Vorrang gegenüber etwaigen generellen Auslegungshinweisen hat.

Hat - wie hier - der Dienstherr die Berechtigung des [X.] selbst geprüft, ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine vollumfängliche Prüfung der Anwendung des Gebührenrechts durch den Dienstherrn im Rahmen der Anerkennungsentscheidung vorzunehmen, die gerichtliche Kontrolldichte ist nicht zu dessen Gunsten auf die bloße Vertretbarkeit seiner Auffassung reduziert (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2021 - 5 C 7.19 - Rn. 13, zur [X.] in der Entscheidungssammlung vorgesehen). Davon ist das Oberverwaltungsgericht in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung ([X.], Urteil vom 24. August 2018 - 2 A 887/16 - juris Rn. 21) zutreffend ausgegangen.

2. Auf der Grundlage dieser Maßstäbe lässt sich hier die Angemessenheit der Aufwendungen allerdings - anders als die Klägerin meint - nicht bejahen. Eine Entscheidung über die Berechtigung der bereits vor Ergehen des angefochtenen Urteils erbrachten Gebührenforderung ist im ordentlichen Rechtsweg nach den Feststellungen des [X.] nicht ergangen. Zudem ist die in Rede stehende Auslegungsfrage auch nicht abschließend zivilgerichtlich geklärt. Auch wenn in der Regel davon auszugehen ist, dass objektiv zweifelhafte Gebührenvorschriften, bei denen es ernsthaft widerstreitende Meinungen über die Berechtigung des Gebührenansatzes geben kann, lediglich der Ausnahmefall sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1994 - 2 C 10.92 - BVerwGE 95, 117 <119>), folgt die Zweifelhaftigkeit der hier in Rede stehenden Anwendbarkeit der Nummer 2197 Anlage 1 [X.] aus den vom Oberverwaltungsgericht angeführten hierzu ergangenen divergierenden zivilgerichtlichen Entscheidungen, die sich auch in dem unterschiedlichen Ausgang der vorinstanzlichen Verfahren widerspiegeln.

Die zwischen den Beteiligten allein im Streit stehende Frage, ob für die Eingliederung von [X.] im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung neben der zweifelsfrei einschlägigen Nummer 6100 auch die Nummer 2197 Anlage 1 [X.] in Ansatz gebracht werden darf, hat der Beklagte zutreffend verneint. Nummer 2197 Anlage 1 [X.] umfasst dem [X.] nach die adhäsive Befestigung eines Therapiegeräts bzw. Werkstücks, das seinerseits mit einem Klammerzusatz ("plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Veneer etc.") umschrieben wird. Ihre weitere Berechnung ist allerdings nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Erbringung der Leistung nach der Nummer 6100 Anlage 1 [X.] schon ihrem [X.] nach mit einer adhäsiven Befestigung einhergeht (a). Ihre selbstständige Berechnungsfähigkeit ist aber nach § 4 Abs. 2 Satz 2 [X.] grundsätzlich ausgeschlossen, weil sie zwar nicht Bestandteil, wohl aber besondere Ausführung der Leistung nach der Nummer 6100 Anlage 1 [X.] ist (b). Der Verordnungsgeber hat die adhäsive Befestigung im Verhältnis zur Leistung nach der Nummer 6100 Anlage 1 [X.] schließlich nicht derart abrechnungstechnisch verselbstständigt, dass sich die Frage nach ihrem Verhältnis zueinander nicht mehr stellt (c).

a) Die Abrechenbarkeit der Nummer 2197 neben der Nummer 6100 Anlage 1 [X.] scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Inhalt der dort beschriebenen Leistung so zu verstehen wäre, dass die Eingliederung eines [X.] nur im Wege der adhäsiven Befestigung erfolgen könne. Unabhängig von der Reichweite der Regelung in § 4 Abs. 2 [X.] ist es eine abrechnungsrechtliche Selbstverständlichkeit, dass eine Leistung, die bereits auf [X.] im Sinne einer unselbstständigen Teilleistung als Inhalt einer anderen Leistung bezeichnet ist, [X.] berechnet werden darf. Hätte also der Verordnungsgeber unmittelbar deutlich gemacht, dass mit der Eingliederung eines [X.] nach Maßgabe der Nummer 6100 Anlage 1 [X.] nur eine solche in Anwendung der [X.] gemeint ist, dann käme der Ansatz einer weiteren Gebühr, die ausdrücklich dasselbe umfasst, von vornherein nicht in Betracht. Es handelte sich dann bereits mit Blick auf die Leistungsbeschreibung um eine Doppelleistung wegen einer insoweit vollständigen Identität des [X.]. Das ist für das Verhältnis der Nummer 2197 etwa zur Nummer 2100 Anlage 1 [X.], in der die [X.] ausdrücklich erwähnt ist, auch grundsätzlich anerkannt (vgl. Kommentierung der [X.] zur [X.] (Gebührenteil), Stand 28. Mai 2020, [X.]; [X.]/[X.]/[X.], DER Kommentar [X.]/[X.], 2020, [X.]-Nr. 2197 Nr. 1.6). Dass sich die Eingliederung eines [X.] indes nach der Nummer 6100 Anlage 1 [X.] nicht auf die [X.] beschränkt, ergibt sich aus einer Auslegung der Norm, insbesondere anhand von Wortlaut und Systematik. Danach ist die Anwendung der [X.] keine unselbstständige Teilleistung der in Nummer 6100 Anlage 1 [X.] beschriebenen Leistung. Vielmehr kann die Eingliederung eines "[X.]" mittels einer Technik erfolgen, die im Sinne eines Oberbegriffs sowohl die [X.] wie auch andere Befestigungsarten unter Verwendung eines "Klebstoffs" als Verbindungsmittel umfasst.

Die durch die Novellierung der [X.] inhaltlich unverändert gebliebene Nummer 6100 Anlage 1 [X.] umfasst nach ihrem Wortlaut die "Eingliederung eines [X.] ...". Dabei ist mit [X.] zunächst das Einsetzen des [X.] an die therapeutisch richtige Stelle im Zahnraum einschließlich der erforderlichen Anpassungen am Gerät gemeint (vgl. Kommentierung der [X.] zur [X.] (Gebührenteil), Stand 28. Mai 2020, [X.]). Handelt es sich um ihrer Konstruktion nach festsitzende Therapiegeräte, ist das [X.] notwendig auch mit der Befestigung als solcher verbunden. Wie diese Befestigung nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers technisch durchgeführt werden soll, hat er allerdings nicht ausdrücklich deutlich gemacht; insbesondere hat er nicht etwa entsprechend der Nummer 2100 Anlage 1 [X.] in den [X.] aufgenommen, dass die Behandlung "in [X.]" erfolgt. Eine diesbezügliche Konkretisierung ergibt sich indirekt allerdings daraus, dass er in diesem Zusammenhang den Begriff "Klebebracket" verwendet, was den Schluss zulässt, dass die Eingliederung in einer "Klebetechnik" erfolgen soll. Wäre es dem Verordnungsgeber nur darum gegangen, das einzugliedernde Therapiegerät ohne Bezug zum Eingliederungsvorgang zu beschreiben, hätte er schlicht den Begriff "Bracket" verwenden können.

Diese Eingrenzung der denkbaren Befestigungsmöglichkeiten auf ein "Einkleben" ist jedoch bei einer Wortlautbetrachtung nicht als gleichbedeutend mit der in Nummer 2197 Anlage 1 [X.] erwähnten [X.] anzusehen; der [X.] der Nummer 6100 Anlage 1 [X.] ist demgemäß nicht zu lesen als "Eingliederung eines [X.] in [X.]" (so aber die Stellungnahme des [X.] der [X.]-Nr. 2197 und 6100, Stand 16. März 2017, [X.]). Unter [X.] Befestigung ist ein Verfahren zu verstehen, mit dem mittels einer physikalisch-chemischen Konditionierung der Zahnkontaktflächen (Anätzen) und einer anschließenden Aufbringung von spezifischen Haftvermittlern das Werkstück befestigt wird (vgl. [X.]/[X.]/[X.], DER Kommentar [X.]/[X.], 2020, [X.]-Nr. 2197 Nr. 1 ff.). Auch der der Nummer 6100 Anlage 1 [X.] zu entnehmende Begriff des "[X.]" hat bei aller Unschärfe jedenfalls erkennbar zum Inhalt, dass das Bracket mit Hilfe eines "Klebstoffs", der aufgrund chemischer oder mechanischer Kräfte eine Verbindungswirkung erlangt, an den Zahn angeheftet wird, ohne dass aber notwendig eine Konditionierung und die Verwendung bestimmter Haftmittel vorausgesetzt wird. Insofern ist er dem Wortlaut nach erkennbar weiter als der der [X.]. Davon, dass die Anbringung eines [X.] technisch schlechterdings nur im Wege der [X.] möglich ist, etwa weil andere Verbindungsmittel keinerlei Haftwirkung hätten, und der Begriff des "[X.]" insofern enger zu verstehen wäre, ist nicht auszugehen. Insoweit wird darauf verwiesen, dass eine Befestigung von [X.] am Zahn auch mit Hilfe von Glasiomerzement als Verbindungsmittel möglich ist ([X.]/[X.]/[X.], DER Kommentar [X.]/[X.], 2020, [X.]-Nr. 2197 Nr. 2.2). Hiergegen wird zwar eingewandt, die Anwendung von Glasiomerzement im Zusammenhang mit [X.] habe keine Praxisrelevanz, weil sie sich wegen mangelnder Adhäsionskraft in der praktischen Anwendung als ungeeignet erwiesen habe (Stellungnahme des [X.] der [X.]-Nr. 2197 und 6100, Stand 16. März 2017, [X.]). Dies bedeutet aber gerade nicht, dass eine Verwendung von Glasiomerzement als Verbindungsmittel für die Eingliederung von [X.] schlechterdings ausgeschlossen ist.

In systematischer Hinsicht ist einerseits von Bedeutung, dass der Verordnungsgeber im Fall der Nummer 6120 Anlage 1 [X.] in der Leistungsbeschreibung lediglich von der "Eingliederung eines Bandes" spricht, ohne einen Bezug zu einer [X.] herzustellen. Dies stützt jedenfalls das Argument, dass er mit der Verwendung des Begriffs "Klebebracket" nicht nur das Objekt der Eingliederung, sondern auch eine spezifische Befestigungsmethode beschreiben wollte. Andererseits ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber bei der Novellierung der [X.] zwar die [X.] als eigenständige Leistung bzw. als Leistungselement in das Gebührenverzeichnis eingeführt hat, die Fassung der Leistungsbeschreibung der Nummer 6100 Anlage 1 [X.] aber nicht an diese nunmehr von ihm verwendete Terminologie angepasst hat. Wenn er der Auffassung gewesen wäre, die Befestigung eines [X.] sei auf die Verwendung der [X.] beschränkt, hätte es nahegelegen, dies in der Vorschrift klarzustellen. Denn die Verwendung unterschiedlicher Begrifflichkeiten in einem Normtext legt grundsätzlich nahe, dass auch Verschiedenes gemeint ist.

b) Ist die [X.] nicht bereits von vornherein mit der Nummer 6100 Anlage 1 [X.] abgegolten, ist für die Frage, ob die gleichzeitig oder im Zusammenhang damit erbrachte Leistung nach der Nummer 2197 Anlage 1 [X.] selbstständig berechnungsfähig ist, vor allem § 4 Abs. 2 Satz 2 [X.] in den Blick zu nehmen. Nach dieser Bestimmung kann der Zahnarzt für eine Leistung, die Bestandteil (Alt. 1) oder eine besondere Ausführung (Alt. 2) einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Der Bestimmung in § 4 Abs. 2 Satz 2 [X.] kommt ebenfalls eine klare abrechnungstechnische Bedeutung zu, die unmittelbar einleuchtet: Der Zahnarzt darf eine Leistung, die sich mit dem Inhalt einer von ihm gleichfalls vorgenommenen anderen Leistung überschneidet, nicht zweimal abrechnen (vgl. auch für die Parallelbestimmungen in der [X.]: BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2017 - 2 C 19.16 - [X.] 239.1 § 33 [X.] Nr. 2 Rn. 26 unter Verweis auf [X.], Urteil vom 5. Juni 2008 - [X.]/07 - [X.]Z 177, 43 Rn. 6 ff. m.w.N.).

Dies zugrunde gelegt kann die Nummer 2197 Anlage 1 [X.] für die Eingliederung eines [X.] nicht mehr in Ansatz gebracht werden, weil sich dessen Eingliederung in [X.] mit dem Inhalt der gleichzeitig angesetzten Nummer 6100 Anlage 1 [X.] überschneidet und daher dem sog. [X.] unterliegt. Dabei kann offenbleiben, ob sich eine solche Überschneidung bereits daraus ergibt, dass die Anwendung der [X.] im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 [X.] Bestandteil der mit der Nummer 6100 Anlage 1 [X.] abgerechneten Leistung ist. Denn sie folgt jedenfalls daraus, dass es sich bei ihr um eine besondere Ausführung dieser anderen Leistung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 [X.] handelt. Auf die mit Blick auf einen Leistungsbestandteil im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 [X.] wegen § 4 Abs. 2 Satz 4 [X.] relevante Frage, inwieweit die [X.] in der Punktebewertung der Nummer 6100 Anlage 1 [X.] berücksichtigt worden ist, kommt es dann nicht mehr an.

Mit § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 [X.] soll die gesonderte Berechnungsfähigkeit solcher Leistungen ausgeschlossen werden, die die Leistungsbeschreibung einer [X.] des Gebührenverzeichnisses erfüllen und lediglich eine besondere Art und Weise ihrer Erbringung darstellen. Dabei geht es nicht um das Verhältnis zwischen einer Regelmethodik oder Standardleistung und der Abweichung hiervon durch eine "besondere" Leistung, also auch nicht um die Frage, was die typische und was die atypische Form der Leistungserbringung ist. Vielmehr ist eine Leistungsausführung dann als besonders anzusehen, wenn sie sich als bloße methodische bzw. technische Variation oder Modifikation der beschriebenen Zielleistung erweist (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], [X.]/[X.], 1. Aufl. 2019 § 4 [X.] Rn. 31; [X.]/[X.]/[X.], DER Kommentar [X.]/[X.], 2020, § 4 [X.] Rn. 5 und 9). Dies ist dann zu bejahen, wenn die Beschreibung der Zielleistung im Gebührenverzeichnis ergibt, dass die in Rede stehende Leistungsausführung ihrer technischen oder methodischen Eigenart nach bereits davon mit umfasst ist, etwa weil die Leistungsbeschreibung offen lässt, mit welchen Techniken oder Methoden eine Leistung zu erbringen bzw. ein Behandlungsziel zu erreichen ist (vgl. [X.], Urteil vom 21. Januar 2010 - [X.]/09 - NJW-RR 2010, 1355 Rn. 11; [X.]/[X.]/[X.], DER Kommentar [X.]/[X.], 2020, § 4 [X.] Rn. 10). Dies zugrunde gelegt ist der Nummer 6100 Anlage 1 [X.] zu entnehmen, dass die in der Nummer 2197 Anlage 1 [X.] beschriebene [X.] im Sinne einer besonderen Ausführungsart in der Leistungsbeschreibung der erstgenannten [X.] enthalten ist.

Diese Bewertung ergibt sich schon daraus, dass nach den obigen Ausführungen zum Inhalt der in Nummer 6100 Anlage 1 [X.] mit "Eingliederung eines [X.]" eine Technik umschrieben wird, die im Sinne eines Oberbegriffs auch die [X.] umfasst, wobei offengelassen wird, mit welcher der möglichen Techniken das [X.] erreicht wird. Infolgedessen ist die Befestigung eines [X.] in Anwendung dieser Technik als besondere Ausführung der in Nummer 6100 Anlage 1 [X.] genannten Leistung anzusehen.

c) Die Anwendung der [X.] kann nach der Nummer 2197 Anlage 1 [X.] schließlich auch nicht ausnahmsweise unabhängig von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 [X.] neben der Leistung nach der Nummer 6100 Anlage 1 [X.] berechnet werden.

Allerdings hat der Verordnungsgeber es in der Hand, auch Leistungen gesondert zu beschreiben und damit auch ihre Abrechenbarkeit zu regeln, die in einem so engen Zusammenhang zu einer anderen gebührenrechtlich definierten Leistung stehen, dass man ihre Selbstständigkeit in Frage stellen könnte. Er kann desgleichen positiv bestimmen, dass Leistungen neben einer anderen Leistung abgerechnet werden können, obwohl sie "an sich" von dieser bereits erfasst werden. Der Verordnungsgeber ist damit auch im Fall kieferorthopädischer Leistungen frei darin, zusätzlich zu einer Gebühr, die einen Oberbegriff von behandlungstechnischen Leistungen abbildet, auch noch einzelne dieser Leistungen daneben zur Abrechnung zu stellen. Insoweit liegt dann ein Regelungszusammenhang vor, in dem sich weder Fragen der Selbstständigkeit der Leistung noch solche nach der Reichweite des Zielleistungsprinzips stellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2021 - 5 C 7.19 - Rn. 29, zur [X.] in der Entscheidungssammlung vorgesehen, unter Verweis auf [X.], Urteil vom 21. Januar 2010 - [X.]/09 - NJW-RR 2010, 1355 Rn. 7).

Eine solche abrechnungstechnische Verselbstständigung lässt sich für die Nummer 2197 Anlage 1 [X.] im Verhältnis zur Eingliederung eines [X.] nach der Nummer 6100 Anlage 1 [X.] indes nicht feststellen. Sie würde eine Ausnahme von dem [X.] nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 [X.] und damit dem Prinzip darstellen, dass Voraussetzung der Berechenbarkeit zahnärztlicher Leistungen ihre Selbstständigkeit ist. Eine Abweichung von diesem normativen Grundsatz setzt eine hinreichend deutlich erkennbare Regelungsabsicht des Verordnungsgebers voraus. Eine solche lässt sich im Wege der Auslegung der hier in Rede stehenden Normen nicht feststellen.

aa) Dem Wortlaut der Nummer 2197 Anlage 1 [X.] lässt sich eine derartige Absicht des Verordnungsgebers nicht in der erforderlichen eindeutigen Weise entnehmen. Insbesondere enthält die Aufzählung im Klammerzusatz des [X.]es, der zum Ausdruck bringen soll, für welche Werkstücke eine adhäsive Befestigung zur Anwendung kommen kann, keinen Hinweis auf das hier in Rede stehende Bracket. [X.] kann angenommen werden, dass eine Einbeziehung von [X.] nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden ist, weil der unspezifische Zusatz "etc." einerseits den bloß beispielhaften Charakter der Aufzählung verdeutlicht und andererseits weitere etwa einzubeziehende Werkstücke nicht im Sinne der Regelbeispieltechnik auf eine qualitative wertungsmäßige Vergleichbarkeit beschränkt.

bb) Auch systematische Argumente sprechen nicht dafür, eine Berechenbarkeit der Leistung nach der Nummer 2197 Anlage 1 [X.] neben der Nummer 6100 Anlage 1 [X.], deren Wortlaut keine Aussage über das Verhältnis zur Nummer 2197 Anlage 1 [X.] enthält, anzunehmen. Richtig ist zwar, dass allein die Stellung der Nummer 2197 Anlage 1 [X.] außerhalb des Abschnitts G (Kieferorthopädische Leistungen) des Gebührenverzeichnisses der Annahme einer abrechnungstechnischen Verselbstständigung im Verhältnis zu dort aufgeführten Leistungen nicht entgegensteht. Zugleich verdeutlicht aber die sich aus einem Umkehrschluss aus der Regelung in Absatz 4 der [X.] in der Nummer 6080 Anlage 1 [X.] ergebende Berechenbarkeit der Nummern 6090 bis 6180 Anlage 1 [X.] neben den Nummern 6030 bis 6080 Anlage 1 [X.], obwohl sie inhaltlich von diesen umfasst sind (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2021 - 5 C 7.19 - Rn. 28 f., zur [X.] in der Entscheidungssammlung vorgesehen), dass dem Verordnungsgeber die Notwendigkeit einer hinreichend eindeutigen normativen Klarstellung einer Ausnahme vom [X.] bewusst war.

cc) Schließlich entspricht es auch dem Sinn und Zweck der [X.] eingefügten Nummer 2197 Anlage 1 [X.] nicht, sie neben der Nummer 6100 Anlage 1 für berechnungsfähig zu halten, obwohl die Anwendung der [X.] bereits Leistungsinhalt dieser [X.] ist.

Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Nummer 2197 nach dem Willen des Verordnungsgebers den Mehraufwand für eine adhäsive Befestigung abgelten soll ([X.]. 566/11, [X.]4). Sie beinhaltet ihrer Struktur nach zunächst keine Vergütung für ein bestimmtes Behandlungsziel oder eine Behandlungsmethode, sondern allenfalls einen Teilaspekt davon, nämlich die Verwendung einer bestimmten Befestigungstechnik. Dem entspricht es von vornherein, dass sie nicht für sich genommen zur Abrechnung gelangt, sondern immer nur zusammen mit einer anderen [X.], die das zu befestigende Werkstück und seine Einbringung regelt (vgl. [X.], Urteil vom 29. Juni 2016 - 2 A 10634/15 - juris Rn. 55). Insofern handelt es sich bei ihr um eine Art unselbstständiger Zusatzvergütung, die für ein bestimmtes zahnärztliches Vorgehen mit einem höheren Aufwand (allein) im Zusammenhang mit einer anderen Leistung als der nach Nummer 2197 Anlage 1 [X.] gewährt werden soll. Der Mehraufwand, der dem Verordnungsgeber erkennbar insoweit vor Augen stand, ist der Mehraufwand, der bei der Erbringung der (anderen) zahnärztlichen Leistung in Bezug auf die Befestigung mit [X.] im Vergleich zu einer alternativen Leistung, nämlich einer Erbringung ohne Befestigung in [X.] entsteht. Er differenziert dabei auch nicht zwischen der Dentin-[X.] einerseits und der Schmelz-[X.] andererseits (vgl. [X.]. 566/11, [X.]4).

Gleichwohl ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber einen solchen Mehraufwand für die Anwendung der [X.] auch in den Fällen über den Ansatz der Nummer 2197 Anlage 1 [X.] für berechnungsfähig gehalten hat, in denen die [X.] - wie hier im Fall der Nummer 6100 Anlage 1 [X.] - als methodische Variation bereits in die Leistungsbeschreibung eines anderen [X.] aufgenommen worden ist. Hierfür gibt insbesondere die Verordnungsbegründung keinen Hinweis.

3. [X.] folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

5 C 11/19

05.03.2021

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 5. Juli 2019, Az: 2 A 301/17, Urteil

§ 17 Abs 2 S 1 GVG, § 4 Abs 2 S 2 GOZ 1987, § 4 Abs 3 GOZ 1987, § 4 Abs 4 GOZ 1987

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 05.03.2021, Az. 5 C 11/19 (REWIS RS 2021, 8144)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8144

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